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01-Frühausgabe Leipziger Tageblatt und Handelszeitung : 05.11.1910
- Titel
- 01-Frühausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1910-11-05
- Sprache
- Deutsch
- Vorlage
- SLUB Dresden
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id84535308X-19101105018
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id84535308X-1910110501
- OAI
- oai:de:slub-dresden:db:id-84535308X-1910110501
- Sammlungen
- Zeitungen
- Saxonica
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
-
Zeitung
Leipziger Tageblatt und Handelszeitung
-
Jahr
1910
-
Monat
1910-11
- Tag 1910-11-05
-
Monat
1910-11
-
Jahr
1910
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'är Inserate au« iletpst, und Umgebung di« kgewaltene SV mm breite Peiitzeile 2d di« 74 mm breit« «eriame,eUe I »on »»«wärt« av äteNamen l.UV Juserate von Behörde» amtlichen 'teil di« 74 mw drcite Petit,eil« 4V »eschästran,eigen mU P atzvorlchrtliea und la der Adendaurgade im Prelle erhöht, lliabaii nach tarn. Beilage,evühr L ^tz v. Dausen» exkl. Postgedühr. ^esterlellt« Anlttäge können nicht ,urück» gezoge» werden, »für da« Urlcheinen an bestimmten Lagen uno Plätze» wird lein« iöaranti« übernommen. An,eigen-Annahme: Augustudplatz bei sämtlicheu gilialen u. allen Annoncea- Srpebitionen de« In- und Aullande». Rrdakkton und Setchattrsteller Iobannirgaste 8. Fernlvrrcher: I48V2, 14W, I46V4. Haupt-Silial« Lretdeu: Leestratze 4, i (Lelephon 4üüi). Sonnsbrua, üen S. Naormder ISIS. 10-1. Jahrgang. Dss Wichtigste. * Zn Leipzig fanden gestern die Beisitzer- wah len zum Kaufmannsgericht unter sehr großer Beteiligung der Handlungsgehilfen statt. s§. den bes. Art.) » Bischof Dr. Schäfer hat an den Papst ein Schreiben gerichtet, in dem er gegen die gehässigen Verunglimpfungen, die der päpstliche Kämmerer Matthies dem König Friedrich August angetan hat, energischen Protest erhebt. (S. d. bes. Art.) * Aus Anlaß des Zarenbesuchs in Pots dam wurden zahlreiche Auszeichnungen ver liehen Trinksprüche wurden bei dem gestrigen Ealadiner nicht gehalten. (S. Dtschs. R. u. Letzte Dep.) * Die Zustizkommission des Reichs ¬ tage» faßte am Freitag wichtige Beschlüsse über die Einschränkung der Oeffentlichkeit. (S- d- bes. Art.) * Die „Nordd. Allg. Ztg." schreibt: Dem Ver nehmen nach wird kurz vor Zusammentritt des Reichstages der Ausschuß des Bundesrats fürdieauswärtigenAngelegenheitenbei dem Reichskanzler versammelt werden. * Das chinesische Parlament soll in drei Jahren eröffnet werden. (S. Letzte Dep.) * Das Frauenkomite« der Deutschen Bühnen genossenschaft beantragt die Anstellung einer weiblichenVertrauenspersonan jedem Theater. (E. Kunst u. Wissenschaft.) Dss neue Kabinett Srianü. Das Zwischenstück, das sich bei Briands Kammersiege von neulich ankündigte und das jetzt zur Bildung des neuen Kabinetts geführt hat, ist nur zu verstehn, wenn man sich die eine sehr wichtige Tatsache gegenwärtig hält: daß der Wille der überwiegenden Mehrheit des französischen Volkes in der Kammer nicht zum Ausdruck gelangt. Bei der Besprechung der letzten französischen Kammerwahlen haben wir ausführlich von diesem Schlüssel für das Verständnis der französischen Politik gesprochen; diesem Schlüssel, der in der politischen Gleichgültigkeit der Klassen liegt, die so recht eigentlich Frankreich ausmachen. Der französische Bourgeois, dieser nüchterne Geschäftsmann mit dem Kleinbürgerstandpunkt und dem Rentnerideal, gehört fast durchweg zu der üblen Partei der Nichtwähler. Ist diese bei uns schon höchst bedauerlich groß, so ist sie in Frankreich von jeher unheilvoll groß gewesen. So kommt denn nun der Wille der irgendwie radikalen Schreier in den gesetzgebenden Körperschaften zum ziemlich un verfälschten Ausdruck. Das weiß man auch in Frankreich ganz gut, wenn man von dieser Tatsache auch nicht gerade gern spricht. Wir entsinnen uns, vor einigen Jahren in einem Pariser Witzblatt ein kleines Gespräch zwischen einem Stadtherrn und einem Bauern gelesen zu haben. „Wie es scheint, sind Sie jetzt Sozialist, Päre Bonhomme?" „So für den Augenblick, das glaube ich wohl; aber im Grunde, wissen Cie, bleibt man immer Bonapartist." Dieses kleine, scharfgesehene Bildchen erspart spaltenlange Ausführungen. Man ist im Grunde Bonapartist, d. h., man wünscht, stramm regiert zu werden und sich dabei im Glanze der Eloire zu sonnen. Aber das ist tief im Grunde. Das gestattet ruhig, daß man sich auf eine sehr abweichende Weise von den Leuten in Paris regieren läßt. Und für den Augenblick ist man, wenn die Dinge einmal entsprechend liegen, ohne weitere Herz schmerzen Sozialist oder Sozialistisch-Radikaler oder irgend sonst etwas. Ist Briand deshalb gegenwärtig der Mann nach dem Herzen der Durchschnittsfranzosen, so ist er damit noch lange nicht der Mann nach dem Herzen des Durchschnittswählers. Darauf haben sich die verehelichen Kammerdemokraten nach einer anfänglichen Pause der Verblüffung sehr schnell besonnen. Und die Kriegserklä rung eines Teils der radikalen Linken, eines Teils der sozialistisch-radikalen Gruppe ist nur die logische Folge aus dieser Erkenntnis. Die frondierenden Mitglieder der Linken haben dreimal recht. Wenn es gegenwärtig zu Neuwahlen käme, so würden sie aller dings mit ihrer jetzigen Haltung schlecht ab schneiden. Denn derartige Dinge, wie ein Eisen bahnerstreik, die Handel und Wandel auf das empfindlichste stören und angetan sind, den Stand der französischen Rente sinken zu lassen, vermöchten wohl selbst den französischen Nicht wähler auf die Beine zu bringen. Aber bis zu den Wahlen ist es noch sehr lange hin. Bis dahin sind zehn andere Dinge gewesen und vergessen worden, die die Aufmerksamkeit Frankreichs für sich allein be anspruchten. Bis dahin hat man sich längst wieder gewöhnt, die demokratischen Phrasen desto schöner zu finden, je radikaler sie daher kommen, ohne sich etwa noch die Folgen gegen wärtig zu halten, die deren unumschränkte Herr schaft mit sich bringt. Es ist also für die Herren Dissentierenden ohne jede Gefahr, wenn sie sich des lieben alten Kammerspiels der Minister- stürzerei um jeden Preis befleißigen. Wie lange sich unter diesen Umständen das rekonstruierte Kabinett Briand halten wird, kann daher gar nicht gesagt werden. Die Frage nach seiner Dauer ist wieder dem Gebiete der sachlichen Politik entrückt und zur reinen Personalfrage geworden. Wird es gelingen, dem Kabinett bei irgend einer Gelegenheit ein Bein zu stellen? Eine irgendwie zusammen gewürfelte Majorität zu schaffen, die gestatten wird, die Portefeuilles an andere Freunde von Amtswohnungen, Titeln, Gehältern und Regie rungseinfluß zu vergeben, als die sind, die sich gegenwärtig dieser sehr angenehmen Dinge er freuen können? Das ist die Frage der Fragen. Und Herr Briand selbst dürfte mit nicht allzu großer Zuversicht in die Zukunft sehn. Noch weiß man nicht, wie sich seine gesetz lichen Vorschläge im einzelnen ausnehmen werden. Da es sich bei ihnen darum handelt, früher gewährte Freiheiten zurückzunchmen, so werden sich Angriffspunkte die Menge bieten. Punkte, gegen die man sich ereifern kann, ohne deshalb zu sichtlich dem Anschein zu verfallen, man fechte für die Anarchie. Es wird demnach schon schwer genug sein, diese Gesetze durch die parlamentarischen Klippen zu steuern. Gelingt dies aber, so ist ebensowohl möglich, daß da durch Briands Autorität in einer Weise ge stärkt wurde, die seinem Regime noch lange Dauer verheißt. Wie es möglich ist, daß dann seine Mehrheit, nachdem ihre Hauptaufgabe ge löst ist, auseinanderbröckelt, das wird eine Frage psychologischer Momente sein, über die sich gegenwärtig noch nicht das Mindeste aus sagen läßt. Eine üsnkensmerte Tat. Vor einiger Zeit hatte sich der päpstliche Käm merer Dr. von Matt hi es die Frechheit geleistet, in einer angeblich „apologetischen Randglosse" seines Buches: „Wir Katholiken und die — Anderen" dem König von Sachsen Unverschämtheiten zu sagen, wie sie ärger kaum die Sozialdemokratie fertig bringt. Seine dreiste Behauptung, „es wird einst zum Lachen sein, daß ein König, der über noch keine 15 000 Quadratkilometer Boden regiert, dem Papst einen Protestbrief schreibt, „hatte weit über die sächsischen Grenzen hinaus im ganzen Deutschen Reiche, erfreulicherweise auch bei den ver ständigen Katholiken, stürmischen Widerspruch her vorgerufen, weil man in allen dem konfessionellen Frieden geneigten Kreisen die Kundgebung des sächsischen Königs gegen die Borromäus-Enzyklika als eine der Versöhnung förderliche Leistung begrüßt hatte. Man hatte schon längst eine glatte Desavou ierung und eine herbe Zurechtweisung des Herrn von Matthies durch den Papst erwartet, aber der Günstling Roms, der den sächsischen König geschmäht hatte, blieb unbehelligt. Ein paar deutsche Zen- trumsblätter waren zwar wenigstens so höflich, den Ton der „Randglosse" zu tadeln, aber Herr von Mathies suchte mit kindischen Ausflüchten — er habe ja keinen Namen genannt! — die Sache auch noch ins Lächerliche zu ziehen. Das war die zweite Unanständigkeit gegen unsern König, denn für jeden Halbwegs Gebildeten war es ohne Nennung des Fürstennamens klar, daß mit einem Reich von 15000 Quadrat kilometern eben nur Sachsen gemeint sein könnte. Der prächtige päpstliche Schriftsteller hat ja zwar den ominösen Passus aus der zweiten Auslage seines Buches gestrichen, also damit doch zugegeben, daß er sich vergangen hatte, aber aus Rom liegt noch immer keine tadelnde Aeußerung über diesen Mann vor. Da hat sich denn der sächsische Bischof Dr. Alois Schäfer entschloßen, in einem persönlichen Handschreiben an den Papst gegen die gehässigen Verunglimpfungen, die Herr v. Matthies, „wenn auch ohne direkte Namens nennung, so doch mit unzweifelhafter Undeutlichkeit dem König von Sachsen angetan hat", in scharfer Weise Protest zu erheben. Diese Tat des Bischofs Schäfer ist um so höher einzuschätzen, als er sich dem Papste gegenüber in einem starken Abhängigkeitsver- hältnisie befindet. Der Dank des sächsischen Volkes für diese mannhafte Haltung des Bischofs wird allge mein sein und zweifellos von den einsichtsvollen Katholiken nicht minder herzlich dargebracht werden wie von vorurteilslosen Protestanten. Der Protest brief des Bischofs wird wie einst der Protestbrief des Königs auf das gegegenwärtige Verhältnis der beiden Konfessionen in Sachsen von einer nicht zu unterschätzenden guten Wirkung sein. Agrarisches Denunziantentum. Der Hansabund und seine Führer sind, wie sich leicht begreifen läßt, beim Bund der Landwirte sehr schlecht 'angeschrieben. Trotz ihrer bisher kurzen Lebensdauer hat die mächtig emporgeblühte Organi sation von Industrie, Handel, Handwerk und Ge werbe bereits viel Rühmliches geleistet. Da sich der Kampf des Hansabundes vornehmlich gegen wirt schaftspolitische Einseitigkeiten richtet, ist es ganz natürlich, daß die Hauptschläge auf den Bund der Landwirte niederhageln. Dabei ist es eine außer ordentlich weise Beschränkung der Führer des Hansa- bundes, daß sie es grundsätzlich ablehnen, sich in den politischen Kampf zu mischen, während im Gegensatz dazu der Bund der Landwirte grundsätzlich zu jeder rein politischen Frage seine Meinung zum besten geben zu müssen glaubt. Aus diesem Gedanken gang heraus ist es ganz selbstverständlich, daß der Hansa bund als solcher eine direkte Kampfesparolegegen die Sozialdemokratie nicht ausgeben kann, weil er damit seinem obersten Grundsätze untreu würde. Zweifellos werden es aber die Mitglieder des Hansabundes auch ohnedies gegenüber der Sozialdemokratie an der nötigen Entschiedenheit nicht ermangeln laßen. Wenn aber die „Deutsche Tagesztg." eine offizielle Parole des Hansabundes g' g n die Sozialdemokratie fordert, sc sinnt sie damit den. Hansabund eine Satzungswidrigkeit an. Das ist ja eben das Ausgezeichnete am Hansabund, daß er es peinlich vermeidet, die falschen Wege zu be schreiten, auf denen sich mit Behagen der Bund der Landwirte breitmacht. Die Agrarier beginnen bereits — bei der ihnen von nahestehender Seite einst attestierten „geistigen Schwerfälligkeit" ist das immerhin ein Zeichen zu nehmenden Verständnisses — zu spüren, daß ihnen im Hansabund eine sehr ernste Gefahr erwachsen ist. Sie zittern mit Recht vor dem Verlust ihres eminenten Einflußes auf die Regierung, sie fürchten mit gutem Grund, daß durch die rückhaltlose, außerordentlich verdienstliche Aufklärungsarbeit des Hansabundes auch denen Augen und Ohren geöffnet werden, die bislang ge wöhnt waren, das deutsche Volksleben durch die agrarische Brille zu betrachten, und darum scheuen sie in ihrer bekannten rustikalen Rücksichtslosigkeit vor den ärgsten Mitteln, vor der gewöhnlichsten Anschwärzung ihrer Gegner nicht zurück. Die „Deutsche Tagesztg." fährt in geifernder Wut über die Männer her, die als Führer des Hansabundes „für die Taktik der „Neutralität" gegenüber der Sozialdemokratie verantwortlich gemacht werden müßen und dabei wiederholt die Ehre genoßen haben, vom Kaiser freundlicher persönlicher Beachtung gewürdigt zu werden", und leistet sich folgende Frage: „Wie verträgt es sich damit, daß dieselben Männer, die man als Monarchisten dieser Ehre würdigte, mit ihrer ganzen Kraft und ihren großen Geldmitteln eine Politik machen oder fördern, die die festesten Grundlagen der Monarchie untergraben muß." Mit diesen Männer ist in erster Linie Geheimrat Nie her, der Führer des Hansabundes, gemeint, der zum argen Schmerze Dr. Oertels wiederholt vom Kaiser angesprochen worden ist. Dieser höchst verdächtige Mann soll natürlich mißliebig ge macht werden, und dazu ist den erbosten Agrariern eben jedes Mittel recht. Wir sind indes überzeugt, daß die widerwärtige De nunziation genau das Gegenteil bewirken wird; aber wir halten uns für verpflichtet, die schnöde Kampfesweise des Berliner Bündler- organs niedriger zu hängen. Bei der täglich sich mehrenden Sorge vor dem Dahinschwinden des agra rischen Einflußes ist der „Dtsch. Tgsztg." eben jedes Gefühl für anständige Kampfesart völlig verloren gegangen. Der Führer des Hansabundes wird zweifellos, unbeirrt durch das saubere Denunzianten stücklein, den einmal für richtig erkannten Weg weitergehen; er kann dies tun in dem Bewußtsein, die große Mehrheit des deutschen Volkes hinter sich zu Haden. Unterernährung üer lsnülichen Senülkerung. Bei der Streitfrage, ob die Stadt oder das Land den nötigen Bevölkcrunasersatz in Deutschland liefere, hat man sich eine Zeitlang begnügt, das Verhältnis der Zahl der Militärtauglichen in Stadt und Land allein zu berücksichtigen. Nach und nach sind aber doch auch noch andere Momente hinzugekommen, und es ist den Untersuchungen des Deutschen Vereins für ländliche Wohlfahrts- und Heimatspflege gelungen, die öffentliche Aufmerksamkeit auf ein mindestens ebenso wichtiges Thema zu lenken, nämlich auf die Unterernährung der Landbeoölke. rung. Es hat sich herausgestellt, daß die Ernährung der Bauern, des Gesindes und der ländlichen Lohn arbeiter und Handwerker nicht mehr den hygienischen Anforderungen entspricht. Ein auffallender Eiweiß mangel in der jetzigen Ernährung ist dadurch herbei geführt worden, daß der Genuß von Milch zu sehr zurückgetreten ist und daß Nahrungssurrogate wie Kartoffeln und Kaffee einen höchst unzureichenden Er. satz geboten haben. Die Folge davon ist, daß Bleich sucht und andere Krankheiten, die man bisher nur den Städtern zugeschrieben halte, auch auf dem Lande vorgekommen sind. Diese Tatsache gab die Anregung für die Zentralstelle für Volkswohlfahrt und den Deutschen Verein für ländliche Wohlfahrts- und Heimatspflege, an die Staatsregierungen sämtlicher Bundesstaaten das Ersuchen zu richten, eine genaue Erhebung über die Unterernährung auf dem Lande und deren Folgeerscheinungen in die Wege zu leiten. Dieser Anregung sind die Staatsregierungen nach gekommen und die Zentralstelle für Volkswohlsahrt hat in einem stattlichen Bande, der soeben von Carl Heymanns Verlag herausgegeben ist, die Unter suchungen der Ernährung und Lebenskraft der länd lichen Bevölkerung zusammengefaßt. Man kann als Ergebnis feststellen, daß der Milchkonsum in den bäuerlichen und ländlichen Arbeiterfamilien erheblich zurückgeganaen ist, desgleichen der Konsum von Butter. Der Aus fall soll dann durch Brot, Mehl und Kartoffeln ge deckt werden, so daß vielfach aus der kräftigen Er nährung eine Armenkost geworden ist. Diese Aende- rung ist dadurch herbeigeführt worden, daß der Milch- und Butterbedarf der Städte sich von Jahr zu Jahr erhöht hat, und daß die Milchproduktion dieser Kon sumsteigerung nicht so weit gefolgt ist, daß auch der Landwirt das bisherige Quantum zu seiner Ver fügung behielt. Der Milchkonsum der Städte ist von 1890—1900 von 2,9 Milliarden auf 5,1 Milliarden Liter angcwachsen. Die Produktion von Kuh- und Ziegenmilch hat sich zwar bemüht, diesen Bedarf zu decken, aber es ist zugleich mit der Entwicklung der Molkereigenossenschaften der früher so starke Konsum der Milch bei der bäuerlichen Bevölkerung zurück gegangen, und es wird auf den Eiweiß- und Fett mangel eine gehemmte körperliche und geistige Ent wicklung des Landvolkes zurückgeführt. Die gesteigerte Verwendung wenig nahrhafter Kolonialwaren und Genußmittel, der mit der veränderten Ernährung ge steigerte Alkoholmißbrauch, der scheinbare Wohlstand durch die Milcheinnahmen, der aber bei näherem Zusehen durch unzweckmäßige Ausgaben und mangelhafte Wirtschaftsführung sich leicht verflüch tigen kann, bewirken eine Beeinträchtigung der körperlichen Widerstandskraft der Landbevölkerung. So fit die körperliche Auszuchtbedinaunq für die länd liche Jugend zum großen Teil ungünstiger geworden und die Theorie von der Jungbrunnenkraft des Landes für die Armee und für unser ganzes Volk hat damit einen argen Stoß erlitten. Man hat die darin liegende nationale Ge fahr erkannt und sucht ihr durch belehrende Vor träge und andere Maßnahmen zu begegnen. Münd liche Belehrung durch Aerzte, Geistliche, Lehrer und andere Dolksfreunde sollen das Volk oufklären. daß eine Familie nur soviel Milch in eine Molkerei liefern dürfe, als wirklich überflüssige Milch vorhanden ist, damit wenigstens die aufwnchsende Jugend zu ihrer gesunden Ernährung kommt. Ferner hat man ins Auge gefaßt, die Ziegenzucht, die Zucht von Milch kühen, die Errichtung von Milchverkaussaenossen- schaften und die Dcrbeßerung des Milchtransportes zu fördern. Hand in Hand muß natürlich dir hygienische Aufklärung auf dem Lande überhaupt geben, wobei die Kreis- und Landärzte die Führung zu übernehmen haben. Es steht Großes auf dem Sviel, und alle Krärte müßen willkommen geheißen werden, die eine Besserung der unerfreulichen Zustände herbei führen können. Die SiralprazetzkammiMon beendete am Donnerstag die Beratung des Ab schnittes „Voruntersuchung". In dem Abschnitt über die Eröffnung des Hauptoerfahrens hatte die Kommission in der ersten Lesung eine Be stimmung eingesügt, nach der auch in den vor den Amtsgerichten zu verhandelnden Sachen die Anklage schrift dem Angeklagten unter Bestimmung einer Frist mitzuteilen ist, innerhalb deren er Einwendungen er heben und Beweisanträge stellen kann. Diese neue Bestimmung war recht umstritten. Man griff sie an, weil dadurch das Amtsgerichtsverfahren bureaukrati- siert und verzögert würde. Dagegen wurde geltend gemacht, daß dem Amtsgericht durch die neue Straf prozeßordnung eine Reihe von schwereren Delikten überwiesen worden seien, bei deren Verfolgungen für den Angeklagten dieselben Garantien cingeführt wer den müßten, wie in den übrigen Verfahren. Die Ab stimmung ergab eine Mehrheit für die Beseiti gung des Beschlußes erster Lesung. Nach 8 197 der Strafprozessordnung steht der Staatsanwaltschaft die sofortige Beschwerde zu, wenn ein Gericht den Antrag auf Eröffnung des Hauptverfahrens wegen Unzuständigkeit ablehnt. Es war ein Antrag gestellt, dem Angeklagten dasselbe Recht ernzuräumen; die jetzige Fassung wurde jedoch beibehalten. Zum fünften Abschnitt des Buches über das Ver fahren in erster Instanz, der die Vorberei tung der Hauptverhandlung regelt, nahm die Kom- mißron einen Antrag an, wonach mittellosen Angeklagten bei großer Entfernung des Wohn ortes auf ihren Antrag diese Reise zum Gericht durch unentgeltliche Gewährung einer Fayrkarte ermöglicht werden kann. Zum 8 232 im Abschnitt „Hauptverhand lung" lag der Antrag vor, als neuen Absatz die Be stimmung hinzuzufügen: „Die Beweisaufnahme ist auf die sämtlichen vorgeladenen Zeugen und Sach verständigen sowie auf die anderen herbeigeschafften Beweismittel zu erstrecken; von der Erhebung ein zelner Beweise kann jedoch abgesehen werden, wenn die Prozeßbeteiligten hiermit einverstanden sind" — und die Bestimmung zu streichen, daß die Erhebung eines Beweises, falls das Beweismittel zur Stelle ist, nicht deshalb abgelchnt werden kann, weil die unter Beweis gestellte Tatsache für die Entscheidung ohne Bedeutung sei. Von anderer Seite war ein Antrag eingegangcn. der das geltende Recht wieder- Herstellen will. Dieser 8 232 ist einer der wichtigsten der ganzen Prozeßordnung, denn es handelt sich um das Beweisrecht des Angeklagten in der Hauptvcr-
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