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02-Abendausgabe Leipziger Tageblatt und Handelszeitung : 09.11.1910
- Titel
- 02-Abendausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1910-11-09
- Sprache
- Deutsch
- Vorlage
- SLUB Dresden
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id84535308X-19101109024
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id84535308X-1910110902
- OAI
- oai:de:slub-dresden:db:id-84535308X-1910110902
- Sammlungen
- Zeitungen
- Saxonica
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
-
Zeitung
Leipziger Tageblatt und Handelszeitung
-
Jahr
1910
-
Monat
1910-11
- Tag 1910-11-09
-
Monat
1910-11
-
Jahr
1910
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Bezugö-Prei» fckr Lckpßig »av durch „ßW, lrtg« und Spedtiru« 2»«l tlaltch tu« Hau« gedrachi: vv nonaU., 2.70 dierteitthri Bet unter» ftilialen ». An» nuh»>esr»ü«n abgeholir 78 H »onatl.. r.rs vierttljLhrl. Durch dir Vvk: tinerdald Druitchland« ui^d der denttchra Kolonien vierteliLhri. tt.tttt ^c, mormtl. austchl. Postdrstellgeld. ferner in Belgien, TLnemark, den Tonausiaaten. Ilalleu. Luremdurg, Niederlande, Nor wegen. Oesterreich-Ungarn, Rußland, Schweden, Schweiz u. Spanien. In allen übrigen Staaten nur direkt durch di» «etchchttuelle de« «laue» erbLulich. Da» Leipziger Lagedlan erlcherni 2 mal täglich, Sonn. u. Fei erlag» nur morgen«. Ldonne-enl-Annadme: Luguftu-platz 8, dei unteren Trägern, Filialen, Spedileuren und Annahmestellen, sowie Postämtern und «riet träger». Et»g«l»erkaut«pretr der Morgen- «itlgLd« der illbeud^utgab« S Abend Ausgabe. KWigcr Tageblatt Handelszeitung. Ämtsbkalt des Rates und des Nokizeiamtes der Ltadt Leipzig. Lazeigeu-Prei» B» SichMM» m>» i»w« au« dS -^»alim>, »0 m» drett» Brützeil» L dl» 74 nun d«tte «ekla u>«zelle i »«« «-»w4a» äv »t«flamen LTV Antern» ».n «eddrde» -» «miliche» teil dl« 74 Niro drrtt, VeNie-Ui «v Getchätt»auzriae« mn P ag^richriir»» »M t» »er >denda»«a»d« iw Preu« ersäht. Radau nach taut, «eilagegedihr » ^» p. Taateiid eztl. Postgebühr. Hekrrtell» «»Imine Ivanen Nicht znrttck- -«joge» werde», gik de« ä scheine» »a bestimmien Lage» »»o Pltge» wird lern« idaraau» übernommen dw^rötliche» gilurle» lU^ülleo Lna^cew- ttrpedUlooen de« I». und Lulla»»««. Medakrlo» und lNetchakrHüetei Aodan»i«gast« er ^r»»r«deri i«««. l4«t», 14«». P»»»t-Stltal« Lreldem koestrad- 4,1 (Telephon «kLüst Nr. 309. Mittwoch, üen S. Nooemder ISIS. IV4. Jahrgang. Der lckmarz-dlaue Stock in Sscklen. Den Konservativen ergcht's jetzt allenthalben herz lich schlecht. Die krampfhaften Bemühungen, ihre selbstverschuldete Notlage zu verbessern, scheitern an der Unfähigkeit ihrer Parteioertreter oder noch mehr infolge der bekannten Tücke des Objekts. Die Tat sache des Bestehens eines schwarz-blauen Blocks wird mit besonderer stolzer Emphase gerade von den sächsischen Konservativen ge leugnet, aber gerade einem der Ihren blieb es Vorbe halten, eben für diese Tatsache einen neuen bündigen Beweis zu liefern. Wir berichteten bereits, daß in der am Montag abgehaltenen Wählerversammlung in Löbau dem nationalliberalen Reichstagsabge ordneten Dr. Weber stürmische Zustimmung zuteil wurde, und daß anderseits der Vorsitzende des Kon servativen Vereins für den 2. sächsischen Reichs tagswahlkreis, Herr v. N o st i tz - W a l l w i tz seine Ansicht über die „nationale Gefahr" Weber mit der Verlesung eines Briefes begründete, den ausgerech net der Zentrumsabgeordnete Müller- Fulda an seinen konservativen Blockfreund geschrie ben hatte. Der sächsische nationale Liberalismus kann es Herrn von Nostitz-Wallwitz wahrhaftig nie genug danken, daß er ihm so außerordentlich wert volles Wahlkampfmaterial liefert. Auch die „Sächs. Natl. Korr." greift mit Recht sofort das Sympto matische dieses Vorfalles auf und schreibt: „Herr von Nostitz-Wallwitz hat der konser- oativenSachein Sachsen durch die Heranziehung des Herrn Müller-Fulda zweifellos einen guten Dienst getan. In gar mancher Rede, die während der beiden letzten Landtagswahlkämpfe gehalten wurde, wurde versichert, daß der „schwarz-blaue Block" ein von den Liberalen erfundenes Phantasie gebilde sei. Nun ist von liberaler Seite nie be hauptet worden, daß man sich unter diesem schwarz blauen Block ein förmliches Kartell oder einen ge schriebenen und versiegelten Vertrag auf Gedeih und Verderb vorzustellen habe; dieser Uebertreibung wurde ausdrücklich entgegengetreten und die in diesem Sinne gehaltenen Versicherungen der konservativen Blätter waren also herzlich überflüssig. Wenn es sich aber auch nur um ein „zufälliges Verhältnis" handelte, so ist die Neuigkeit aus Löbau ungemein lehrreich. Ein Zentrumsabgeordneter be gutachtet in einem Briefe an den Herrn v. Nostitz- Wallwitz die Aufstellung der Kandidaten in dem 2. sächsischen Wahlkreise und fällt sein Urteil zugunsten des konser vativen Herrn Förster, der ihm entschieden lieber ist als der seitherige Abgeordnete Dr. Weber. Wir zweifeln nicht, daß auch andere Zentrumsab geordnete, wie z. B. Herr Erzberger, auf Wunsch bereit sein werden, der sächsischen konservativen Partei leitung noch mehrere solcher Gutachten zu liefern. Sie braucht diese Gutachten dann nur in den ge- lesensten Blättern Sachsens zu veröffentlichen, und der Erfolg wird bei den Reichstagswahlen erstaun lich sein." Für den sächsischen Liberalismus schafft der lehr reiche Brief aus dem Weserlande jedenfalls immer mehr Klarheit darüber, daß die Parole für den nächsten Reichstagwahlkampf trotz allem Sammlungs gejammer gewisser Kreise nur heißen kann: Ebenso scharf gegen rechts wie gegen links und einig untereinander! Die StrslprazetzkommiMon setzte am Montag in einer Abendsitzung zunächst die Beratung über den 8 267 fort. Nach dem Entwürfe soll nur das Protokoll beweisen, daß die gesetz lichen Vorschriften bei der Hauptverhandlung ge wahrt sind. Gegen seinen Inhalt soll nur der Be weis der Fälschung zulässig sein. Gegen diese Bestimmung wendet sich ein Antrag, der den Beweis der Unrichtigkeit in dem allgemeinen objeltiven Sinne zulassen will. Es wurde betont, daß dieser Antrag früher im Reichstage bei allen Parteien Zustimmung und Annahme gefunden hat. Auf der anderen Seite verwies man auf die ganz veränderte Rechtslage; namentlich habe man durch das Berichtigungsversahren besondere Garan tien für das Zustandekommen des Prolokolles ge schaffen, die den Antrag überflüssig erscheinen ließen. Der Antrag wurde schließlich adgelehnt. Ferner wurde zum 8 267 ein Zusatz mit folgendem Wort laute beantragt: „Ueber die rechtskräftigen Ver urteilungen werden Strafregister nach näherer Anordnung des Bundesrats geführt. Aus dem Strafregister sind die Vermerke über Personen zu entfernen, welche nach den der Registerbehörde zu gekommenen Strafnachrichten seit der Verbüßung ober dem Erlasse ihrer letzten Strafe sich zehn Jahre lang straflos geführt haben. Der An trag fand allseitig sympathische Aufnahme, hatte aber in seiner Fassung so große Bedenken, daß die weitere Beratung verschoben wurde. Das zweite Buch über das Verfahren in erster Instanz wurde im übrigen erledigt, ohne daß an den Beschlüssen erster Lesung etwas geändert wurde. 2n der heutigen Sitzung wurde zunächst das dritte Buch durchberaten, das in den 88 361 bis 363 die Bestimmungen über die Rechts mittel und die Wiederaufnahme enthält. Zum 8 301 wollte ein Antrag folgende Bestimmung hinzufügen: „Dienstliche Anweisungen der Staats anwaltschaft, welche die Einlegung eines Rechts mittels ohne Rücksicht auf die Lage des ein zelnen Falles im voraus ordnen, sind unzu lässig." Man fand diesen Antrag in seiner Fassung so bedenklich, daß er trotz Aenderuna einzelner Worte ab gelehnt wurde. Auch im übrigen wurden sämtliche zum dritten Buche in sachlicher Hinsicht gestellten Anträge abgelehnt und die Regierungsvorlage bzw. die Beschlüsse erster Lesung durchweg aufrechterhalten. So wollte ein Antrag das Berufungsrecht der Staatsanwaltschaft beseitigen oder auf die Voraussetzung neuer Tat sachen oder Beweismittel oder Gesetzeswidrigkeit des Urteils beschränken; und ein anderer Antrag wollte die Möglichkeit geben, daß bei Aufhebung eines Urteils zu Gunsten des Angeklagten die Berufung nachträglich auch für Mitangeklagte angenommen wird, auch wenn sie das Urteil nicht angefochten hatten. Ebenso wurde eine Reihe sozialdemokra tischer Anträge zu den Revisionsgründen abgelehnt. Dagegen wurde die Strafprozeßorbnung in sprach licher Hinsicht geändert, indem ein Kommissions beschluß statt des Wortes Revision das deutsche Wort Nechtsrüge einführte. Das vierte Buch behandelt besondere Arten des Verfahrens. Die Beratung des Abschnitts über das Verfahren gegen Jugendliche konnte in der Sitzung noch nicht zu Ende geführt werden. Auch hierzu lag wieder eine Reihe von Anträgen vor. U. a. wurde die Einfügung folgender neuen Be stimmung beantragt- „Darüber, ob gegen einen Jugendlichen öffentliche Klage zu erheben ist, hat die Vormundschastsbehörde zu entscheiden. Sie entscheidet in der Besetzung dt. ch ihren Vor sitzenden und vier Waisenratsmitglieder, unter denen sich eine Frau befinden soll. Die Dor- mundschastsbehörde hat die Frage, ob öffent liche Klage zu erheben ist, zu verneinen, wenn die Verfehlung geringfügig ist oder wenn Erziehungs- oder Besserungsmatzregeln nach ihrer Ansicht geeigneter als eine Bestrafung sind oder wenn die sozialen Verhältnisse, in denen der Jugendliche lebt, oder andere Gründe die Tat entschuldbar erscheinen lasten. Vor der Ent scheidung in der Sache ist der Jugendliche von dem Kollegium zu vernehmen. Hierbei ist sein gesetzlicher Vertreter zuzuziehen. Handelt es sich um eine Ueber- tretung oder um eine geringfügige Sache, so darf die Frage, ob die Anklage zu erheben ist, nur bejaht werden, wenn von dem Jugendlichen eine ähnliche Handlung in dem der Tat voraufgegangenen Jahre bereits schon einmal begangen ist." Die Bedenken gegen diesen Antrag sind schon tn erster Lesung ausführlich behandelt. Die Kommission konnte sich auch jetzt nicht überzeugen, daß die Ein schiebung der Dor mundschaftsbehörde ein gangbarer Weg sei. Die Beratung gedieh bis 8 368, bei dem in redaktioneller Folge des zu 8 23 des Ee- richtsoerfastungsgesetzes gefaßten Beschlusses die Re? gierungsvorlage wiederhergestellt wurde. palitilcke Nachrichten. Besuch des Deutschen Kaiser» in Petersburg Kaiser Wilhelm erhielt nach einer Blättermel dung eine persönliche Einladung des Zaren zum Besuch nach Petersburg. Die Kaiserreise ist für April 1911 vorgesehen. Zur Reise de» Kronprinzenpaare». Berlin, S. November. (Tel.) An Bord des Reichspostdampsers „Prinz Ludwig" vom Nord deutschen Lloyd. — Am 8. November durch Funken spruch über Port Said. — Bei der heute nach mittag erfolgten Abreise von Port Said paradierten das deutsche Kriegsschiff „Hertha" und das österreichisch-ungarische Kriegsschiff „Kaiserin Elisabeth". Die Besatzungen brachten drei Hurras aus. Abends hat „Prinz Ludwig" bei Suez die Dampfer des Norddeutschen Lloyds „Scharnhorst" und „Prinz Eitel Friedrich" passiert. Von beiden Schiffen wurde „Prinz Ludwig" mit der National hymne und Hurrarufen begrüßt. Der Kronprinz wünschte beiden Schiffen durch ein Nachtsignal glück liche Heimkehr. Er herrscht angenehme, nicht zu heiße Temperatur. Die Streikunruhen in Wale ¬ haben jetzt einen sehr ernsten Charalter angenommen. Bei den Zusammenstößen gab es Hunderte von Ver letzten. Da die Polizeibeamten anscheinend die Herr schaft über die Aufständischen vollständig verloren haben, wird jetzt Militär in das Gebiet der Unruhen entsandt. Der Minister des Innern Churchill will unter den Bedingungen, daß die Ausschreitungen sofort aufhören, mit Vertretern der Bergarbeiter Dienstag nachmittag tn Unterhandlungen treten. Ueber die Lage liegen folgende Meldungen vor: London, 9. November. lTel.) Im Laufe des gestrigen Abends begingen die Ausständigen auch in den Orten Tonypandy und Aberaman mehrfach Ausschreitungen. In Tonypandy wurden zahl reiche Läden geplündert und Fensterscheiben ein geworfen. Der angerichtete Schaden ist groß. Es kam zu heftigen Zusammenstößen mit der Polizei, wobei es auf beiden Seiten zahlreiche Verwundungen gab. In Pontyprida, wo sich die Unruhen wiederholten, ist eine Schwadron Kavallerie eingetroffen; eine zweite wird heute folgen. Außerdem find dort vorgestern abend 270 Polizeibeamte aus London eingptroffen, die sich unverzüglich nach Tonypandy und Aberaman weiterbegaben. Gestern vormittag wurden weitere 200 dort erwartet. London, 9 November. lTel.) Nach Meldungen aus Cardiff find bei den Unruhen im Kohlen bergwerksgebiet Glamorgan wenigstens hundert Personen verletzt worden. Unter den Verletzten befinden sich zwei Journalisten; der eine von ihnen wurde von einem Stein getroffen, den ein Arbeiter mit den Worten auf ihn geschleudert hatte: „Wir brauchen keine Fremden!" Er wurde schwer am Kopfe verletzt. Während die Polizei den Wohnsitz des Bergwerksdirektors in der Nachbarschaft der Stadt Tonqpandy zu schützen be müht war, war der Mob geraume Zeit Herr von Tonypandy und durchzog in Trupps die Straßen, zertrümmerte die Ladenfenster und warf die Waren auf die Straße, so daß die Stadt aussah, als sei sie beschossen und geplündert worden. Ein Polizeibeamter von Tonypandy, der schwer ver letzt worden war, ist seinen Wunden erlegen. Aus Cardiff werden Truppen erwartet. London, 8. November. lTel.) Der Minister des Innern Churchill hat an die Bergarbeiter von Süd wales ein Schreiben gerichtet, tn dem es heißt: Ihre besten Freunde in London seien sehr betrübt über die Unruhen, die ausgebrochen seien, und wollten ihr Bestes daran wenden, den Bergleuten zu helfen. Ein Vertreter des Handelsamtes wünsche heute nachmittag mit den Vertretern der Berg leute zusammenzukommen. Aber die Unruhen müßten sofort aufhören, so daß die Untersuchung nicht beeinflußt werde. Ich Vertrauen auf den ge- sunden Sinn der Bergleute halte er die Soldaten vorläufig zurück und sende an ihrer Stelle nur Polizeimannschaften. Die amerikanische« Wahle« die am Montag stattfanden, werden nach den vor liegenden Wahlresultaten wahrscheinlich eine demo kratische Mehrheit im Kongreß ergeben: New York, 9. November. (Tel.) Nach einer Mel- Späte Gerechtigkeit. 10) Roman von Wilhelm Schwedler. (Nacht,ruck erholen.) Nur einmal schien es, als ob dennoch eine Ueber- raschung für di« elegante Welt im Anzuge sei. Als die Zeugin Jane Drxon dem Angeschuldigten gegen über gestellt wurde, fragte ihn der Coroner, ob er nicht — vorausgesetzt, daß er sich unschuldig fühle — einen bestimmten Anhalt dafür habe, daß das junge Mädchen die Täterin sei. Mit der Antwort auf diese Frage zögert« Bartlett einige Sekunden. Aller dings hatte er im Innersten seines Herzens den schreck lichen Verdacht aber er konnte ihn nicht beweisen, und ein bloßes Ja ohne irgend welche handgreiflichen Belege für sein« Behauptung konnte ihm nur schaden, es hätte wie die letzte Ausflucht eines verzweifelten Verbrechers ausgesehen, der ander« beschuldigt, um sich zu retten und außerdem — und das war der ausschlaggebende Grund — fürchtete er, Jane auf das äußerste zu reizen. „Wenn sie noch einen Funken von Zuneigung verspürt" sagt« er sich im stillen, „so wäre es frevelhafter Leichtsinn, in diesem gefährlichen Augenblick ihn durch eine haltlose Beschuldigung zu ertöten." Deshalb antwortet« er nur: ,Hch habe keinen Beweis für diesen Verdacht." Der Kronanwalt merkte wohl, daß hier nicht alles in Ordnung war, und er fragte deshalb rücksichtslos weiter: „Haben Sie die Zeugin in jener Nacht im Haufe oder Garten des Ermordeten oder überhaupt auf dem Grundstück Ihres Schwiegervaters gesehen?" Wieder zögert« Bartlett mit der Antwort. Schließlich sagte er vorsichtig: „Ich glaubte sie gesehen zu haben, aber es ist nicht ausgeschloffen, daß ich mich in der Aufregung täuschte." Der Kronanwalt hätte wohl auf diese Antwort hin auf das Zugeben der vor handen gewesenen Aufregung den Beschuldigten tn die Enae treioen können, aber er fühlte sich wiederum nicht berufen, dem öffentlichen Ankläger vorzu greifen, und fragt« deshalb nur: „Wollen Sie sich nicht näher erklären?" Worauf James kopfschüttelnd erwiderte: „Ich werde vielleicht bei der Hauptver handlung aussagen." Da das englisch« Gesetz den Beschuldigten dies« Freibeit gewährt, mußte sich der Beamte damit be scheiden und erklärte dar Verhör für beendet. Er wies in seiner Rechtsbelehrung an die Geschworenen darauf hin, daß James Bartlett zugegeben habe, daß das von der Polizei beschlagnahmte Jagdgewehr ihm gehöre, daß er ferner nicht in Abrede stellen könne, dag er unmittelbar nach jenem schrecklichen EreigN's die Flucht ergriffen hatte, und zwar unter höchst mißlichen begleitenden Umständen. Obwohl nun die Sachverständigen und auch die Polizei nicht mit Be stimmtheit behaupten könnten, daß der verhängnis volle Schuß tatsächlich aus dem beschlagnahmten Jagdgewehr stamme, läge doch der Verdacht außer ordentlich nahe, und er stelle daher den Antrag, gegen den Verhafteten ein Verdikt zu fällen, dahingehend, daß er den Tod des Malers Fred Romney durch Er schießen verursacht habe, während er ihnen anheim gebe, nach bestem Gewissen die Frage zu beantworten, ob die Tat auf Mord, Totschlag oder Unglücksfall zurückzuführen sei. Gegen die Zeugin Jane Dixon stellte er, da selbst der Verhaftete so gut wie nichts gegen sie oorzubringen gewußt habe, keinen Antrag. Die sechs Geschworenen machten aber diesmal gründlichere Arbeit, als selbst der Coroner erwartet hatte, denn sie erschienen in kurzer Zeit wieder im Saale, und der Obmann verkündigte ein einstimmiges Verdikt, das lautet auf Mord gegen den Verhafteten James Bartlett. Jane Diron verließ den Gerichtssaal ohne einen Flecken auf ihrem guten Namen mit einem trium phierenden Blick auf die übrigen Zeugen und ihren ehemaligen Geliebten. Er betrachtete sich jedoch durchaus nicht als völlig verloren, und sein Anwalt sowie Harry Marks be lebten seine Hoffnung immer wieder von neuem. Was ihn am schwersten bedrückte, war der Umstand, daß er selbst nicht absolut sicher war, ob nicht die Waffe, die er in einem Augenblicke der Verzweiflung ergriffen und die sich wider seinen Willen entladen hatte, dennoch die Ursache des Tode» jenes Mannes war, der bei Lebzeiten freilich nicht sein Freund, aber doch ein edler und von ihm selbst hochgeschätzter Mensch gewesen. Aber gerade hierauf stützte sich der Verteidiger, denn wenn die Geschworenen der Dar- stellung des Angeklagten, die durchaus wahrscheinlich klang, Glauben schenkten, so mußte di« Anklage auf Mord fallen und an ihre Stelle fahrlässige Tötung treten, ja es war sogar möglich, daß bei der Haupt verhandlung die Geschworenen zu der Ansicht kamen, der Tod Fred Romneys sei durch einen Unglücksfall herbeigeführt worden. Diese Theorie wurde jedoch abermals stark in Frage gestellt, als durch ein sensationelles Ereignis der ganze Prozeß eine neue Wendung erhielt. Es war etwa drei Wochen nach der schrecklichen Nacht, als der alte Romney eines Morgens unter seinen Briefen ein Kuvert fand, das mit offenbar ganz verstellter, kaum leserlicher Schrift adressiert war. — Ohne viel Interesse, in dem Glauben, daß es sich um irgendeine Bettelei oder einen Drohungsversuch handle, wie die Zeugen in sensationellen Prozessen sie stets erhalten, öffnete er den Umschlag und wollt« eben mechanisch das ganze Schriftstück beiseite werfen, als sein Auge auf folgende Zellen fiel, deren Züge der Handschrift seiner Tochter stark ähnelten: „Komme sofort, ehe es zu spät ist/ Darunter stand eine Adresse, die dem Alten völlig unbekannt war. Er schlug das Adreßbuch auf, fand aber auch da den Namen der Straße nicht angegeben. Voller Zweifel sah er das Schriftstück an. Er hatte schon so viele Hoffnungen auftauchen und ver schwinden sehen, daß er der Sache wenig Glauben schenkte, aber es war doch nicht ratsam, den Brief, so sehr auch der Verdacht des Betrugs und der Fälschung nahe lag, einfach unbeachtet zu lassen. Er erbat sich des halb telegraphisch den Besuch des Polizei-Inspektors in seinem Revier und ersuchte ferner den Detektiv Harry Marks, wenn möglich sofort zu ihm zu kommen. Der Polizei-Inspektor erschien zuerst, und Romney zeigte ihm den Zettel hin. Nachdem er einen Blick darauf geworfen, jagte er: „Es kommt in diesem Falle vor allem auf Ihre Meinung und Ihr« Inten tionen an. Ich möchte Sie daher zunächst fragen, ob Sie selbst glauben, daß etwas Wahres dabei oder die ganze Sach« nur eine Falle ist, die höchstens auf einen Erpreffungsversuch hinausläuft." „Ich glaub« das letztere", erklärt« Romney ent schieden. „Sie mögen recht haben", fuhr der Inspektor fort. Es ist jedoch selbstverständlich meine Pflicht, der Sache nachzuforschen. Ich werd« sofort den Platz aufsuchen." „Welchen Platz", fragte Romney, „ich hab« die Straße nicht im Adreßbuch gefunden und auch noch nie etwas davon gehört. Das stärkte meinen Verdacht, obwohl ich allerdings sagen muß, daß die Schrift der meiner unglücklichen Tochter ähnlich ist." „Dann werden wir gut tun, der Spur nachzu- gehen", meinte der Beamte, „denn Sie konnten die Straße nicht finden, da sie im Adreßbuch nicht unter diesem Namen eingetragen ist. Diese Bezeichnung ist nur unter einer besonderen Rotte von Leuten üblich, die mir während meiner Dienstzeit im Themsedislritt oft unter die Finger kamen. Den richtigen Namen der Straß« habe ich jetzt selbst vergessen, kenne aber Len Ort sehr wohl. Beim Umgang mit solcher Gesell schaft lernt man auch ihre Sprache." ,Hch würde Vorschlägen, daß wir mit unserer Ex- peditum — ich fahre natürlich mit, obwohl meine Hoffnung nur sehr schwach ist — so lange warten, bis ich erne Antwort von Marks habe. Sie wissen", setzte der Alte hinzu, „daß der vor einiger Zeit für Mr. Bartlett tätig war und deshalb dachte ich, es könnte uns vielleicht doch von Nutzen sein/ Der Inspektor teilte die Abneigung aller Polizei beamten gegen Privatdetektive, aber er erklärte sich bereit, dem Wunsche des alten Herrn Folge zu geben. Er^entfernte sich vorläufig nur, um, wie er sagte, zwei Schutzleuten seiner Station Anweisung zu geben, daß sie ihn an dem Broad Street Terminus erwarten sollten. Tatsächlich setzte er sich mit dem Direktor der City-Polizei in Verbindung, der ihm versprach, so fort einige Beamte zur Beobachtung des in dem Briefe angegebenen Platzes abzuschicken. Er traute nämlich dem Detektiv nicht, sondern hielt es nicht für aus geschlossen, daß dieser entweder mit James Bartlett oder mit dessen Feinden — auf jeden Fall aber mit den Entführern der Tochter Romneys gemeinsames Spiel treibe. Als er zurückkam, erwartet« ihn Marks bereit», und die drei Männer begaben sich sofort auf den Weg. In Broad Street fanden sie die beiden von dem In spektor bestellten Schutzleute vor, und alle fünf be stiegen nun eine derer fliehende Droschke, die sie in wenigen Minuten in die Nähe von Northly Street brachte. In der Hauptstraße stiegen die Männer au» und befahlen dem Kutscher, zu warten, da eine Droschke in jenen Regionen unerwünschte Aufmerk samkeit erregt hätte. Der Polizei-Inspektor und Marks schlugen vor, daß der alte Romney gleichfalls in der Droschke warten sollte, da die Gegend wenig vertrauen erweckend war, aber dieser wollte nichts davon wissen. Schließlich teilt« sich die Gruppe, und der Detektiv un. Romney betraten in Begleitung eines Schutz mannes die Straße von der Nordseite, während der Inspektor sich zunächst versicherte, daß der Hintere Eingang de» Hauses oewacht war, und dann voy der Südseite eintrat. (Fortsetzung folgt.)
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