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Leipziger Tageblatt und Handelszeitung : 23.11.1910
- Erscheinungsdatum
- 1910-11-23
- Sprache
- Deutsch
- Vorlage
- SLUB Dresden
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id84535308X-191011233
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id84535308X-19101123
- OAI
- oai:de:slub-dresden:db:id-84535308X-19101123
- Sammlungen
- Saxonica
- LDP: Zeitungen
- Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
-
Zeitung
Leipziger Tageblatt und Handelszeitung
-
Jahr
1910
-
Monat
1910-11
- Tag 1910-11-23
-
Monat
1910-11
-
Jahr
1910
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BezugS-PreiS >4« L«ip,l« un» «orortt durch »M« Trtger und Sprdururr 2m«I tialtch «» Hau» -edracht t>0 nouall.. vierteliLhri Bet unler» Filialen n. Lu. nahmrncllrn adgehollr 7» »»«all., L.LL vierieljthel. Lurch dir chok: l»«r-aw Leuiichland» und der deutsch«, Kolonien vierleljtdrl tt.4l> «ouaU. I^t» aullchl. Pokdellellgeld. ferner >n Bel,,e», Dänemark den Donaullaaten, Italien, Luremdura, Niederlande, Stör» weaen, Lesierreich Ungarn. Rulrlaud, Schweden, Schweiz u Spanien In allen übrigen Staaten aur diretl durch die Äeichäsusieüe de» Blarre» ertzältUch. Da« üeipziger tageo>an erlchernl 2 mal laglich. Sonn« n Feieriaa» »m morgen». Ldonnemenl-Lnnadaii Äuguku-platz 8, v« unteren trägern, Fliia-en suediteuren und Lima-ineftellen lonne LollLmtrr» und Briefträgern. chin»«l»«rkaui»vrer« »er Ltoraen» mtgade IV der Lbendiutgab« o Morgen-Ausgabe. 'ripMerT ag cblatt Handelszeitung. Ämtsvlatt des Rates und des Rolizeiamtes der Ltadt Leipzig. Anzeige». 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R.) » Der Reichstag wurde am Dienstag wieder eröffnet. Die ersten Lesungen der Gerichtskostennovell«, des Schutzes des Reichsbanknotenpapieres und der Be seitigung von Tierkadavern wurden er ledigt. (S. d. bes. Art.) ' Die deutsch-französische Kommission zur Regu lierung der Grenze zwischen Dahomey und Togo hat ihre Arbeiten beendet. (S. Ausl.) * Der Verweser des russischen Ministeriums des Aeußern Sassanow ist nunmehr offiziell zum Minister des Aeußern ernannt worden. * Die Unruhen in Mexiko breiten sich weiter aus. In Accambaro plünderte die auf ständische Menge das Rathaus. (S. Leitart.) * Die Leiche Tolstois wurde am Dienstag nach Zasnaja Poljana übergeführt. Nach einer Wiener Meldung soll K a i s e r W i l h e l m an die Gräfin Tolstoi ein Beileidstele gramm gerichtet haben. (S. Tageschr. und Letzte Dep.) Meriko. Seit dem Jahre 1884 hat man nicht mehr so gar viel von Mexiko gehört. Ein gutes Zeichen: Hätte das Land fortgefahren, wie es begann, als es in den ersten vierzig Jahren seiner Unabhängigkeit sechsunddreißig Prüft- Renten vcrbrauchrr . . wären die Aufstände, die Bürgerkriege, die zwischen eingewanderten Spaniern und amerikageborenen Kreolen erst, zwischen den klerikalen Eskozeses und den demokratischen Porkinos dann tobten und in der Kaiserepisode Maximilians gipfelten: wären die Verfassungsänderungen und die äußeren Wirren an der Tages ordnung gebliuben — dann würde man wohl mehr von dem Lande gehört haben. Daß dies nicht der Fall war, daß Mexiko seine Tage mit stiller Kulturarbeit hat verbringen können, ist in allem Wesentlichen das Verdienst des Mannes, der seit dem Jahre 1884 das Staats ruder ununterbrochen in der starken Hand ge halten hat, des Mestizen Porfirio Diaz, der, in einem klerikalen Seminar erzogen, Advokat, liberaler Parteimann, Verschwörer und Em pörer, General und schließlich, 1877, Präsident der Vereinigten Staaten von Mexiko wurde, 1881 bis 1884 Minister der öffentlichen Arbeiten war und seitdem unter dem Namen eines Prä sidenten Selbstherrscher aller Mexikaner ist. Sein Vaterland, das schnell sich zuspitzende Süddreieck von Nordamerika, trug wenig Vorbedingungen zu einer Blüte in sich. Zwar gibt es der fruchtbaren Landschaften, der kostbaren Bodenprodukte, vom Kaffee, Kakao und Tabak bis zum Mahagoni- und Ebenholz, der Erzschätze edler und unedler Metalle genug. Aber die steilen und unwegsamen Sierren, die das Land von der Küste abschließen, der Mangel an guten Häfen an der atlantischen Seite, das geringe Kohlenvorkommen sind Momente, die die industrielle und kaufmännische Blüte hintanhalten. Es tritt hinzu, daß Mexiko gegen Norden ein offenes Land ist. Außer im Osten, wo der wilde Rio Grande del Norte die Union von Mexiko trennt, hat nicht die Natur, sondern nur die Willkür der Leute in Washington die Grenze bestimmt: die Willkür, die mit ein paar geraden Strichen nach dem Kriege von 1846 47 die ganze, allerdings wenig frucht bare und spärlich bevölkerte Nordhälfte von Mexiko abtrennte und der Union zuwies. Es ist charakteristisch für das Land und für die aus seiner Beschaffenheit hervorgehenden wirtschaft lichen Bedingungen, daß die Bahn, die die Nordgrenze mit der Landeshauptstadt im natürlichen Mittelpunkte des Landes verbindet, keinen einzigen Tunnel und nur ein paar Brücken nimmt, während die Bahnen derselben Hauptstadt Mexiko nach den Küsten im Osten und Westen Steigungen von 2300,2550, ja 3000 m zu überwinden haben. Das innere Hochland Mexikos ist daher geo graphisch nur als eine Fortsetzung der südlichen Union zu rechnen. Und wie seit Jahrtausenden die gefürchteten Rortes, die eisigen Februar winde, in das subtropische Land ungehindert hineinfahren, wie seit Jahrtausenden Indianer stämme aus den nördlichen Steppen ungehindert ihren Weg nach Süden nahmen, so strömt jetzt auch von Norden das befruchtende und erobernde Pankeekapital ins Land. Die Kapitalisten von New Port und Boston haben ermöglicht, daß all die in den jahrzehntelangen Bürgerkriegen ersoffenen Gold- und vor allem Silberminen — Mexiko ist immer noch die ergiebigste Silberquelle der Erde — wieder abgcbaut werden können. Sie haben sich zugleich aber durch ihre Finanzierungen das Land in hohem Maße tributär gemacht. Und hiergegen Hat auch die Tatkraft Porfirio Diaz' nichts auszurichten vermocht. Dem Staate Mexiko fehlt eben wirtschaftlich und auch der Bevölkerung nach die Möglich keit, sich gegenüber dem großen mißgünstigen Bruder zu behaupten — so sehr er sich auch bemüht hat, ihm sein Räuspern und Spucken abzusehen, wofür die der Unionsverfassung sklavisch nachgeahmte mexikanische Ver fassung ein charakteristisches Beispiel liefert. Weder der Spanier, der in gar nicht so geringem Prozentsatz noch heute rasserein in dem so genannten Bundesstaat lebt: noch der Mestize, so wenig ihm auch eine gewisse Brauch barkeit und vor allen Dingen machtpolitische Befähigung abzusprechen ist: noch der rassereine Indianer, so hoch er auch über der Mehrzahl seiner roten Brüder in Nord und Süd steht, hat die Fähigkeit, dem durchgezüchteten Deutsch-Engländer Widerpart zu halten, durch dessen Gebiet er die Mehrzahl seiner Landes produkte leiten muß, da sie die kostspielige Fracht über die himmelhohen Gebirgsbahnen nach der Küste nicht vertragen. Und Kreolen, Mestizen, Indianer zusammen, von welch letzteren übrigens noch zwei Millionen nur ihre eigene Sprache sprechen, machen mit ihren insgesamt 13'/, Mill, nur den 5'/, Teil der Bevölkerung der Union aus. Zn eine* auch nur kontinental-politischen Machtstellung wird es daher Mexiko nie bringen können. Aber wenn es sich verständig benimmt, wird ihm wohl seine Selbständigkeit noch lange gegönnt bleiben. Für dies Letzte und Wichtigste zu sorgen, dafür ist selbst der Greis Porfirio Diaz noch der richtige Mann. Er hat dem Lande zum ersten Male so etwas wie eine Armee gegeben, und an ihr dürsten auch die jetzigen Putschversuche scheitern, die sich in ihrer vollen Bedeutung noch nicht sicher abschätzen lassen. Sollten die Verschwörer von heute dort selbst mit den Cowboys und Schmugglern im Norden — schwer zu trennende Begriffe — im Zusammenhang stehn und in den südunionistischen, einst mexikanischen Kreolenstaaten Verbindungen unterhalten, Diaz wird mit ihnen fertig werden; und wenn anders der Diktator Menschenkenntnis bewiesen hat, der von ihm für später designierte Nachfolger, sein jetziger Gehilfe, der Vizepräsident Corral nicht minder. S Neu« llnruhen. Ueber die weitere Ausbreitung der Unruhen und die Kämpfe in Durango, Parral! und Torreon, bei denen die Aufständischen zum Teil Erfolge hatten, berichteten wir bereits im Depeschenteil der gestrigen Abendnummer. Soweit die mexikanische Zensur Mel dungen durchläßt und auf die amerikanischen Depeschen Verlaß ist, handelt es sich überall umernstereZu- sammenstöße. Ueber einen neuen Zusammenstoß liegen folgende Telegramme vor: El Paso, 22. November. (Tel.) In Accam baro (Euana Zuato) kam es zu einem Zu sammenstoß zwischen Truppen und Revo lutionären, die das dortige Rathaus zu plündern versuchten. Die Revolutionäre, von denen 20 getötet und 80 verwundet wurden, wurden in die Berge zurückgetrieben. Ne« York, 22. November. (Tel.) Wie eine aus El Paso eingetroffene Depesche über die Vorgänge in Accambaro (Guana Juato) be richtet, zog di« aufrührerische Menge zunächst zum Gefängnis und befreite die Gefangenen. Di« bewaffnete Menge zog dann zum Rathaus und raubte die städtischen Kassen aus. Di« Truppen verjagten die Meng« in die Berge. Es soll den Revolutionären gelungen sein, Gomez Palacio zu besetzen und zu halten. Der mexikanisch« Gesandte in London bezeichnet die Depeschen über die revolutionäre Bewegung als starke Uebertreibungen. Er sagt, der Führer der Revolution Sennor Francisco Madero hab« nur geringen Anhang, und es sei undenkbar, daß ihm der Sturz der Regierung gelingen sollte. Die Revolu tionäre hofften, Schwierigkeiten zwischen den Ver einigten Staaten und Mexiko heraufzubeschwüren, aber die Beziehungen zwischen den beiden Ländern seien so vorzüglich, daß das schwerlich gelingen werde. I Sin Gesenkt»-. Am heutigen 23. November vollendet sich zum 40. Male das Jahr, seitdem in Versailles zwischen den Bevollmächtigten des Königreichs Bayern und den Vertretern des Norddeutschen Bun des der Vertrag über die Gründung eines deutschen Bundes unterzeichnet wurde. Zwei Tage später trat Württemberg diesem Vertrage bei, den bereits am 15. November Baden und Hessen unterschrieben hatten. Ueber die Vor gänge, die zur Begründung des Deutschen Reiches geführt haben, war man bislang in Einzelheiten un vollkommen unterrichtet. Seitdem die Memoiren der württembergischen Minister v. Mittnacht und v. Suckow vollständig erschienen sind, und auch der 3. Band der Erinnerungen des sächsischen Ministers Freiherrn v. Friesen herausgegeben worden ist, lassen sich die einzelnen Stadien der Verhandlungen, die im Oktober und November 1870 in Versailles stattsanden, klar erfassen und eingehender schildern. Unser Leipziger Historiker Erich Brandenburg hat unter sorgsamer Benutzung dieses neuen Materials sowie mehrerer in den letzten Jahren erschienener Einzeluntersuchungen eine sehr anschauliche Dar stellung des Eintritts der süddeutschen Staaten in den Norddeutschen Bund herausgcgeben. (Berlin, Eebr. Paetel, 1910.) Freunde historische: Detailarbeit und politisch interessierte Staatsbürger werden das Schriftchen, das sich durch übersichtliche, leichtfaßliche Darstellung der manch mal recht verworrenen Zusammenhänge vorteilhaft auszeichnct, mit großem Nutzen lesen. Für den An hänger der modernen Geschichtsauffassung ist es nicht uninteressant, zu beobachten, wie auch ein so aus geprägter Zndividualhistoriker wie Erich Branden burg von dem Prinzip eines Carlyle und Treitschke, daß nur die hervorragenden Männer die Geschichte machen, unter dem Eindruck der Tatsachen abrückt und sich der Auffassung nähert, daß für den Verlauf der Geschichte, auch der politischen, die Masse des Volkes ein ebenso wichtiger Faktor ist wie die ein zelne Persönlichkeit. Das Ergebnis der gründlichen Forschung Brandenburgs weicht von der bisherigen Darstellung der Ereignisse in Versailles in den Spät herbstmonaten des Jahres 1870 in wesentlichen Punk ten ab. Es ist in folgenden prägnanten Sätzen zu- sammengefaßt, die wir als Würdigung Les heutigen Gedenktages und zugleich zur Empfehlung des Buches zum Abdruck bringen: „Bismarcks Taktik im ersten Stadium der Versailler Verhandlungen erscheint danach beherrscht von dem doppelten streben, Bayern die Sonderrecht« zu verschaffen, ohne die es nun einmal nicht beitreten wollte, sie aber in solchen Grenzen zu halten, daß die Eesamtinteressen nicht darunter litten. . . Ihre Gewährung entsprang aus seinem leitenden Haupt gesichtspunkte, daß Bayern freiwillig und zufrieden in den Bund eintreten solle, und war daher von Anfang an prinzipiell in Aussicht genom men. Graf Bray (der führende bayrische Ver treter: d. Red.) anderseits war, wie ich glaube, weit früher, als gewöhnlich angenommen wird, klar über die Notwendigkeit des Eintritts und das Maß der erreichbaren Sonderrechte; seine Politik ging dahin, diese „Privilegien" Bayern allein auch gegenüber den anderen Südstaaten zu sichern, und sich womöglich eine Lage zu schaffen, in der er sich seinem Könige und den Kammern gegenüber als gezwungen dar stellen konnte. Das letztere hat er Bismarcks über legenem Gegenspiel nicht abzugewinnen vermocht, das erstere aber in mäßigen Grenzen erreicht, weil ihm Blsmarck hier aus den angeführten Gründen ent gegenkam. Seine Politik war gewiß nicht großzügig, aber weder rein partikularistisch, noch so ungeschickt und töricht, wie sie gewöhnlich Largestellt wird. In wesentlich veränderter Beleuchtung erscheint auch die Rolle, die Württemberg gespielt hat. Ich habe es wahrscheinlich zu machen versucht, Laß Bayern schon im September wesentlich durch die Schritte Württembergs vorwärts getrieben worden ist; ebenso ja zweifellos im Oktober; Württem bergs Vorgehen hat also das Gelingen von Bismarcks Absichten viel stärker, als man meist glaubt, befördert, ja eigentlich erst möglich gemacht. Daß Württemberg die Initiative ergriff, ist aber wesentlich Herrn v. suckow zu ver danken, dessen Arbeit ich viel höher einschätzen möchte, als die kurzen Notizen seiner soldatisch knappen und sachlichen Auszeichnungen sie erscheinen lassen. Um so tragischer war es für ihn, daß er und Herr v. Mitt nacht, der anfangs widerstrebend, dann aus Ueber- zeugung mit ihm ging, im entscheidenden Augenblicke aus Versailles abverufcn wurden, und daß Württem berg schließlich halb gezwungen und später als die übrigen seinen Vertrag unterzeichnen mußte. . . Als diejenigen Faktoren, die überall dem Zu standekommen der Einigung die schwersten Hindernisse bereitet haben, müssen die dyna - stiscbcn Empfindlichkeiten und Begehr- lichkeiten der Höfe angesehen werden. Die verantwortlichen Staatsmänner waren auf allen Seiten ziemlich bald über das Notwendige und Er reichbare einig. Der Kampf, den sie dann noch zu führen hatten, galt dem Widerstreben der Herrscher und ihrer unverantwortlichen Ratgeber. Wir wissen, wie ungern König Wil helm den bayrischen Vertrag genehmigte; immerhin waren seine Bedenken gerade vom nationalen Stand punkte aus zu verstehen und zu rechtfertigen, mochte auch eine preußisch - partikulariftiscye Unterströmung sie verstärken. Zn Bayern und Württemberg trat bei den Herrschern natürlich zunächst das beleidigte dynastische Selbstgefühl hervor; denn daß in dem Eintritt in das Reich «ine Unterordnung ihrer Dynastien unter di« Hohenzollern lag, war doch nicht zu bestreiten. Auch dies Gefühl läßt sich aus dem Verlaufe der deutschen Geschichte in den letzten Zahr- bunderten verstehen. Daneben aber tritt an d«n beiden genannten Höfen das Streben nach Ge bietserweiterung, nach Anteil an der Kriegsbeute, recht deutlich hervor, und man hat den Eindruck, daß sie über dellen Zurückweisung ganz be sonders erzürnt waren. Zn Bayern war mit einem Könige zu rechnen, der persönlich fast unzugänglich war und dadurch jede geordnete Behandlung der Ge schäfte erschwerte, zugleich aber so erfüllt war von dem Rechte des Monarchen, alles selbst zu entscheiden, daß er in unberechenbarer Weise plötzlich und un erwartet in die Verhandlungen eingriff. Sein eigenes Urteil wurde dabei häufig genug durch kleine Aeußerlichkeiten und durch den Einfluß untergeord neter Persönlichkeiten bestimmt. Zn Württemberg wirkte die Eifersucht aus Bayern und der unheilvolle Einfluß der Königin Olga auf den König besonders störend ein. Die Königin fühlte sich in erster Linie als russische Kaiserstochter und scheute sich nicht, in Len letzten entscheidenden Tagen eine Intervention Rußlands zugunsten der württembergischen Dynastie zu betreiben. Ueberall sehen wir, wie einst in den Tagen Friedrich Wilhelms IV, neben der offi ziellen Politik des Staates, wie sic von den verantwortlichen Ministern geführt wurde, sic erschwerend und durchkreuzend, die Politil einer Hofkamarilla tätig. Die Schwierig, keilen, die den leitenden Staatsmännern daraus er wachsen sind, können wir bisher wohl im großen uno ganzen wahrnehmen, aber nicht im einzelnen ver folgen.X Zm Gegensatz zu diesen Herrschern Hai Eroßherzog Friedrich von Baden in voller Uneigennützigkeit und Freiheit von dynastischen Sonderwüiychen sich immer bereit gezeigt, auch sachlich wichtige Bedenken im Interesse des Ganzen zurückzustellen. Wenn auch Badens Vorgehen nicht die Bedeutung gehabt hat, die man ihm in badischen leitenden Kreisen gern« zuschrieb, so bleibt doch be stehen, daß diese Haltung des Eroßherzogs es Preußen erleichtert hat, den dynastischen Begehrlichkeiten er folgreichen Widerstand zu leisten Bismarcks Werk bleiben die Versailler Verträge, die unser Reich begründet haben, schließlich doch. Seine Taktik mußte er nach den Umständen wechseln, aber sein Ziel blieb unverrückt dasselbe, wie er cs sich seit dem Beginn des Krieges gesteckt hatte. Zwischen den Wünschen und Schwierigkeiten, die ihn umdrängten, hindurch hat er seinen Kurs mit fester Hand innegehalten. Natürlich hätte er sein Ziel nicht erreichen können, ohne die langsam vorbereitende Arbeit von Genera tionen, die den Besten unseres Volkes die Not Wendigkeit staatlicher Einigung zur heiligen Ueber zeugung gemacht hatte, und ohne die Siege unserer Heere auf den Schlachtfeldern. Daß aber die so ge schaffenen Möglichkeiten nicht, wie früher so oft, un benutzt blieben, daß sie ergriffen wurden, und daß aus ihnen in der Wirklichkeit ein lebensfähiges Gc bilde gestaltet wurde, das ist und bleibt doch Bis marcks Perdienst." Der Sntwurk -e-en MMsnüe im Seil-ewerbe ist dem Reichstage zugegangen. Die Hauptbestim mungen des Entwurfs hatten wir bereits kürzlich veröffentlicht. Zur Ergänzung dieser Mitteilung sei noch folgendes bemerkt: Der Entwurf richtet sich in erster Linie gegen die gewerbsmäßigen Krankenbehandler, also solche, deren Tätigkeit auf einen fortgesetzten Er werb gerichtet ist. Es fallen demnach nicht unter das Gesetz gelegentliche oder aus Nächstenliebe oder in Notfällen vorgenommene Hilfeleistungen ärzt licher Natur. Getroffen werden sollen nicht nur die Behandlungen von Krankheiten, sondern, um die Tätigkeit möglichst weit einzuschränken, auch die Be handlung von Leiden und Körpcrjchäden. Der Ent wurf will, daß als Leiden oder Körperschäden auch Abweichungen von der Norm zu gelten Haden, die von der Rechtsprechung nicht oder nicht immer als Krankheiten anerkannt, aber mit Vorliebe von Kurpfuschern und Eeheimmittelfabrikantcn zum Gegenstände der Behandlung gemacht werden. Mit der vorgeschriebenen Meldepflicht folgt der Entwurf einem schon in zahlreichen landesrechtlichen Verordnungen sich findenden Vorgang. Durch die Meldung soll der Behörde die zur Üeberwachung des Betriebs nötige Kenntnis von dem Beginne desselben sowie von seiner Einstellung gegeben werden. Ziem lich hoch im Vergleich mit anderen Gesetzen sind die Strafbestimmungen dieses Entwurfs namentlich für die Fernbehandlung und für den widerrecht lichen Handel mit Mixturen, vorgesehen sind Gefängnisstrafen von 6 Monaten und Geld strafen bis zu 1500^4 Der Entwurf will namentlich der sogenannten Fernbehandlung bei Menschen ent- gegentreten, die sich in den letzten Jahren zu einem umfangreichen Geschäftsbetrieb ausgebildet hat und die durch das schwindelhaft betriebene Reklamewescn nicht nur erhebliche gesundheitliche, sondern auch ver- mögensrechtliche Schädigungen weiter Dolkskreije herbeigeführt hat. Nicht als Fernbehandlung sollen angesprochen werden die gelegentliche briefliche oder telephonische Beratung wegen einer Krankheit, wenn der Beratende hierdurch lediglich eine auf Grund eigener Wahrnehmungen an der betreffenden Person vorgenommene Behandlung fortsetzt. Ein Hauptverdienst des Entwurfes rst, daß er gegen die Tätigkeit der Kurpfuscher auf dem Gebiete der Geschlechtskrankheiten energisch vorgeht. Der Entwurf nimmt an, daß bei diesen Krankheiten viele Leidende besonders in kleinen Städten au- falscher Scham sich scheuen, den Arzt aufzusuchen und dann geneigt sind, sich an einen Kurpfuscher zu wenden. Um dies ein für allemal zu verhindern, verbietet der Entwurf den Kurpfuschern die Be handlung dieser Leiden und anderer sogenannter Geheimleiden. Auch hofft der Entwurf mit seinen allerdings etwas strengen Bestimmungen auf dem Gebiete der Frauenleiden viele Wohltaten der leidenden Frauenwelt erweisen zu können. Daß der Entwurf den schwindelhaften Ankündigungen gewisicr Kurpfuscher einen Riegel vorfchieben will, dürste allseitig begrüßt werden. Um auch Annoncen durch Mittelspersonen entgegen tretenzu können, d. h. solchen Personen, die au» angeblicher Menschenliebe Adressen von Kurpfuschern angeben, schreibt der Entwurf vor, daß auch diese Personen zu bestrafen sind, wenn ihr«
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