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02-Abendausgabe Leipziger Tageblatt und Handelszeitung : 18.11.1910
- Titel
- 02-Abendausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1910-11-18
- Sprache
- Deutsch
- Vorlage
- SLUB Dresden
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id84535308X-19101118020
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id84535308X-1910111802
- OAI
- oai:de:slub-dresden:db:id-84535308X-1910111802
- Sammlungen
- Zeitungen
- Saxonica
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
-
Zeitung
Leipziger Tageblatt und Handelszeitung
-
Jahr
1910
-
Monat
1910-11
- Tag 1910-11-18
-
Monat
1910-11
-
Jahr
1910
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BezugS.PreiS Nir Lripzin und «ororte durch uchr« lräg« und Spediienre 2mal täglich in« Hau» gebracht: -V nouatl., L.7H viertel jähri, vei unleru Filialen ». Un» nahmeitellen abgeholt, 7S >»aa«Ü, R.E2 vrrrtrijährl. Lurch dir choft: Innerhalb Deutschland» uir» der drntiche» Kolonien viertel,ährt. U.tli» monatl. ausschl. Postbestellaeld. yerner in Belgien, DLnemark, drn Donaustaaten, Italien, Luremdurg, -üederlande, Slor» w«en. Oesterreich Ungarn, Rußland, Lchweden, Schweiz u. Spanien. In allen übrigen Staaten nur direkt durch di« iSeichtirtilelle de« Matte» erdlUiltch. Da» Leipziger Dageblatt rrlcheink 2 mal iäglich, Sonn- n. Feieriag4 nur morgen», «lvonne i>enl-illnna»mt: Buguiiu-platz 8, bei unieren Drägern, Filialen, Spediteuren und Annahmestellen, jowie Postämtern und Briefträger». Sin,elverkaut»pre>» der Moyen. rntgade lt» der Äbend.utgabe S Abend-Ausgabe. MpMerTMtblaü Handelszeitung. Ämtsölatt des Nates und des Nolizeiarnles der Ltaöt Leipzig. Anzeigen-Preis sttr Anierare au, reivzig uni> ümgeduu, di» t>g«iva!iene SV ww breite Petitzeil, 2d ch. die 74 «um breite Reklamezcile l voa auiivärt» sttt Üleklame» i.läu Inserate von Bebdrden m amtlichen Dell die 74 mm drei», Petit,eil« M Ve>chL,l»an,eigen mit P atzvor,chr,iten und in der Adendaudgade lui vreiie erhöht, piaball nach aaru. Beilagegedüdr d p. Lauieno exkl. Pouzedühr. FesterteUt» Auttrag« können nichi zurück« gezogen werden. Für das Srichelneu an deUimmien Lagen und Plätzen wirb leine Garantie übernommen Anzeigen«Annahme: Augulluöplatz 8, de> sämtlichen Filialen u. allen Annoncen- itlpedltionen des In- und Aullande». «ebakNdn unk GeichaktrNelle: Fodanniigaste». Ferniprecher: I4i>!/2. t»t>v4. Haupt>«Filiale Dresden. Leeslrape 4. l (Lelepho» 4621). Nr. 318. Freiing, üen 18. November isio. 104. Jahrgang. Die Reste Sailer Wilhelms im Llalter Beuron. Ueber die Rede, die Kaiser Wilhelm im Benedik tinerkloster Beuron gehalten hat, werden weitere Ein zelheiten bekannt. Nach der „Germania", dem Ber liner klerikalen Organ, antwortete der Kaiser auf die heute morgen mitgeteilte Ansprache des Erzabtes folgendermaßen: „Bon Anfang meiner Regierung an war es mir eine besondere Freude, die Benediktiner in ihren Bestrebungen zu unterstützen, da ich be obachtet habe, daß sie überall, wo sie gewirkt, nicht nur die Religion aufrechtzuerhalten und zu stärken bestrebt waren, sondern auch als Kulturträger auf dem Gebiete des Kirchengesanges, Kunst und Wissenschaft und in anderem sich hervorgetan haben, eine nicht zu unterschätzende Arbeit. Was ich von Ihnen erwarte, ist, daß Sie in den Bahnen Ihrer Vorfahren weiterarbeiten und mich unterstützen in meinen Bestrebungen, dem Volke die Reli gion zu erhalten. Dies ist um so wichtiger, als das zwanzigste Jahrhundert Gedanken aus gelöst hat, deren Bekämpfung nur mit Hilfe der Religion und mit Unterstützung des Himmels siegreich durchgeführt wer den kann. Das ist meine feste lleberzeugung! Die Krone, die ich trage, kann hier nur dann einen Er folg verbürgen, wenn sie sich gründet auf das Wort und die Persönlichkeit des Herrn. Als Symbol da für habe ich das Kreuz in dieser Kirche gestiftet, um damit, wie ich es in meinem Handschreiben ge sagt habe, zu beweisen,daß die Regierungen der christlichen Fürsten nur im Sinne des Herrn geführt werden können und daß Sie helfen sollen, den religiösen Sinn, der den Germanen an geboren ist, zu stärken und die Ehrfurcht vor Altar und Dhron zu vermehren. Beide ge hören zusammen und dürfen nicht getrennt werden. Darum fördere ich von ganzem Herzen die Be strebungen, die Sie verfolgen. Wie bisher, werde ich Ihnen auch in Zukunft meine Huld und meinen Schutz bewahren." Der Inhalt der Rede des Kaisers, über den noch einiges zu sagen sein wird, ist die Variation eines alten vom Kaiser wiederholt behandelten Themas. Peinlich berührt es die nichtultramontane Oeffent- lichkeit mit Recht, daß diese Reden zuerst durch klerikale Blätter verbreitet werden. Wir stimmen dem „Hann. Cour." vollständig bei, der das Verlangen ausspricht, daß Ansprachen des Kaisers den Weg zum deutschen Volke nur durch berufene, taktvolle und — verantwortliche Hände machen sollen. Dir Einweihung der Marineschule in Flensburg. Der Kaiser trifft am Sonnabend, den 19. d. M., frühmorgens, in Kiel ein, wo zurzeit alle Schisse der Hochseeflotte versammelt sind, und nimmt für die Dauer seines Aufenthaltes auf dem Flortenflagg- schisf „Deutschland" Wohnung. Am Nachmittag wird nach den bisherigen Dispositionen der Kaiser die Erweiterungsbauten des Kaiser-Wilhelm-Kuirals besichtigen. Am Montag, den 21., erfolgt die Einweihung der neuen Marineschule in Flensburg, die bereits Anfang Oktober durch die Fähnriche zur See des Jahrgangs 1909 bezogen wurde. Die neue Marineschule ist eng verknüpft mit dem Flotte ngesetz und dem Flottenaus bau. Sie soll der Marine den vermehrten Osfizier- ersatz heranbilden halfen, der dem Wachstum unserer Flotte angepaßt ist. Sie soll im besonderen auch den Anforderungen an ein« moderne Erziehung des See- osfiziernachwuchses gerecht werden und demgemäß be rücksichtigen, daß die Technik heute eine größere Rolle im Seeoffiziersberufe spielt, als in älterer Zeit. Wenn es auch unmöglich und nicht beabsichtigt ist, den Seeoffizier zum ausübenden Techniker heran zubilden, so soll ihm doch durch seinen Ausbildungs gang das Maß an praktischen Kenntnissen gegeben werden, das ihn befähigt, die ihm unterstellten tech nisch durchgebildeten Untergebenen mit vollem Ver ständnis für ihre Spezialaufgabc zu überwachen und den Fortschritten der Technik mit Aufmerksamkeit zu folgen. Der neue Marineetat 1911 sieht daher auch eine Forderung für eine noch fehlende Unterrichts balle mit Maschinenmodellen und Werk statteinrichtungen vor, in der mehr wie dies bisher möglich war, praktisch Technik betrieben und die auf den Schulschiffen diesbezüglich erworbenen Kenntnisse befestigt und erweitert werden sollen. Der Staatssekretär des Reichsmarine amts begleitet den Kaiser bei der Besichtigung der neuen Marineschule. An dieser Eröffnungsfeier nehmen von der Garnison Flensburg die Komman deure der 18. Division, der 35. Infanteriebrigade und des Infanterieregiments „Königin" teil, ferner von den städtischen Behörden, deren Entgegenkommen bei der Entstehung dieser neuen Marineanlage besonders M erwähnen ist, der Oberbürgermeister Dr. Todtsen mit Vertretern des Magistrats und der Stadtverordnetenversammlung. Am Nachmittag er folgt die Rückkehr des Kaisers nach Kiel an Boro der „Deutschland". Die Reichsversrcherunflskmnmisftmr erledigte am Donnerstag den zurllckgestellten Abschnitt über den Reservefonds der Berufs genossenschaften. Die von nationallioe, raler Seite sowie von einem Mitglieds des Zen trums und einem Konservativen gestellten Anträge, die sich gegen eine zu stark« Belastung der Gegenwart zugunsten der Zukunft wenden, wurden auch jetzt abgelehnt und dre in erster Lesung bestätigte Fassung der Regierungsvorlage in den §8 741 bis 747 auch in zweiter Lesung gutgeheißen mit der in der ersten Lesung hinzugefügten Bestimmung, daß d«r Bundesrat im Jahre 1921 dem Reichstag di« gesetz lichen Vorschriften über die Rücklagen zur erneuten Beschlußfassung vorzulegen hat. Die Subkommission hat den Antrag Gamp, der auf die Bildung terri» torialer Genossenschaften für dle kleinen Gewerbe abzielt, abgelehnt. Dieser Beschluß wurde in der heutigen Sitzung bestätigt. Doch wurde den Absichten des Antrags durch zwei Beschlüsse zum Teil Rechnung getragen. Durch Einschiebung elues 8 645h wurde bestimmt, daß für Betriebe, die ihrer Natur nach einer anderen Genossenschaft zuzuteilen wären, als der sie angehören, entsprechende llnfall- verhütungsvorschriften zu erlassen sind, und dem 8 700 wurde die Bestimmung hinzugefügt, daß, wenn in einer Genossenschaft verschiedenartige Gewerbs zweige oder Betriebsarten sgroße, mittlere, kleine Be triebe) vereinigt sind, diese im Vorstand möglichst vertreten sein sollen. — Der Abschnitt der gewerb lichen Unfallversicherung wurde in der Sitzung fast ganz erledigt. Die Beratung des vor letzten Paragraphen (911) über die Verantwortlich keit des Unternehmers für die Durchführung der Unsallversicherungsvorschriften wurde auf Freitag vormittag vertagt. politische Nachrichten. Rießer in Chemnitz. Die Ortsgruppe Chemnitz des Hansa- bund es hält am Mittwoch den 23. November im Großen Saale des Kaufmännischen Vereinshauses in Chemnitz eine Versammlung ab, in der der Präsident des Hansabundes, Geheimrat Prof. Dr. Rießer über das Thema: „Der Kampf um das Recht des Hansa bundes" sprechen wird. Zu der Versammlung sind alle Freunde und Mitglieder des Hansabundes im König reich Sachsen eingeladen. Zur Reise des Kronprinzenpaares. Berlin, 17. November. (Tel.) An Bord des Reichspostdampfers „Prinz Ludwig", 17. November. Durch Funkenspruch über Bombay. Die Fahrt durch den Indischen Ozean ist von herrlichem Wetter begünstigt. Die See ist ruhig. An Bord finden große sportliche Veranstaltungen statt bei denen der Kronprinz und die Kronprinzessin bisher je einen ersten Preis gewannen. Die Ankunft in Colombo erfolgt voraussichtlich am 20. November 6 Uhr früh. Beniner Lohnbewegungen, Berlin, 18. November. (Tel.) In einer Gas. arbeiter - Versammlung wurde gestern Stellung genommen zu der Ablehnung der Forde- rungen der Gasarbeiter seitens der städtischen Gas werksdeputation. In einigen Tagen soll eine neue Versammlung das Referat einer Lohnkommission ent gegennehmen, die mit den in Frage kommenden In stanzen verhandeln wird. Unter Umständen wird die Arbeitsniederlegung beschlossen werden. Berlin, 18. November. (Tel.) Eine Versamm lung der in Berliner Schraubenfabriken be schäftigten Arbeiter und Arbeiterinnen, die gestern auf Einladung des Deutschen Metallarbeiterverbandes stattfand, hat beschlossen, heute früh in den Aus. stand zu treten. Balfour und die Vetokonferenz. London, 17. November. (Tel.) Balfour er. klärte in einer Rede in Nottingham bezüglich der Vetokonferenz: Wenn die unionislischen Mit- glieder zugestimmt hätten, worunter allein eine Eini gung möglich gewesen sei. jo Hütten sie ihre Sache verraten. Die Larifrefornl sei nach w.e vor oie vornehmste schöpferische Politik oer Unionisten. Wenn sie eine Belastung der um Lohn arbeitenden Klassen bedeute, würde er sie nicht annehmen. Wenn sie zu einer Er Höhung oer Brotpreije sichre, müsse eine Entschädigung durch Ermäßigung der Zölle auf Tee, Zucker u. dgl. gewährt werden. Bezüglich des Oberhauses erltürle Balfour, die zweite Kammer sei notwendig. Es müsse em« zweite Kammer geben, die fähig fei, einen müßigenden Einfluß auf die l^e,chüfte oes Landes auszuüöen, obschon bas Unterhaus oas dominiernde Element in dem Zweikammer system bleiben müsse. Jede Reform des Oberhaujes müsse auf die gegenwärtig bestehende Kammer auf. gepfropft werden. Das reformierte Oberhaus sollte aus drei gleichwertigen Elementen besiegen, erstens aus Männern, die durch ihr öffentliches Amt geeignet sind, zweitens aus Mitgliedern, die von den Peers selber gewühlt weiden, und drittens aus solchen, die durch irgendein außerhalb des Oberhauses einzuführendes Wahloerfahren oder auf andere Weise ins Oberhaus gebracht würden. Er fei gegen dis gewählte zweite Kammer, weil sie die Stellung der ersten usurpieren würde. Die treibende Macht hinter der Detobill der Regierung bestehe aus Sozia listen und der i r i s ch e n P a r t e j. Die Regierung sei im Begriff, die Konstitution zu vernichten und nicht im Interesse der Demokratie, sondern nach dem Willen der amerikanischen Zeichner für den Home- rulefonds, also von Leuten, die nicht einmal da» britische Bürgerrecht besäßen. Wenn wir ihren For derungen nachgeben, schloß Balfour, werden wir nicht länger ein Land sein, das sich selbst regiert. Er appelliere an alle, daraus zu achten, daß Groß britannien seine eigenen Angelegenheiten auch weiter leite. Die chilenischen Gäste in Bremen. Bremen, 18. November. (Tel.) Die Festlichkeiten für die chilenischen Gäste wurden gestern durch ein Mittagsmahl im Museum eröffnet, zu dem die Aktiengesellschaft „Weier" geladen hatte. Die Offiziere des „Bianco Encalada" waren fast sämtlich erschienen. Ferner wäre» erschienen: Dr. Buff, die Vertreter der Handelskammer sowie eine Anzahl Vertreter des Handels mit Chile und der Bremer Dampfschiffahrtsgesellschaften. Der Vorsitzende des Aufsichtsrats der Aktiengesellschaft „Weser", Karl Gustav Pagen st echer, begrüßte die Gäste und führte aus, Deutschland würde das Gedächtnis des verstorbenen Präsidenten Montt hoch in Ehren halten. Man bewundere die glänzende Entwicklung, die Chile genommen habe, und wünsche der befreundeten Re publik weiteres Blühen und Gedeihen. General Boonen Rivera dankte in deutscher Sprache für den freundlichen Empfang, der dem „Blanco Enca lada" seitens der Stadt Bremen und insbesondere der Aktiengesellschaft „Weser" zuteil geworden ist. Er wies darauf hin, daß Chile viele seiner Fortschritte Deutschland zu danken habe. Den Erfolgen des deutschen Heerwesens und deutscher Erziehung mögen sich die des deutschen Schiffbaues anschließen. Erlebnisse einer Stecknadel. 2) Don Maxim. Rudolph Schenck (Leipzig). Die Lustigste aber von allen war meine kleine schwarze Direktrice. Sl« war glücklich in ihrem Be rufe. Ihr war der Gedanke nach Besserem noch nie gekommen. Madame Viröt schätzte ihre Leistungen, bezahlte sie vorzüglich, ihre Arbeiterinnen liebten sie, und ihr Schaffen machte ihr große Freude. Und war des Tages Mühe vorüber, dann wartete unten am Tore ihr treuer Robert, dem sie sich verlobt hatte; und auf vielen Umwegen durch stille Seitenstraßen der Stadt begleitete er sie — Hand in Hand. Arm rn Arm durfte er sie nie führen. Wenn das jemand gesehen hätt«! Wie sie sich kennen lernten? Dor vier Jahren just um dies« Zeit war sie eines Sonntags abends mit der Bahn zurückgekehrt von einem Besuche bei den Eltern. „Das Köfferchen wird wohl dem Fräulein zu schwer", hatte si« ein junger Mann angesprochen, und mit einem trockenen „Meinetwegen!" überließ sie ihm die unbequeme Last. Schweigend war er neben ihr hergegangen, das lange Stück Weg bis zu ihrem Hause, und sein« verstohlenen Seufzer hatten sie inner lich belustigt; — das Köfferchen war doch fast ein Koffer, voller Wäsche und recht schwer. — Ein naives neckisches „Danke schön!", und verschwunden war sie den Blicken de» verdutzt Dreinschauenden. Don da an war er ihrer Spur gefolgt. Sie hatten Gefallen gefunden eins am andern, und das Gelöbnis der Treue war das Ende gewesen. Sparen wollten sie und häufen Pfennig auf Pfennig von den hübschen Einkünften; nach Jahren würden st« einen eigenen Laden erricht«» können. Das war das Ziel, dem sie ihre Jugendkraft widmeten, dem sie mit allem Eifer nachstrevten. Einer Zukunft voll Sorge und Arbeit galt die Arbeit der Gegenwart, und doch waren beide glücklich. Welch köstliche Zeit! Ach diese Sonntage! Da war auch er Gast bei der Mutter Schwester, da aße« sie gemeinsam. Und dann — im Sommer! Ost wallt« noch leiser Nebel durch di« Luft, wie die Reste flatternder Schleier, vergessen von der kaum ent schwundenen Nacht, da hatten die beiden schon längst die Tor« der Stadt im Rücken und hinaus ging'« in di« Weit« zum frischen, duftenden Walde, auf blumig« Wiesen. Und zum Jubel der Lerchen und zum Singen der Vögel in Busch und Hain klang es so süß, das ewig alte und immer neue Gestehen der klopfenden Herzen: „Ich liebe dich!" Aber eines Sonnabends blieb ich in meiner Ton schals mit den andern Stecknadeln liegen, meine klein« Direktrice hatte mich nicht mitgenommen wie gewöhnlich, sie war zerstreut und hatte mich vergessen. Am andern Morgen war sie tieftraurig; sie hatte viel geweint, weinte immer wieder und konnte gar nicht zu Ende kommen mit dem Rocke des Reisekleides aus hellgrauem indischen Kaschmir, obschon ich mir alle Mühe gab, und ich die Falten, die sie durch mich zu schönem Panier gesteckt, ganz gewissenhaft festhtelt. Die kleinen, sonst so geschickten Händchen zitterten vor Aufregung, und von Zeit zu Zeit griff sie nach einem Papier, das sie in der Tasche trug sein letzter Brief. Er hatte ihr die Treue nicht gehalten. Und plötzlich fiel eine große Träne auf den Nock des Reisekleides; meine kleine Direktrice schwankte und sank in Ohnmacht. Welche Verwirrung in dem Atelier! Die Mädchen liefen hinzu, halfen wie sie konnten. Aus dem Maga zin rief das Telephon nach dem Kleid«, denn dle Ausstattung des Fräuleins von Haas sollte ab. geliefert werden. Morgen war die Hochzeit; so packte man es, wie es war, zusammen. Mich mit. Ich hätte mich viel leicht bemerkbar machen können, aber was sollte ich noch? Fröhlich wäre es doch nie wieder geworden wie erst, und ob mich meine kleine Direktrice je wieder so lieb gehabt hätte wie vorher? Die Menschen sind so abergläubisch manchmal mit ge fundenen Nadeln, besonders wenn es sich um schwarze handelt mit verschrobenem Kopfe. Und dann ja vielleicht kam ich nun mit in die große Welt, denn das junge Paar ging morgen gleich auf Reisen, weit, weit fort, nach Italien glaube ich. Zwei Tage und zwei Nächte dauerte di« Fahrt. Man hatte mich nicht bemerkt, und ich hielt fest, ko fest, als ob die Falten mit den besten Stichen genäht wären. Wer weiß, in welchen Winkel man mich sonst geworfen hätte. Und dann: meiner kleinen Direktrice sollt« man doch nicht üble Nachrede halten wegen liederlicher Arbeit! Wie lobte ich im stillen meinen Entschluß und wie dankte ich meinem Geschick, daß er mich dies« Reise tun ließ. Ich durfte belauschen und hören, was alles sich zwei liebende Menschen zu vertrauen und zu gestehen haben; wenn die langen Tage des Harrens und Sehnens vorüber, wenn sie, zuletzt der rauschen den hochzeitlichen Feier entronnen, sich endlich ge- hören dürfen und das selige „Endlich allein!" von Lippe zu Lippe fließt. Ich werde mich hüten, zu plaudern und zu verraten. Das sind Dinge, die jeder an sich erfahren muß. Warum denen, die es nre erfahren, das Herz schwer machen? Gerti war ein reizendes, junges, frisches Weibchen, und ihr Fred paßte prächtig zu ihr. Daß sie allein im Coupe blieben, ist bei der Kundigkeit des Schnell zugpersonals in solchen Dingen nichts Außergewöhn liches Zu verwundern war es auch nicht, daß man sich mit einem Sitze meist begnügte. Und daß man der hellstrahlenden Lampe an der Decke des Wagens die neugierigen Augen schloß und das traulich« Halb dunkel vorzog, wer wird darüber staunen? So ging es in Eile dahin, durch weite, dunkle Ebenen zu lichtvoller Seligkeit. In I... waren bequem« Zimmer bestellt; gar schöne Räume. Und dennoch: mir will es nicht m meinen gläsernen Kopf, wie die Menschen so töricht sein mögen, die Stunden ihres heiligsten Glückes durch solch fremde Umgebung zu entweihen. Da schaute der schwergeschnitzte Spiegelschrank langw«tlig ruf all die andern Ding« abgenutzter Hoteleleganz. Wie viel« hundert andere Gesichter hatte sein Glas schon wiedergegeben. Wie viele Paare, und wer weiß oft. von welcher Art, hatten es sich aus demselben gelben Damastsofa, auf den gleichen Lehnstühlen bequem gemacht und hatten an dem gleichen Tische bei frohem, intimem Mahle gesessen. Und die Amoretten und Engelein, die herabschauten von der Zimmerdecke, und ander«, die zu einem Reigen gruppiert, den schweren Betthimmel trugen in un. schuldvollem Lächeln. . . . Gut, daß man mich in meinen Betrachtungen störte. Das R«is«kletd wurde mit dem weißen Algerienne. Schlafrocke vertauscht. Gerti war entzückend in dem Gewoge von Spitzen und Schleifen, — da» konnte ich noch sehen; dann wurde es dunkel, denn wir wurden in den Spiegelschrank geschlossen. Gut auch, daß es am nächsten Tage früh schon weiterging, dorthin, wo mein Pärchen seine Honig monde verleben wollte. Da würde es doch wohn, licher werden. Es war eine wundervolle Fahrt, durch himmelhohe Gebirge, an Flüssen und Seen vorüber. Nie hätte ich geglaubt, daß die Welt so schön sei, und ich war recht froh, daß meine jung« Herrin auch heute wieder auf dem Schoße ihres Fred saß, denn so konnte ich recht bequem hinaus durch das Fenster schauen! Welche Seligkeit! — Meine kleine schwarze Direktrice kam mir in den Sinn; da saß sie jetzt hoch oben in ihren kahlen Stuben zwischen kalten Mauern, mit wundem Herzen! Ob es doch wahr ist, daß Glück und Unglück zu zwei ganz gleichen Teilen auf die Erde kamen, die sich nur verschieben in ewigem Wechsel, so daß not wendigerweise ein Menschenkind leiden muß, wenn ein anderes froh ist? — Aber bald schwanden so ernste Gedanken und ich hätte jauchzen mögen. Wie weit wir schon waren! Die Menschen redeten in anderer Sprache und sahen auch ganz anders aus. Andere Blumen und andere Bäume, die immer blühten und immer grüne Blätter hatten; und da — — auch Apfelsinen und Zitronen in dem dunklen Laube, die ich bisher nur in Kisten und in Seiden papier verpackt sah. Ja, ja, das Reisen bildet, das merkte ich schon jetzt, und etwas wie Dünkel und Hoch mut kam über mich. Was alles würde noch aus mir werden? Und mir fiel ein, was damals der frohe Handwerksbursche gesungen, der meinen armen Knaben ein Stück Weges begleitete: Unreifer Mann, der nur im Haus Stets hockt, im Laden immer steht, Reis' in die Welt, die Welt kost' aus, Eh' aus der Welt die Reise geht. Bleibt immer daheim auf euren Kissen, in euren Schalen, und dünkt euch klug und weise: nehmt eure vier Wände als die Welt und seid glücklich in eurer Beschränktheit, all ihr Flach- und Rundköpfe, mit den glänzenden Stielen aus Gold, Stahl und Messing! — Ich bin zu Höherem bestimmt. Spät abends kamen wir in Alassio an. In dem großen Hotel begrüßten Herr und Dienerschaft die junge Frau als alte Bekannte, denn schon zweimal war sie mit Mutter und Schwester hier gewesen, und so waren ihr auch die beiden Salons im zweiten Stock liebe, gewohnte Räume. Eine henliche Zett begann. Frühmorgens tauchte man in die Fluten des blauen Meeres. Weit hinaus ging es, und Fred konnte sich nicht satt sehen an seiner kleinen Nixe in dem feuerroten, kokette« Schwimmkleidchen und dem gleilyfarbigen Kopftuche;
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