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01-Frühausgabe Leipziger Tageblatt und Handelszeitung : 17.10.1910
- Titel
- 01-Frühausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1910-10-17
- Sprache
- Deutsch
- Vorlage
- SLUB Dresden
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id84535308X-19101017013
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id84535308X-1910101701
- OAI
- oai:de:slub-dresden:db:id-84535308X-1910101701
- Sammlungen
- Zeitungen
- Saxonica
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
-
Zeitung
Leipziger Tageblatt und Handelszeitung
-
Jahr
1910
-
Monat
1910-10
- Tag 1910-10-17
-
Monat
1910-10
-
Jahr
1910
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VezugS-Preik s«r au» »oron, durch mNer, lrSaer und Spedlirure 2«,I ttqlich In« -au» »edracht: vv monaU., r.7v^> »ierttljttdrl Bel unfern stiliala» u. «n» ua-mellcllkn adnebolt: 78 ch monaU„ 8.AS virrttNädrl. Durch dtr Volt: mnertzald Drullchland« und der deutschen Kolonien »irneyLdrl. US» mouall. tük^ »usfchl. PolU>«kle0gell> ferner >n Belgien, Dänemark, den Donaultaate», Ztallen, Luxemburg, iltiederlaube, Her wege» Oeslerreich-Ungarn, Rußland, Echweden, Schwer- ». Spanien. In allen übrigen Staaten uur direkt durch di« EeichPrrkelle de« Blatte« crdäiilich. Da« Leipziger Dageblan erlchrini 2 mal Itglich, Sona- a Keieriag« nur morgen«. itbonnemenl-AnnLdme Augullulplatz S, bei unirren Drägern. Filialen, Spediteuren und Luaabmeilelleu. ionne Postämtern uao Bnesttägera U>n,el»«r»,utspr«t» bei vtorgen» »usgab« Iv L-, der Äbendautgabe 8 ch- Siebaktion and Geschastbllellrr Jodann>«gasse«. Frruwrecher: 1489L l4Sl«. 14894. Morgen-Ausgabe. MpMerTagtblaN Handelszeitung. Amtsblatt des Rates «nd des Nolizeiamtcs der Stadt Leipzig. Anzeigen-Preis Mr Inserate au« Leipzig und Umgebung d>« Sgeipalten, bO mm breit« Petitzeit« L -8, dl« 74 lliin breit« Reklan>e»eU« > »on au«wärt« Ltz, Rr'lamen t.L- ^8; Inserate von Bebbrden amilichen Dell dl« 74 mw breit« Petitzeil« «<i cheichLttrnnzeigeu mit P agvorlchlisten »a» in der kl vendaudgab« »n Pre>i« erhöht. Rabatt nach Laris. Bcilagegedühr ü ^8 p. Dauienb e-kt. Postgebühr. Iefterteilte «utträge kdnnen nicht zurück gezogen werden. Für da« Erscheinen an bestimmten Lagen und Plätzen Mil» kein« Garantie übernommen. »nzeigen-Annahme, LuguNlltplatz d«> sämtlichen Iilialen a. allen Annoi>cea- litpedUlonea de» Ja- und «urlaube«. Hauvt - Filiale verlta: Tarl D>ii acker »er,»gl. Bayr. Hosdatl^ Handlung, Lützowftiatze lür (Lelervon VL. Rr. 4utt9). -aupt-Siltal« Dresden: keestratze 4. l (Delephoa 46^ÜR Nr. 287. Mama-, üen l7. Dül-der ISlv. t04. Jahrgang. Das Wichtigste. * In Gegenwart des Königs fand am Sonn tagmittag die Eröffnung der franzöfi- schen Kunstausstellung in den Räumen des Leipziger Kun st Vereins im Museum statt. (S. d. besi Art.) * Die neue Philippuskirche in Leipzfig- Lindenau wurde am Sonntagvormittag im feier lichen Gottesdienst eingeweit. (S. d. des. Art.) * Eine angesagte große Kundgebung der fran zösischen Eisenbahner in Paris wurde von der Regierung verboten. (2. Letzte Dep.) * Der König von Griechenland hat Vcnizelos mit der Kabinettsbildung beauftragt. Dieser hat sich einige Tage Bedenkzeit erbeten, um mit den Parteien Fühlung zu nehmen. * Bei der Berliner Flugwoche, die am Sonntag in Gegenwart des deutschen Kronprinzen ihr Ende fand, gewann L i n d p a i n t e r - München den Preis des Kriegsministeriums in Höhe von 25 000 (S. Sport.) * Den Preis der W i n t e r f a v o r i t e n (30 000 Mark) in Köln gewann der Eraditzer Hengst „Mal teser" unter Vullock. — Im Großen Preis von K a r l s h o r st (40000 F) siegte Lt. v. Sydows br. H. „Forefather" unter dem Besitzer. — Die Große Pardubitzer Steeple Chase gewann „Paul Hejlo n" unter Seiffert. — Im Preis von Kahlenberg in Wien siegte Graf Lambergs ,,K a m p" unter Sparkes. (S. Sport.) * In Cleve siegte im Länderfußball wettkampf Holland-Deutschland Holland mit 2 :1. (S. Sport.) Die Zukunft üer portugieMchen Solamen. Das Geschick der einst so ruhmreichen portu giesischen Monarchie hat sich erfüllt. Einst weilen hat Portugal die republikanische Staatsform gewählt. Ob sich das Land unter der Volksherrschaft in politischer, wirtschaftlicher und völkischer Hinsicht erholen wird, bleibt ab zuwarten. Ein gelinder Zweifel ist erlaubt, denn das heutige portugiesische Volk ist nur noch ein Schatten des ehemaligen Hcrrenvolks, dessen Macht die Welt umspannte. Es ist zu sehr j verlottert und degeneriert, als daß man ihm I die physische und moralische Kraft zutrauen könnte, seine Geschicke wieder aus geordnete Bahnen zu zwingen. Nun mag es ja wohl sein, daß die Führer der neuen Republik zum Teil aus anderem Holz geschnitzt sind. Aber Ausnahmen bestätigen die Regel. Sie ver mochten wohl den Pöbel, die verlotterte Armee und Marine zu „befreiender Tat" aufzustacheln, ob ihnen aber die Sisyphusarbeit gelingen wird, mit diesem stumpfen und verkommenen Volk ein geordnetes Staatswesen zustande zu bringen, ist füglich zu bezweifeln. Dazu ist der Adel und das Beamtentum, die doch jedenfalls für das unmündige Volk die Führung über nehmen werden, zu korrumpiert. Viel näher liegt der Gedanke, daß die herrschenden Kreise eben lediglich das Erbteil der Monarchie an treten werden. Einigermaßen verdächtig berührt die Be flissenheit, mit der England die neue Staats form in Portugal gutgeheißen hat. Es ist ja nur zu bekannt, daß Portugal schon lange politisch und wirtschaftlich von den Eng ländern abhängig ist. Das Interesse Eng lands bezieht sich aber nicht so sehr auf das Ctammland Portugal, als vielmehr auf den ansehnlichen portugiesischen Kolonial besitz, der richtig erschlossen und verwaltet, für das Mutterland von erheblichem Werte wäre. In den portugiesischen Kolonien sind gew altige Werte englischen Kapitals investiert, und wenn eines Tages Portugal völlig abgewirtschaftet hätte, so würde England sich mit einem Schein von Recht für verpflichtet halten, diese englischen Werte zu retten, nämlich seine Hand auf mög lichst große Teile der portugiesischen Kolonien zu legen. Und mit einer Republik kann man viel kürzeren Prozeß machen, als mit einer Mon archie, mit der man durch alte Traditionen verknüpft ist, und auf deren Dynastie man doch Rücksicht nehmen muß. Wer weiß, ob nicht überhaupt hinter der ganzen portugiesischen Revolution englische Drahtzieher stecken. Der Gedanke liegt ziemlich nahe, dergleichen ist in der Geschichte nicht unbekannt. Tatsache ist jedenfalls, daß man in England offensichtlich die Republik mit einer gewissen Erleichterung begrüßt hat. Es erhebt sich nun die Frage, wie Deutsch land sich zu solchen Perspektiven zu stellen hat. Zwei von unsern afrikanischen Kolonien grenzen bekanntlich an portugiesische, nördlich von Dcutsch- Südwest erstreckt sich Angola, südlich von Deutsch - Ostasrika Mozambique. Angola ist etwa doppelt so groß wie das Deutsche Reich, Mozambique etwa um die Hälfte größer. Im übrigen ist der portugiesische Kolonialbesitz sehr zusammcngeschrumpft. An der Euineaküste liegt noch eine kleine Kolonie, etwa so groß wie Sachsen; im fernen Osten ist den Portugiesen nur die Enklave Goa an der Westküste Ostin diens, die Hälfte der Insel Timor im indischen Jnselgebiet und Macao südlich von Honkong geblieben, und letztere kleine Kolonie wird ihnen von den Chinesen mit Energie streitig gemacht. Angesichts der Vorgänge in Portugal läßt sich nun die Möglichkeit einer Liquidierung des portugiesischen Kolonialbesitzes nicht von der Hand weisen. Diese Möglichkeit ist ja schon lange erörtert worden. Vor mehr als zehn Jahren bereits, zur Zeit des Buren krieges, sprach man von einem Eeheimver- trag, der angeblich zwischen Deutschland und England geschlossen sei und eben diese Frage zum Gegenstand haben sollte. Ob ein solcher Vertrag tatsächlich existiert und welchen Inhalt er eventuell hat, darüber ist nie etwas bekannt geworden. Aber bei den sonstigen mäßigen Er folgen unserer auswärtigen Politik in der da maligen Zeit dürfen wir uns über diesen Vertrag keinen allzu ausschweifenden Hoffnungen hingeben, obwohl damals, als England unter dem Druck des Burenkrieges stand, schon etwas zu erreichen gewesen wäre. Heute, nach zehn Jahren, ist es immerhin angebracht, sich darüber klar zu werden, welche Teile des portugiesischen Kolonialreichs für uns von besonderem Wert wären. Von den kleinen kommt wohl keine in Betracht. Macao dürfte gegebenenfalls wieder an China zurückfallen, Timor ist zur Hälfte niederländisch, Goa ist am besten in Britisch- Jndien untergebracht; Portugiesisch-Guinea hat zwar für uns ein gewisses Interesse, weil fast sein ganzer Handel in Händen eines deutschen Hauses liegt, aber es ist ganz in französisches Gebiet eingebettet und hat in Anbetracht seiner Kleinheit kaum für sich allein eine Zukunft. Dagegen wäre Madeira als Flottenstation für uns nicht ohne. Sehr wertvoll wäre für uns ein Teil von Angola, der an Südwest grenzt, ebenso Mozambique bis zum Sambesi. Namentlich in den beiden letzten Kolonien haben sich die Engländer festgesetzt; die dort im Bau befindlichen Eisenbahnen sind samt und sonders vorwiegend englische Unterneh mungen. Und da im Innern von Angola er hebliche Mineralschätze zu heben sein sotten, so werden die Engländer alles daran setzen, von dieser Kolonie möglichst viel in ihren Besitz zu bekommen. Dazu kommt, daß der Besitz von Angola den Engländern die Möglichkeit bietet, sich auf eigenem Gebiet einen Verkehrsweg von Zentralafrika nach der Küste zu schaffen. Noch wertvoller ist für sie Mozambique. Durch dieses Gebiet führen wichtige britisch-südafri kanische Verkehrswege. Von Beira aus einer seits die Bahn nach Rhodesia, anderseits die im Entstehen begriffene Nyassabahn. Ferner ist die Delagoabai (Lourenzo - Marquez) der Ausgangspunkt einer wichtigen Eisenbahn nach Pretoria und Johannesburg. Kurz und gut, es ist für die Engländer Grund genug vorhanden, sich gegebenenfalls mit aller Hartnäckigkeit möglichst viel von dem portugiesischen Kolonialbesitz zu erkämpfen. Natürlich werden auch andere Kolonialmächte auf den Plan treten, namentlich die Franzosen, aber in der Hauptsache sind wir und die Eng länder berechtigte Interessenten. Grökftmng üer kranzöltlchen Kunstausstellung. Leipzig, 17. Oktober. Die Snkunkt ües Königs in Leipzig. Festschmuck hatte die Stadt zum Empfange des Königs angelegt und Feststimmung herrschte aller wegen. Der herrliche Herbstsonntag hatte Tausende auf die Straße gelockt, die den Dresdner Bahnhof, die Goethestraßc und hauptsächlich den Augustusplatz dicht besetzt hielten, um den König zu erwarten. Auf dem Dresdner Bahnhof versammelten sich um 12 Uhr die zum Empfange des Monarchen befohlenen Herren im l Fürstenzimmer. Erschienen waren Reichsgerichts- I Präsident Freiherr von Seckendorfs, Exzellenz, Theater unü Konzerte. Leipzig, 17. Oktober. l. Kammermusik im Gewandhaus. Es war ein musikut sicher Renaissance-Abend. Die Söhne des großen Sebastian Bach sprachen aufs neue in ihren Werten zu uns: Wilhelm Friedemann in dem D Dur- Trio für zwei Violinen und Cello mit Cembalo, Carl Philipp Emanuel in der von Georg Schumann edirten B-Dur-Sonate für zwei Violinen und Klavier. Eine bewegliche und nachdrückliche Sprache führen beide; jener, dessen 100jährigen Geburtstages wir am 22. November gedenken, bestimmter und individueller, dieser mehr als Mclodiker besonders in dem köst lichen Largo tiefe lyrische Gefühlstöne erklingen lassend. Um die Musik der Brüder Bach zu ver stehen, braucht es keines Bildes noch Gleichnisses. Denn sie hat sich des Lebens Frische völlig bewahrt und zeigt ein staunenswertes Zusammengehen aller Kruste, der geistigen, seelischen und musikalischen. Inhalt und Form stehen, einander bedingend, m har monischer Schönheit zusammen und aus jedem dieser Werke spricht das eigentümliche Hochgefühl, das eine jede Zeit besitzt. Zn der höchsten Einfachheit der Mit tel liegt zugleich auch die höhere Kunst — das lehr ten gestern wieder einmal die beiden Bachs, an deren Werken Vater Kronos vorübergegangen zu sein scheint, vielleicht mit leisem Kopfschüttcln, weil er ihnen so rein gar nichts anhaben konnte. Als drit ter im Schönheitsbunde trat gestern Mozart auf. Sein D-Dur-Divertimento für je zwei Violinen und Hörner, Viola und Baß (Kögel Nr. 334) ist ein fei nes Werk von höchster musikalischer Stimmung und echtem Leben erfüllt. Jeder einzelne Satz ist in seiner Art ein kostbares Stück und inhaltlich wieder, wie immer bei Mozart, ein künstlerischer Ausdruck freudiger Lebensbejahung. Alles ist sein und schön gefügt. Der Meister aber durchläuft darin die ver schiedenen Phasen menschlichen Empfindens. Aus gezeichnet schön sind z. B. die Variationen, von glück lichem Leid erzählt wohl das Adagio und von herz gewinnendem Humor angetan ist das ländlerische Me nuett. Um die Aufführung genannter Werke machten sich gestern die Herren Konzertmeister Wcllgandt, T. und A. Wolschke, Herrmann, Prak. I. Klengel, Rudolph und Müller hoch ver dient. Herr P. Aron bewährte sich am Cembalo ldas vom Erbauer, H"rrn de Wit, zur Verfügung ge stellt war) und am Bliithner bestens, hätte aber als Cembalist doch einige Male noch etwas bedeutender bervortreten können. — Die Zuhörer spendeten den trefflichen Eesamtdarbietungen lebhaftesten Beifall Man wird den fokaenden Kammermusikabenden nicht anders als mit größtem Interesse entgegensehen kön nen. Denn ihr- Vrcaramme sind in der Tat meister haft zulammengestellt. Kuxen Scxnitr. Bolksliederobend von Stelka Weinhold. Wie es scheint, wird uns der Winter noch etliche lauten begleitete Volkslieder bringen. Ein lobenswertes Beginnen, wenn wirklich wertvolle Sachen zutage gefördert werden, unnütz, wenn man in der Aus wahl nicht glücklich ist, wie Fräulein Weinhold. Ge wisse, nur in dem Geschmack der betreffenden Zeit ruhende Dinge gehören uns nicht. Wir sind andere Menschen als die im 16. und 17. Jahrhundert und verlangen infolgedessen andere Kost und andere Form. Und nicht alles Alte ist wertvoll. Man denke sich nur einmal im 30. Jahrhundert etwa den „Kleinen Cohn" ans Tagslicht gezogen! Ferner muß immer wieder betont werden, daß das Volks lied nur in eine): intimen Kreis gehört, nicht aber aufs Konzertpodium. Frl. Weinhold hatte sich sehr viel Mühe gegeben, in Kostüm und Vortrag alles möglichst stilgerecht zu gestalten. Ihre nicht sehr große Stimme spricht gegen früher leichter an; die Intonation ist überall rein Etwas Schärfe in der Höhe und etwas Kippen des Tones beim Ansatz dürfte sich mit der Zeit noch verlieren. Heitere Lieder liegen ihr im ganzen mehr als ernste, wenn gleich z. B. die „Dorfkirchenglocke" einen guten Eindruck machte. 8ostl. König Manuels Flucht. Von Luigi Barzini. „Nichts, als eine kleine Demonstra tion" — das war die Antwort, die dem König Manuel auf die besorgte Frage, was es gäbe, zuteil geworden war, als er in Belem als East des Präsi denten von Brasilien beim Bankette saß. Der Kom mandant der Garde, der auch unter den Gästen war, war plötzlich, als ihm eine Botschaft gebracht wurde, aufgebrochen, eine unruhige Stimmung hatte sich der Gäste, unter denen sämtliche Minister waren, be mächtigt, das Gespräch der heiteren Tafel ver stummt — das war der Auftakt der Revolution. In höchster Unruhe hatte König Manuel an diesem Abend seinen Palast betreten, vergeblich hatte er in der Kapelle Trost im Gebete gesucht, und um 2 Uhr nachts, als plötzlich Kanonenschüsse ihn aus dem Schlafe weckten, wurde seine langgehegte Be sorgnis auf den Gipfel getrieben. Niemand konnte ihm sagen, was oorgefallen war. In aller Eile kleidete er sich an — nur um zu erfahren, daß aas 16. Regiment, veranlaßt durch eine revolutionäre Gruppe, eine Meuterei begonnen hätte, die zweien seiner Getreuen das Leben gekostet hatte. Noch am nächsten Morgen wußte man im Schlosse nichts Sicheres; auf seine wiederholten Anfragen er hielt der König ständig die Antwort, es sei nichts Ernstes; aber als der Tag anbrach, erwartete den König ein trauriges Schauspiel: der Palast blieb stumm, keiner der Minister war aufzu finden, niemand wußte, was geschehen, was zu tun sei, nur der Ratspräsident Texeira Souza riet dem König auf telephonischem Wege auis dringendste, sich nach Cintra zu begeben, bis die Ruhe wiederher gestellt sei. Diesem Rat beschloß König Manuel zu folgen, ob wohl sich sein Privatsekretär Lavadio und andere Herren seines Gefolges dem widersetzten. Nun be gann die romantische Flucht, die der vor treffliche italienische Journalist Luigi Barzini, üer im Auftrage des „Corriere" nach Lissabon geeilt ist, nach dem Bericht von Augenzeugen alle Ereignisse aufs anschaulichste beschreibt. Am Morgen des Revo lutionstages sielen plötzlich Bomben auf das Dach des Palast es, und durch die Fenster sah man den Kreuzer „Adamastor" erst eine Steuerbord breitseite abgeben, dann langsam wenden, dann die Backbordgeschütze lösen. Der König mußte den süd lichen Flügel seines Palastes verlassen und flüchtete in das bildergeschmückte Gemach, das seinem er mordeten Vater als Maleratelier gedient hatte. Dann beschloß er, eiligst zu fliehen. Es war die höchste Zeit, man hörte von draußen den Donner der Geschütze, Eewehrfeuer und das Klirren der zerbrechenden Fensterscheiben des Palastes. Sollte man aber nach Cintra fliehen? Die Getreuen des Königs hielten den Plan für ge wagt, und so wurde zunächst das weiter nördlich ge legene königliche Schloß Mafia als Ziel aus ersehen. Durch den Hauptausgang durfte man den Palast nicht verlassen, um die Truppen, die ihn treu verteidigten, nicht zu entmutigen; eine Weile mußte Dom Manuel in einem abgelegenen Wege des Parkes warten, bis eins der königlichen Automobile heimlich an die Hinterpforte des Palastes gebracht war. Dann begab sich König Manuel an die alle Pforte. Sie war verschlossen, der Schlüße! nimi auf zufinden, und so blieb nichts übrig, als die Mauer zu überklettern; nun begann die Automobilfahrt auf entlegenen Straßen; 52 Reiter aus der Garde folgicn im Galopp dem Gefährt des Königs. Zehn Kilometer von Lissabon stieß der fliehende König auf das e r ste H i n d e r n i s, der Weg war so schlecht, daß das Automobil im Straßenkot stecken blieb und nur mit vieler Mühe frcigcmamt werden konnte; dann ging cs weiter, aber bei Benfica waren die Pferde der Reiter so ermattet, daß sie Zurück bleiben mußten, und das königliche Automobil jct^ allein die Flucht fort. Um 4 Uhr wurde Mafra erreicht. Die Bevölke rung, die noch keine Ahnung von den Ereignissen hatte, empfing den König voller Ehrerbietung; die Militärschule, die im Palaste selbst untergebracht ist. stellte ihm eine Ehrenwache. Dom Manuel liiß seine Mutter benachrichtigen, die in Cintra weilte und zwei Stunden später im Automobil ein traf. Sie hatte ein langes Gelvräch mit ihrem Sohn, das von Zeit zu Zeit durch telenbonsiche Meldungen unterbrock-en wurde. Noch glaubten aber der König und seine Mutter, es handele sich nur um einen Ausi * stand, der unterdrückt werden könne. Die Königin verließ sogar am Abend das Schloß, um nach Cintra zurückzukehren. Die Königin MariaPia weilte in dessen in der Abgeschlossenheit ihres Palastes in Cintra. ohne die geringste Kunde von der '-'-reckiichcn Umwälzung erhalten zu baden. König Manuel ließ sie telephonisch bitten, sofort zu ihm zu kommen, ohne irgendwelche Angaben zu machen, und die alte Königin kam sofort. Das war am Mittwochmorgen um 10 Uhr. Fast gleichzeitig traf auch die Königin Amelie wieder ein, durch neue beunruhigende Nach richten hierzu veranlaßt. Um 2 Uhr traf in dem Schlosse ein Tele gramm von der provisorischen Regie rung in Lissabon ein, das den Befehl erteilte, auf Schlotz Mafia die republikanische Flagge auszuziehen. Zuerst hielt man das Telegramm für gefälscht, aber als man sich zu Tische setzen wollte, stürzte Kapitän De Mello herein, der aus Lissabon kam und aus eigener Anschauung berichtete, wie furchtbar schwer die Lage sei. Nun wurde es Ernst. Es war kein Augenblick zu verlieren. König Manuel und seine Mutter faßten sogleich den Entschluß, sich an Bord der Jacht „Amelie" zu be geben, die auf der Reede von Ericeira lag. Die Königin Maria Pia widersetzte sich. Sie, die während der heftigsten Straßen unruhen unter König Luis im offenen Vierspänner durch die Straßen zu fahren gewagt hatte, wollte von Flucht nichts wissen: „Ich fliehe nicht!" erklärte sie entschloßen. Es bedurfte langen Zu redens, um sie doch zur Flucht zu bestimmen. Sle mußte schließlich einsehen, daß Fliehen oder Ab danken die einzigen Möglichkeiten seien. Dem Entschluß folgt sofort die Tat. Der Kapitän macht darauf aufmerksam, daß an Bord seines Schiffes keine Vorräte vorhanden sind, und so wird das Mahl, das gerade auf dem Tische steht, verpackt, um an Bord gebracht zu werden. In drei Wagen folgt der königlichen Familie eine kleine Schar, um den Weg in die Verbannung anzutreten. In Ericeira wohnt die Bevölkerung der traurigen Ein schiffung wortlos bei. Es ist ein kläglicher Anblick, wie der vertriebene König mit seiner Familie das Land ver läßt. Er selbst ist völlig fassungslos, und die alte Königin Maria Pia. die sich bis dahin auf rechterhalten hatte, sck-eint in wenigen Stun den um viele Jahre gealtert; sie geht gebeugt und stützt sich auf den Arm eines Hrrrn. Am Ufer sammeln sich allmählich Fischer an, die zwar ehrerbietig den Kopf entblößen, aber im Schweigen verharren. Zwei Boote werden bereit gemacht, der König be steigt das erste, und ohne daß ein Wort fällt, schieben es die Fischer ins Wasser. Die Hände in den Taschen, steht König Manuel in dem schwankenden Fahrzeug und sieht zum Ufer. Während die ersten Ruderschläge fallen, macht er eine unbestimmte Bewegung und führt mit der Hand über die Augen. Auch die beiden Königinnen und die Begleiter besteigen die Boote, und damit hat die königliche Familie den Boden Portugals verlassen. Dies scheint das Ende der Herrschaft zu sein; der rudernde Fischer redet die Königin Maria Pia. die ihm beim Rudern hinderlich ist, als „Vostra Grazia" an, gerade, als ob er mit seinesgleichen zu tun hätte. Die beiden Boote er reichen die Jacht, die Flüchtlinge steigen an Bord, gegen 4 Uhr lichtet das Schiff die Anker, es setzt sich in Bewegung, wird kleiner und kleiner und ver schwindet schließlich als Punkt am Horizont. Das ist das Ende des Königshauses Braganza.
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