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Leipziger Tageblatt und Handelszeitung : 17.11.1910
- Erscheinungsdatum
- 1910-11-17
- Sprache
- Deutsch
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id84535308X-191011176
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id84535308X-19101117
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-84535308X-19101117
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
-
Zeitung
Leipziger Tageblatt und Handelszeitung
-
Jahr
1910
-
Monat
1910-11
- Tag 1910-11-17
-
Monat
1910-11
-
Jahr
1910
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Bezuqt.yrei- Ite Leipzig uav »oror» d»rch Wy», lräger und kvedueu« 2»«l ttaltch »» Hau« gedrachi: vv naaal^., t.70^« viertel iLhri Bet unjer» Filiale» «. ila. aahmestellen abgehoUr 7S »«all- R.AL vierteljthel. lb«rch die P»K: Innerhalb Deullchlaud« uivp der deutscher, l!uIonien vierkeljthrl. rl.GH monatl. lLH aullchl. PostdestelloeL. Ferner in Belgien, Dänemark, den Lonauilaate«, Italien, Luremdurg, Niederlande, Hin wegen, Oesterreich-Ungarn, biuhland, Lchweden, Schwei» u. Spanien. In allen übrigen Staaten nur direkt durch di« iLej-Mt«stell« de« Blatte« erhiUtluh. Da« Leipziger Daaeblatt erlchetnr 2 »al täglich. Sonn- ». Fei erlag« nur morgen«. Lb»nne> enr-*nnaom«: Augustusplatz 8, de, unteren Drägern, Filialen, Lpedileurea und Lnaahmeftellen. !ow>e Postämtern lord Briesträg eru. SiNjelverkauttpret« »er Morgen. «usgib« tv^ der istbeudiutgabe S Morgen-Ausgabe. Utip)igcr TUtNaU Handelszeitung. Ämtsvkatt des Nates und des Nokizeiarnles der Ztadt Leipzig. Anzeigen-PreiS stlr Fnteraie aue teivng Umgednnq die 6ge«va'tene SO mm breiie Petitteile 2L ch, di« 74 mm drette NeUa.uezeU« l von auswärt» » -ieliameu t.Ul- Inserate von Bebdrden m amNichen Lest die 74 mm breite Pettt;eile t-l ch. Seichärräanieigeii mil P atzvorstdrillen und i» der LdendaudgLb« »u tre,ie erhobt, piadali nast> Laril- Beilageaedubr st uh o. Dauiend exkl. Postzevststr. Festerieilte Autkrtge können nicht zurück gezogen werben. Für da? rustemen an bestimmten Lagen uno Platzen io>rd lein« iÄaranrie übernommen Anzeigen-Ännaame: Ilugnstutplatz bei tämtlichen Filialen u. allen Anno iceit- iLxpedlUonen oe» Ja- uno illutianoe». Netatttrn und weschaktoiiell«: Jobanniegaije s. Fernlprecher: I4VUL l4stst->. läüiet. Haupt-Filiale Lre-dea: Seestrave 4, l (Leiephou tv-O. klk. 317. v»nnrrsiag, »en 17. November ISIS. Das Wichtigste. * König Friedrich August von Sachsen stattete am Mittwoch dem Kaiser Franz Josef in Wien einen Besuch ab und reiste nachts nach Tarvis weiter. (S. Letzte Dep.) * Der deutsch-tschechische Ausgleich in Böhmen ist nach Ablehnung des letzten deutschen Vor schlages durch die Tschechen nahezu als geschei tert anzusehen. (S. Ausl.) * Am Dienstag ist das Abkommen zwischen Spanien und Marokko nunmehr vereinbart worden. Spanien hält bis zur völligen Tilgung der von Marokko innerhalb 75 Jahren zu zahlenden Kriegsentschädigung das Rifgebiet mili tärisch besetzt. (S Ausl.) * Im englischen Oberhaus brachte am Mittwoch die Regierung die Vetobill ein. (S- Letzte Dep.) * Im Befinden Tolstois ist eine leichte Besserung eingetreten. (S. Letzte Dep.) llnüultrlepolitik. Die neueste Nummer der „Grenzboten" enthält einen sehr bemerkenswerten Leitartikel über das Thema „Jndustriepolitik", der eine Warnung an gewisse rechtsliberale Kreise darstellt, die Entwick - lnug nicht zu stören, die durch die Organi sation des Hansabundes so glücklich ein geleitet worden ist. Es wird darin untersucht, wie es kommt, daß neben den Schlagworten Agrarpolitik und Klaffenpolitik das dritte Schlagwort Jndustriepolitik erst im Laufe der letzten Jahre politisches Gemeingut geworden sei. Weiterhin wird festgestellt, datz der Staat allmählich dazu übergehen mutzte, Jndustrie politik zu treiben, aber es wird zugleich auch be gründet, weshalb sert einem halben Menschenalter in erster Linie die Gesichtspunkte für die leitenden Kreise matzgebend sind, die den landwirt schaftlichen Erotzbetrieb berücksichtigen, obwohl sich gegenwärtig weniger als ein Drittel der Bevölke rung durch Betätigung in der Landwirtschaft über haupt ernährt, und obwohl die Landwirtschaft trotz des weitestgehenden Schutzes nicht in der Lage ist, den Bedarf an Fleisch und Brot zu Lecken. Die Ur sache dieser Einseitigkeit liegt in dem bisherigen Ak angel an Zusammengehörigkeits gefühl und vor allem in dem Mangel einer einheit lichen Organisation der nicht vom Erotzgrund besitz abhängigen Gewerbe. „Erst als der Bund der Land wirte seinen Egoismus und seine Gefährlichkeit für die Nation in voller Nacktheit enthüllte, da erwachte auch in den Kreisen der Industrie, die sich früher von einer Einigung Les Bürgertums keinerlei Nutzen ver sprachen, die Erkenntnis der Notwendigkeit eben dieser Einigung. Spät, aber nicht zu spät ist im Jahre 1909 der Hansabund ins Leben getreten." Der Verfasser des zitierten Aufsatzes geht dann näher auf die Entwicklung des Hansabundes und, was uns besonderswertooll dünkt, auch auf seine Gegner in Jndustriekreisen ein. Er beschäftigt sich länger mit der Broschüre „Offenherzige Betrachtungen über Zn- dustriepolitik", in der Arnold Steinmann- Bucher Angriffe gegen den Hansabund wegen dessen Stellung zur Zoll- und Sozialpolitik richtet. Stein mann-Bucher findet sich in dieser Befehdung zusammen mit dem Generalsekretär des Zentralverbandes Deutscher Industrieller Bueck, der kürzlich in der „Post" kritische Bemerkungen über den Hansabund veröffentlicht hat. Der Verfasser weist nach, datz Bueck ebenso wie die Richtlinien des Hansabundes von „matzvoller" Schutzpolitik und „mahooller" Sozial politik sprechen, so datz also lediglich der Begriff des Matzvollen strittig wäre. Aus den offiziellen Aeutze- rungen der Führer des Hansabundes geht zweifellos hervor, datz für diese Organisation die Frage Schutzzoll oder Freihandel lediglich unter dem Gesichtspunkt des Praktischen Bedürfnisses entschieden werden kann. „Daraus wird bei der heutigen Lage des inneren und äutzeren Handels ge folgert werden können, datz der Hansabund wohl an eine weitere Erhöhung besonders der Agrarzölle nicht denkt, ebensowenig wie bei der engen Verbindung zwischen gewissen Teilen der Industrie und der Ladwirtschaft und dem Einflutz dieser auf die ge samte Volkswirtschaft des Deutschen Reiches zurzeit eine generelle Herabsetzung durchzusetzen wäre." Der Zentralverband und mit ihm selbstverständlich Bueck und Steinmann-Bucher scheinen diesen Standpunkt nicht zu teilen. Sie stehen sogar den vom Bunde der Landwirte gewünschten Zoll erhöhungen sympathisch gegenüber, was aber die Industrie, nicht nur vom Konsumentenstand punkt und nicht nur vom Standpunkt der Fertig industrie aus, sondern auch vom Standpunkt der Schwerindustrie aus bekämpfen müsse. Jedenfalls warnt der Verfasser mit vollem Recht davor, den end lich bewirkten Zusammenschlutz der Gesamtheit aller Gewerbetreibenden wieder illusorisch zu machen, indem sich ein industrieller Verband in einseitiger Meise zugunsten der grotzagrarischen Minderheit ins Zeug leqr. Der lesenswerte Artikel, klingt in folgenden Sägen au«: „Herrn Bueck wird es mit seinen achtzig Jahren vielleicht schwer zuzugeben, datz seine Lebensarbeit nicht den ganzen Bau, sondern nur einen Eckstein da zu — allerdings einen mächtigen — darsteltt, datz er nur ein Diener jenes großen Bauherrn war, der Fortschritt heißt. Sollte es den Herren Bueck und Steinmann gelingen, den Zentralverband Deut scher Industrieller zum Anschluß an den Bund der Landwirte zu bewegen, dann würden sie auch die ganze Verantwortung für die Folgen zu tragen haben. Zunächst würde Vuecks eigenes Werk in Trümmer gehen: der Zentralverband. Sodann wür den Hunderttausend« von Wählern, die durchaus nicht republikanisch gesinnt sind, den bürgerlichen Parteien den Rücken kehren und bei den nächsten Wahlen so zialdemokratisch wählen, und schließlich würden die vorhandenen und kommenden Angestelltenorganisa tionen, die heute noch durchaus nicht ganz aus dem Boden der Demokratie stehen, dem demokratischen Einfluß verfallen. Mit einem Wort: die Nation würde geteilt in eine Minderheit wirtschaft lich mächtiger Arbeitgeber im engsten und eine Mehrheit enttäuschter, unzufrte- dener Arbeitnehmer im weitesten Sinne. Die weiteren Folgen solcher Zuspitzung sich auszu malen, sei der Phantasie des Lesers überlassen. Diese Folgen zu vermeiden, ist seinerzeit der Hansabund gegründet worden, und da an seiner Organisation auch die Industrie lebhaft be teiligt ist, scheint es uns sicher, daß der Sieg der Bueckschen Ansichten zu einer starken Sezession aus dem Zentralverbande führen würde, der damit zu einem Häuflein politisch bedeutungsloser, wenn auch zahlungskräftiger Outsider zusammenschrumpfen müßte. Wenn Herr Steinmann-Bucher an seinen Anschauungen festhält, erscheint es somit sehr zweifel haft, ob sein im geheimen propagierter Plan tm Zentralverband Deutscher Industrieller alle übrigen Verbände aufgehen zu lassen, auch nur die geringste Aussicht auf Erfolg hat. Sein Häuflein würde den Bund der Landwirte, dessen politischer Stern auch im Osten der Monarchie schon zu sinken beginnt, nur vorübergehend stärken, aber gleichzeitig auch der So zialdemokratie wirksamen Agitationsstoff für die Dauer liefern und die im Hansabunde so glücklich an gebahnte Schaffung eines bürgerlichen Wirtschafts blocks aufhalten, der der Eesamtindustrie neue, vor einem halben Menschenalter kaum geahnte Entwick lungsmöglichkeiten eröffnet. Denn darüber besteht wohl kaum ein Zweifel mehr, daß der Hansabund weit über die Bedeutung einer wirt schaftlichen Organisation hinaus Träger hoher sozialer und nationaler Aufgaben ist. Wenn seine innere Organisation der Größe der Aufgabe entspricht, und dafür bieten die Namen seiner Leiter eine gewisse Sicherheit, dann darf mit aller Bestimmtheit am letzten Ende ein all gemeiner Sieg über den schlimmsten Feind der Na tion, über die Sozialdemokratie, erwartet werden. Das A und O einer erfolgreichen Jndustriepolitik, einer Verhinderung derartiger Gesetzentwürfe, wie sie gelegentlich der letzten Reichsfinanzreform der In dustrie im weitesten Sinne aufgelegt werden sollten und zum Teil aufgelegt woroen stno, ist nur möglich durch eine systematische Aufklärung und durch eine entsprechende Aenderung der psychologischen Grundlagen unserer Gesetzgebung. Es ist in der Tat nicht zu weit übers Ziel geschossen, wenn der Hansa bund in seinen Aufrufen von einer Mißachtung der Bedeutung von Handel. Gewerbe und Industrie durch die grotzagrarischen Kreise spricht. Dies zu beseitigen, ist die „Forderung des Tages" und damit des Hansa- bundes, hierin liegt die derzeit wichtigste Aufgabe der Jndustriepolitik!" Demlches Leich. Leipzig, 17. November. * Di« deutsch - japanischen Handelsvertragsoer- handlungen. Ueber die in Aussicht stehenden Han- delsvertragsverhandlungen zwischen Deutschland und Japan wird der „Inf.' folgendes mitgeteilt: Die Ausnahme der Verhandlungen zwischen Deutschland und Japan dürfte zunächst noch nicht erfolgen. Der Wirtschaftliche Ausschuß, der sich kürzlich mit der Neuregelung der handelspolitischen Beziehungen zwischen Deutschland und Schweden bzw. Japan in zweitägiger Sitzung beschäftigte, hat bezüglich Japans zunächst die Forderungen formuliert, die infolge der Aufstellung des neuen japanischen Zolltarifs für I eine handelspolitische Regelung zwischen beiden I Staaten und Ablauf des beiderseitigen Vertrages I 104. Jahrgang. im Juli 1911 für notwendig erachtet werden. Diese Forderungen werden demnächst der japanischen Regie rung zur Gegenäutzerung übermittelt werden. Wenn eine entsprechende Antwort an die deutsche Negie rung eingegangen ist, kann den Handclsvertragsver- handlunaen zwischen beiden Staaten näher getreten werden. Es dürfte zu erwarten sein, bau nicht deutsche Unterhändler sich nach Japan zur Abhaltung von Konferenzen begeben, sondern es steht in Aus sicht, daß eine japanische Regierungstommiision die größeren Städte Deut'chlands bereiten wird, deren Firmen am Handel mit Japan wesentlich interessiert sind. Im Anschluß an diese informatorische Reise werden dann voraussichtlich die Verhandlungen zwischen den beiderseitigen Delegierten in Berlin ausgenommen werden. Vermutlich wird die japa nische Kommission auch entsprechende Reisen in den anderen Ländern unternehmen, die gleichfalls eine Neuregelung der Handelsbe iehungen mit Japan anstreden. * Der Vollstreckung deutscher Urteile und Schieds sprüche im . uslande haben die Aeltesten der Kauf mannschaft von Berlin seit langer Zeit ihr lebhaftes Interesse entgegengebracht uno zur Vorbereitung einer Regelung dieser wichtigen Frage das ganze Material in einem umfangreichen Werke zusammen stellen lassen. Nachdem sich nun auch der Deutsche Handelstag und der Internationale Handelskammer- Kongreß in London mit der internationalen Voll streckung von Urteilen und Schiedssprüchen beschäftigt haben, beschlossen die Aeltesten der Kaufmann schaft von Berlin eine Eingabe an den Staats sekretär des Reichsjustizamtes dahin zu richten, daß zunächst einmal unabhängig von einer Aenderung der betreffenden zivilprozessualen Bestimmungen in eine Prüfung der Frage eingetreten werde, mit welchen Staaten das Deutsche Reich überhaupt Staatsverträge über die Vollstreckung von Urteilen abschließen könnte. Die Aeltesten der Kaufmannschaft von Berlin erachten als solche geeignete Staaten insbesondere Oesterreich, Ungarn und die Schweiz. * Das Einjährig-Freiwilligen-Eramen und der Hansa-Bund. Auf Wunsch zahlreicher Mitglieder aus kaufmännischen Kreisen ist der Hansa-Bünd an amtlicher Stelle dahin vorstellig geworden, daß bei der Prüfung zum Einjährig-Freiwilligen-Examen auch die kaufmännischen Unterrichts racher neben den rein wissenschaftlichen berücksichtigt werden mögen. Daraufhin ist dem Hansa-Bund die Antwort zugegangen, daß der Kriegsminister von den ge nannten Ausführungen mit Interesse Kenntnis ge nommen und die vom Hansa-Bund geäußerten Wünscye dem Reichskanzler, dem die Ent scheidung in der Frage der Neugestaltung der Prüfungsordnung zustehe, übermittelt habe. * Eine deutsch-nationale Stiftung in Jaran. In Yokohama ist kürzlich von deutscher Seite eine Stiftung ins Leben gerufen worden, die sich in außer ordentlich dankenswerter Weise die Förderung deute nationaler Interessen in Japan angelegen sein läßt. Die Zinsen des Kapitals, das zunächst sich auf 75 000 beläuft, sollen sowohl deutschen Schul unternehmungen in Japan zugute komm n und ferner zur Unterstützung von Bestrebungen Verwen dung finden, die sich die Förderung dec Wertschätzung deutscher Arbeit angelegen jein lassen. Das Kapital soll nur im äußersten Notfälle angegriffen werden, jo daß die dauernde Nutznießung der Zinsen in Aus- sich steht. Die Stifter sind die Herren Karl. Rudolf und Otto Jllies, Angehörige der bekannten Firma C. Jllies L Co., die nicht nur in Japan, sondern auch in Ostasien und in Dautschland sich eines be sonders geachteten Rufes erfreut. Die Stiftung erhält den Namen „Carl-Jllies-Stiftung" und soll das Andenken des Vaters der genannten drei Söhne, des Kaufmanns Carl Jllies, ehren, der im Februar dieses Jahres in Hamburg verstarb. * Ein koloniales Preisausschreiben über Las Thema „Viehzucht in den Tropen und Subtropen" erläßt der Deutsche Kolonialverlag (G. Meineckes. Es sind 3 Preise in Höhe von 1000 600 ./L und Ssilerln Lugenie. Von Wilhelm Hochgreve. (Nachdruck verboten.) In diesen Tagen, da man der um den Preis der deutschen Reichsgründung auf Frankreichs Erde blutig geführten Kämpfe gedacht hat, trat in die Reihe der vor unserm geistigen Auge oorüberziehenden, an dem Kampfe des Schwertes und der Diplomatie beteiligt gewesenen Gestalten auch eine Frau ein. Sie fällt auf als einzige Vertreterin ihres Geschlechts in der Reihe der Männer; sie fällt auf zugleich durch die Majestät ihrer Erscheinung; sie fällt auf durch die temperament volle Art ihres Eingreifens in die Dinge, mit der sie geradezu zu suggerieren verstand. „Sie ist immer gegenwärtig im Ministerrate", schreibt Theodor von Bernhardt Anfang 1868 in sein Tagebuch, „und wenn ein Minister einen Vortrag hält, der ihr mißfällt, macht sie sehr böse Gesichter und trommelt unter dem Tisch so lange ungeduldig mit den Füßen, bis der Minister schweigt." Die Frau be gann sich um Dynastie und Land Sorge zu machen. Des „Dezemberlings" Thron wankte, und sie sah die Melanckwlie und Schlaffheit ihres kaiserlichen Ge mahls, der zudem bereits 60 Jahre zählte. Man hat von deutscher und auch von französischer Seite Eugenie viel Schuld an den verhängnisvollen Schritten und Fehlern der Tuilerienpolitik zu geschrieben. Man hat vielfach von einer Pression ge redet, die namentlich in den letzten vierzehn Tagen vor der Kriegserklärung in besonders starkem Maße von ihr auf ihren Gatten ausgeübt worden sei. Es ist eine interessante Aufgabe, nach den Motiven zu suchen, die diese Frau zum Mitreden veranlaßten. Anfänglich war Eugenie ganz unempfänglich für politische Dinge. Aber sie zeigte früh schon in anderen Lebensfragen, bei Beurteilung von Menschen und Dingen, klares, eindringliches Verständnis und treffendes Urteil. Daneben bemerkte man eine Un- beugsamkeit des Willens, die ihr andalusischer Stolz unterstützte. Allmählich kam diese Frau auf die Politik. Viel leicht nur aus Langeweile zunächst. Sie war gegen ihren Gatten kühler geworden, seit sie eine seiner Un treuen erfahren hatte. Das gab einen Schatten über Las bisher sonnenhelle Familienleben. Ihr leitender Ratgeber in politischen Dingen wurde Rouher, damals der begabteste unter den fran zösischen Staatsmännern. Datz sie sich gerade von diesem Manne beraten ließ, beweist, daß sie in jener Zeit noch nicht nach kriegerischen Triumphen ver langte, denn Rouher war damals noch ein guter Freund des Friedens, ein Gegner der „Arkadier , die einzig in Waffentaten das Mittel zur Rettung der Dynastie erblickten. Aber der kaiserliche Prinz wurde größer. Die vielen Echecs der Politik Napoleons in den letzten Jahren, ihr ungünstiger Einflutz auf das Ansehen der Dynastie, lietzen Eugenie um die Zukunft des Sohnes bangen. So sah sie, mehr mit dem Auge der Mutter als der Gattin, ängstlich dem Moment entgegen, da der Prinz den Thron Frankreichs besteigen sollte. Du Barail schreibt in „Mes souvenirs", sie habe oft ge sagt: „Dieses Kind wird nicht regieren, wenn nicht die Scharte von Sadowa ausgewetzt ist." Eugenie kam allmählich der Arkadierpolitit näher, und es währte nicht sehr lange, daß sie «ine Art Kamarilla umgab, die dem liberalen Kabinett feindlich war und kriegerische Tendenzen hatte. Nach Albert Sorel soll sie auch ein Allianzprojekt zwischen katholisch-roma nischen gegen die protestantisch-germanischen Raffen befürwortet haben, ein Streben, das für die orthodox katholische Eugenie starke Reize haben mutzte. Man hat Eugenie den Ausspruch in den Mund gelegt: „O'eett ms rrnorro", d. h. der Krieg von 1870 ist mein Krieg: ich habe ibn gemacht. Französische Historiker, wie Rothan, und Zeitgenossen, wie Ollivier und Madame Carette, haben sich bemüht, jenes Wort als Ausspruch Eugeniens zu tilgen oder in seiner Be deutung abzuschwächen. Wenn Ollivier in „L'empire liberal" auf die Behauptung Gambettas, Lesourd habe die Worte „e'sst ms ein« Wendung der Kaiserin genannt, zu berichten weiß, Lesourd streite nachdrücklichst ab, jene Wendung aus dem Munde der Kaiserin je gehört zu haben, so will das nicht viel be sagen. Diplomaten lügen, und Franzosen lügen, nicht blotz, um höflich zu sein. Wenn der Franzose Diplo mat ist, lügt er unter Umständen das Blaue vom Himmel herunter. Nach vielen Momenten, die wir kennen, ist jedenfalls jene Wendung der Zunge Eugeniens recht gut zuzutrauen. Als Napoleon am Rachmittag des 13. Juli aus einer Tuileriensitzung die Hoffnung nach St. Cloud heimbrachte, der Krieg werde zu vermeiden sein, sah er sich in seiner Er wartung getäuscht, sobald er die Hallen des Schlosses betrat. Dort war eine Schar von Vertrauten des Kaiserhauses versammelt, die fast alle von Kriegslust beherrscht waren. Napoleons „rout Lini" wurde mit kühler Ironie oder mit Entrüstung entgegen genommen, und man schleuderte ihm die Worte ent gegen: „I/empirs «ck porcku, o'est uns honte-!" Eugenie stand ganz auf seiten der Wütenden. Ein kurzer heftiger Griff zog Rapoleon in den Bannkreis der also Gesinnten. Pierre de la Gorce — der Sybel Frankreichs — schreibt diesen plötzlichen Umschwung der Stimmung Napoleons allein dem Einflutz Eugeniens zu. Eugenie hat mit der sicheren Konse- guenz weiblichen Willens nie geschwankt, wie die Männer es so häufig taten. Sie wollte immer auf den Krieg hinaus, weil sie in ihm allein, in seinen Erfolgen, das Heil Frankreichs witterte. Napoleon IV. sollte mit Rheinwaffer geweiht werden. Man be greift aus der Angst des Mutterherzens heraus ihre aufwallende Entrüstung gegen alles Nachgeben. Als Le Boeuf einmal vorübergehend wankelmütig wurde, unternahm sie es, dem Kriegsminister Feigheit vor- znwerken. Aus vielen Korrespondenzen und Privat papieren geht hervor, datz sie auf französischer Seite die Haupturheberin des Krieges war. Oel im Feuer der französischen Erregtheit. Und nach dieser Rich tung war ihr Gemahl ganz in ihrer Gewalt, wie ich noch einmal hervorhebe. Graf Monts, der die Oberaufsicht über den ge fangenen Kaiser geführt hat, gibt in seinem Tagebuchc über „Napoleon III. auf Wilhelmshöhe" eine viel sagende Beobachtung wieder, die er gelegentlich des Besuches Eugeniens auf Wilhelmshöhe gemacht hat. „Es schien mir durchaus", schreibt Gras Monrs, „als sei sie daran gewöhnt, nicht nur gehört zu werden, sondern auch meist das letzte Wort zu behalten. Napoleon gegenüber legte sie eine gewisse Ucber- legenheit. eine Art Bevormundung an den Tag." Wir haben keinen Grund, diese Frau zu hassen. Sie hat, geleitet vom Instinkt der um die Zukunft des Kindes bangenden Mutter, gehandelt. Die Klarheit und Beständigkeit ihrer politischen Tätigkeit kann man nur bewundern. Gegenüber ihrem Gatten ist sie Herrscherfigur, stolz, energisch und zielbewußt. Auch aus ihrem Privatleben weiß man nicht das geringste Anstößige. Ja, sie wirkt auch da neben dem Lebe mann von Gemahl imponierend. Trotz seiner Un treue und seiner ehelichen Vernachlässigungen, trotz der Glut ihres andalusischen Blutes, trotz dem Glanze ihrer Schönheit, war sie treu und fest. Bei der Ein weihung des Suezkanals war sie zuocoen. und da noch hat man sie die Schönste genannt, obgleich sie bereits über 40 Jahre zählte. Sie ist bewundernden Männer blicken kühl begegnet. In moralischer Hinsicht sticht sie vorteilhaft ab gegen ihre Landsmännin Isabella II., die Herrscherin auf dem Throne ibrer spanischen Heimat. Aus deren Kammer wußte der spätere Regent Serrano zu plaudern, daß bereits die 14jährige Prinzessin das Dekorum ihre-- Mädchentums nicht mehr besessen batte. Ciwenie bot man nichts nachgeiagt Das will etwas heißen. Wmtz man doch, wie gerade Fürsten und Fürstinnen Renaler und Klatschsucht veranlassen und wie die Blicke dieser beiden mit besonderer Vorliebe Paläste und Schloß gärten durchschleichenden Freundinnen bineindrkngen in die Geheimnisse dichtester Lauben und verstecktester Pavillons.
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