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Bei Betrieben mit Ruthsspeichern sind dagegen Druck, Temperatur, Menge und Beschaffenheit des Dampfes bei allen Be triebsverhältnissen konstant. Das bedeutet gegenüber den Betrie ben ohne Speicher eine wesentliche Qualitätsverbesserung und eine sehr erhebliche Verringerung des Ausschusses, ferner bei Dampf maschinenbetrieb höhere Wirkungsgrade, höhere und völlig gleich mäßige Leistung und geringere Abnutzung. Abb. 5 zeigt den Dampfdruck in einer Textilfabrik vor und nach Einbau eines Ruthsspeichers. Weiterhin sei noch auf die oft außerordentlich hohen B r e n n- s t o f f e r s p a r n i s e hingewiesen, die sich durch Einbau von Ruthsspeichern ergeben. Die modernen Kessel und Feuerungen, z. B. die Kohlenstaubfeuerungen, die Kohlenstaubzusatzfeuerungen und die neuzeitlichen Hochleistungswanderroste mit Unterwind und Zoneneinteilung vermögen zwar Belastungschwankungen sehr schnell aufzunehmen; dagegen lassen sich die zusätzlichen Ver luste auch bei solchen neueren Bauarten nicht vermeiden, nament lich im Dauerbetrieb. Es leuchtet ohne weiteres ein, daß ein mit gleichmäßig hoher Belastung betriebener Kessel einen bei weitem höheren Wirkungsgrad hat, als ein Kessel, der dauernd heftigen Schwankungen unterworfen ist. Dazu kommt noch, daß bei Betrieb mit Ruthsspeichern fast in allen Fällen mehrere Kessel gespart werden können, weil die Kessel nicht, wie bei Betrieb ohne Speicher, für die höchste Spitze, sondern nur für den mittleren Verbrauch zu be messen sind. Hierdurch wird aber der sehr hohe Brennstoffver brauch für das Anheizen erheblich verringert. Endlich ist noch zu berücksichtigen, daß ein gleichmäßig belasteter Kessel viel leichter und sorgfältiger als ein ungleichmäßig belasteter bedient werden kann und die Instandhaltungs- und Lohnkosten sowie die Abschreibungskosten wesentlich zurückgehen. Hieraus erklärt es sich, daß sich in sehr vielen Betrieben allein durch Ersparnisse im Kesselhause der Einbau einer Ruthsspeicheranlage innerhalb weniger Jahre bezahlt gemacht hat. Ein sehr wichtiger Gesichtspunkt in der Betriebswirtschaft ist die vollkommene Sicherstellung der Dampflieferung. Der Ruthsspeicher ermöglicht, daß auch bei Betriebsstörungen im Kesselhaus jederzeit und sofort Dampf in genügender Menge zur Verfügung steht. Er stellt eine ausgezeichnete Momentan- r e s e r ve dar, wie sie sich für die Dampfwirtschaft auf andere Weise überhaupt nicht erreichen läßt. Die großen Schäden, die bei Betrieben durch plötzlichen Ausfall der Dampflieferung in der Fabrikation entstehen, werden durch Ruthsspeicher vollständig vermieden. Man ist auch in der Lage, während der Stillstands zeiten für einzelne Abteilungen oder für die Raumheizung Dampf aus dem Speicher zu entnehmen, ohne daß die Kessel weiter ge heizt werden müssen. Das kann unter Umständen von sehr großer Bedeutung sein und bringt weitere erhebliche Ersparnisse an Lohn- und Betriebskosten, da der Ruthsspeicher völlig selbsttätig ohne jegliche Bedienung arbeitet. Die Betriebs erfahr ungen mit Ruthsspeichern in Tex tilbetrieben sind durchweg sehr günstig. In schwedischen Textilfabriken konnten durch erhebliche Produktionssteigerung, durch Brennstoffersparnisse von 20—30% und durch Ersparnis an Kesselheizfläche von 20—50% die Kosten für den gesamten Um bau und die Neuanschaffung häufig schon in 1—2 Jahren gedeckt werden. Über eingehende, sehr interessante Betriebsversuche mit und ohne Ruthsspeicher in einer deutschen Textilfabrik haben Severin und Scupin im „Archiv für Wärme wirtschaft“ 1927, Heft 12, Seite 369, berichtet. Der Wirkungsgrad der Kessel anlage erhöhte sich beim Betrieb mit Speicher um 23,3%, ent sprechend 8100 MM jährlicher Kohlenersparnis. Auch die Heiz flächenersparnis betrug rd. 24%. Die Produktion stieg in den einzelnen Abteilungen um 40—65%. Ähnliche Ergebnisse hat man auch in anderen Textilfabriken durch Aufstellen von Speichern erreicht. In einer sächsischen Tuchfabrik wurde nach Inbetriebnahme des Ruthsspeichers von zwei Kesseln einer außer Betrieb gesetzt; die Leistung der Fär berei stieg trotzdem auf das Doppelte; an Kohlen sparte man 22%. In einer rheinischen Textilfabrik sparte man 33% Heizfläche und 10,3% Brennstoff. In einer schwedischen Fabrik, die kürzlich in Betrieb genommen wurde, liefert ein Speicher den Dampf für eine Trocken- und eine Leimmaschine, die in der Regel täglich sechs Überstunden arbeiten. Die französische Textilfabrik Sch eurer, Lauth & Co. hat 10—12%, die italienischen Textilfabriken Soc. T i n t o r i a C r e s p i und Gaethano Mazetto & F i g 1 i, Mai land, haben 8 und 15% an Brennstoff gespart. Die außerordentlich großen und vielseitigen Vorteile des Ruthsspeichers erklären die erstaunliche Tatsache, daß er sich innerhalb weniger Jahre über die ganze Welt verbreitet hat. Ins gesamt sind mehr als 400 Ruthsspeicheranlagen im Betrieb oder im Bau, davon etwa je 100 in Deutschland und Schweden, 25 bis 30 in England, Frankreich und Amerika und annähernd ebenso viel in den übrigen Ländern Europas und in Japan. In Textil fabriken sind insgesamt etwa 90 Ruthsspeicher im Betrieb. Die Kohlenstaubfeuerung in der Textilindustrie. 1 ) Von Dr. Paul Giesecke, Berlin. K ohlenstaubfeuerungen werden für die Dampferzeugung in steigendem Maße angewendet. In Deutschland gestaltete sich die Entwicklung nach den Angaben des Reichskohlen rates 2 ) folgendermaßen: 1.4.1927 1.4.1928 Zahl der Öfen (im Betrieb) . 488 545 Kohlenstaubbedarf (t/Jahr) Braunkohle . . . 156 173 223 210 Steinkohle .... 1 941 278 1 966 740 Zahl der Kessel (im Betrieb) 235 369 Heizfläche der Kessel (qm) . 85 943 174776 Kohlenstaubbedarf (t/Jahr) Braunkohle . . . . 146 910 705 696 Steinkohle .... 1 031 465 1 912 812 Sieht man von dem Kohlenstaubverbrauch der Zementindu strie ab, da diese von jeher ein großer Staubverbraucher war, so stellt sich heraus, daß gerade der Kesselbetrieb einen großen An teil an der Entwicklung der Kohlenstaubfeuerung hat. Bei Hinzu rechnung der am 1. 4. 1928 noch im Bau befindlichen Dampf kesselanlagen ergibt sich, daß Ende 1928 ungefähr 444 Kessel mit *) Vgl. den Aufsatz in Fachheft I unserer Zeitschrift, 1928, S. 43 ff. 2 ) Archiv für Wärmewirtschaft 1927 u. 1928. einer Gesamtheizfläche von 221882 qm mit Staubfeuerung im Be trieb waren. Das bedeutet in knapp 2 Jahren eine Steigerung nach der Kesselzahl um 89% und nach der Kesselheizfläche um 158%. Der Hauptanteil in der Verwendung von Kohlenstaub ent fällt auf die Bergbauindustrie und die reinen Kraftwerke. Der Anteil der Textilindustrie ist noch verhältnismäßig ge ring. Die Statistik erfaßt die Textilindustrie nicht gesondert, sondern nur im Zusammenhang mit der Papierindustrie. 1928 be trug der Anteil dieser beiden Industrien an der Zahl der kohlen staubgefeuerten Kessel nur 7,8% und bezogen auf die Gesamtkes selheizfläche nur 6,4%. Die Gründe dafür, daß die Staubfeuerung in der Textilindustrie nur so langsam Eingang findet, sind zu mannigfaltig, um sie an dieser Stelle ausführlich zu erörtern; sie liegen jedoch nicht ausschließlich auf technischem und wirtschaft lichem Gebiet, sondern sind zu einem wesentlichen Teil auch psychologischer Natur. Obwohl die Staubfeuerung bereits alle Kinderkrankheiten überwunden hat, zögern manche Industrien aus einer gewissen konservativen Einstellung heraus. Es muß hinzu gefügt werden, daß dies nicht für alle Länder gilt. In England und Amerika haben zahlreiche Firmen der Textilindustrie die Staubfeuerung in ihren Betrieben eingeführt.