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02-Abendausgabe Leipziger Tageblatt und Handelszeitung : 15.11.1910
- Titel
- 02-Abendausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1910-11-15
- Sprache
- Deutsch
- Vorlage
- SLUB Dresden
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id84535308X-19101115025
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id84535308X-1910111502
- OAI
- oai:de:slub-dresden:db:id-84535308X-1910111502
- Sammlungen
- Zeitungen
- Saxonica
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
-
Zeitung
Leipziger Tageblatt und Handelszeitung
-
Jahr
1910
-
Monat
1910-11
- Tag 1910-11-15
-
Monat
1910-11
-
Jahr
1910
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k czugs-Prerv Mr Lrtpzia und »ororr« durch »»<«» träger und Spedueurr 2mal ttglich m»öau« gebracht:vü H >ouatl., >.7V^« vierteljtbrt Bet uniern Filialen u. Sn. nuhmellellen adgeholu 7S »onatt., A.LL »tetteljthrl. Durch dir »oft: innerhalb Deuiichland« ui^d der deutichrn Kolonien vterteliährl. ».«V monail. I.l!» ^ik auälchl. Postdestellgcld. Fc.uer >n Belgien, Mnemark, den Lonauslaaten, Italien, Luxemburg, -iiederlande, »ior- ioeuen. Oesterreich Ungarn, giuhlaud, kchweden, -Schweiz u. Spanien, In allen übrigen Stauten uur direv durch di« GejchLirrnelle de« Blatte« erhältlich. Das Leipziger Tageblatt erlcheint 2 mal täglich, Sonn. u. Feiertag« nur morgen«. Ldonne. enl^rinnatmie i Aiiguiiu»platz 8, bei unteren Trägern, Filmten, Spediteuren und Annahmestellen, iowie Postämtern und Bnefrrägern. Stnzalverkaus«pret« der Morgen» «ulgabe lv der Abend lulgabe » Nr. 3lS. Abend-Ausgabe. AciMgcr TagtlilM Handelszeitung. Ämtsbkatt des Nates und des Notizeiamtes der Ztadt Leipzig. Anzeigen-PresS Mr Anierate au» -.eiviig uno umgedunq di» Ügeipaiten« HO niw brritr Petttzeil, L ch, di« 7« mm breite NrNamezeU« l voa auswLn» TV pz, cheklamen t-20 Inserate voa Bebdrden m amtlichen Teil di« 7« mm breite Petiizeile di ch, »eichL't«anir>aen au P Lhoorichriitia an» r» der Aoendautaad» in, preii« erhobt. Aabali nach Lartt. Beilagrgedübr b o. Lauiend exkt. Postgedühr. F^terieUt« Lu,träge können nicht zurück gezogen werden. Für oas iiricheinen an bestimmten Tagen und Plähen ivirb lein« Garantie übernommen Anzeigen-Annahme: Augustutplutz bei iämtlichen Filialen u. allen Annoncen» ltzpeditionen de» Zn- nnd Äuilande». Medakkivn und Gelchakttstellr: Zobanmrgaste o. Fernwrecher: I4ÜUL >4vir,. ,4604. Haupl Filtale LreSben: Seestrape 4, l tTelephon 4621). Oienstsy, üen lS. November l9l0. 104. Jahrgang. Leutnant Selm. Der englische „Spionageprozeß" gegen den deutschen Leutnant Helm ist zu Ende. Das Urteil, das gegen den jungen Offizier auf 250 Pfund (5000 Mart) Buße lautete, meldeten wir bereits in der heutigen Morgennummer. Ueber die Verhandlung selbst liegt noch folgender ausführlicher Bericht vor: Winchester, 14. November. (Tel.) In der Ver handlung gegen Leutnant Helm erklärte der Keneralstaatsanwalt nach kurzer Darlegung der Schuldfrage, es sei dies die erste Strafverfolgung gegen einen Offizier eines anderen Staates wegen eines solchen Vergehens. Das Ziel der Anklage sei insofern erreicht worden, als klar gezeigt worden sei, daß die Aufnahme von Skizzen in der Weise, wie dies von Helm geschehen sei, und die Handlungen, die er oollführt habe, Vergehen gegen das englische Gesetz darstellten und daher streng zu bestrafen seien. Da jedoch Leutnant Helm bereits vier Wochen in Hast gewesen sei und sein Vergehen zugegeben habe, so bitte er um mildernde Umstände für ihn. vorausgesetzt, daß er sein rückhaltloses Bedauern über seine Handlungsweise ausspreche und sich ver pflichte, sein Vergehen nicht zu wiederholen. Der Verteidiger Humphreys erklärte Helm Hobe sich auf den Rat der Verteidigung für schuldig er klärt. Die Tatsachen des Falles seien nie bestritten worden, und es sei kein Versuch gemacht worden, zu unterstellen, daß Helm für das, was er getan habe, irgendwelche Berechtigung gehabt hätte. Es wäre zwecklos und aussichtlos, das Gericht zu bitten, aus zusprechen, er habe sich in Widerspruch zu dem Gesetz gebracht. Humphrey fuhr fort: Helm wünsche durch ihn sein tiefes und aufrichtiges Be dauern darüber auszusprechen, daß er die Gesetze des Landes, dessen Gastfreundschaft er genoffen, über treten habe, und dem Gericht die Versicherung zu geben, daß sein zukünftiges Verhalten nicht den ge ringsten Anlaß zu der Annahme bieten solle, daß er sich einer Wiederholung des Vergehens schuldig machen könnte. Der Verteidiger sprach die Hoffnung aus, der Richter würde in Betracht ziehen, daß Helm da mals den Ernst deiner Handlung nicht voll gewürdigt habe, und hob ferner hervor, daß der Angeklagte vor dem zuständigen Tribunal bewiesen habe, daß er kein Spion sei. Der Richter führte aus, daß er mit Rücksicht auf Helms Versprechen, das Vergehen nicht wiederholen zu wollen, und ferner mit Rücksicht auf die Erklärung des Eeneralstaatsanwalts, nicht auf eine Bestrafung drängen zu wollen, keine Notwendigkeit zu einer Bestrafung sähe. Darauf wurde Helm aus der Haft entlassen. Wenn man auf den Gang der Voruntersuchung, der Verhandlung und schließlich auf das Urteil selbst zurückblickt, so kann man sich als Deutscher eines peinlichen Gefühls nicht erwehren: Ein deutscher Offizier ist der Aufnahme verhältnismäßig harm loser Skizzen für schuldig befunden worden, ohne daß man ihm die Absicht von Spionage hat nachweisen können. Die Engländer haben offenbar selbst ein gesehen, daß sie bei dem mit großem Tamtam in Szene gesetzten Spionageprozeß schlecht abschneiden würden, sie haben es aber im letzten Augenblick noch verstanden, sich der Gefähr, lächerlich zu werden, zu entschlagen, ja sie haben die ganze Sache benutzt, um den „Spion" zu blamieren. Man hat üen lungen deutschen Offizier „ermahnt", und er hat versprechen müssen: „Ich will es nicht wieder tun." Der junge Offizier hat unbedachtem gehandelt, als er Skizzen von verfallenen ungefährlichen Festungswerken auf- nahm, die uns in Deutschland niemals wertvoll sein können, weil wir Bilder davon viel bester und un gefährlicher in Neiseschilderungen und auf Ansichts postkarten haben können. Von Spionage konnte also nicht die Rede sein. Um so unverzeihlicher ist des halb die Haltung Helms in dem Prozeß. Bitten uno Entschuldigungen, die Helm in der Verhandlung vorgebracht hat, stehen unter solchen Verhältnissen einem deutschen Offizier gar nicht recht an, und es sollte uns nicht wundern, wenn die deutsche Militär behörde mit Helm noch ein ernstes Wort sprechen würde. Deutsches Ansehen ist jedenfalls durch diesen junge« Offizier in sehr unnötiger Weise aufs Spiel gesetzt worden. Vie KeichsoerlicherungskommMion setzte am Montagnachmittag die zweite Lesung des Abschnittes über die gewerbliche Unfallver sicherung fort. Nach H 607 des Regierungsent- wurfes haben nur die ehelichen Kinder Anspruch auf die Unfall-Hinterbliebenenrente. Die Kommission hat in der ersten Lesung diesen Anspruch auch den unehelichen Kindern gegeben. In zweiter Lesung wurde bei Stimmengleichheit (das Zentrum stimmte geteilt) gegen die Lrnke die R-gierungsvor- lage wiedeihergestellt. Die Kommission hatte in elfter Lesung in einem 8, 614 a einen Ausländerparagrapyen eingefügt uttü bestimmt, daß die Hinterbliebenen eines Ausländers, die zur Zeit des Unfalles nicht im Inland ihren gewöhnlichen Aufenthalt hatten, keinen Anspruch auf die Rente haben. Für be stimmte Grenzgebiete sowie bei internationaler Gegenseitigkeit sind Ausnahmen zugelaffen. Die Re gierung verlangte die Beseitigung dieses Kom- misfionsbeschluffes unter Bezugnahme daraus, daß die Unfallversicherung an Stelle der Haftpflicht getreten sei, und der Ausländer auch im Zivilrecht nicht fchl.chter gest>.lll sei als der Inläud::. Di-. Kom^ Mission bestätigte aber mit 16 gegen 12 Stimmen, gegen Fortschrittler, Sozialdemokraten, Polen, wäh rend das Zentrum auch hier geteilt stimmte, den Be schluß erster Lesung. 8 626 bestimmt, daß nach Ablauf von zwei Jahren, nachdem die Entschädigung endgültig festgestcllt wor den ist, eine neue Feststellung nur in Zeit räumen von mindestens einem Jahre erfolgen kann. Durch eine neue Fassung wird der Vorletzte während dieses Jahres in dem ungestörten Bezug der Rente für den Fall gesichert, daß in dieser Zeit ein neues Heilverfahren eingeleitet wird. § 632 hat in der ersten Lesung einen Zusatz er halten, wonach die Rente ruht, solange der berechtigte Ausländer nicht im Inlands seinen gewöhnlichen Aufenthalt hat. Hierbei sind dieselben Ausnahmen zugelaffen wie bei tz 614 u. Dieser Besckluß erster Lesung wird in zweiter Lesung dahin aogemilüert, daß, wenn der Gesundheitszustand den Aufenthalt im Auslande erforderlich macht, die Bestimmung über das Ruhen der Rente nicht Geltung erhält. Dagegen ruht die Rente, wenn der Ausländer wegen straf'ccht- licyer Verurteilung aus gewiss en ist. Die Be ratung über 8 634, der von der Kapitalabsindung der Ausländer handelt, wurde auf Di enstag - nachmittag vertagt. plllililche Nachrichten. Der Kreisverband Dresden-Radeberg der evangeli schen Arbeitervereine hat sich in seiner letzten Sitzung auch in ausführlicher Weise mit der vielfach beobachteten Belästigung von Arbeitswilligen durch streikende Arbeiter beschäftigt. Nach einer längeren De batte wurde beschlossen, einen Antrag an den Landes- verbanosvorstand zu richten, bei der Regierung und dem Landtage dahin vorstellig zu werden, daß ein Ge setz geschaffen werden möge, das Belästigungen anders Gesinnter auf der Arbeitsstätte unter Strafe stellt. Ebenso soll das Verlangen von Arbeitern an den Ar beitgeber, einen Mitarbeiter zu entlasten, weil er sich weigert, einer bestimmten Organisation beizutreten, unter Strafe gestellt werden. Der Antrag entsprang einer Besprechung der Themen des sächsischen natio nalen Arbcitertages. Wir meinen, daß es dazu neuer Gesetze nicht be darf: die bestehenden Eesetzesvorschriften genügen vollkommen. Beginn der Etatsberatungen im Bundesrat. Der Bundesrat wird sich in den nächsten Tagen mit der Beratung des Reichsetats befassen. Die in Betracht kommenden Ausschüße werden vom 17. d. M. ab zu diesem Zweck Sitzungen abhalten. Di« Auflösung des englischen Parlaments. Die Bemühungen des englischen Ministerpräsi denten Asquith, die kritische Lage im englischen Par lament zu einer friedlichen Lösung zu führen, sink», wie vorauszusehen war, erfolglos gewesen. Der Draht meldet den Beschluß der Regierung, das Parlament unverzüglich aufzulösen. London, 15. November. (Tel.) Die „Daily Chonicle" ist zu der Mitteilung ermächtigt, daß die Regierung beschlossen habe, das Parlament unverzüglich aufzulösen. » » . ? Di« Unruhen an de: rärttjch-perfisLien Gr-.nzr. Konstantinopel, 14. November. (Tel.) Nach Depeschen des türkischen Konsuls in Salmas erfolgten zwischen Persern und türkischen Kurden Zusammen st öße, welche die Perser bis Salmas trieben. Die erregte Bevölkerung er bat vom Konsul Schutz, der die Kurden zur Ruck - ke hr zu bewegen hofft. Die persische Finanzfrage. London, 14. November. (Tel.) Wie das Reu- tersche Bureau aus Teheran erfährt, bot die Kaiserlich Persische Bank der Regierung eine 5prozentige Anleihe im Betrage von 1250 000 Pfund Sterling zu einem Kurse von 87^ an. Die Operation umfaßt die Konvertierung der gegen wärtigen konsolidierten Schuld. Außerdem har die Bank der Regierung bereits 100 000 Tomans ge liehen; man glaubt, daß diese Summe unverzüg lich dazu verwendet werden soll, die Ruhe im Süden wiederherzustellen. »US Leipzig unü Umgegenü. Leipzig, 15. November Wetterbericht der König!. Sachs. Landesweiterwarte zu Dresden. Voraussage für üen 16. November. Nordöstliche Winde, zeitweise aufheiternd, kälter, kein erheblicher Niederschlag. Pöhl berg: Berg nebelfrei, Nebel rings um her. schwache Schneedecke nur aus dem Berge, glän zender Sonnenuntergang, Abendrot. Fichtelberg: Nachls schwacher Nebel, gute Schlittenbahn bis in die Täler hinab, starker, an haltender Reif, Bäume stark mit Rauhfrost behangen, glänzender Sonnenuntergang, Abendrot. * * Auszeichnung. Das Kgl. Ministerium dos Innern hat dem seit 15. November 1880 ununter brochen bei dem Schlossermeister C. Wilhelm Ventur in Leipzig, Weststraße 30, beschäftigten Werkmeister Carl Treff körn in Leipzig-Schleußig das Ehren zeichen für Treue in der Arbeit verliehen, das ihm heute in Gegenwart seines Arbeitgebers durch Ober bürgermeister Dr. Dittrich an Ratsstelle ausgehändigt wurde. * Gesamteinkommen in Leipzig. Nach dem Staats einkommensteuer-Kataster für 1009 betrug in Leipzig das Einkommen aus Grundbesitz 59 942 789 - Renten 67 774 295 - » Gehalt und Lohn . . . 252 214 300 - » Handel und Gewerbe . 177 292 914 - Gesamtbetrag: 557 224 298 Abziehbare Schuldzinien . . 51 730 317 . Verbleibendes Einkommen: 505 493 981 Abzüge nach 8 12 des Gesetzes 2 799050 . Steuerpflichtiges Einkommen: 502 694 931 Gegen das Vorjahr (1908) hatte sich das Ein kommen um 20 643 000 .6 erhöht. Von dem gesamten steuerpflichtigen Einkommen entfielen 271924 951 auf Alt-Leipzig und 230 769 980 auf Neu- Leipzig. 2n Alt-Leipzig kamen bei 98 700 mit Einkommen eingestellten Personen auf jede 2777 Einkommen, in Neu-Leipzig bei 151 536 Personen auf jede 1524 x Einkommen. Schließlich ist zu erwähnen, daß das gesamte ergänzungssteuerpflichtige Vermögen in unserer Stadt im vorigen Jahre 1 800 125 8^,2 bel.ug, d-'rs sind 6t 372 t'x- «t mehr al» 1908. Von diesem Vermögen entfielen 1375354 572 auf Alt-Leipzig und 433 051 280 auf Neu-Leipzig. * „Handelshochschulstudium und Freistudenten- tum." Als erster der von der Freien Studentenschaft der Handelshochschule zu Leipzig für dieses Semester geplanten Vorträge fand am Sonnabend den 12. No vember abends im »Lsürstenhof" ein solches des Redakteurs A. Kirch rath, D. H. H. L., statt über „Handelshochschulstudium und Frei, studententum". Der Redner zeichnete zunächst die Entwicklung des Handelsschulwesens aus seinen ersten Anfängen bis zur Gründung der ersten deutschen Handelshochschule in Leipzig und den Wechsel in der Stellungnahme der Kaufmannschaft zum Hochschul, studium der Kaufleute, indem er betonte, daß die ganze Frage nicht nur wissenschaftlichen Charakter, sondern auch den einer Standesbewegung trage. Er ging darauf näher auf die hiesigen Verhältnisse ein, besprach Für und Wider der Angliederung der Hoch. Späte Gerechtigkeit. 15) Roman von Wilhelm Schwedler. «.Nachdruck verboten.) Der Advokat war aber nicht gesonnen, sich seinen Trumpf so leichten Kaufes entwenden zu lassen. „Sie vergessen", sagte er ernst zu seinem Klienten, „daß ich ein Anwalt bin, und als solcher habe ich die Pflicht, das Recht zu schützen und das Unrecht zu verhüten — gerade wie der Ankläger und der Richter." James erhob sich und richtete sich stolz auf. „Soll das heißen", fragte er mißtrauisch, „daß Sie beabsichtigen, auch gegen meinen Willen eine Wieder aufnahme des Verfahrens anzustrengen?" Der Advokat zuckte die Achseln. „Ich muß mir den Fall überlegen", sagte er lang sam, „ich glaube, ich kann unmöglich die Sache ein fach im Sande verlaufen lasten." „Dann kann ich Ihnen nur heilig und teuer oer. sprechen", erwiderte der iunge Mann, sich zum Gehen wendend, „daß Sie miw zum letzten Male hier ge sehen haben. Ich glaube nicht, daß Sie meinen — unseren Aufenthaltsort auskundschaften werden. Sollte Ihnen dies aber wider Erwarten dennoch ge. lingen, so steht es außer Ihr« und jedes Richters Gewalt, mich oder jenes Mädchen zum Sprechen zu bringen." Siebzehntes Kapitel. Als James an diesem Tage nach Hause -zurück- kehrt«, fand er Jane bereits wartend. Sie blickte ihn forschend an, als ahnte sie, wo er gewesen und was er gesprochen hatte, aber sie fragt« nicht, und er fing bald ein gleichgültiges Gespräch an, das beide auf andere Gemmken brachte. Nachdem mehrere Tage vergangen waren, ohne daß sich etwas ereignete, nahm er an, daß wieder Gras über die Sache gewachsen sei. Er hatte sich aber getäuscht, denn eines Abend» zeigte Jane bei ihrer Heimkehr ein verändertes Wesen. Ihr Gesicht war bleicher als sont und ihre Augen wiesen Tränensouren auf. Sie sprach kein Wort, sondern legte stillschweigend ein Zeitungsblatt vor ihn hin. Es enthielt seine Unterredung mit dem Advokaten und am Schlüsse des Artikels fand sich die Bemerkung, daß die Verhaftung der wahren Mörderin nahe be- oorstehe, da die Polizei ihr bereits auf der Spur sei. An dem Abend sprach keines der beiden mehr «in Wort. Am andern Morgen entfernte sich Jane unter einem belanglosen Vorwande vom Hause. James Bartlett ahnte nichts Gutes, aber er hatte nicht den Mut, das Mädchen zu fragen, wohin ihr Weg gehe. Er wartete eine Stunde um die andere auf ihr« Rückkehr, und da er keine Beschäftigung hatte, wurde ihm die Zeit zu einer wahren Ewigkeit. Des Mittags ging er, als er Hunger verspürte, in das nächste Speisehaus, aber als er das Esten vor sich stehen sah, dachte er wieder an Jane und ihr merk- würdiges Benehmen und vermochte keinen Bisten hinunterzubringen. Ruhelos durchwanderte er etntge Stunden die Straßen des Ostendes von London, und als er gegen Dämmerung zu seiner Behausung zu- rückkam, fand er einen Polizisten und einen Krimi nalschutzmann vor der Tür stehen. Dis fragten ihn nach seinem Namen und als er sich zu erkennen ge geben hatte, zeigten sie ihm einen Brief in der ihm wohlbekannten Handschrift seiner einstigen Geliebten, der nachmittags auf der Polizeistation in Scotland Pard eingetrosfen war. Er lautete: ,Zn den Zeitungen habe ich gelesen, daß Sie mich suchen. Meine Wohnung ist . . ., aber Sie werden mich dort nicht mehr finden. Geben Sie sich überhaupt keine Mühe, sie wäre doch vergebens. Die Tat, die man mir zur Last legt, habe ich be gangen und schwer genug dafür gebüßt, schwerer als billig; denn es war eine Tat der Notwehr gegen einen Wüstling, der mich mit seinen Anträgen ver folgte. Ich gehe deshalb freiwillig, um nicht Billington in die Hände zu fallen. Das Häuschen, das mein Vater mir Hinterlasten, soll James Bartlett gehören, wenn er es haben will, andernfalls mag damit geschehen, was will. Jan« Dizon." James Bartlett starrte minutenlang auf den Brief. Die Nachricht kam ihm zwar überraschend, aber er hatte doch den ganzen Tag ein« Ahnung gehabt, daß irgend etwas Furchtbares im Anzuge sei. Jetzt wußte er auch sofort, wohin Ian« sich vor Billington, des Henkers Händen, gerettet hatte. ,,Sie ist tot," ant- wartete er auf die Frage des Polizisten, ob ihm der Aufenthalt der gesuchten Verson bekannt sei. „Wie sie sich ums Leben gebracht hat, weib ich nicht, ich habe auch kein« Ahnung, wo man ihre Leich« finden wird, aber ich bin fest überzeugt, daß sie nicht mehr unter den Lebenden weilt." Der Kriminalschutzmann überlegt« einen Lugen- blick, dann sagte er: „Wir werden Sie schon, bitten müssen, uns zu folgen, und wenn es auch nur für einige Stunden ,ist. Sie stehen nicht unter dem ver dachte eines Verbrechens, aber Ihr Zeugnis in dem Falls, der die Gerichte eben beschäftigt, ist von so großem Wert, daß ich die Pflicht habe, mich Ihrer Person auf irgend eine Weise zu versichern." James Bartlett machte keine Einwendungen, son dern folgte den beiden ruhig nach der nächsten Poli zeistation, wo man ihm ein Zimmer anwies, in dem er warten konnte, bis der Untersuchungsrichter und sein ehemaliger Schwiegervater herbeigerufen sein würden. Während er so dasaß und seine Lage überdachte, kam es ihm immer mehr zum Bewußtsein, daß die Tat Janes eigentlich der einzige Ausweg aus den entsetzlichen Verhältnissen gewesen sei, in denen sie beide lebten. Er dachte daran, daß nun vielleicht doch wieder eine Zukunft vor ihm liege, nicht so glän zend und freudenvoll, wie er sie einst geträumt, aber vielleicht ein Leben in der Achtung seiner Mitbürger, ein Leben voller Arbeit und Erfolg. Kaum eine Stunde hatte er so gesessen, als sich die Türe auftat und in der Begleitung eines Beamten ein vom Gram und vom Alter gebeugter Greis in das Zimmer trat und ihm die Hand entgegenstreckte. .Hames Bartlett," sagt« der alle Romney tief ergriffen, „wir haben beide schwer gelitten und ich glaube, wir haben beide einander viel zu verzeihen." Der Jüngere ergriff di« ihm entgegengestreckte Hand und küßte sie und dann, nachdem der Beamte sich leise zurückgezogen hatte, weinten die beiden Männer still miteinander, während sie ihre innersten Gedanken, ihre Hoffnungen und Enttäuschungen aus tauschten. So verging ungefähr ein« Stunde, bis der Unter, suchungsrichter eintrat. Es war ein freundlicher, welterfahrener Mann, der nicht für die Akten redete, sondern von Herzen zu Herzen. Das Gespräch dauerte nur wenige Minuten. Die Bürgschaft, die der alte Romney für seinen Schwiegersohn hinterlegen wollte, wurde abgelehnt, da Bartlett nicht unter Anklag« stanb und keine Gefahr vorlag. daß er sich mit seinem Zeugnis der Behörde entziehen werde. Dann stieg James Bartlett mit seinem Schwiegervater in den Wagen, um nach der Papiervilla zu fahren, in der er einst viele glückliche Tage gesehen. An der Schwelle des Hauses erwartete ihn seine ehemalige Gattin, gestützt auf den Arm ihrer Mutter, denn die furchtbaren Leiden und Aufregungen, denen sie in den letzten Jahren ausgesetzt war, hatten ihre Gesundheit untergraben, und di« Hoffnung, daß der Mann, den sie so sehr geliebt hatte, dennoch dieser Lieb« würdig gewesen, vermochte sie zwar für den Augenblick wieder etwas aufzurichten und ein Lächeln auf ihre Lippen zu zaubern, aber sie vermochte doch nicht, die entschwundenen Körperkräfte sofort wieder zurückzubringen. Im ernsten Familienrat wurde nun beschlossen, das Ergebnis der Verhandlung, das Urteil im Wie deraufnahmeverfahren, über das ja jetzt kein Zweifel mehr sein konnte, abzuwarten. Inzwischen, konnte man hoffen, würde die junge Frau wieder einiger maßen bei Kräften sein, und dann sollte in aller Stille das Band, das durch jene unglücklichen Er. eignisse zerrissen worden war, wieder zusammengefügt werden. Indessen kam es zu keiner erneuten Ver handlung und der Familie Romney wurden die Auf regungen eines zweiten Prozesses erspart, denn das Justizministerium entschied, daß eine öffentliche Ver handlung nicht mehr stattfinden könne, nachdem die Angeklagte sich ihren irdischen Richtern entzogen habe — die Leiche der vermißten Jane Dixon war wenige Tage nach jenem Ereignis unterhalb Greenwich von den Fluten der Themse ans Land gespült worden. Der Richterspruch gegen James Bartlett wurde deshalb nachträglich von der aus den Richtern des Oberhauses gebildeten Jury einfach außer Kraft ge setzt. James Bartlett konnte man freilich jene ent setzlichen drei Jahre, die er in dem Gefängnis von Holloway zugebracht hatte, nicht wiedergeben und auf die Geldentschädigung, die das englische Gesetz einem unschuldig Verurteilten zuspricht, legte er unter den obwaltenden Umständen keinen Wert, aber der Spruch der hohen Richter gab ihm die Achtung seiner Mit bürger und seine Stellung in der Welt wieder, die er sich in seiner Jugend durch angestrengt« Arbeit erworben hatte, und als wenige Wochen später in einer kleinen abseits vom Strudel der vornehmen Welt gelegenen Kapelle der Priester aufs neue die Hände der beiden jungen Leute zusammenlegte, ge lobte sich James Bartlett, das zu erfüllen, was in jener schweren Stunde der öffentliche Ankläger von ihm gesagt hatte: „Ruhig und sicher auf dem einmal eingeschlagenen Wege weiter zu schreiten und mit den reichen Mtleln. di« ihm in seiner beruflichen und gesellschaftlichen Stellung zu Gebote standen, an der Seite seines Schwiegervaters Großes auf dem Gebiete sozialer Re formarbeit zu leisten, um ein Feuer anzuzünden, .das nicht verheerend frißt, sondern leuckitcnd und wär mend Segen um sich her verbreitet für die, die einst seine Freunde und Arbeitsgenoffen gewesen." . — Ende. —
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