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01-Frühausgabe Leipziger Tageblatt und Handelszeitung : 04.11.1910
- Titel
- 01-Frühausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1910-11-04
- Sprache
- Deutsch
- Vorlage
- SLUB Dresden
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id84535308X-19101104015
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id84535308X-1910110401
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-84535308X-1910110401
- Sammlungen
- Zeitungen
- Saxonica
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
-
Zeitung
Leipziger Tageblatt und Handelszeitung
-
Jahr
1910
-
Monat
1910-11
- Tag 1910-11-04
-
Monat
1910-11
-
Jahr
1910
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Bezuftt-Prrit fik »»» »«««, »«ch «Gm, »rägrr ,»d SpM»«, i»«I ttZslch Inn«r»«N> D«ni!chl«ia>< »nd »«, d«Mch« Kolonie» »trrlrllttzck. U.44 ILO <A LNsichc. VoftdeftoL-eld. Al»« w velgi«,, Dänrmnil, d»» Doaa»fto«»«, Italien, L»re»d«rß, N»i» wegen, Oetzerreich-lln^r», »tntland. Schweb«, Schwel« ». Sp,,^». In »a« übrige» Ltaa»« «r direv »mich »l, «elchäjt,Hell« »« «lau« «htmtch. La« Lechner »na«dl«tt irlchelm ,»M täglich, kää». ». Aetrri«« «er rlvoaiii ^enl-Liinatn»«: chngnknivletz 8, b«> »nlere, Lrtgern, Filiale», Spediiau«« und Lniuchmeftelle», sowie Pegg intern web «rirsträgern. «t»,»i»»rkaus«»»,l« »er «ne«», «»g-b« lv der übende »»gab« S -4. Morgen-Ausgabe. KWMrTagMM Handelszeitung. Ämtsvlatt des Rates und des Rokizeiamtes der Ltadt Leipzig. AnzeiqeN'PreiS I«r Inlerai» «1 ilrwvg »»» Umgebung dl» 6g»,galten, » nun brett» Petit^il, L ch, dl, 74 NUN drei», «eNamrzetl, l «« «utwäNt 40 H> blikla»« l.Ull Aeseeat, «,n vebbrben >« mntlichen Leü dl« 74 mm irrlt« Petlt«eil« 4>) G«lchält»an^igrn m« P atznarlchrlll« und » brr Av«nbau»aab« im Prem ergäbt, btabatl nach tarss. «eilagegebübr ö <chk p. Tanieno «xN. Postgebühr. sseskrleilt« «utrräg, ktnnen mchr zurück- g««ogea werben, gür da» ursch einen »n bestimmt«» lag« und Pi«t«n wird kein, Garanti« übernommen. «n^en-Annahme: Angustn.pkntz bei sämtlichen Ailialrn u. alle» iUnnonern. st;reditloaell de« In- und Äutlandel. Rebaktt.» »nd GeschasKürl«! IobanniSg-Ise a. S«rn'pr,chrr: 146«! I46i», I4»4 Haiuit-Sillale Dresd«»: Seeslrase 4, t (Lei eg hon 4ül!U. Ur. 3OY. /reiwg, üen 4. November ISIS. Vas Wichtigste. * Das russisch« Kaiserpaar trifft am Freitag zum Besuch des deutschen Kaiser paares in Potsdam ein. (S. Dtfchs. R.) * Das Kronprinzenpaar ist gestern in Genua eingetroffen und sofort an Bord des Dampfer« „Prinz Ludwig" gegangen. (S. Dtfchs. R.) * Der Bundesrat stimmte dem Entwurf einer 5. Ausgabe des Arzneibuches für das Deutsche Reich zu. * Aus Konstantinopeler offiziellen Kreisen wird bestätigt, daß das Befinden des Exsultans Abdul Hamid sehr schlecht ist. (S. Ausl.) * Jungtürktsch« Kreise regen wegen der jüngsten bulgarischen Mordtaten «inen Boykott gegen Bulgarien an. (S. Letzte Dep.) * Bon den bei den jüngsten mazedonischen Bombenattentaten verhafteten Bulgaren wurden drei zum Tode und siebzehn zu langjährigen Zuchthausstrafen verurteilt. Dle Revolution in Uruguay. Der politische und wirtschaftliche Gesichtskreis Deutschlands hat sich in den letzten Jahrzehnten außerordentlich erweitert. Was wäre uns noch vor zwanzig Jahren Persien angegangen? Selbst die süd- und mittelamerikanischen Republiken betrachtete inan in Deutschland als «ine eigene, völlig für sich bestehende Welt, deren innere Angelegenheiten uns gar nicht interessieren könnten. Seitdem hat sich eine gründliche Wandlung vollzogen. Von unserem Ein greifen in Benezuela, als es Len Kulturstaaten das Recht verweigerte, wollen wir gar nicht einmal sprechen. Nicht etwaiger Konflikte wegen nehmen wir heute so lebhaften Anteil an dem Geschicke Süd amerikas, sondern sein Wohlergehen ist die Voraus setzung besten, was wir so sehr wünschen müssen: der Erweiterung unseres Absatzes, der Entfaltung un seres überseeischen Handels. Der heißeste Freund der südamerikanischen Re publiken kann nichts Besseres für sie ersehnen, als den Fortschritt der staatlichen Ordnung und Rechtssicherheit. An Voraussetzungen für die Wohlfahrt der Einwohner sind sie überreich. Südamerika ist 17^ Milliarden Quadratkilometer groß, das ist dreißigmal so groß wie Deutschland. Aber die Bevölkerung beläuft sich nur auf M/? Mil lionen, das ist wenig mehr als die Hälfte derjenigen unseres Vaterlandes. Das Land ist fruchtbar und reich an mineralischen Bodenschätzen. Seine Weiter entwickelung wird für die ganze Menschheit von der größten Bedeutung sein. Es ging damit längere Zeit recht gut vorwärts, zumal der chilenisch-peruanische Krieg vermieden wurde. Nun aber macht der Aufruhr in Uruguay wieder einen Strich durch die Rechnung. Da diese Republik die kleinste von allen ist, so hätte das nicht allzuviel zu bedeuten, wenn die Ursache nur dieses Land allein beträfe. Leider sind die Vorgänge nur eine Einzelerscheinung aus dem allgemeinen und stets wachsenden drohenden Gegensatz zwischen Argentinien und Brasilien. Die Laplata-Republik erfreut sich zur zeit eines Aufschwunges an Einwohnerzahl und wirt schaftlicher Entwickelung wie keine zweite. Ihre relative Macht ist in raschem Steigen. Eifersucht und Zank um diesen oder jenen Fetzen Landes hat sie von jeher mit Brasilien sowohl wie mit Chile ver feindet. Ihr jetziger Aufschwung gibt ihr neuen An laß zum Auftreten gegen die Nachbarmächte, und diese glauben sich um so mehr auf Abwehr einrichten zu müssen. Allerseits steigert man seine Wehrkraft zu Lande wie zu Master. Brasilien, das über ein sehr unerhebliches Marinepersonal verfügt, hat in England drei Dreadnoughts in Auftrag ge geben, die jetzt ungefähr fertig sein müssen. Aehnliche Bestellungen hat Argentinien in den Vereinigten Staaten gemacht, doch ist die Ausführung weiter im Rückstand. Es liegt so massenhafter Zündstoff vor, daß man immer mitdernahenMöglichkeiteiner Feuersbrunst rechnen muß. Und eine solche zieht natürlich auch europäische, deutscheJnteresfen in Mitleidenschaft. Um die kleine, zwischen ihnen liegende, strategisch wichtig« Republik Uruguay haben Brasilien und Argentinien schon lange gebuhlt. Es ist herkömmlich in Südamerika, daß die im Bürgerkriege unter liegende Partei in» Nachbarland flieht und dort gut ausgenommen wird. Sie leistet dann dort der poli tischen Feindschaft ihre Dienste. In ihren Unterneh mungen zur Wiedererlangung der Macht im Heimat land« wird sie dann regelmäßig von der Nachbar- republik offen oder geheim unterstützt. Und solche Verschwörungen gibt es fast immer. Da die Macht haber so gut wie regelmäßig ihre Macht mißbrauchen, um sich selber zu bereichern, so gibt es immer Kon- I kurrenten, die selber nach einer solchen Gelegenheit dürsten. Und es gibt auch immer Haufen Unzu friedener, die sich anschließen. Lawinenartig schwillt so eine aufrührerische Armee an, in der Regel wird schon beim ersten Stoß der Präsident überwunden und ein neuer eingesetzt, der es nicht besser macht. In Uruguay ist das von jeher an der Tagesord nung gewesen. In die Geschichte irgendwie näher ein zudringen, lohnt sich gar nicht. Seit etwa zwanzig Jahren fing die Ordnung an, in diesem Laplata- umspülten Lande als Gast zu erscheinen. Ihres Bleibens war noch nicht. Denn noch 1897 wurde wieder ein Präsident ermordet. Erst dessen Nachfolger Euestas hatte das Glück, die Parteien einigermaßen zu versöhnen, wenn auch mit Hilfe eines Verfassungs bruches. Auf gesetzlichem Wege kamen nun 1903 Präsident I. I. Battle y Ordonnez und 1907 Williman ins Amt. Sie waren und sind beide Anhänger Brasiliens. Selbstverständlich hatten sie die a r g e n t i n i s ch e Partei zum Gegner. Diese hat nun längere Zeit wenig unternommen. Da aber im Jahre 1911 ein neuer Präsident zu wählen '.st und die brasilianische Partei aufs neue Battle y Ordonnez wählen will, so trifft die argentinische ihre Vorkehrungen, um sich in den Besitz der Macht zu setzen. Im einzeln erinnern die Maßnahmen beider etwas an einen lustigen Operettenkrieg. Zu Anfang dieses Jahres erhielt die Negierung von Uruguay die Nachricht, daß ihre Gegner „auszu wandern" begännen. Mit andern Worten: sie sammelten sich jenseits des Uruguay-Flusses auf argentinischem Boden. Es erfolgte zwar ein Aus wanderungsverbot, dach ist ein solches natürlich macht los, wenn man in dünnbevölkertem Lande mit einer einzigen Bootfahrt „auswandern" kann. Am West user des genannten Flusses waren Mitte Januar über 2000 „radikale Ratio...'.listen" beisammen. Sie hatten sich unter den Augen der argentinischen Regierung mit Gewehren, Säbeln. Munition, Revolvern usw. versorgt und beluden damit ein kleine« Flußiahr« zeug. Auf diesem fuhren sie ganz gemütlich den Strom hinab, um in Fray Bentos, dem Sitz der großen Liebigschen Fleischextraktfabrik, in Uruguay zu landen. Das war den dortigen Behörden jedoch nicht entgangen. Ein Wachtschiff hielt das Flußschiff an, um nach der Ladung zu forschen und um Ver dächtiges wegzunehmen. Das war gegen die Ab sichten der argentinischen Behörden. Sofort er schienen zwei argentinische Kanonenboote und ge leiteten das Flußschiff wieder ans heimische Ufer. Sie erklärten dem uruguitischen Wachtschiff, die Waffen seien für argentinische Truppen stromaufwärts be stimmt. Es war aber gar nicht ernstlich die Absicht Argentiniens, die Waffen in eigenen Gewahrsam zu nehmen. Sie betrieben die Entladung des kleinen Schiffchens so lässig, daß die Aufständischen nachts zu griffen und sich der Waffen wieder bemächtigten. Erst als das geschehen war, ergingen an die argen tinischen Behörden Befehle, an der Grenze gehörige Aufsicht zu üben. Zu einem nochmaligen Einfallsversuch haben die Verschwörer dann lange Zeit keinen Mut gefunden. Erst die Unternehmung, von der in den allerletzten Tagen die Depeschen berichten, bedeutet einen neuen Anlauf der argentinischen Partei, die kleine Repu blik in ihre Hände zu bringen. Dem Namen nach gilt es nur, die Wahl des früheren Präsidenten Battle y Ordonnez mit Gewalt zu verhindern. Dies mal sind die Vorkehrungen umfassender. Es ver lautet, daß bereits etwa zehntausend Mann in der nördlichsten Provinz angesammelt seien, und daß die Bänden täglich anschwellen. Ist das richtig, so ist ein Sieg nicht ausgeschlossen, denn Uruguay hat nur eine Million Einwohner und Friedenstruppen in der Stärke von 7000 Mann. Auf Milizen ist natürlich nicht zu rechnen. Don argentinischer Unterstützung melden die Tele gramme noch nichts. Das schließt nicht aus, daß sie doch geleistet wird. Uruguay wird darüber unter richtet sein. Und dann wird es darauf ankommen, ob Brasilien etwas tut, um sein« Partei an der Macht zu erhalten. Verwicklungen solcher Art können jeden Augenblick eintreten. Lin Mshltab kür Lohnltreitigkeiten. (Dgl. Nr. 295 des Leipziger Tageblatts.) Wir scheinen immer mehr in «ine Epoche der Streiks, und zwar nicht nur in Deutschland, einzulenken. Je mehr das aber der Fall ist, desto mehr wird es wünschenswert, daß sich jeder Inter- essent — und Interessent ist hier jeder politisch Inter- esfiert« — im Einzelfalle ein Urteil zu bilden ver mag, ob die Streikforderungen berechtigt sind oder nicht. Für die Beantwortung dieser Frage läßt sich nun den Ausführungen, die Dr. E. Wolff in der „Norddeutschen" macht, in der Tat ein Maßstab ent- nehmen, der, wo nicht besonder« Umstände da. Durch- schnittsbild trüben, gut« Resultate verspricht. Fest steht zunächst einmal, nach den sür die Kranken versicherung ständig ermittelten Werten, der übliche Tagelohn für ungelernt« Arbeiter und damit die zur Befriedigung des Existenzminimums notwendige Summe für jeden Ort, an dem ein Streik ausbrechen kann. Schon aus dem Unterschied, der zwischen dieser Summe und dem den gelernten Arbeitern der jeweils in Frage stehenden Industrie gezahlten Lohn besteht, läßt sich ungefähr abnchmen, ob das Verlangen nach weiterer Lohnstcigcrung berech tigt ist oder nicht. Man kann aber, wie Dr. Wolff zutreffend heroorhebt, mit einer weiteren Ueberlegung der Frage noch viel näher auf den Leib rücken. Ganz kurz: Das Streben der Arbeiterschaft nach Erhöhung ihres Lebensstandards ist ganz ge wiß zu billigen, soweit nicht auf der andern Seite dadurch der Standard des Unternehmers (der ja sehr oft, wie bei den Aktiengesellschaften, aus einer Mehr zahl mittlerer und kleiner Kapitalisten besteht) un gerechtfertigt beeinträchtigt wird. Danach ist zunächst zu sagen, daß jeder Streik, der auf die E r h a l t u n g des bisherigen Lebensstandards hinausläuft, be rechtigt ist, wofern nicht etwa eine Verschlechterung in der allgemeinen Lage der betreffenden Industrie auch eine Verschlechterung de: Arbeiterlebensfiihrung er zwingt. Sind also die Kosten der Lebensführung, in folge der allgemeinen Entwertung des Geldes, infolge einer Fletsch- oder Kohlennot, gestiegen, so wird der Arbeiter im allgemeinen mit Recht verlangen dürfen, daß sei» Lohn eine entsprechende Aufwärtsbewegung macht. Weiter aber wird gegen ein Höher st reden so lange nichts einzuwenden sein, als der allgemeine Stand der betreffenden Industrie und der besonders des betreffenden Unternehmens ein solches erlaubt. Immerhin wird zwisä)«n Lohn bewegungen der ersten und der zweiten Klasse ein Unterschied zu machen sein. Man wird sagen dürfen: Lohnbewegungen zur Erhaltung des Lebensstandards sind im allgemeinen berechtigt; dafür, daß sie es im besonderen Falle einmal nicht sind, trifjt die Beweis last den Unternehmer, llmaekehrt trifft die Beweis last dafür, daß eine zur Erhöhung des Lebensstandards unternommene Lohnbewegung berechtigt ist, die Arbeitnehmer. Zur Nachprüfung des Standpunktes beider Parteien wird in jedem Falle die Kenntnis des ortsüblichen Tagelohnes wertvolles Material liefern, da die größere oder geringere Ent fernung des bisher gezahlten und des nun ge forderten Lohnes von der zur Befriedigung des Existenzminimums notwendigen Summe zu er kennen erlaubt, welchen relativen Wert die absoluten Zahlen im kookrcle» Fzlle haben. Ob nun der bisherige Lebensstandard mit dem bisherigen Lohne zu erhalten ist oder nicht, ob der geforderte höhere Lohn lediglich die Aufrechterhaltung des bisherigen Standards erlauben oder eine Ver besserung bedeuten würde, und wenn dies, wie in der Regel, der Fall, wie groß diese Verbesserung sein würde — um das zu erkennen, reicht glcichsalls die Bekanntschaft mit ein paar Zahlen aus. Im allge meinen wird es schon genügen, zu wissen, wieviel das Existenzminimum zur Zeit der letzten Lohnerhöhung betrug und wieviel es jetzt beträgt. Denn der pro zentualen Verschiebung hier entspricht in der Regel der Fälle auch die prozentuale Verschiebung der Un kosten einer besseren Lebensführung. Reicht dies nicht aus, so kann mit der ziffernmäßigen Angabe der Preise von fünf oder sechs Hauptkonsum artikeln ausgeholfen werden. Bei der außerordentlichen Bedeutung, die die Er lebnisse des vierten Standes für das Staatsganze haben und noch immer mchr bekommen, ist es zweifel los als eine Ausgabe desStaates anzusprechen, dafür zu sorgen, daß eine gerechte Beurteilung von Lohnbewegungen der Allgemeinheit ermöglicht wird. Wir glauben nachgewiesen zu haben, daß die Grund lage sür eine solche Beurteilung mit der wenig Mühe kostenden Mitteilung von ein paar Ziffern zu liefern ist. Wir möchten deshalb den Wunsch aussprechen, daß dies in Zukunjt ge schehen möge. Nehmen wir ein Beispiel: In einer Spinnerei in Chemnitz breche ein Lohnstreit aus. Don Amts wegen werden darauf der Oeffent- lichkeit (d. h. vor allen Dingen der Presse) in geeig neter Weise folgende Zahlen zugänglich gemacht: der bisher in der Fabrik gezahlte Lohnsatz: der Durch schnittslohn in den andern Chemnitzer Spinnereien; der ortsübliche Tagelohn ungelernter Arbeiter zur Zeit der letzten Lohnändernng und jetzt; die Markt preise der wichtigsten Arbeiterkonsumartikel zur Zeit der letzten Lohnänderung und jetzt; die verlangte Lohnerhöhung. Damit ist ein Schema geschaffen, das gute Dienste leisten wird. Gewiß ist zuzugeben, daß dieses Schema zunächst noch etwas Rohes hat. Das mindert aber seine Brauchbarkeit kaum. Zur Beurteilung aller nicht irgendwie besonders gearteten Fälle wird es durchaus ausreichen. Wo aber besondere Umstände vorliegcn, wird die Partei, zu deren Gunsten sie sprechen, sich beeilen, sie gleichfalls zur Kenntnis der Oeffentlichkeit zu bringen. Durch eine derartige Initiative des Staates würde also sehr viel erreicht werden. Der gegenwärtige Zustand ist regelmäßig der, daß die Oeffentlichkeit Lohnstreitigkeiten urteils los gegenübersteht. Ihre Stellungnahme wird durch Sentiments, mitunter durch Nebendinge bestimmt. Weder Sentiments noch Nebendinge sind geeignete Grundlagen für die Stellungnahme in Fragen der praktischen Sozialpolitik. Da es so leicht ist, a„ ihre Stelle festere Grundlagen zu setzen, ist nicht abzu sehen, warum dies nicht geschehen sollte. Die StrssprorehkommtMon beriet am Mittwoch zunächst über die Form des S t r a f a n t r a g s: ob er schriftlich eingereicht werden soll, ob er zu Protokoll erklärt werden kann und wie das Protokoll beschaffen sein muß. Ein Antrag ist sür die Juristen von Bedeutung; er ging dahin, die gesamten Bestimmungen über den Straf- antrag einheitlich in der Strafprozeßordnung zu- sammenzufassen und nicht zum Teil im Strafgesetz- buch, zum Teil in der Strafprozeßordnung avzu- handeln. Begründet wurde der Antrag damit, daß der Strafantrag die Voraussetzung für di« Straf 104. Jahrgang. Verfolgung, also prozessual sei, und deshalb nicht in das materielle Recht gehöre. Dagegen wurde aus geführt, daß der Strafantrag zugleich eine Begren zung des materiellen Strafrechts enthalte und daß deshalb auch die Materie des Strafantrages in den Gesetzgebungen aller Länder im Strafrecht behandelt werde. Der Antrag wurde abgelehnt. Darauf wurde die in der letzten Sitzung aus gesetzte Abstimmung über den 8 155» vorgenommen. Er betrifft das sogenannte Legalitätsprin- z i p und bestimmt nach dem Beschluß erster Lesung, daß die Staatsanwaltschaft gewisse Uebertretungen nicht zu verfolgen braucht. Der Paragraph wurde mit 10 gegen 1t Stimmen aufrechterbalten und der Beschluß erster Lesung noch dahin erweitert, daß die darin gemachte Voraussetzung der Zustimmung des Gerichts mit 18 gegen 9 Stimmen gestrichen wurde. Der Rest des Abschnittes über das Ermittlungs verfahren erfuhr nur unwesentliche Aenderungen. Am Schlüsse dieses Abschnittes fügte die Kommission folgende Bestimmung hinzu: Ist bei einem von der Staatsanwaltschaft eingestellten Ermittelungsverfah ren die Verpflichtung der Staatskasse zur Ent schädigung des Beschuldigten für erlittene Unter suchungshaft festgestellt worden, so kann die Eröff nung einer Untersuchung nur auf Grund neuer Tat sachen oder Beweismittel beantragt werden. Der dritte Abschnitt des Buches über das Ver fahren in er st er Instanz behandelt die Vor untersuchung. Hier hatte die Kommission in erster Lesung die Regierungsvorlage dahin einge schränkt, daß die Voruntersuchung in Landgerichts sachen nur dann zulässig sein soll, wenn ein — und zwar nicht lediglich wegen Rückfalls sich als solches darstellendes — Verbrechen den Gegenstand der Unter suchung bildet. Der Entwurf der Regierung will der Staatsanwaltschaft die Besugnis geben, die Vor untersuchung zu beantragen, „wenn sie zur weiteren Aufklärung erforderlich ist." Die Regierungsvorlage wurde jetzt in zweiter Lesung wiederyergestellt. Die Beratung dieses Abschnittes gedieh bis zu 8 189 s. Zur Lage in Portugal. Aus Lissabon schreibt uns ein Freund unserer Zeitung: Obwohl das Ministerium mit Ausbietung der vollen Kraft arbeitet, um aus dem befteheirüen Chaos eine Neuordnung der Dinge auf repuotikaiujcher Grundlage erstehen zu lassen, so ist doch noch recht vieles im unklaren, wie dies und jenes eingcnchcel werden soll. Das Volk wartet geduldig ab, es weiß, daß da oben die energischsten Angrengunge» zur Ver besserung der Lage gemacht werden und tröget sich mit dem Gedanken, daß schon allein die Herabsetzung des städtischen Octroi und die Vertreibung der Jesuiten eine allgemein als Erleichterung unerkannte Maßnahme bedeutet. Ich habe mit verschiedenen Mitgliedern des neuen Ministeriums zu sprechen Gelegenheit gehabt, und muß sagen, daß ich den Ein druck gewonnen habe, daß diese republikanischen Minister das Zeug in sich haben, Portugal vorwärts zu bringen. Dazu kommt vor allem, daß die Repu blikaner aus geraume Zeit hinaus einig sein werden, und trotz dieser oder jener Meinungsver schiedenheit, je nachdem eine extreme oder gemäßigte Richtung eingeschlagen werden soll, fest zufammen- halten, während den monarchischen Parteien, die in ihrer ganz unsinnigen Parteiverhetzung den Sturz des in großen Kreisen beliebten Königs Manuel in folge der Mißwirtschaft verschuldet haben, aus ge raume Zeit der Atem ausgegangen ist. Deutschland hat alle Veranlassung, aus das genaueste alle Verhältnisse auf der Pyrenäenhalbinsel im allgemeinen und im lusitanischen Königreiche im speziellen zu verfolgen, denn nicht immer ist man in Deutschland richtig orientiert gewesen. Infolge des neuen deutsch-portugiesischen Handelsvertrages wird der Vorsprung, den die Ausfuhr Deutschlands nach Portugal gegenüber der Einfuhr aus Portugal bisher halte, unzweifelhaft bald verschwinden, und wenn dies noch nicht gleich im Jahre 1910 eintritt, jo liegt es lediglich daran, daß die in Portugal als recht lästig und recht kostspielig empfundenen Forma litäten bei der Verladung der Edelwcine (Analyse, Ueberwachung der analysierten Weine bis zu dem unsicheren Eintreffen des Dampfers usw.) die Wcinausfuhr noch nicht voll einjetzen ließen. Aber schon der bedeutende Rückgang der diesjährigen Zuckerausfuhr aus Deutschland nach Portugal bringt bereits ein ganz anderes Bild als bisher in die Handelsbilanz. Wird gar erst noch die Tabelle des oeutjch-poriugiesifchen Handelsver trags mit den Zollerhöhungen eingeführt, deren Ein führung jedoch, wenn sie überhaupt unter dem jetzigen Regime tattfindet, meiner Meinung nach aber nicht vor näch'tem Sommer erfolgen wird, dann ist min destens ein Ausgleich in den Beträgen der Aus- und Einfuhr bestimmt zu erwarten. Da mit dem Freiherrn von Bodman als neuem deutschen Eeiandte r in Lissabon allem Anschein nach der richtige Mann auf den richtigen Platz gekommen ist. auf dem er hoffentlich recht lange bleibt, so ist damit zu rechnen, daß die Beziehungen Deutschlands zu Portugal sich weiter in politischer und wirtschaft licher Hinsicht verbessern. Es bleibt nur zu bedauern, daß der mehrjährige 1. Legationssekrctär von Teich mann, der dem neuen Gesandten wirksam hätte zur Einarbeitung zur Seite stehen können, durch eine ernstliche Erkrankung zur Reife in die deutsche Heimat veranlaßt wurde und nicht sobald wieder dienstfähig sein wird, während die Bemühungen Hamburger und Berliner Kreise bezüglich der Entsendung eines „Handclssachverständigen" nach der Pyrenäenhalbinsel trotz des Fehlens eines deutschen Berufskonsulats in Portugal und trotz der Befürwortung durch die Bud getkommission des Reichstages (Anfang 1908) an der mißlichen Lage der Reichsfinanzen leider scheiterten. Hoffen wir aber, daß hierin noch nicht das letzte Wort gesprochen ist.
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