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02-Abendausgabe Leipziger Tageblatt und Handelszeitung : 26.10.1910
- Titel
- 02-Abendausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1910-10-26
- Sprache
- Deutsch
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id84535308X-19101026027
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id84535308X-1910102602
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-84535308X-1910102602
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
-
Zeitung
Leipziger Tageblatt und Handelszeitung
-
Jahr
1910
-
Monat
1910-10
- Tag 1910-10-26
-
Monat
1910-10
-
Jahr
1910
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BezugS-Pret» ri. Bei unter» FUial«, u. »», 2>.«»aed»lr, 7» >.« dcettrytdet. t»»«rh»lb Drultchland« und der demttche» N »Ionien »ietteiithrl. 8.«« «ouatl. autlchl. Poftdeftellaeld. Ferner in Belgien, Dtnemort, d«n Donaustaaien, Ilulien, Luiemdurz, Niederluud«, Äior» wegen. Oesierreich-Ungarn, Rußland, Echwede», Schwei» ». Spante». I» «Ile» übrigen Staate» nur direkt durch die »«tchLttLtlell« de» Blatte» erhätUich. Da« Leipziger Tageblatt ertcheint 2 »al täglich, So»»- ». Feicr>»g« mir Margen«, dldonne -atallnnaiM«: vuguNu.platz 8, bei unteren Trägern, Filialen, Lpedileuren u»d Annahmestellen. sowie Poftämrern und Briefträgern. «i»,rlv,rra»f«pr«i« der Morgen, «ulgab« der Abendautgab« S Abend-Ausgabe. MpzMrTWtblaü Handelszeitung. Amtsblatt des Rates und des Rokizeiarrttes der Ltadt Leipzig. Anzeigen-P'rciS tSr Auterai« au» rrwi'g »na .lmgeba», de» 6ge>vattene SO Win breite Peritzeile 2d 4, die 7« nun breite Reklame,eUe I do» autwätt« all Reklame» l.2l) ^g; Iulerai» van Bedbrden « amllichen Teil di« 74 nun breit« Petit,eile 4li »eichä't«anze>aen Mil P atzvortchrittea UN» i» der Avendaurgad« ini breite erpicht. Rabaii nach Larff. Beilagegebübr ö v. Tautenü ex kl. Postgebühr. FesterteUt« klutttäge können nicht zurück gezogen werden. Für da« ltrtcheinr» »u beiUmmtrn Tagen und Plätzen wird leiu» Garantie übernommen «irrigen. Annahme: Auguftu-platz bei sämtlichen Filialen u. allen Annonce»- iLrpebltionen des Zn- und Autlairdet. Redaktlou uub S«schäft»aell«: JobanniSgaste 8. Frrntrrrcher: I4WL I46t», I46V4. Haupt-Filiale Lreäde»: Seestrage 4, b (Telephon 4o2I). Nr. 2S6 Mittwoch, ten 28. vluober lSlv 104. Jahrgang. Der krsnzSMche Eilenbahnerltreik vor üer Oepmiertenksmmer. Wie wir schon im Depeschenteil der heutigen Morgennummer meldeten, wurde die Sitzung der französischen Deputiertenkammer am Dienstag unter großen Tumultszenen eröffnet. Auf der Tagesordnung stand als erster Punkt die Besprechung der 25 an gekündigten Interpellationen über den Eisenbahner streik. Auf das Verlangen des Ministerpräsidenten Briand wurden alle diese Interpellationen vereinigt und zusammen behandelt. Während der Sitzung hielt Briand eine bedeutungsvolle Rede, in der er betonte, er habe Beweise in den Händen, daß die Bewegung von Anarchisten angezettelt worden sei. Deshalb habe die Regierung die schärfsten Maßregeln zur Unterdrückung der Bewegung ergriffen. Er überlasse es indes jedem einzelnen Minister, seine eigene Meinung zu der Frage zu äußern. Aus diesen Worten Briands wird von verschiedenen Seiten heraus gelesen, daß im Ministerium Meinungsverschieden heiten bestehen, di« möglicherweise zu einer Minister krise führen könnten. Uber die Sitzung selbst ist folgendes zu berichten: Zuerst ergriff der Abgeordnete Cuny (Soz.-Rad.) das Wort. Er erklärte die Forderungen der Eisen bahnbediensteten für berechtigt, bestritt aber das Recht auf den Ausstand. Colly (Soz.) tadelte Briand, der probiert habe, ob die öffentliche Meinung es zu lasse, daß man die Soldaten gegen die Arbeiter führe. Dies sei eine Schufterei von feiten Briands. (Präsident Brisson ermahnte den Redner, sich einer maßvolleren Sprache zu bedienen. Briand zuckte mit den Schultern.) Es sei die Re gierung und nicht die Sozialisten, die den Klassenkampf schüre. Ministerpräsident Briand betrat hierauf die Rednertribüne und führte aus, er lehne es ab, auf die persönlichen Angriffe zu ant worten. Der Ausstand sei keine gewerbliche Bewegung gewesen, die Regierung habe sich einem Versuch gegenüber befunden, das Land zugrunde zu richten, dem die Arbeiter lediglich als Werk zeug gedient hätten. Von den Sozialisten mehrfach unterbrochen, führte Briand aus, die Regierung habe den Beweis für das Vorhandensein einer anarchi - stischenErhebung gehabt und habe Maßnahmen zur nationalen Sicherheit ergreifen müssen. Er besitze materielle Beweise und Geständnisse, die von denen unterzeichnet seien, die die Bewegung vorbereitet hätten. Gegenüber der versöhnlichen Hal tung der Regierung, die sich für Verhandlungen zwischen den Eisenbahnbediensteten und den Eisen bahngesellschaften verwendet habe, sei die Erklärung des Ausstandes nicht zu dulden gewesen. (Beifall im Zentrum und auf der Linken.) Der Ministerpräsi dent führte zahlreiche Fälle von Sabotagean unter wiederholten Protestrufen der Sozialisten, die einen Augenblick seine Stimme übertönten; Briand machte eine Geste, als wolle er von der Tribüne herabsteigen, fuhr aber dann fort und erklärte, er befinde sich gegenüber einer systematischen Or ganisation der Sabotage, einer Kampf organisation, deren Fäden die Regierung in der Hand zu haben hoffe. Der Ministerpräsident verlas dann ein zur Zeit des Poststreiks an Beamte versandtes Zirkular, das genaue Anweisungen für die Zerstörung von Telegraphen drähten gibt (erneute Unterbrechungen von den Bänken der Sozialisten) und fügte hinzu, die Orga nisatoren des Eisenbahnerausstandes hätten ein ähn liches Schreiben unterzeichnet. (Rufe der Sozialisten: Welche Organisatatoren?) Briand: „Das werden Sie bald erfahren, vielleicht früher, als Ihnen lieb ist." Des weiteren bemerkte Briand unter an dauerndem Lärm der Sozialisten, trotz ihrer Be klemmung angesichts der Gefahr, in der das Land sich befand, habe die Negierung nur gesetzliche Mittel angewandt. Zm weiteren Verlauf seiner Rede führte Ministerpräsident Briand aus, die Frei heit, die die Sozialisten verteidigten, sei nichts als eine häßliche Figur von Zwietracht und anarchistischer Freibeuterei. Er sei auf der Seite der Freiheit gewesen, als die Sozialisten für Sklaverei und Tyrannei eintraten. Die Regierung habe untersucht, welche Mittel das Land vor ähnlichen Attentaten schützen könne, ohne der Freiheit der Syn dikate näherzutreten. Die Kammer solle erklären, ob sie Vertrauen zu diesem Vorgehen habe. (Bei fall bei der äußersten Linken.) Die Weiterberatung wurde auf nächsten Dienstag vertagt. Die Rede des Ministerpräsidenten ist natürlich leb- baft besprochen worden. Vor allem wurde in Len Wandelgängen der Kammer lebhint über den Eisen- bahnerstreir selbst diskutiert. Von verschiedenen Seiten tauchen Gerüchte über eine Ministerkrisis auf: Paris, 26. Oktober. (Tel.) In der heutigen Rede in der Kammer hatte der Ministerpräsident auch ge äußert, daß es unmöglich sei, schon jetzt die Ver antwortlichkeit seiner Kollegen zu bin den bezüglich gesetzgeberischer Maßnah men, die bestimmt sind, die Wiederkehr der in der Kammer verhandelten Vorkommnisse zu verhindern. Diese Aeußerung wurde in den Wanbelgängen der Kammer lebhaft besprochen. Man glaubt, in dieser Aeußerung ein stillschweigendes Zugeständnis zu sehen, daß Meinungsverschiedenheiten rm Ministerium bestehen und daß eventuell mit einer Umwälzung des Kabinetts zu rechnen ist. Diese Ansicht wird aber von Personen aus der Umgebung der bedeutendsten Mitglieder des Kabinetts mit dem Bemerken für unrichtig erklärt, daß es verfrüht sei, von Meinungsverschiedenheiten über Projekte zu sprechen, die im einzelnen erst in dem am Sonnabend stattfindenden Mmisterrate be raten werden sollen. Minister Viviani erklärte auf Befragen, daß er nicht daran denke, zurückzutreten. Paris, 26. Oktober. (Tel.) Zu der jüngst ver öffentlichen Erklärung, daß der Ministerpräsident an keinerlei U mgestalt ung des Kabinetts denkt, wird die Schlußbemerkung seiner gestrigen Rede, er wolle die Verantwortlichkeit nicht schon jetzt festlegen, allgemein als ein Beweis dafür angesehen, daß im Ministerium ernste Meinungsver schiedenheiten obwalten, die leicht zu einer teilweisen Krise führen könnten. Es heißt, diese Meinungsverschiedenheiten seien hauptsächlich auf einen vom Minister der öffentlichen Arbeiten ausgearbeitcten Gesetzentwurf über die Er richtung eines Eisenbahnerschiedsgerichts verursacht worden. Mehrere Minister sollen erklärt haben, daß dieser Gesetzentwurf nicht genüge, um in Zukunft Eisenbahnerausstände zu vermeiden, und daß die Vorlage für diesen Zweck noch besondere Be stimmungen enthalten müsse. Besonders der Minister für Arbeit und soziale Fürsorge, Viviani, soll den Gesetzentwurf scharf bekämpft haben und man hält in parlamentarischen Kreisen seinen Rücktritt für mög lich. Das Kabinett wird im nächsten Ministerrat, der voraussichtlich Sonntag stattfindct, den Entwurf Millerands einer eingehenden Erörterung unterziehen und es wird sich dabei zeigen, ob noch ein Einvernehmen erzielt werden kann. Das Echo der französischen Presse. Paris, 26. Oktober. (Tel.) Die gestrige Rede und namentlich die Schlußbemerkung Briands werden in der Presse sehr lebhaft besprochen. Jaures schreibt in der „Humanito": Der Ministerpräsident war nichtim stände, darzulegen, welche Poli tik die Regierung betreffs der öffentlichen Dienst zweige einschlagen wird. Er müßte einen Auf schub verlangen und eingestchen, daß das Mini- steriumuneinig sei. — Die .,A ction" schreibt: In einer so ernsten Krise, wie sie Las demokratische Frankreich jetzt durchmacht, ist vollständiges Einvernehmen zwischen den Ministern unerläß lich. Wenn es Minister gibt, die nicht kaltblütig und nickt voraussehend genug sind, um anarchistischen Er pressern die Stirn zu bieten, dann ist es besser, wenn sie Personen Platz machen, die für Drohungsnunempfindlich sind. politische Nachrichten. Der nationalliberale Bereis Plauen begann am vergangenen F«itag seine Winterarbeit mit einer starkbesuchten Mitgliederversammlung, die mit der Besprechung der Wahl im 44. länd lichen Kreise ausgefüllt war. Der Vorsitzende Stadtrat Graser nahm, obgleich der Verein als solcher an der Wahl nicht unmittelbar beteiligt war, Veranlassung, auf mancherlei Vorgänge zurück zukommen. Er stellte nach der „Neuen Nogtl. Ztg." fest, daß nicht die konservative Idee über die natio nalliberale gesiegt habe, sondern der scharfe Eegen- fatz, der durch die Agitation der Konservativen und des Bundes der Landwirte in die Be völkerung hineingetragen worden sei, der Gegen satz zwischen ländlicher und städtischer Bevölkerung. Don konferoativer Seite sei eine Kampfart gewählt worden, die man nur dema gogisch nennen könne. Dafür wurden aus der Versammlung eine Reihe von Beispielen beigebracht. In einer einstimmig angenommenen Erklärung gab man dieser Ansicht Ausdruck und legte Verwahrung ein gegen den von den konservativen Sprechern wäh rend des ganzen Wahlkampfes gepredigten Haß gegen das Kapital und die Nichtachtung der auf Kapitalanlagen ruhenden Arbeit von Industrie, Handel und Gewerbe. Dem Kandidaten, Postsekre tär Rausch, wurde herzlicher Dank ausgesprochen. — Die Konservativen Plauens antworten daraus mit einer Gegenerklärung, die einer schroffen Kampfansage an die Nationalliberalen gleichkommt. Für „Sammlungs"leute eröffnen sich da recht trübe Aussichten. Ordensauszeichnungen in Brüssel. Brüssel, 26. Oktober. (Tel.) Der Kaiser ver lieh eine Reihe von Ordensauszeichnungen, darunter dem Ministerpräsidenten Schollaert das Eroßkreuz des Roten Adlerordens, dem Minister des Aus wärtigen Davignon und General Cuvelier den Roten Adlerorden 1. Klasse, General Jung bluth die Brillanten zum Noten Adlerorden 1. Kl., Kriegsminister General He Heb aut die Krone zum Roten Adlerorden 1. Klasse, General Ter linden und Grofen Huort d'Assche, Grafen de Briey, den Ministerialdirektoren Arendt, Capelle und van der Strassen, Gouverneur Bsco, Minister a. D. Baron Descamps, David Vicomte de Dougham den Kronenorden 1. Klasse, Oberst von der Bogaerde den Kronenorden 2. Klasse mit Stern, Major Graf de Ionghe Ardoya den Kronenorden 2. Klaffe. Der Kaiser schenkte seine B üst« an den Oberhofmarschall Grasen de Merode, den Hausminister Baron Beyens und den Oberhofmeister der Königin Baron de Woelmont. Einberufung de» Wirtschaftlichen Ausschusses. Berlin, 26. Oktober. (Tel.) Zur Erörterung der Wünsche, die zum neuen japanischen Zoll tarif, zum Abschluß eines Handelsvertrages mit Japan sowie mit den schwedischen Forderungen zum deutschen Zolltarif geltend gemacht werden, ist der Wirtschaftliche Ausschuß auf den 8. No- vember einberufen worden. Die russisch-persischen Verhandlungen. Teheran, 25. Oktober. (Tel.) lieber die Zurück ziehung der russischen Truppen wird berichtet, das Kabinett sei bereit, den Wünschen der russischen Re gierung über die Anerkennung des Status« quoin bezug auf die A u t o m o b i l e zu entsprechen, die die Ruffen vor einigen Monaten auf der Straße Iulfa—Täbris eingeführt haben, ohne Einfuhr zölle zu bezahlen, wogegen der gegenwärtige Finanz- Minister später energisch Protest erhoben hat. Die Anerkennung des Statusquo hängt jedoch, wie es heißt, von gewissen wichtigen Bedingungen ab, wo von die hauptsächlichsten sind: 1) Rußland muß sofort nach der formellen Anerkennung des Statusquo alle Truppen zurückziehen; 2) die per« fischen Untertanen müssen auf der Straße Iulfa—Täbris für Automobile dieselbenRechte haben wie die Ruffen; 3) ein den Verkehr regelnder Tarif muß nach der Beratung mit der persischen Regierung aufgestellt werden und darf nachher ohne Zustimmung Persiens nicht verändert werden. Ferner ist die persische Regierung geneigt, die Konzession der Kupferminen bei Karajadagh auf drei Jahre auszudehnen, wenn die russischen Truppen das persische Gebiet verlassen haben und Garantie geboten wird, daß sie nicht zuriickkehren. Mellrich v. Logsus erste Liede. 4) Eine Geschichte aus dem alten Brieg. von Ewald Gerhard Seeliger. Drittes Kapitel. In dieser Nacht schlich Friedrich von Logau ganz heimlich durch die dunklen, schweigenden Korridore des Schlaffes und legte den Brief mit der goldenen Schnur aus die Schwelle des Schlafzimmers seiner Auserwählten. Keiner ertappte rhn auf seinem nächtigen Gange, und sicher kam er wieder in seine Kammer zurück, legte sich ins Bett und versuchte zu schlafen; aber er konnte kein Auge zutun. Dor Sonnenaufgang stieg der Herzog mit allen seinen Räten auf die Plattform des Löwenturmes hinauf, um zu sehen, daß Karl Zunak seine gerechte und wohlverdiente Strafe bekam. Neben dem Herzog stand David Rolentritt; aber er schaute nicht hinüber, sondern hielt seine Blicke zu Boden aekehrt. Auch Karl Zunak hatte ein großes Gefolge und hoffte noch auf Begnadigung, als ihm der Angstmann den Hals entblößte und die hänfene Schlinge um legte. Aber er hoffte vergebens; er verlor den Boden unter den Füßen, zappelte nur ein wenig und hing bald darauf steif wie ein Bock und stumm wie ein Fisch im Glanze der Morgensonne sechs Ellen niedriger, als er es David Rosentritt zugedacht hatte. Der Herzog aber wandte sich zu seinen Räten und sprach: „So muß anderen zum Beilviel die Untreue belohnt werden!" Zu David Rosentritt aber sagte er gnädigst: „Wollt Ihr mir weiterhin so treu und redlich dienen, wie Ihr es bisher getan habt?" „Ich will es tun!" erwiderte David Rosentritt, denn er war ein Mann von wenig Worten. Da nahm ihn der Herzog an der Hand und führte ihn selbst die Stufen hinunter, leitete ihn über den Hof und brachte ihn so in die Rentkammer, gefolgt von seinen Räten, die verwundert dabeistanden, und sprach- „Die Treue ist ein köstliche, und seltenes Ding, man soll sie in Ehren halten über alles!" Darauf ließ er sein« Räte, blieb lange mit David Rosentritt in der Rentkammer und sprach zu ihm gütige und huldreich« Worte. Als am Morgen di« Kammerjungfer der Herzogin an die Tür des Schlafzimmers ihrer Gebieterin kam, sah sie auf der Schwelle «in Papier liegen, das mit einer goldenen Schnur zusammengebunden war. Sie ließ es liegen, erzählte es aber ihrer Herrin. Die befahl ihr, den Brief zu öffnen und vorzulesen, was sie auch geschwind tat; denn Kammerjungsern von schönen Herzoginnen sind immer neugierig. Es war aoer ein Gedicht, was da auf dem Papier geschrieben stand: An die Geliebte. Mein Glück, Lust, Sehnen, Wonne, Du meine Lebenssonne, Hast angezünüet mein Herz. Nun brennt es wild vom Schmerz! Loht wie ein jaches Feuer Und quält mich ungeheuer! Der Wänglein Rosenglut Macht, daß mir wallt das Blut! Dein Wuchs und schlanker Gang Macht mich vor Leiden krank! Und bin ich auch beflissen, Nichts mehr zu ickauen und wissen. Dein Äug', des Busens Schnee Bringt neue Pein und Weh! So stets im Jammer schweben, Wie soll ich weiterleben? Wo immer neu Dein' Huld Verrät ein Herz von Euld! O! O! Der schweren Not! Mir winkt der bitt're Tod! Doch willst Du mich erhören, Wird sich der Schmerz verkehren, Und eitel Honiglust Durchzieht und tränkt die Brust. Nur mutzt Du fürder meiden, Ihn ganz von Dir abschneiden Den ernsten finstern Mann, Den man nicht lieben kann. Wir flieh'n ins Land der Myrten, Dort wird uns wohl bewirten Frau Venus bei des Mondes Schein Mit süßem Met und Labewein. Erst wollte das liebe Dorel ihren Augen nicht trauen, als sie aber die Hand ihres teutschcn Tichter- leins erkannte, begann sie so laut und schallend zu lachen, daß der .Herzog herbeiaelockt wurde, der eben den langen Gang herunter von der Rentkammer kam. Er wollte sie in die Arme ^'i-ken und ihr einen Kuß qeben, aber sie wehrte ihn ab. „Nein!'/ rief sic in ernsthaftem Tone. „Lieber Thristian, mit uns beiden ist es aus. Ich hab« mir jetzt einen anderen feinen und gar zärtlichen Burschen erkoren. Der weiß auf eine zierlichere Art zu lieben als du!" Da wurde der Herzog bleich und entriß ihr den Brief. Als er ihn gelesen hatte, wurde er wild und schrie nach einem Stecken. Damit wollte er den schändlichen Buben aus dem Hause und in die weite Welt hinaustreiben. „Mitnichten!" lachte das liebe Dorel. „Nur nicht so heftig, mein lieber Christian, aus dem Hause treiben darfst du ihn nicht, dieweil er eine arme Waise und ohne Eltern ist. Ich gebe dir drei Küsse; du mußt mir aber mein teutsches Tichterlein lassen. Ich will ihn aus eine sonderliche Weise kurieren, daß er nicht wieder so hoch hinaus will. Bin ich doch am Ende schuld an dem ganzen Handel. Hätte ich ihn nicht so ungebührlich verzogen, hätte er nicht gewagt, das Brieflein zu schreiben!" Der Herzog knurrte zwar gewaltig dagegen, doch die drei Küsse der lieben Dorel besänftigten ihn wuiiderbar schnell. Dann ließ er den Junker zu sich befehlen, nach dem er versprochen hatte, möglichst glimpflich mit dem armen Dichter umzugehen. Als Friedrich von Logau hörte, daß ihn der Herzog vorlud, entfiel ihm der hohe Mut bis auf einen ganz kleinen bescheidenen Rest. Bleich und verstört erschien er auf der Schwelle seiner Missetat. „Tritt herzu!" herrschte ihn der Herzog an. „Hast du diese Reime geschrieben? Der Junker nickte zerknirscht, denn er konnte kein Wort herauswürgen. „Meine Frau willst du mir entführen?" rief der Herzog grimmig. „Ist das wohl Dienertreue? Mir den besten Schatz zu stehlen, den ich besitze?" Friedrich von Logau wappnete sich mit Trotz, weil er sah, daß die Herzogin ihr Tüchlein vor die Augen hielt, so daß es den Anschein hatte, als weinte sie heftig. Er hob den Kopf und schaute dem Herzog fest in die Augen. „Du bist mir ein gefährlicher Bursche!" schalt der Herzog, und batte Mühe, sich das Lachen zu ver halten. „Du bist hinfort nicht wert, einen Degen zu tragen! Gib ihn her!" Jetzt war des Junkers Trotz gebrochen, denn er sah, wie das liebe Dorel sich zum Fenster wandte, um sich recht über ihn lustig zu machen. Er zog den Degen aus dem Wehrgehenk, legte ihn in des Herzogs Hand und schluckt« dabei zwei Tränen herunter. Dann ließ der Herzog eine Rute herbeiholen, band die Birkenreiser mit der goldenen Schnur des Briefleins zusammen und überreichte sie so dem Junker. Diese Wehr mußte er an seiner Seite festbinden. (Schluß folgt.) Sneilemm. Zum 150. Geburtstage des Feldmarschalls Neithardt von Gneisenau. (27. Oktober.) Von Dr. Eugen Bollmann. (Nachdruck verboten.) Drei Gestalten sind es vor allem, die in dein gewaltigen Panorama der preußisch-deutschen Er hebung-)- und Befreiungszeit den Btrck immer wieder zwingend auf sich lenken, drei Persönlichkeiten, die durch sittliche Hoheit, Macht des Geistes und Geniali tät der Leistung einen unversieglichen Zauber aus üben: Stein, Scharnhorst und Eneisenau. Noch heute empfindet der, der sich in Eneifenaus Leben vertieft, die gewaltige Anziehungskraft des Mannes, die von seinen Leitgenossen bezeugt, von E. M. Arndt hervorragend geschildert ist. An Glanz der äußeren Erscheinung übertraf der hochgewachsenc, schöne, vornehme Mann seinen Kameraden Scharn horst bei weitem; in der „Würd' und Huld und klaren Milde", die ihm nochgerühmt worden sind, hat er etwas Eoethisches; sein eigenstes Wesen aber wird gekennzeichnet durch eine seltene Verbindung von schwungvoller, selbst dichterischer Phantasie und strengem Denken, von heißer, tatenfroher Leidenschaft und nüchtern-realer Erwägung. Etwas von der Mischung, die Kleist seinem Hermann gegeben hat, war auch in Gneisenau. Er selber freilich hielt sich mehr zur Tat als zum Rate geeignet, und meinte in seiner Bescheidenheit sogar, er sei mehr geschickt für die Einsamkeit und die literarischen Beschäftigungen, die Stille der Natur und des Landlebens, als für die Geschäfte, welche ihrer Natur nach die Leidenschaf ten aufrcgen. Aber gerade indem sie ihn durch Sturm und Leidenschaften führte, bat die Geschickte ihn zum deutschen Nationalhelden erbosen. Sie hat sich dabei freilich Zeit gelassen. 26 Jahre war Gneisenau schon alt. als er im preußischen Heere Anstellung fand, zu dessen großen Erziehern wir ibn beute rechnen, und dann hat er noch weitere zwei Jahrzehnte dem Einerlei und der subalternen Tätig, keit des Dienstes in kleinen Garnisonen opfern müssen.
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