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Heft 7, 1925, Seite 168, Anmerkung der Schriftleitung zu dem Aufsatze: „Das Bleichen von Kunstseidenabfällen“ von Walter Kosche), ebenso daß Abfälle, die null ein Bad, nämlich das Unterbad, passiert haben, „unfertige Abfälle“ sind. Wir haben keine unfertigen Abfälle, oder solche, die infolge des Spinnprozesses als erste und zweite Qualität bezeichnet werden könnten. Ob die Kunstseide mit oder ohne Oberbad gesponnen wird, hat auf die Qualität der Kunstseide oder deren Abfälle abso lut keinen Einfluß. Das Ober- oder Spülbad dient nur dazu, das leicht vorkommende Kristallisieren in kalten Spinnsälen zu ver hüten. Bei dem Glaswalzenverfahren wird beispielsweise nur mit einem Unterbad (Fällbad) gesponnen. Ein anderes Werk spinnt nach dem Spulen- oder Bobinen verfahren nur mit einem Unterbad, die meisten Kunstseidenfabri ken arbeiten mit Unter- und Oberbad, aber die größte Kunst seidenfabrik Deutschlands stellt 10 000—12 000 kg täglich nur mit Unterbad her. Auch die nach dem Viskoseverfahren hergestellte Zentrifugenseide wird nur mit einem Unterbad gesponnen, wogegen die Kupferseide nach dem Streckspinnverfahren mit zwei Bädern gesponnen wird, und zwar mit einem gut entlüfteten Fällbade und einem zweiten sauren Bade, dessen Flüssigkeit mit dem Faden durch die Rinnen läuft. Ein Spinnen mit Natriumsulfatbädern ist unmöglich; es kommt nur ein saures Salz, ein neutrales Salz mit irgendeiner Säure oder nur ein Ammoniumsalz für die Herstellung von Viskosekunstseide in Frage. Ferner trifft die Behauptung, daß in die erste Klasse der Kunstseidenabfälle diejenigen gehören, welche die Kunstseiden fabrikenliefern, nicht zu. Nach meinem Dafürhalten bestehen 90 % der in dem erwähnten Aufsatze angeführten vier Klassen von Abfällen aus Viskosekunstseide. So haben wir in Deutschland drei Kunst seidenfabriken, welche Kupferseide nach dem Streckspinnverfahren mit einer Tagesleistung von schätzungsweise 4000—5000 kg her stellen, dagegen 18 für Viskosekunstseide mit 42 000—44 000 kg Tagesleistung und nur eine Fabrik, welche noch nach dem Nitro oder Chardonnetverfahren mit einer Tagesleistung von 500 kg (jetzt stillgelegt) arbeitet. Die angegebenen Tagesleistungen beziehen sich schätzungs weise auf den Monat März 1925. Die meisten Abfälle entstehen also bei der Fabrikation der Viskosekunstseide nach dem Spulen- oder Bobinenverfahren im Zwirnsaal, nach dem Glaswalzenverfahren im Spulsaal, nach dem Zentrifugenverfahren in der Haspelei oder Weiferei, weshalb der größte Teil der Viskosekunstseidenabfälle unentschwefelt und un gebleicht in den Handel kommt. Für diese nicht entschwefelten Abfälle würde ich dem Blei cher oder Färber empfehlen, vor dem Bleichen ein Bad zu geben, welches je 1 10—12 g Schwefelnatrium (Na 2 S) enthält und 45 bis 50° C warm ist, hernach gut zu spülen und nun mit Chlorkalk oder Natriumhypochloritlösung mit ung. 0,1 % CI zu bleichen. Nach dem Bleichen wird wieder gespült, worauf man nach Bedarf fär ben kann. Auf die Behauptung, daß die Kunstseide bei langem Liegen in Wasser fault, muß ich erwidern, daß die Kunstseidenfabriken, welche nach dem Spulenverfahren arbeiten, die Spinnspulen im fließenden Wasser 6—10 Tage liegen lassen, um sie von Säure und Sulfat zu befreien. Auch habe ich als Färber gefärbte Kunstseide schon 10—14 Tage im geschleuderten Zustande liegen gehabt, um die Muster einwirken zu lassen; nachdem diese von den Band fabrikanten für gut befunden worden sind, wurde die Kunstseide nochmals aviviert und hierauf getrocknet, ohne daß ein nennens werter Verlust an Festigkeit und Dehnung festzustellen war. Daß die Erzielung eines einwandfreien Weiß sich deswegen schwierig gestaltet, weil der Kapillarfaden zu kräftig ist, stimmt nicht. Für das herzustellende Weiß ist es gleichgültig, ob ein Faden aus 19 Einzelfäden 120 d, demnach der Einzelfaden 6,3 d beträgt oder ein aus 30 Einzelfäden bestehender Faden 300 d, also der Einzelfaden 10 d mißt. In unserer Kunstseidenfabrik erhält der 120er Faden die gleiche Bleichflotte wie der 300er Faden, auch die Bleichdauer ist die gleiche, und wir erzielen immer ein gleichschönes Weiß. Auch zeigen sich keinerlei Rostflecken beim Bleichen; wohl weist der Fitzen oder Strahn beim Ent schwefeln flammenartige Erscheinungen auf, indem 2 / 3 des Fitzens weiß sind, während der übrige Teil ein helles Grau zeigt, das oft auch im trockenen Zustande noch zu sehen ist. Die Ursache liegt in der 6—lOtägigen Wäsche, in der die von der Maschine kom mende Spinnspule säurefrei gewaschen wird. Was nun die vierte Klasse der Kunstseidenabfälle anbelangt, so ist zu sagen, daß diese bis zum Kriegsausbruch zur Gänze ver brannt wurden. Seit dem Jahre 1915 haben wir in meiner frühe ren Stellung die Kehrichtabfälle, so wie sie von den einzelnen Betriebsabteilungen kamen, in einem Holländer gewaschen und, wie vorher beschrieben, weiter behandelt. Bleichen von Kunstseide mit Aktivin. Von Dr. Richard Feibelmann. Als R. Haller das von ihm gefundene schöne Verfahren zum Aufschließen von Stärke mittels Aktivin (Paratoluolsulfo chloramidnatrium der Formel CH 3 • CJL • SO 2 • N (CI) (Na), Her steller Chemische Fabrik Pyrgos, Radebeul-Dresden 1 ), veröffent lichte, konnte er auf Grund der Bleichversuche von P. Heer mann 2 ) und seiner eigenen Kenntnis des Aktivins noch der Meinung sein, daß „Versuche, das Produkt in dieser Richtung (Bleichen von Gespinstfasern) zu verwerten, heute noch wenig aussichtsreich erscheinen, und es bleibt abzuwarten, ob allenfalls unter Verwendung eines geeigneten Katalysators dem neuen Kör per dahingehend ein Erfolg beschieden sein wird“. In bezug auf Baumwolle ist diese Meinung noch im wesentlichen gültig; die Fortschritte, die mittlerweile in der Bleicherei dieses Faser materials erzielt wurden, beziehen sich auf spezielle Anwendungs gebiete, wie Erzielung einer Vorbleiche beim Entschlichten oder Bäuchen roher Baumwollwaren mittels Aktivin. Kunstseide ist infolge ihres von der Baumwolle stark ab weichenden physikalischen-chemischen Zustandes bedeutend leich ter von Chemikalien angreifbar als Baumwolle, und es war daher zu erwarten, daß Aktivin ein brauchbares Bleichmittel für dieses *) Melliand’s Textilberichte 1924, Heft 6, Seite 389. 2 ) Melliand’s Textilberichte 1924, Heft 3, Seite 181. Fasermaterial sei. Diese Erwartung ist nicht nur im Laborato rium, sondern auch in der Fabrikation in größtem Umfang be stätigt worden. Aktivin hat infolge seiner großen Beständigkeit keine große Bleichenergie und danach auch keine große Tendenz, auf das Fasermaterial zerstörend einzuwirken. Vgl. die Untersuchungen von Heermann 3 ), K r a i s 4 ), sowie die allgemeine Charakteristik des Aktivins des Vf. 5 ). Infolgedessen kann man mit diesem neuen Bleichmittel in neutraler Lösung in der Hitze arbeiten, ohne die Bildung von Oxyzellulose befürchten zu müssen. Weder Glanz noch Festigkeit der Kunstseide erleiden eine Einbuße, wenn man die Kunstseide mit Lösungen von 3—4°/ 0 o Aktivin bei Tempe raturen von 60—70° behandelt. Allerdings erzielt man auf diese Weise kein Weiß, aber die unreinen Nuancen des Rohproduktes werden in ein gleichmäßiges, edles blasses Creme verwandelt, gleichgültig, in welcher Farbennuance der Rohfaden vorgelegen hat. Der Verbrauch an Aktivin ist dabei gering, da es nur das zum Bleichen notwendige Chlor abgibt, wodurch einerseits un- 3 ) loc. cit. 4 ) Leipziger Monatschrift für Textilindustrie 1924, Nr. 10, S. 224. Leipziger Monatschrift für Textilindustrie 1925, Nr. 3, Seite 92. 5 ) Feibelmann, Chemiker-Zeitung 1924, Nr. 56, Seite 279.