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02-Abendausgabe Leipziger Tageblatt und Handelszeitung : 23.11.1910
- Titel
- 02-Abendausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1910-11-23
- Sprache
- Deutsch
- Vorlage
- SLUB Dresden
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id84535308X-19101123023
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id84535308X-1910112302
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-84535308X-1910112302
- Sammlungen
- Zeitungen
- Saxonica
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
-
Zeitung
Leipziger Tageblatt und Handelszeitung
-
Jahr
1910
-
Monat
1910-11
- Tag 1910-11-23
-
Monat
1910-11
-
Jahr
1910
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Nr. 323. 104. Ivhr-rms. Die sozialdemoknrttsche Reichstagsfrattio«, die gleich den anderen Fraktionen am Dienstag ihre erste Sitzung abhielt, erhebt als drttt stärk sie Parte» des Reichstages Anspruch auf die 2. Di»«- präsidentenstelleim Reichstage. Da sich aber der sozialdemokratische Vertreter den repräsen tativen Verpflichtungen nicht unter ziehen wird und die Rerchspartei bereit» Herrn o. Dirksenin Aussicht genommen hat, wird der Anspruch der Sozialdemokraten kaum berück sichtigt werden. Liberale» Wahlabkommen in Bayern. Die Leitungen der nationalliberalen Partei und der fortschrittlichen Volkspartei in Bayern haben sich für ein Wahlabkommcn für ganz Bayern geeinigt Die erforderliche Zu stimmung der einzelnen Wahlkreisausschiiße zu diesem Abkommen gilt als sicher. Da» italienische Königspaar in Neapel. Neapel, 23. November. (Tel.) Das Königs paar besuchte gestern das Armenhaus, überall in den Straßen mit Begeisterung begrüßt. Abends fand Galatafel statt. Die Stadt war glänzend i ll u m i n i e rt. Die Zahl der anläßlich der Fünfzigjahrseier des Plebiszits in Neapel eingetroffenen Personen wird auf über 20 000 geschäht. Das Ende de, Agremer Hochverratsprozesse«. Agram, 23. November. (Tel.) Nach amtlicher Bekanntgabe ist infolge einer Verfügung des .Kaisers das weitere Strafverfahren gegen Adam Tribicewitsch und Genossen wegen Hoch verratseingestellt worden. Das bedeutet das Ende des Agramcr Hochverratsprozesses und dürfte das letzte Hindernis einer Verständigung der kroatischen und serbischen Anhänger und der Regierung zur Bildung einer einheitlichen Regierungspartei beseitigen. »Di« deutsch« Gefahr." London, 23. November. (Tel.) Der Sozialist Blatchsord kommt in einem zwei Spalten langen Artikel in der „Daily Mail" zu dem Schlüsse, daß die Oberhausfrage im Vergleich zur deutschen Gefahr, die heute größer a6 vor einem Jahre sei, ein Streitpunkt von minderer Bedeutung ist. Handgreifliche Suffragette». London, 23. November. lTel.j Zu den gestrigen Ausschreitungen der Anhängerinnen des Frauenstimmrechts wird weiter gemeldet, daß Asquith von den Frauen hart bedrängt wurde, aber völlig ruhig blieb. Schließlich gelang es ihm, in ein Privat automobil zu springen, in dem er nach dem Athe- näum-Klub fuhr. Auch der Minister Birrell hatte einen Zusammenstoß mit den Frauen. Sie trieben ihm die Kopfbedeckung über die Ohren, stießen ihn hin und her und gaben ihm Fußtritte gegen das Schienbein, bis die Polizei eingriff. Der Minister lehnte es ab, «in Automobil zu benutzen, und begab sich hinkend in den Athenäum-Klub. Unser Urteil über die Suffragette» im Leitartikel der Dienslagsnummer erhält durch diese Vorgänge eine weitere Bestätigung. Di« Unruhen im englischen Streikgebiet. London, 23. November. (Tel.) Die Ruhe störungen in Südwale» führten gestern abend zu einem regelrechten Eefe cht. Die Polizei beamten sagen aus, man habe aus den Fenstern alle möglichen Gegenstände geschleudert und heißes Wasser auf ihre Köpfe hinabgegossen. Die Störungen seien schlimmer gewesen als alle vorhergehenden. London, 23. November. (T«l.) Die Journa listen, die während der Unruhen in Tonypandy vorgestern abend den Ruhestörern nach Penygraig zu folgen suchten, fanden den Weg von Polizei beamten gesperrt. Diese stürzten ihnen mit ge schwungenen Polizeiknütteln entgegen, stießen, durchsuchten sie und befahlen ihnen, sich zurück- zuziehen. Die Revolution in Mexiko. Wie schon aus den Meldungen in unserm heutigen Mcrgendlatte hervorgeht, ist di« Lage in Mexiko sehr ernst. Dazu kommt noch der Umstand, daß die Offiziere ihren Soldaten nicht trauen können, die zum Teil aus Verbrechern bestehen, die statt in das Ge- schleiert, aber Gang und Haltung doch ganz ander» wie von den Frauenzimmern, die oft zu der Gusen bauer kamen. Das war keine von denen nich'." „Können Sie die Figur der Fremden nicht etwas beschreiben?" „Sie war mittelgroß, und, wie es schien, sehr schlank. Weiter weiß ich nichts." Das Verhör wurde einstweilen als beendet er klärt mit dem Bemerken, daß bald eine neue Ver nehmung erfolgen würde. Die entlaßenen Zeugen entfernten sich, der augenblickliche Tatbestand war zu Protokoll genommen." Kurt Werner, ein noch sehr junger, aber ehr geiziger und begabter Geheimpolizist, hatte inzwischen seine Nachforschungen im Zimmer eifrig fortgesetzt, trat jetzt mit vor Aufregung gerötetem Gesicht aus Prosper zu und sagte: „Herr Kriminalkommissar, hier habe ich einen Fund gemacht, der mich in Erstaunen setzt, aber viel leicht auf die richtige Fährt« leiten kann. Bitte sehen Sie selbst." Auf dem alten zerrißenen Sofa lag ein langer Damenhandschuh von feinem dänischen Leder. Er konnte nur ein äußerst zartes, schmales Händchen um schloßen haben. „Höchstens Nummer 5^", sagte Prosper und sog den Duft eines hochmodernen, vornehmen Parfüms ein, der von dem zierlichen Fundobjekt ausging. „Die Eigentümerin scheint eine wirkliche Dame und keine von den gewöhnlichen Besucherinnen der alten Hex« gewesen zu sein. Seltsam, was mag sie in diese Hölle geführt haben? — Möglicherweise kann aber der Handschuh auch mit anderen Gegenständen aus den Schubladen gezogen und überhaupt von niemandem verloren sein." „Nein, nein, Herr Kommißar, das bezweifle ich. Sehen Sie nur, er ist ganz zusammengeballt, als hätte es jemand in Wut und Aufregung getan. Bei ge nauer Betrachtung kann man noch in dem feinen Leder die Spuren der zornig hineingekrallten Nägel bemerken. Ich bin überzeugt, die Eigentümerin hat ihn aus irgendeinem Grunde abgestteift, dann in die Sofaecke geworfen und endlich vergeßen." „Sie sind ein scharfer Beobachter und können wohl recht haben. Vielleicht war die Betreffende eine Schuldnerin des gaunerischen Weibes. Jedenfalls muß der Handschuh sorgfältig verwahrt werden, denn er dient möglicherweise zur Ermittlung derjenigen, die nach dem Tode Therese Gusenbauers dieses Zimmer verließ und also imstande sein muß, wichtige Angaben zu machen." Die Leiche wurde gerichtlich beschlagnahmt, sorg fältig anatomisch und chemisch untersucht, aber auch die Sektion ergab keine Anhaltspunkte für die An velpzlyer fängnt» in die mexikanische Armee gesteckt wurden. Ein« traurige Maßnahme, die sich jetzt vielleicht bitter rächen wird. London, 23. November. (Tel.) Die Zahl der Opfer inTorreon, wo etwa tausend mit modernen Gewehren ausgerüstet« Revolutionäre mehrere Stunden lang einen wahren Hagel von Schüsse« abfeuetten, ist sehr groß, viele Ar beiter sollen mit den Revolutionären gemeinsame Sache machen. Die Offiziere find ihrer Sol daten nicht sicher, da ein großer Teil aus Verbrechern besteht, die statt in das Gefängnis ins Heer gesteckt wurden. (!) Ein Zug Soldaten traf gestern mittag inParral ein und vertrieb die Revolutionär«, von denen acht getötet wurden. Sodann wurden die strategisch wichtigen Punkte befestigt. New York, 23. November. (Tel.) Wie aus der Stadt Mexiko gemeldet wird, sollten nach dem Ausweis der am Sonntag im Hause eines Revolu tionärs gefundenen Dokumente fast allehöheren Beamten sowie der Herausgeber des „Jmparcial" ermordet werden. Der Kampf um Chihuahua dauerte gestern nachmittag noch an. Nach einer Mel dung au» Matamoras find vorgestern abend in den Straßen von Tomargo mehr als einDutzend Per sonen getötet worden. 75 Revolutionäre griffen die Garnison an, wurden aber aus der Stadt hinausgetrieben. Aus Leipzig unü Umgegenü. Leipzig, 23. November, Wetterbericht der Kgl. Sachs. Landeswetterwarte zu Dresden. Voraussage für den 24. November 1910. Nordostwinde, aufheiternd, kälter, vorwiegend trocken. Vöhl berg: Berg nebelfrei, Nebel ringsumher, starke Schneedecke, bis Annaberg fester gute: Weg, Bäume stark mit Rauhfrost behangen. Fichtelberg: Ununterbrochen schwacher Nebel, gute Schltttendahn bis in die Täler hinab, statter anhaltender Reif, großartiger Rauhfroft. * Wieviel Fleisch muß der Mensch täglich eßen? Dieses im Vordergrund des öffentlichen Jntereßes stehende, aus der sogenannten „Fleischnot" hervor gehende Thema behandelte Herr Hofrat Dr. med. H»nze in der jüngsten, im Saale der Alten Handels börse abgehaltenen öffentlichen Versammlung der Ortsgruppe Leipzig des Deutschen Vereins für Volkshygrene. Redner wies dabei in klarer urch allgemeinverständlicher Weise überzeugend nach, daß vom Standpunkt der Hygiene aus kaum von einer Fleischnot gesprochen werden könne, da sich unser Volk von dem vorhandenen Fleischquantum in Verbindung mit Pflanzennahrung recht wohl zu er nähren vermöge. Man schreie in der Gegenwart nach einer Eröffnung der Grenzen, bedenke aber nicht, daß sich unsere Nachbarländer in einer gleichen mißlichen Lag« wie Deutschland befinden; Oesterreich sowohl als Frankreich und England. Wir sehen also, daß in ganz Mitteleuropa ein absoluter Mangel an Fleisch herrscht. Selbst i« den Vereinigten Staaten von Amerika haben die Fleischpreise eine Steigerung er fahren. Diese Erscheinung erklärt sich einfach aus der Ernährungsfrage für die Tiere; günstige Futterjahre, wie ein» im letzten Jahre zu verzeichnen gewesen, laßen begreiflicherweise dem Landwirt eine gewiße Zurückhaltung im Verkaufe seiner Bestände üben, kein Wunder, wenn dann bei einem Lefitz von 20 Mil lionen Rindern, den Deutschland aufweist, ein größe rer Ausfall an Fleisch zu bemerken ist. Wir müßen demnach einsehen, daß immer wieder Schwankungen in der Fleischproduktton und in den Fleischpreisen ein treten können. Dabei hat die Viehproduktion genau Schritt gehalten mit dem Wachstum der Bevölkerung, denn eine Bevölkerungszahl von 48 Millionen Men schen und einem Rinderbestand von 18 Millionen Stück vor 28 Jahren stehen heute (1908) in gleichem Verhältnis 60 Millionen Menschen und 20 Millionen Rinder zur Seite. Bei der Frage nach der Ursache der Verteuerung des Fleisches fällt vor allem der stetig zunehmende Wohlstand der breiten Dolksmassen Tageblatt. in Deutschland ins Gewicht. Während im Jahre 1850 in Sachsen auf den Kopf 38 Pfund Fleisch, Mitte der 1870er Jahre 00 Pfund entfielen, stieg dieser Konsum bis auf 95 Pfund Von diesem Verbrauch wurden 95 Prozent von der Landwirtschaft hervorgebracht und nur 5 Prozent aus dem Ausland entnommen. Ver zehrt wurden im Jahre pro Kaps in Belgien 64 Pfd.» in Dänemark 69 Pfd., in Schweden 56 Pfd., in Frank reich 72 Pfd. und in Deutschland 95 Pfd. Dürfe man angesichts solcher Zahlen von einer Fleischnot sprechen? Auf die Frage, wieviel Fleisch man täglich eßen müße, läßt sich natürlich keine zahlenmäßige Ant' wort geben. Die Verschiedenheit der Menschen be dingt von selbst eine Verschiedenheit der rationellen Ernährung in der Mischung tierischer und pflanzlicher Kost. Zu verwerfen ist unter allen Umständen der streng-radikale Vegetarianismus, der selbst Milch, Butter, Käse, Eier ausschaltet. Wenn auch die Pflanzenkost ausschließlich nicht als Verpflegungsart empfohlen werden kann, so hat sie aber doch der Pslanzennahrung die ihr gebührende Schätzung wiedergegeben. Immerhin müssen wir die tierischen Produkte zu Hilfe nehmen. Von den 110 Gramm che mischen Eiweißstofsen und 270 Gramm Fett-, Mehl- und Zuckerstoffen, die der Mensch täglich zu seiner Er nährung braucht, entnimmt er ein Drittel seines Ei weißbedarfes dem Tierreiche, zwei Drittel dem Pflanzenreiche. Es ist aber gar nicht nötig, daß er diesen Eiweißbedarf durch Fleisch allein deckt; er ver mag mit wenigem auszukommen. Wie er Milch, Käse, Butter, Quark, Seefische ausreichend als Nah rung aufnehmen kann, wird er es auch mit Stoffen aus dem Pflanzenreiche (Weizenmehl und Hülsen früchten) tun können. Wünschenswert wäre freilich, wenn die Volksküche in der Ernährungsfrage eine den Verhältnissen angepaßte Grundlage gewänne. Es bildet, wie nach dem mit großem Beifall aus genommenen Dortrage von anderer Seite bemerkt wurde, Fleisch ein „angenehmes, aber überflüssiges Nahrungsmittel". * Auszeichnung. Das Königliche Ministerium des Innern hat dem seit 3. März 1880 ununterbrochen in der Leipziger Metallwarenfabrik von Gustav Bähr «L C o. in Leipzig, An der alten Elster 6. beschäftigten Klempner Friedrich August Adolph Herold in Leipzig das tragbare Ehrenzeichen für Treue in der Arbeit verliehen, das ihm heute in Gegenwart seines Arbeitgebers durch Oberbürgermeister Dr, Dittrich an Ratsstelle ausgehändigt wurde. * Jubiläum. Der Maschinenarbeiter Louis Franz Holzweißig in Leipzig-Kleinzschocher begeht morgen das Jubiläum 25jähriger ununterbrochener Tätigkeit in der Maschinenfabrik von Gebrüder Brehmer in Leipzig-Plagwitz, Karl-Heine-Straße 111. * Berbrechen oder Unfall? Ein noch nicht auf geklärter Unfall hat sich gestern in S ch l e u ß i g, im Grundstück Schnorrstraße 31, zugetragen. Dort fand man gestern früh die Ehefrau des Handlungsgehilfen H. Dittmar, Frau Elisabeths Dittmar, geborene Stief, geboren am 24. Juni 1869 in Darmstadt, t o t in ihrer Wohnung auf, und zwar unter Erscheinungen, d i e Bed e n ke n er re ge n mußten und den Verdacht einer Ver gift» ngnahelcgten. Es hatte zudem die Ver storbene vor ihrem Tode ausdrücklich den Wunsch aus gesprochen, daß sie seziert werden möchte. Auch wurde festgestellt, daß sie sich vor ihrem Tode mehrfach erheblich gebrochen hatte. — Da nach Aussage« von Nachbarn die Ehe sehr un glücklich gewesen sein sollte, wurde aus diesen ver schiedenen Gründen zusammen der Ehemann Ditt mar, der im 32. Jahre steht, heute verhaftet und der Leichnam der Frau zur Sektion nach dem Institut für gerichtliche Medizin übergeführt. — Nach unseren Informationen sprechen aber auch verschiedene Beobachtungen gegen den Verdacht, daß es sich um ein Verbrechen handeln könne. Die Ver storbene soll stark herzleidend gewesen sein, so daß ein natürlicher Tod infolge dieses Leidens und vielleicht durch Hinzutritt einer schweren Erkältung möglich ist. Die Verstorbene hat näm lich noch am Montag bei dem starken Schneefall mit ihren Kindern im Garten längere Zeit gespielt. L. Bozena Bradsky hat uns gestern abend in ihrer bekannten Art wieder großartig unterhalten. Es ist Mttmoch, 23. November 1910. kein Wunder, daß ihr die Hör« in Scharen zulaufe« und daß das Publikum sie mit Beifall überschüttet, so überschüttet, daß die Künstlerin sich genötigt sah, den Nimmersatten Leipzigern nach einem reichhalti gen Programm noch mehrere Zugaben zu singen. Das »st es ja eben, man kann nicht genug bekommen. Je länger man der Bradsky zuhört und zufieht, um so mehr möchte man noch die Gesellschaft dieses aus gemachten Schelmes genießen. „Bliemchen" würde ihr das Epitheton ornans „So ä Luderchen" geben, wenn er ihre schalkhaften Lieder und ihre wunder bare Vortragskunst bewundern könnte, aber ich habe ihn gestern nicht im Blauen Saal des Kristallpalastes gesehen. Eine ganze Anzahl Novitäten brachte uns die Künstlerin zu Gehör, von denen „Das Couplet" von Otto Ehers ihre Kunst am besten zur Geltung brachte. Schön waren auch die meisten der modernen Volkslieder. Und dann die lange Reihe der Sorgen brecher, die Bozena Bradsky in so unvergleichlicher Art zum Vortrag zu bringen weiß. Damit bringt sie in kürzester Zeit jeden Griesgram in Stimmung, in die Stimmung, die uns alle Sorgen vergeßen läßt, in die Stimmung, aus der heraus das Publi kum die Künstlerin mit Beifall überschüttet, sie ehrt und — peinigt, peinigt um immer mehr Zugaben, denn man kehrt ja so ungern nach einer schönen Stunde in den grauen Alltag zurück. Ob die Künst lerin will, ob ihre Kräfte erschöpft sind, das ist den Leuten gleich, sie hätten noch Stunden gesessen, und das mag Bozena Bradsky, wenn sie daheim über die unersättlichen Leipziger murrt, versöhnlicher stimmen. Und wir freuen uns schon auf ein baldiges Wieder sehen. * Nach Unterschlagung eines Geldbetrages von 217 zum Nachteil seines Prinzipals des In habers eines Geschäfts in der Ostvorstadt — war am 3. d. M. ein 17 Jahre alter Bureaugehilfeaus Kleinzschocher flüchtig geworden. Nach amt licher Mitteilung von München hat sich der junge Mensch mit Leuchtgas in seinem dortigen Quar tier vergiftet. Geld wurde bei dem Leichnam nicht mehr gefunden. * Eigentümer gesucht. Am 21. November früh in der 5. Stunde wurde auf dem Verbindungs weg zwischen der Heiligen Brücke und der Frankfurter Straße von einem Schutz mann ein 47 Jahre alter Arbeiter aus Däni schen angehalten, der in verdächtiger Weise einen Sack auf dem Rücken trug. Der Sack enthielt nach folgende Gegenständ«: 6 Stück Damenhemden, teils mit Stickerei drei Damenbeinkleider, eines davon „R. K." gezeichnet, 3 Waschblusen, 2 Korsettschoner, ein Barchentunterrock, ein Mädchenbeinkleid, ein Mädchenhemd, 6 Paar Frauenstrümpfe. 2 Schürzen, 3 Handtücher, 5 Stehumlegekragen, ein Paar Herren strümpfe, 2 Nachtjackcn, 17 Stück Taschentücher, einen schwarzen Fraucnrock und Bluse, 2 Herrenhemden und diverse andere Kleidungsstücke. Der Festgenommene will den Sack kurz vor seiner Festnahme von dem großen Unbekannten bekommen haben. Di« Wäsche ist durchschnittlich schmutzig und ist zweifellos ge stohlen. Geschädigte wollen sich bei der Kriminal polizei melden. * Gestohlener Handwagen. Zwei Rohprodukten händlerinnen wurde in der Eustao-Adolph-Straße ihr Handwagen mit eingekauftcn Lumpen und Papier ge stöhlen. Beide hatten den Handel gemeinschaftlich und hatten sich den Wagen erst geliehen. * Zechpreller. In einem hiesigen Pensionat mietete sich ein Unbekannter, der sich Beamtenanwärter Bruno Liedmann nannte, ein und verschwand unter Zurücklassung der aufgelaufenen Logisschuld. * In Hast kam ein vielfach wegen Eigentums delikten bestrafter 28 Jahre alter Kellner von hier. Er ist wiederum dringend verdächtig, aus einer Wohnung am Johannisplatz einen wertvollen Brillantring und einen Geldbetrag gestohlen zu haben. Dasselbe Schicksal hatte ein 29 Jahre alter Dien st knecht ans Weimar, der einen Geld diebstahl ausgeführt hatte. * Gestohlen wurde von einem Rollwagen in der inneren Stadt ein Ballen Kleiderstoff, gez. I. G. 1485, 9 Kilogramm schwer, ein Ballen schwarzer Kaschmir, gez. T. C. 27 399, 25 Kilogramm schwer, ein Ballen Baumwollwaren, gez. W. S. N. 3596, 15 Kilogramm schwer, und eine Kiste Zigarren, gez. E. A. I. 176 364, 34 Kilogramm schwer. * Einbrecher drangen zur Nachtzeit in ein Zi- garrengeschüft der Kroßen Fleischergasse und stahlen 400 Stück Zigarren und etwa 1400 Stück Zi garetten. nahm« eines Mordes. Weder Wunde noch Strangu lationsmarke war zu entdecken, ebensowenig im Magen das Vorhandensein von Gift. Die ärztliche Diagnose lautet auf „Herzschlag" ob schon zugeaeben wurde, daß es schnell wirtende Gifte gibt, die sich im Körper nicht feststellen laßen, aber furchtbare Wirkungen ausüben, die auf ein bestimmtes Organ gerichtet sind, das aus irgendeinem Grund den Dienst versagen und so die Ursache raschen, natür- lichen Todes geworden sein könnte. Es ließ sich auch durchaus keine Beraubung der Toten nachweisen. Sparkassenbücher und bares Geld fanden sich vor, ferner der Depositenschein über eine beträchtliche, auf der Reichsbank liegende Summe. Auch alle von der Polizei in Verwahrung ge- nommenen Schmuckgegenstände und wertvollen Pfänder konnten von reklamierenden Eigentümern eingelöst und zurückgeholt werden. Doch zogen ver schiedene Personen vor. sich nicht zu melden. (Fortsetzung folgt.) Maeterlinck. Nach der Schilderung seiner Frau. Frau Maeterlinck, die vor ihrer Heirat als Georgette Leblanc bekannt war, hat kürzlich in der „Contemporary Review" eine anziehende Schilderung von dem Leben und Charakter ihres Gatten gegeben. Sie führt den Leser zunächst in die Lebensge- wohnheiten des Dichters ein: im Sommer lebt er in der Normandie, im Winter im Süden; er steht zeitig auf, besucht seine Blumen und seinen Obst garten, seine Bienen, seinen Fluß und seine großen Bäume. Dann setzt er sich zur Arbeit, um jedoch nach deren Beendigung wieder zu seinem geliebten Gatten zuriickzukchren. Ist die Mahlzeit eingenommen, so wendet er sich den Sportübungen zu, die er bevor zugt: er rudert in seinem Boote den Fluß entlang, fährt im Atomobtl, radelt oder wandert. Jeden Abend leuchtet die Lampe seinen Studien, inde» geht er früh zu Bett. Allein alle diese Lebensgewohnheiten, so fügt Frau Maeterlinck hinzu, wollen ja noch nicht viel besagen: sie sind nach ihrer hübschen Definition die kleineren oder größeren Gefäße, in denen sich erst der wahre Gehalt des Leben» birgt. Sie erzählt, daß Maeter linck als Kind von seinen Lehrern viel auszustehen gehabt hat. Seine Lehrer waren die Väter eines Jesuitenkollegs, und er kann ihnen noch bis auf den heutigen Tag ihre Tyrannei nicht vergeben und ver geßen. „Ich habe ihn oft sagen hören, daß ec um den Preis jener sieben Jahre in dem Jesuttenkolleg sein Leben nicht noch einmal beginnen möchte. Nach seiner Ansicht gibt es nur ein Verbrechen, das nie zu verzeihen ist — und das ist: die Freuden eines Kindes zu vergiften und sein Lächeln zu zerstören." Der Schule entronnen, ward er für die Rech ts- lau fb ahn bestimmt und ging zur Vollendung seiner Studien nach Paris. Aber es war etwas anderes, als das Jus, was er hier suchte: er suchte Bestärkung und Ermutigung des in seinem Innern insgeheim schon feststehenden Entschlusses, und aus seinen geheimen Träumen fand er den Weg zur Wirk lichkeit. Er las, besuchte die Museen, verkehrte mit den Künstlern und lernte die Dichter kennen. Seit damals ist sein Leben die Geschichte seiner Werke. Wenn man aber fragt, worin das innerste Wesen des Gehalts seiner Werke liege, so antwortet Fra»» Maeterlinck: es ist Meditation. Versteht man unter Produktton nur die Augenblicke, wo etwas wirklich gemacht wird, so arbeitet Maeterlinck wenig. Wenn man seinem Leben und Wirken Schritt für Schritt nachgeht, so empfängt man einen tiefen Eindruck von der gewaltigen Rolle, die das Unbe wußte im Menschengeiste überhaupt und in dem dieses Dichters besonders spielt. Seine Werke sind nicht etwa bloß das Ergebnis einer Absicht, eines Willens seines Geistes, sondern sie sttt'men hervor aus einer Macht, die immer wacht, immer in Be wegung ist, die ihm unbekannt, von ihm getrennt ist und zuweilen menschliche Stimme anzunehmen scheint, um ihm die tiefsinnigen Seiten zu diktieren, die er über den Anteil des Unbewußten an unserm Denken geschrieben hat. In seiner Weltanschauung hat Maeterlinck, wie seine Frau hervorhebt, sich mit der Zeit gewan delt. Die Werke seiner früheren Periode tragen einen entschieden fatalistischen Charakter, und seine Helden sehen wir mitleidlos blinden Gewalten unter worfen, harten Leiden untertänig. Später ist seine Weltanschauung milder geworden. Er wagt es nicht, illusorische Gewißheiten vorzumalen, aber er vcr sucht. Hoffnung ohne eitle Versprechungen zu erwecken und den Weg zur Heiterkeit zu zeigen, indem er den Blick darauf hinlenkt, wie man, wenn man nur auf das Leben schaut, wie es ist. Schönheit im Nied rigsten. Freude unter den Elendesten, Adel im Mittel mäßigsten entdecken kann. Auf solche Wahrneh mungen baut er seinen Tempel der Schönheit, Liebe nnd Wahrheit. ' Kunst unü Millenlcksft. " Im Reuen Theater in Hamburg fand, wie uns ans Homburg geschrieben wird, die Urauffüh rung der Charakterstudie „Kittchen bum" von Hermann Heijermans statt. Die Handlung soielt sich in dem Zimmer des Direktors eines holländischen Gefängnisses ab. Infolge eines Amnestie-Erlaßes sind fünf Sträflinge begnadigt worden, die, ehe sie das düstere Haus, in dem sie so lange haben schmach ten müßen, verlassen, sich von dem Direktor verab schieden. Die meisten dieser Ausaestoßenen, die hinter Kerkermauern ein Verbrechen l üßen mußten, sind vom Verfasser als im Grunde edle Menschen geschildert, die nur Opfer der Verhältniße waren'nur einer, ein wegen Unterschlagungen verurteilter Edelmann, tritt uns, obgleich er noch in Anstaltskleidern steckt, in einer so geckenhaften Haltung entgegen, daß man dabei an eine Tendenz seitens oes Verfassers denken möchte. Schildkraut, der hier als Verwanölunaskünstler L la Fregoli austritt, bewährte in der Verkörperung der durch Charakter und Lebensstellung so durchaus verschiedenen Sträflinge, die die Mitteilung des Direktors mit verschiedenen Empfindungen entgegen nehmen, seine Kunst, durch Mienenspiel, Gesten und Stimme mit wenig Strichen die tiefe Tragik eines ganzen Menschenlebens wiederzugeben. Wenn es sich auch nur um ein Sensationsstück, um Situationen han delte, die auf den feiner empfindenden Zuschauer zum Teil abstoßend wirkten, so wurde die Kunst des Dar stellers dadurch doch nicht verringert. Der Künstler wurde durch stürmischen Beifall ausgezeichnet, v. L. * Verbotene Aufführung. Die Berliner Po lizei hat das Auftreten der russischen Opernsänger verboten, die sibirische Lieder zum Vortrag bringen wollten. In der Ver fügung heißt es: Wie die bereits in Wort und Bild durch die Preße verbreiteten Abbildungen erkennen laßen, brauchen die Mitglieder der Truppe Masken und Kostüme sibirischer Kettengefangener. Eine solche öffentliche Nachahmung des in Rußland zur Anwen dung gelangenden Strafvollzugs im Rahmen einer Darbietung von Gesangsvorträgen und Schau stellungen von Personen ist geeignet, die öffentliche Ordnung zu stören. * Dänische Kunstausstellung in verli«. Das Kgl. Kunstgewerbe-Museum eröffnet am Sonntag zu Ber lin tue umfangreiche Dänische Ausstellung von Kunst gewerbe und Vcukunst. Sie ist von Kopenhagen aus durch das dortige Mr-ieum, den Jndustneoerein und den Akademischen Architekten-Verein vorbereitet und zeigt alle Gebiete der heutigen Arbeit, einschließlich der Architektur, darunter besonders hervorragende Kunstwerke aus öffentlichem und privatem Besitz, Möbel. Porzellane, Silberarbeiten u. a. Die Auf stellung hat Direktor Hannover vom Dänischen Kunst- gewerbe-Mi-stum geleitet. * Kammersänger Juli«» Liban. der Tenorbuffo des Berliner Kgl. Opernhauses, der sich neuerdings in Baßrollen versucht hat, wird demnächst als Bari- tonist von sich reden machen. Der Künstler studiert augenblicklich die Hauptrolle in Verdis Rigolletto.
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