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01-Frühausgabe Leipziger Tageblatt und Handelszeitung : 07.11.1910
- Titel
- 01-Frühausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1910-11-07
- Sprache
- Deutsch
- Vorlage
- SLUB Dresden
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id84535308X-19101107013
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id84535308X-1910110701
- OAI
- oai:de:slub-dresden:db:id-84535308X-1910110701
- Sammlungen
- Zeitungen
- Saxonica
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
-
Zeitung
Leipziger Tageblatt und Handelszeitung
-
Jahr
1910
-
Monat
1910-11
- Tag 1910-11-07
-
Monat
1910-11
-
Jahr
1910
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Bezugs-Preis ttr Leipzig und Lororl« durch unser» Träger und SpeLiieure 2mal ttglich m» eau« gebracht: v<l cz >«nall., 2.7V,«r diertelijlirl. Bei unlern Filialen u. An nahmestellen abgeholi: 78 »onatl., L.25 vierleljLhrl. Lurch di» Post: innerhalb Deuiichtanbb und der deutlchen Kolonien vierieliiihrU U.ü» monatl. l.2V ausichl. Paftbcstellacld. ferner in Belgien, LLnemarl, den ronaustaatcn, Italien, Luremdurg, Niederlande, Nor wegen, Oesterreich Ungarn, Rußland, Schweden, Schweiz u. Spanien. In allen übrigen Staaten nur direkt durch die lÄeschiil-stelle der Blattes crhLulich. Da« Leipziger Tageblatt erichein« 2 mal täglich, Sonn- u. Feiiriag« nur morgen«. Adonne» eiu-Annaame: Augustusplatz 8» bei unseren Trägern, Filiale», Spediteuren und Annahmestellen, sowie Postämtern und Brieslrtgern. Stn,«l»erkaut»pretr der Morgen- «u«gabe tv -lz, der Abend autgabe 2 -h- Morgen-Ausgabe. WpMer TagrblM Handelszeitung. Amtsblatt des Aales und des Votizeiamtcs der Stadt Leipzig. Linzc.fzen-Pri's« stir Inleraie aus reiv«g nna Uingeou«., d>« 6ge>oaltene SV mm breite Petitieile 2S die 7« waa breite Rcklamezeile I von autwtrti äv ez, Reklamen t.LV Inserate von Behörden m amtlichen Teil die 74 ww breite Petirzeile 40 2Z. Gelchä't?an,e,qen mit P ahvorichriiien und in der A,'«ndau«gade >iu oreiie erholst, blaball nach Lara. Beilagegevüdr ö v. Tauten» exkl. Postgebühr. Festerieilte Auiträge können nicht zurück gezogen werden. ,Zür da« ürlcheinen an bestimmten Tagen und Pläpen wirb lein« Garantie übernommen Anzeigen. Annahme: Augustubplatz 8, bei sämtlichen Ailialen u. allen Annoncen- läzpedltionen de» In- und Auölande«. Tirdaktton und Seschakt-llelle: Iodannisgasje o> Fernsprecher: >4622, 146!». 14624. Haupt Atlial« LreSden: Leestrage 4, 4 zTelepho» 462kl. llr. 307. Montag, ürii 7. Naoemdcr ISIS. 104. Ishrgsng. DSS Wichtigste. * Der Leipziger Verlagsbuchhändler Dr. jur. h. c. Carl Eeibel ist am Sonnabendabend im Alter von 68 Jahren verstorben. (S. Lpzg. Ang.) Der türkische Minist errat hat, wie ver lautet, den deutschen Vertragsentwurf bezüglich der Anleihe genehmigt. (S. Letzte Dep.) * Die Stadt Eisenach stiftete 28 000 Mark zur Umwandlung des Reuter-Hauses in ein Reuter- Nationalmuseum. (S. Feuill.) * Im Weißen Meere ist der holländische Dampfer „Gamma" mit der ganzen Mannschaft unter- gegangen. (S. Letzte Dep.) * Der Ballon „Leipzig" wurde bei der am Sonntag abgehaltenen Verfolgung durch Automobile an seiner Landungsstelle in der Nähe von Keisel - witz bei Leisnig von fünf Automobilen erreicht. (S. Sport.) Same-Rule? Uebcr Sommerferien und Thronwechsel ist Eng lands Vetostreit eingeschlummert. Man sagt, die „gewischte Kommission" der Parteien beider Häuser tage noch. Ein Ergebnis ist jedenfalls noch nicht erreicht, obwohl die Wiedereröffnung des Parlaments nahegerückt ist. Schon wird von einem neuen Auf schubs gesprochen bis nach der Tagung des „Reichs parlamentes", bis nach der Krönung. Da offenbar diese „Frage" ins Stocken geraten ist, so schneiden Englands Politiker eine andere an, die des „Home Rule" für Irland. Aber merkwürdiger weise die Presse beider Parteien. Und noch merkwürdiger ist, daß sich sowohl die Anschauungen als auch der Gegenstand der Frage selbst gewandelr haben. Das wilde Kampfgetön über Gladstones ver schieden geformte beide Gesetzentwürfe, von 1886 und von 1892/93, ist verhallt. Die „Unionisten" haben oufgehört, die Anhänger der irischen Selbstverwal tung Verräter an der Einheit des Vereinigten König reichs zu schelten. Die Frage selbst hat nämlich ein anderes Gesicht dadurch erhalten, daß sie in den Rahmen des um fassenderen Themas von der Umgestaltung der Ver fassung des Ecsamtreichcs einschließlich seiner Kolonien eingespannt wird. Was für das „Ver einigte Königreich" ein Rückschritt wäre aus der strafferen Form, in die es heute gegossen ist, zu einer Art von Personalunion der Reiche, wie sie die Stuart- Zeit noch lange überdauert hat; dasselbe stellte sich als ein gewaltiger Fortschritt dar für das Riesen reich der fünf Erdteile. Wir können es dem patriotisch gesinnten Engländer vollkommen nach fühlen, daß er sich für Irlands Selbstregierung so wenig zu begeistern vermag, wie etwa ein vater ländisch denkender Preuße für einen Sonderlandtag in Posen. Aber in Chamberlains erstrebter Reichs ordnung, wo ein Gesamthaus des Greater Britain über dem Parlamente des Vereinigten Königreichs, über den Parlamenten der Commonwcalthes von Australien und von Südafrika, wie über dem des Dominion of Canada stehen soll, da hätte schließlich auch ein Sonderlandtag Irlands seine Stätte. Wohl zu bemerken sind noch zwei Punkte. Ein mal sieht jeder Engländer, der sich mit dieser Frage befaßt, ein, daß, was den Iren recht wäre, auch den Schotten, vielleicht auch den Wallisern billig sein müßte. Von einem Home-Rule allein für Irland, also gewissermaßen von einer Sondcrprämie für be wiesene staatsfeindliche Gesinnung, ist gar nicht mehr die Rede. Schon Gladstone war übrigens auch dem Gedanken eines schottischen Home-Rule nähergetreten. Die Hauptsache aber ist, daß nicht nur die englischen Liberalen inzwischen von der Uebertreibung abge- konimen sind, das künftige Dubliner Parlament so ziemlich souverän zu machen, sondern daß selbst der Jrenführcr Redmond sich von diesem Ansprüche zurückzuziehen beginnt. Die neuen Neichspläne, mit denen sich jetzt die Unionisten befreunden, und die wahrscheinlich aus Lhamberlainscher Quelle stammen, weisen außer den auswärtigen Angelegenheiten, Len militärischen und Flotteneinrichtungen auch die Ent scheidung über Zollsachen und gewisse sozial politische Gesetze dem künftigen Reichsrate der Kcsamtmonarchie zu, während Kanada bekanntlich heute in Zollfragen völlig souverän ist und von der Neichsregierung nicht einmal Ratschläge entgegen nimmt. Ueber diese Grundsätze hinaus soll nun aber Irland sund natürlich auch Schottland) in allen wirk lich allgemeineren Bcdürfnisfällen des „Vereinigten Königreichs" dem alten Londoner Parlamente, seiner Gesetzgebung und Verwaltungskontrolle unter geordnet bleiben, nicht in die Stellung einrücken, die jetzt das Dominion of Canada gegenüber der Neichsregierung, sondern in die, welche Kanadas zehn Provinzen gegen das Dominion cinnehmen. Ausschließlich die Pflege der tatsächlich bloß provinziellen und lokalen Anforderungen würde den Sonderhäusern von Edinburg und Dublin zu gewiesen und damit zweifellos ein rascheres Arbeiten des Verwaltungsapparates erzielt werden: es würde nicht mehr vorkommen, daß ein Londoner Hafenbau durch sieben lange Jahre vom Zentralparlamente verschleppt wird, einfach aus Zeitmangel! Auch Preußen seufzt ja unter der Last ähnlich zu weit ge triebener Zentralisation: bei jeder Vorortseinver leibung sogar in Kleinstädte Hannovers oder West falens muß der Landtag der Monarchie bemüht werden, statt daß sie in den Provinziallandtagen be Theater unü Konzerte. Leipzig, 7. November Neues Theater. Meyerbeer erscheint bei uns im Laufe des Jahres gemeiniglich nur einmal, und zwar nur mir einer Oper — „doch sag' ich nicht, daß dies ein Fehler sei". Schon lange ist die Sehnsucht ver klungen nach der großen Oper, ihrem weitschichtigcn Apparat und buntscheckigen Flitter. Jene eine Oper sind „Die Hugenotten", die auch gestern wieder ein vielköpfiges und dankbares Sonntagspublikum an gelockt hatten. Doch lasse sich die löbliche Direktion beileibe nicht verleiten, etwa noch andere Meyer- beeriaden abzustauben und ans Licht der Theatersonne zu ziehen. Es würde sich kaum lohnen, und zudem werden anscheinend ohnehin genug Werke in dieser Saison einstudiert, die ein hippokratisches Gesicht zeigen. Die „Hugenotten"-Vorstellung brachte einige Personaloeränderungen. Frl. Bartsch gab die Valentine, also zum ersten Male eine hochdramatische Partie von außergewöhnlichen Ansprüchen, und zog sich gar nicht übel aus der heiklen Affäre. Die Stimme der Sängerin reicht gewiß hier nicht überall aus. Aber die Mittellage und Tiefe zeigten oftmals schöne löne, wennschon dem Gesang dann wieder Elastizität und sinnliche Wärme abgingen. sZum Trost, nicht zur Nachahmung, sei bemerkt, daß zwei der berühm testen Valentinen, die Litvinne und Erandjean in Paris, diese Partie ebenfalls sehr akademisch kalt be handeln.) In mehreren großen Ensemblesätzcn hielt Frl. Bartsch tapfer stand, sah übrigens, vollends im vierten Akt, vorzüglich aus und spielte gerade diese entscheidenden Szenen mit überraschender Natürlich keit. Anfangs der Oper war die Künstlerin wohl durch begreifliche und entschuldbare Nervosität etwas an der Realisierung ihrer Intentionen gehindert. Frl. Merrem hatte als sehr schmucker Page vollste Gelegenheit, die feine Schulung ihrer so hübschen Stimme aufs neue zu beweisen und ließ im ersten Akte die Koloraturen und auch die mehr kantabilen Stellen ihrer Szene zu voller, wirksamster Geltung ge langen. Alle andern Künstler taten zum Gelingen der Vorstellung ihr Bestes und waren von früher schon bekannt. Als Dritter sei noch Herr Kapellmeister Pollak genannt, der alle Verve und allen Schön heitssinn aufwandte, und sich somit in musikalischem Sinne als findiger Anwalt des alten Theaterfuchses Giacomo erwies. Don eklatanter Wirkung war u. a. der kolossale Crescendo-Effekt in der sogenannten Schwerterwcihe, an dem der rechte Flügel des Or chesters „mit Herzen. Mund und Händen", wie s im alten Liede heißt, vollsten Anteil hatte. Gewiß war das ganz in Meyerbeers Sinne gedacht. Aber Herr Pollak müßte dann auch einen stärkeren Chor zur Ver fügung haben. Gestern aber war es, als ob das grimmig auffahrende Orchester den Chor samt der Bühne verschlingen und verschlucken wollte. 8 8. Konzert in der Andreaskirche. Zum Besten der Liebestätigkeit in der Gemeinde fand gestern in der Andreaskirche unter Leitung des Herrn Kantor Otto Lange ein Wohltätigkeitskonzert statt, zu dem ein reichhaltiges, abwechflungsvolles Programm zusam- mcngestcllt und mehrere Solisten zur Mitwirkung ge wonnen waren. Herr Max Ludwig, der sich im Verlauf des Abends auch als tüchtiger Begleiter be währte, spielte eingangs mit großer technischer Sicher heit auf Manual und Pedal die F-Dur Tokkata für Orgel von Bach. Daß er auch als Komponist sehr Beachtenswertes zu leisten vermag, bewies er mit dem von bedeutendem Können zeugenden Chor „Ein Lied zu Gottes Ehr", mit dessm in Vachscher Weise streng selbständiger, konrrapunktischcr Führung der ein zelnen Stimmen das Soloquartett allerdings noch nicht genügend vertraut rpar. Mit viel Flerß hatte Herr Kantor Lange die Chöre einstudiert, nur hatte er sich insofern die Arbeit unnötigerweise etwas er schwert, als er Kompositionen gewühlt, deren darin vorkommcndc Schwierigkeiten der freiwillige Kir chenchor nicht immer siegreich zu überwinden ver mochte, diese Stellen daher an Sicherheit und Jn- tonationsrcinheit zu wünschen übrig ließen.. Ganz ausgezeichnet glückte Mendelssohns gar nicht leicht zu singendes „Ruhetal", wie überhaupt den einzelnen Chören in der Hauptsache eine klangschöne, dynamisch gut ausgearbeitete Wiedergabe zuteil wurde. Rur in Müllers Lhoralkankatc „Herzlich lieb hab ich dich, o Herr" wurde von vorn herein jede Wirkung unter bunden, da die bei der Ausführung der ersten Strophe Beteiligten vollständig auseinander waren.' Die besten Eindrücke hinterließen die Darbietungen der Solisten. Aufs neue erfreute Herr Opernsänger Käse durch seine prächtige Stimme und den be seelten Vortrag. Wie ihm, so gebührt auch Herrn Wal schke für die wohlgelungenen Diolinsoli von Rufer und Tschaikowsky und nicht minder Herrn König, der eine Berceuse für Klarinette von Godard mit schön qesoonnenem Ton und viel Aus druck vortrug, vollste Anerkennung. 6. 8. Orgelkonzert von Paul Gerhardt in der Philippus- kirche lLindenau). Einen der größten Orgelvirtuosen besitzen wir in Paul Gerhardt, dem Orga nisten an der Marienkirche in Zwickau, einen der modernsten Meister des Orgelspiels, erhaben über alle technischen Schwierigkeiten und unerschöpflich in der Mischung der Register. Der Vergleich mit quemer und mit besserem Sachverständnisse erledigt werden könnte! Der Jrenführer Redmond kommt aber den eng lischen Parteien noch ein weiteres Stück entgegen: er ist bereit, in eine Verminderung der irischen Parlamentssitze zu willigen. Irland ist ja das einzige Land Europas, dessen Bevölkerung im 19. Jahrhundert eine erhebliche Abnahme, um etwr <15 Prozent, erfahren hat. Da aber seit 80 Jahren keine Neueinteilung der Wahlkreise statt gesunden hat, so genießt die grüne Insel eine ganz ungeheuerliche Bcoorrechtung in ihrer Vertretung, besonders gegenüber den englischen Großstädten, dem Kohlenbecken Nordcnglands und der Landschaft Wales. Wenn nun eine ähnliche Verschiebung in Preußens Bevölkerung der beharrenden Weltan'^'au- ung zugute kommt, so haben Englands Konservative alle Ursache, sich zu beklagen, da das überwiegend konservative London mit seinen 62 Abgeordneten doch noch hinter einem Zehntel der Parlamcntsi'Ue zurück bleibt, während es fast ein Siebentel der Landes volkszahl in sein Stadtgebiet ausgenommen hat. Die größte Schwierigkeit einer Einigung über die irische Frage wird nach wie vor durch die Rücksicht auf Ulster heroorgerufcn. Diese nordöstliche Land schaft Irlands ist überwiegend von Protestan ten und englandtreuen Männern bewohnt. Sollen diese nun der Majorisierung durch katholi'^e Natio nalisten ausgeliefert werden? Erhalten sie aber einen Sondcrlandtag, oder verbleiben sie im engeren Verbände der engischen Verwaltung, so haftet wieder der Neuordnung jenes nationalistische Ge präge an, welches man durch die anderen Zugeständ nisse glücklich vermieden zu haben glaubte. Würde über diese Schwierigkeit ein Auskunfts mittel entdeckt, so möchte vielleicht die irische Frage jetzt einer schnelleren Lösung entgegengehen als der verwickelte Streit über das Vetorecht des Oberhauses, der übrigens im Gefüge der neuen Reichsordnung ohnehin von selbst einen großen Teil seiner Schärfe verlieren würde. Oeutlches Kelch. Leipzig, 7. November * Ein militärischer Vertrag zwischen Deutschland und Brasilien. Der Kaiser hat die Entsendung deutscher Offiziere nach Brasilien zu militärischen Instruktions-Wecken endgültig genehmigt. Wesent lich von Bedeutung ist, daß Abmachungen zwischen beiden Regierungen getroffen sind, nach denen nur deutsche Offiziere für die brasilianische Armee zur Ausbildung in Betracht kommen können. Es ent spricht dies dem Eegenseitigteitsprinzio, da auch bekanntlich brasilianische Osfiziere in die deutsche Armee zu Studienzwecken eingetreten sind. Die Ent sendung französischer Offiziere, die nach Berichten aus Brasilien dort lebhaft diskutiert wird, findet demnach nicht statt. * Heer und Jugendfürsorge. Schon lange vor den Moabiter Unruhen, an denen, wie erneut bei den Ruhestörungen am Wedding, unverhältnismäßig viel halbwüchsige Burschen beteiligt gewesen sind Haden zwischen verschiedenen preußischen Ministerien Er wägungen darüber staltgesunven. ob die heutige Art der mangelhaften Weitererziehung der schulentlas senen Jugend nicht eine wachsende nationale Gefahr in sich birgt. Den Anstoß zu diesen inzwischen zu greifbaren Vorschlägen gediehenen Beratungen hat die Heeresverwaltung gegeben. Es häufen sich vor- nebmlich in Garnisonen mit Ersatz aus den Industrie gebieten, auch Sachsens und Sütdeutschlands, die militärischen Klagen über die moralische Qualität des Rekrutenmaterials. Schlechter Wille und passive Resistenz erschweren in nicht mehr vereinzelten, auf zielbewußte Beeinflus sung oder sittliche Verwahrlosung zurückzusührenden Füllen die Anfangzstadien der Ausbildung bei einer ganzen Reihe bestimmter Truppenteile in solch steigen dem Maße, daß die verschiedenen Kriegsministerien sich zu scharfer Stellungnahme veranlaßt gesehen haben. Von militärischer Leite wird die obliga torische Fortbildungsschule bis min destens zum 18. Lebensjahre als eine voraus sichtlich ausreichende Lösung des jetzigen Zustandes angesehen, den man als eine ernste Gefahr der Schlag fertigkeit unseres Heeres bezeichnet. Für Preußen sind von den verschiedenen für eine derartige Einrich tung in Frage kommenden Refforts — dem Kultus-, Handels- und Lanowirtschaflsministerium — die Kosten aus etwa 10 bis 12 Millionen Mark veranschlagt worden. Wie bald jedoch diese von sehr hoher Stelle gebilligten Bestrebungen sich zu einer Gesetzesvorlage verdichten werden, steht, schon in Rücksicht auf die Beschaffung der dazu erforderlichen Mittel, noch dahin. * Grau und Blau. Der „Mil.-pol. Korr." wird geschrieben: In interessierten Kreisen wird die Frage erörtert, wie nach der endgültigen Einführung der grauen Felduniform die Uniformverleihung an die Verabschiedeten gehandhabt werden soll. Wenn auch im allgemeinen vom Recht des Uni formtragens von feiten der Inaktiven verhältnis mäßig wenig Gebrauch gemacht wird, und es nicht Usus ist, daß ein verabschiedeter Offizier sich des bunten Rocks am Alltage bedient, so wird doch bei besonders festlicher Gelegenheit gern das alte Waffen kleid hervorgeholt. Im allgemeinen gilt der Grund satz, daß bei Verabschiedung die Uniform desjenigen Regiments erbeten wird, dem der Offizier am längsten angehört hat. Regimentskommandeure erhalten die Uniform des von ihnen geführten Regiments. Gene rale tragen ohne weiteres die Generalsuniform weiter Bei dem nivellierenden Grau der Feld- uyiform, die in wenigen Jahren vollständige Einbür gerung erfahren haben dürfte, wird das Uniform tragen seitens der Inaktiven voraussichtlich noch weniger als jetzt geübt werden. Jedenfalls werden viele alte Offiziere von der Bestimmung Gebrauch machen, die gestattet, daß ein Verabschiedeter das Muster, das bei seinem Abgang ordonnanzmäßig war, weiter tragen darf, so daß er nicht nötig hat, sich die Kosten einer Neuerung auf-gierlegen. Wir werden demnach wohl noch durch Jahrzehnte die Inaktiven als Träger der alten, blauen Tradition unter uns wandeln sehen. * 13. Hauptversammlung der Allgemeinen evan gelisch-lutherischen Konferenz. Der Plan der AUgem. eo.-luth. Konferenz, im Jahre 1911 die 13. Haupt tagung in Upsala in Schweden abzuhaltcn, rückt seiner Verwirklichung näher. Geh. Kirchenrat v. Jhmels unseren Straube liegt nahe; doch ist ein Unterschied zwischen beiden gleich hoch zu bewertenden Meistern. Straube zeichnet schärfer, ist also nach dieser Seite hin etwas konservativer (wenn man so sagen darf). Seine glänzende Registrierung läßt immer den Vir tuosen bewundern. Gerhardt ist an der Orgel nichts als Musiker, der Gedanke an Virtuosität kommt bei ihm nicht auf. Seine Registrierung bevorzugt die zarten Farben. Straube wirkt mehr nach außen, Gerhardt mehr nach innen. Beide aber besitzen aus- gesvrochene Subjektivität in ihrem Vortrag, ebenso sind sie starke Persönlichkeiten. Das gestrige Orgel- konzert brachte als wertvollste Gabe eines der inter essantesten modernen Werke für Orgel, die 5. Sinfonie van Charles Marie Widor. Dankbar für den Spieler, eine Fundgrube für den Musiker, leicht ver ständlich für den Laien, birgt es eine Fülle unmittel. Hi7r wirkender Musik, nützt natürlich die Orgel als Konzertinstrument nach allen Richtungen hin aus und gibt sich in ihrem Charakter vollständig orchestral. Außerdem spielte Gerhardt noch die stimmungsvollen Variationen (Cis-Moll von Bossi, dem größten Orgelkomponisten Italiens), eine Fantasie über „Ein' feste Burg", ein programmatisches Werk, das in seinen drei Teilen den verzweislungsvoll vergeblichen Kampf mit dem bösen Feind, wehmütige Resignation („Mit unserer Macht ist nichts getan") und hosf- nungcfreudigen Aufblick mit begeisterter Sieaes- gcwißbeit („Ein' feste Burg") schildert, und das D-Moll-Konzert von Friedemann Bach, was sich be- kanntli-b neuerdings als Uebertragung eines Kon- zertes für zwei obligate Violinen. Violoncell, Streich- orchcstcr und Continua herausgestellt hat. Die neue Orgel, deren Disposition von Gerhardt aufgestellt ist, erwies sich allen Anforderungen gegenüber als zuver lässig. 8cbl- Erster Kammermusikabend des Sevcik-Quartetts. In unserer Stadt fehlt es wahrlich nicht an Gelegen heit, kammermusikalische Werke in guter, ja ausge zeichneter Ausführung zu hören. Erschien doch gestern innerhalb der letzten beiden Wochen die vierte Ver einigung: das sert mehreren Jahren bestens bekannte Sevcik-Quartett, das sich in seinem ersten der fünf für diese Saison angesetzten Kammcrmusikabende vor einer zahlreichen Zuhörerschaft einen vollen Erfolg erspielte, und somit für die Zukunft das Allerbeste erwarten läßt. Wieder überraschte es durch pein lichste Sauberkeit im Zusammenspiel, das auch bei sehr schnellen, stakkato vorgetragenen Stellen nicht das mindeste an Präzision und Klarheit verlor, und wieder hinterließ ihr rhythmisch scharfes, tempera- ment- und höchst ausdrucksvolles Spiel große und tiefe Eindrücke. Nur der erste Satz des Es-Dur- Streichquartetts Opus 51 von Dvorak berührte weniger. Wie aus einem Gusse, mit voller Klar legung der Gedanken unü feinem Nachcmpfindcn der Gefühle in ihren ve/chiedenen Stärkegraven, wurden die übrigen Sätze vorgetragen. Das gilt auch in vollem Maße von Brahms' F-Moll-Klavierquintett Opus 31, in dem Herr Prozessor Oskar Dachs den Klavierpart ausführte und sich damit als tüch tiger Kammermusikspieler auswies, der nirgends in selbstherrlicher Weise auf Kosten des Gesamtein- oruckes sich vordrängt. Einigemal, besonders im ersten Satz, trat er gar zu bescheiden zurück. Ein etwas kräftigeres Zugreifcn in die Tasten wäre hier stellenweise erwünscht gewesen. Im übrigen aber wurde das Quintett in sehr würdiger Ausführung dargeboten. Ganz besonders wirkungsvoll erklang das Andante und das sehr schwungvoll gespielte, großzügig gestaltete Scherzo. All die Vorzüge im Spiel des Sevcik-Quartetts kamen noch einmal in Beethovens Harfenquartett zu bester Geltung. Mit ihm bot es gestern die in Ausfassung und Auslegung einheitlichste Leistung. Als Dank ward ihm reicher, von Herzen kommender Applaus. O. 8. Die Kenter-Mier in Mensch. Aus Eisenach wird uns untcrm 6. November geschrieben: Dis Stadt Eisenach, die Fritz Neurers letztes Heim, seine letzten irdischen Reste behütet und einen großen Teil seines Nachlasses zu hüten berufen ist, die stolz sein müßte aus die Tatsache, daß er so viele Jahre hier gelebt und der Wart- burgstadt zu neuem Ruhm verholfen, die Stadt Eisenach hat sich an seinem lOOjährigsn Geburts tag äußerlich wenig erkenntlich gezeigt. Nur ab und zu eine Fahne oder ein Fähnchen, sonst alles Grau in Krau des trüben, nebeligen November tages. Nur Reuters Heim am Fuße der Wartburg bringt einige Farbe in die trübe Landschaft. Zahl reiche Fahnen und Flaggen in den ceutschen, sächsi' schen und mecklenburgischen Farben weben vom Dachfirst und den Fahnenmasten de, Säulenvorbau des in römischem Stil erbauten Hauses ist mit Gir landen geschmückt. In der Stad: selbst brachten erst am Vormittag die in vollem Wichs erschienenen Vertreter der Burfchenschaften, die sich im Hotel Zimmermann zur Fahrt nach dem Fcstlokal .Er holung" versammelte, etwas Leben in die Straßen. Gestern abend bereits war die Feier durch eine glanzvolle Illumination der Villa Ne.iter und durch Konzertmusik vor dem Hause eingeleitet worden.
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