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02-Abendausgabe Leipziger Tageblatt und Handelszeitung : 10.09.1910
- Titel
- 02-Abendausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1910-09-10
- Sprache
- Deutsch
- Vorlage
- SLUB Dresden
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id84535308X-19100910022
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id84535308X-1910091002
- OAI
- oai:de:slub-dresden:db:id-84535308X-1910091002
- Sammlungen
- Zeitungen
- Saxonica
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
-
Zeitung
Leipziger Tageblatt und Handelszeitung
-
Jahr
1910
-
Monat
1910-09
- Tag 1910-09-10
-
Monat
1910-09
-
Jahr
1910
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NmtsVlatt -es Rates «n- -es Rolizeiamtes -er Lta-t Leipzig. Anzeigen-Preis scke Inserat, -u« lleipP, und Umgebung d», ttgewaltene iü «uw drei«« Petit,eil, L di» 74 nun breit« Neklame,eil« l »» mllwärt« UV Nellamen l.2V ^g« Inserat, »,» BehSrden amtliche» Dell die 74 nua breit, Petit^il, 4V »eschäftsan^igrn mit P advorschriften UN» i» der Sdendau«gabe im Preis« erhöht. Nadal« nach Daris. BeUogegebübr b p. Dause»» exkl. Postgebühr. sseftrrteilt» Auftrag« kännr» aicht »urüik- ae^oge» werden. ftür da» Erscheinen an vestimmien Lagen und Plätzen wird lein, Garantie übernommen. Tn»esgr»-Annahme, Auguft»«pl»tz 8, dei sämtlilhe» Filiale» u. allen Annonceu- Expeditioaen de» Au» und Autlanbe«. Hanpt-Silial« Berlt»! T»rl Duncker, tzrr«»gl. Baqr. Hofbuch handlung, Lützowstiatz« Iv. (Telephon VI, Nr. 4003). Hanpt-Fllial« Lre«de»r Seestrahe 4,1 (Telephon 46lllü Nr. 2S0. l04. Zshrgang Sonnsvenü, üen lO. September 1910 Die Dshlparole ües Relchsksnzlers. 8t. Frankfurt a. M., 10. September. (Prio.-Tel.) Die „Frkft. Ztg." hat von besonderer Seite Infor mationen erhalten, über Angaben, die Herr von Beth- mann Hollweg selbst über seine Parole für die kom. menden Reichstagswahlen gemacht hat. Zn ver trauten politischen Kreisen hat er vor einiger Zeit über seine Wahlparole gesprochen, die allerdings einiges Erstaunen Hervorrufen wird. Die Wahlparole des Reichskanzlers, wie sie dieser jüngst in einem Gespräch dargelegt hat, lässt sich durch einige Worte ausdrückcn. Er will im Grunde abermals die alte Schalmei von der gefährdeten nationalen Arbeit blasen. Seine Absicht ist es, alle positiv schaffenden Stände unter dem Kampfruf: „Unsere Schutz zollpolitik i st bedroht" zu sammeln. Unter positiv schaffenden Ständen wird die Landwirtschaft, Gewerbe und Handwerk, Industrie und wohl auch die Arbeiter verstanden. Der Reichskanzler hofft augen scheinlich, dass diese glorreiche Parole wie ein Sprengpulver, besonders auf die na- tionalliberale Partei, wirken wird. Auch verspricht man sich von ihr in bezug auf das Verhält nis der liberalen Parteien zueinander Wunderdinge. Da ihre wirtschaftspolitischen Anschauungen mehrfach auseinandcrgehen, so hofft der Reichskanzler augen scheinlich in seinem Angstruf, dah unserer nationalen Arbeit, dah dem Schutzzoll Gefahr droht, einen Zank apfel unter sie zu werfen. Sicher hofft er, ihren gefürchteten Zusammenschluß bei den Wahlen zu verhindern und die Natio- nalliberaleninden Kreis des schwarz blauen Blocks zu ziehen. Ihre politische Mit arbeit in diesen Kreisen wird wahrscheinlich auch für seine Kanzlerschaft eine Existenz frage bedeuten; denn er ahnt auch wohl, dah auf die Dauer die Basis, auf die heute unsere innere Politik gestellt ist — Junker und Pfaffen —, zu schmal wird. Also Sammeln aller positiv schaffenden Stände und Schutz der nationalen Arbeit. Herr von Beth- mann Hollweg glaubt, dah er in diesem Zeichen siegen wird. Ein liberaler Politiker hat eigentlich zu einer derartigen Wahlparole nichts zu sagen. Er kann mit ihr zufrieden sein. Der Reichskanzler scheint auch nicht allein zu stehen mit seinem Glauben an ihre Wunderkraft. Sprach nicht auch der Kaiser in seiner Rede bei dem Festmahl für die Provinz West- preuhen von der notwendigen gemeinsamen Arbeit aller Stände und Berufsklassen, die man auf das grohe Vaterland übertragen müsse. Auch von kon servativen Politikern ist auffälligerweise in letzter Zeit diese Parole in Beziehung auf die Wahl erörtert worden. Das ist ganz die Philosophie der Vethmannschen Wahlparole. Mit den sühen Flötentönen vom bedrohten Schutz der nationalen " Sie Lrsu im Sviegel. Von G. W. Appleton. (Autorisierte Llebersetzung.) Er erhob sich und trat zu dem grohen eisernen Schrank und lud mich ein, näherzutreten. „Es ist ein wundervoller Eeldschrank", erklärte er. „Amerikanisches Fabrikat. Zn der Bank von England haben sie keinen besseren. Ich bin zwar auf alle Fälle für 10 000 Pfund gegen Einbruch ver sichert, aber es würde keinem Einbrecher der Welt ge lingen, diesen Schrank aufzumachen. Er hat zwei Schlösser." Bei diesen Worten zog er zwei Schlüssel aus der Tasche, steckte den einen in das vordere, den andern in ein Schloss, das sich mehr in der Mitte der Tür. be fand, und sagte: „Jetzt merken Sie auf!" Aufmerksam folgte ich seinen Bewegungen, die nicht wenig kompliziert waren, worauf die Tür auf ging. „Der Schrank schließt sich einfach mittels einer Feder", bemerkte er nun, „und da gegenwärtig keine Wertsachen darin befindlich sind, lasse ich ihn ge- öffnet. Wenn Sie morgen mit den Papieren Zurück kehren, so versorgen Sie sie in diesem Fach und stossen die Tür zu. Sie werden die Feder schnappen bören und so wissen, dass alles in Ordnung ist. Andere Einzelheiten muss ich Ihnen nach meiner Rückkehr von Manchester erklären. Warten Eie mal: heute ist Mittwoch. Halten Sie sich bereit, Freitagmorgen nach Paris abzufahren. Ist Ihnen alles klar, Herr Lart?^ „Gewiss, Herr Goliby." „Gut also. Es bleibt mir nicht viel Zeit übrig. Ich muh jetzt weg." Damit lieh er mich mit meinen etwas verwirrten Gedanken allein. Was sollte ich denken? Was glauben? Auf der einen Seite war wenigsten» etwas Greifbares vor handen. Ein Mensch von Fleisch und Blut, der mit einer nicht alltäglichen Liebenswürdigkeit ausge- itattet ist, macht mir aller Ehren werte Versprechun gen und betraut mich mit einem Auftrage, dessen Ratur eine Zuversicht in meine Ehrlichkeit voraus ietzt, die, wie ich glauben muh, unter den gegebenen Umständen sehr ungewöhnlich ist. Was ist dabei nicht vertrauenerweckend?. Arbeit hofft man die starke Unzufrieden, heit im Lande in eitel Begeisterung für die Regierungspolitik zu verwandeln, und das in einer Zeit der wesentlich durch unsere Schutz zollpolitik mitverschuldeten Lebens mittelteuerung! Man glaubt, mit dieser Parole zufriedene Staatsbürger zu züchten. Zum Rücktritt ües Msnzminllters Or. von Rüger. Am 26. Oktober dieses Jahres vollendet der säch sische Finanzminister Dr. v. Rüger sein 73. Lebens jahr. Man braucht nicht gerade zu den grohen Propheten zu gehören, um behaupten zu können, dah das Ministerregiment eines Mannes, dessen erster Eintritt in den sächsischen Staatsdienst ein halbes Jahrhundert zuriickliegt, nicht mehr von langer Dauer sein könne. Wer aber den alten Herrn bis vor wenigen Wochen noch sah, wo er stets als der Erste früh im Bureau erschien, obwohl er es des Abends vorher als der Letzte verlassen und obwohl er manch mal bis spät in die Nacht tätig gewesen war, wer weiter gehört hatte, wie Dr. v. Rüger noch während der letzten Landtagssession in privaten Unterhaltungen vom übernächsten Landtag mit einer Bestimmtheit sprach, als sei es ganz selbstverständlich, dass der Etat 1913/14 noch von ihm vertreten werde, oder wer gehört hatte, wie der Minister am 13. Mai dieses Jahres in der Schlusssitzung der Ersten Kammer den Mitgliedern sein „Auf Wiedersehen!" zurief, der wusste ganz genau, dah Dr. v. Rüger nicht eher von seinem Finanzministerposten scheiden würde, als bis sein Gesundheitszustand dies zur unbedingten Not wendigkeit machen würde. Die Familienangehörigen haben den Minister schon lange gedrängt, sich den Seinen zu widmen und nach der schweren, aufreiben, den Tätigkeit sich die Ruhe zu gönnen, auf die der arbeitsame Mann sich gewiss vollen Anspruch erworben hat. Im Winter 1907/08 hiess es dann auch bereits, Las werde der letzte Landtag sein, den der Minister im Amte mitmachen würde, und der konservative Abg. Opitz bezeichnete es in einer Etatrede jener Zeit als die schönste Krönung des Lebenswerkes des Ministers, wenn es diesem gelingen würde, noch die vom Landtag gewünschte Aufbesserung der Beamten gehälter durchzuführen. Der neue Landtag 1910/11 kam, und Dr. v. Rüger stand noch immer an seinem Platz. Er hielt mit einer staunenswerten Ausdauer in allen Sitzun- gen aus und kreuzte scharf die Klingen mit den Gegnern. Im Parlament hat noch keiner der Minister in der letzten Session so häufig das Wort ergriffen, als der Finanzminister, wenn ihm auch Kultusminister Dr. Beck in der Länge der Reden meist weit über gewesen ist. Sprach mal jemand von dem zu er- wartenden Rücktritt Dr. v. Rügers oder machte gar einmal ein Blatt Andeutungen in diesem Sinne, so war ein scharfes Wort der Entgegnung sicher, und man wird sich wohl noch sehr wohl erinnern, wie heftig vor reichlich Monatsfrist das Dresdner agrar konservative Organ loszog, als einige Blätter in der Meldung von der an und für sich nicht bedeutungs vollen Erkrankung des Ministers den Vorboten seines baldigen Rücktritts sehen wollten. Die Beschwerden des Alters und möglicherweise auch Komplikationen infolge der heftigen Erkältung, die sich der Finanzminister nach seiner Rückkehr vom Semmering im Juli zugezogen hatte, müssen sich in letzter Zeit aber doch stärker geltend gemacht haben, so dass nunmehr auch offiziös bestätigt wird, dass Dr. v. Rüger zu Ende dieses Jahres indenRuhe- stand zu treten gedenkt. Nominell wird er bis zum 31. Dezember im Amte bleiben, tatsächlich aber bereits am 30. November seine Funktionen zum letztenmal ausllben. Wenn nach dem Bibelworte ein Leben köstlich ist, das aus Mühe und Arbeit bestanden hat, so bat Dr. o. Nüger ein sehr köstliches Leben hinter sich. Am 26. Oktober 1837 zu Dresden geboren, studierte er auf der Universität Leipzig die Rechte und liess sich, nachdem er den juristischen Vorbereitungsdienst ab solviert hatte, 1865 als Rechtsanwalt in Dresden nieder. 1875 trat er wieder in den Staatsdienst über, indem er Gerichtsrat am Dresdner Appellations gericht wurde. 1876 wurde er Justizrat, 1878 Ge heimer Justizrat und 1879 vortragender Rat im säch sischen Justizministerium. Er vertrat auch in dieser Eigenschaft die sächsische Regierung wiederholt im Bundesrat und im sächsischen Landtag. 1880 bis 1884 bekleidete Dr. v. Rüger den Posten eines Zweiten Bürgermeisters der Stadt Dresden, kehrte aber im folgenden Jahre als Vortragender Rat ins sächsische Justizministerium zurück und wurde aufs neue Bevoll mächtigter zum Bundesrat. 1888 bis 1895 gehörte er der Kommission zur Ausarbeitung des Bürgerlichen Gesetzbuches an, um dessen Zustandekommen er sich wesentliche Verdienste erworben hat. Nach dem Tode des Eeneralstaatsanwalts Held übernahm Dr. Rüger 1895 dessen Posten und wurde von hier aus am 21. Juni 1901 nach Schurigs Tode auf den Sessel des Justizministers berufen. Die Leitung dieses Ressorts behielt er aber nur kurze Zelt. Als am 10. Februar 1902 Watzdorffs unheilvolle Finanzherrschaft infolge eines heftigen Vorstosses der konservativ-reformerisch gesinnten Landtags mitglieder ein jähes Ende gefunden hatte, übernahm Dr. v. Rüger das Finanzportefeuille, wäh rend an seine Stelle Dr. Otto trat, der damalige Gcneralstaatsanwalt und jetzige Justizminister. Finanzminister Dr. v. Rüger trar kein beneidens wertes Erbe an. Das Vertrauen in die sächsischen Finanzen und ihre Verwaltung war gründlich durch Watzdorffs Pumpwirtschaft erschüttert worden. Der Zusammenbruch der Leipziger Bank, an dem die Lot- teriedarlehnskasse mit einem hohen Betrage beteiligt war, die Erbauung zahlreicher unrentabler Eisen bahnlinien, noch dazu die mangelhafte Vorbereitung der Bauten, die eine scharfe Ueberschreitung zahl reicher Voranschläge zur Folge hatten, alles das hatte die sächsischen Staatsfinanzen arg ins Wanken ge bracht. Die Ersenbahnschuld verzinste sich 1901 nur mit 3,035 Proz., während sich der Betriebskoeffizient auf 78,64 Proz. stellte. Allein das Jahr 1901 brachte einen Verlust von 112 395 190 ^t. Trotz dem Um stande, dass 1900 noch ein Gewinn von 51/2 Millionen Mark zu verzeichnen war, schloss also die Finanz periode 1900/01 mit einem rechnungsmässigen Ver lust von 6 942 428 ab. Hier musste mit eiserner Hand einge- griffen werden, und Dr. Rüger tat das so energisch, dass schon die nächste Finanzperiode einen Gewinn von 23 373 876 erbrachte. Allerdings war dies nur möglich, nachdem man zum Beispiel 1902 die Tilgung Auf der anderen Seite hatte ich in meiner Hand ein zerknülltes Papier, das eine zweifellos unheim liche Botschaft.an mich entbielt. Ich glättete den Zettel auf dem Pulte und las die Mitteilung noch einmal durch. Woher stammte sie? Wer hatte die Worte geschrieben? Auf welch unbegreiflichem Wege war sie in mein Zimmer, auf meinen Schreibtisch ge schmuggelt worden? Das war ohne allen Zweifel eine sehr geheimnisvolle Geschichte, aber war sie es wirklich wert, dass ich ibr auch nur einen Augenblick meine Aufmerksamkeit schenkte? Nichts hätte mich mehr vergewissern können, als die Unterredung mit Herrn Goliby. Als er mir die Aufsicht über 20 000 Pfund anvertraute, hatte auch er mein Vertrauen gewonnen. Irgend jemand im Hause versuchte, mög licherweise im Interesse eines enttäuschten Bewerbes um meine Stelle, mich einzuschüchtern. Das ging mich nichts an. Und um dem Gedanken die Tat folgen zu lassen, zerriss ich den Zettel in kleine Stücke und warf sie in den Paprerkorb. Trotzdem ich mich von dem Gefühl der Unruhe befreit hatte, blieb doch die Neugierde in mir be stehen. Dass ein geheimer Eingang in mein Zimmer vorhanden sein musste, sagte mir die einfachste Ueber- legung. Ich glaubte nicht an Gespenster. Somit gab es keine andere Lösung als diese Annahme. Und dies wollte ich ergründen und beweisen, wenn es, woran ich nicht zweifelte, menschenmöglich war. Äusser dem allgemeinen Eindruck der Front kannte ich bis jetzt nichts von der Bauart des Hauses. Ich vermutete, dah sich dahinter ein grosser Garten be fand, aber Mauern ohne Durchsichten gestatteten keinen Einblick nach dieser Richtung. Die geräumige Halle empfing ibr Licht durch einen Lichtschacht, der mit einer Glaskuppel gedeckt war. Vis jetzt hatte ich keine Fenster entdeckt, die auf die Rückseite des Hauses gingen. Mein Zimmer befand sich auf der Strassenseite. Seine zwei Fenster reichten bi, zum Fussboden und führten auf einen Balkon. Eines der selben war geöffnet. Ich betrat den Balkon. Von dieser Seite konnte man, äusser mit Hilfe einer Leiter, nicht in das Zimmer gelangen. Soviel war mir augenblicklich klar. Die Ausstattung meines Zim mers habe ich bereit, beschrieben. Sie gab mir keine Anhaltspunkte zur Lösung des Rätsel» an die Hand. Ich untersuchte sorgfältig alle freien Stellen der Wände, da ich mir sagte, es könnte ein« Geheimtüre vorhanden sein. Aber ich entdeckte auch nicht eine Spur eines Spaltes in der geblümten Tapete. Zwei fellos war dies eine merkwürdige Geschichte. Mein Schlafzimmer war eingebaut und bezog sein Licht nur durch die Türe und ein kleines Fenster, das auf die Halle im ersten Stock ging. Dieses Fenster- chen war nicht nur geschlossen, sondern überdies mit Riegeln an der inneren Seite gesichert. Das grösste Möbelstück in diesem Zimmer bildete ein nicht be nützter Kleiderschrank von der üblichen Form. Eine eingehende Untersuchung ergab nichts Besonderes in seiner Bauart. Die Tapete verriet nichts Verdäch tiges. Die Nachforschung hatte also nicht das ge ringste Ergebnis gezeitigt. Höchst verblüfft kehrte ich an mein Pult zurück. Ich hatte ein Gefühl äussersten Unbehagens. Gerade in diesem Moment klopfte es an meiner Türe. Carolins trat ein. Erstaunt sah ich ihn an, als er sagte: „Entschuldigen Sie, dah ich Sie störe, Herr Lart. Aber Herr Goliby hat mich beauftragt, Ihnen diese zwei Schlüssel einzuhändigen. Der da ist für das Gartentor und dieser für die Haustüre, damit Sie nach Gefallen aus und ein gehen können." Ich nahm die Schlüssel in Empfang und dankte ihm dafür. Er wollte sich schon entfernen, als mir plötzlich ein Gedanke durch den Kopf fuhr. „Ach, fällt mir eben ein, Sawkins", sagte ich, „ich fühle mich noch etwas fremd im Hause. Ich weiss ja kaum, wer darin wohnt. Herr Goliby sagte mir, er sei ein Witwer." „Jawohl, das ist er." „Somit ist keine Dame de» Hauses da?" Sawkins hatte seltsame Augen, die mich an die einer Ratte erinnerten. In diesem Augenblick er schien darin ein merkwürdiges Ausblitzen. „Nein" rief er, „beileibe nicht! Wie kommen Sie zu dieser Frage? „Nun", erwiderte ich etwas verwirrt, „ich — hm — vielleicht war meine Frage nicht angebracht." „Wieso denn?" fragte er. „Nun, ich denk«, ich bätte nicht so neugierig sein sollen. Ich habe natürlich nur aus Neugierde ge fragt." „Gewiss, Herr Lart. Wa, also die Bewohner des Hause, anlanat. so haben wir di« Köchin. Sie ist die eine weibliche Person. Sie haben sie wohl noch nicht gesehen. Dann kommt Matte, das Zimmer, mädchen, die Sie bereits gesehen haben, und sie ist die zweit«. Das wären die weiblichen Bewohner. der Staatsschuld nur mit 0,93 Proz. vornahm, indem man ferner auf die Staatseinkommensteuer einen 25prozentigen Zuschlag legte, der mittlerweile aus einem provisorischen Zuschlag leider ein dauernder geworden ist, und indem man manche gewiss dringende Ausgabe einfach aufschob. Und hier liegt der wunde Punkt: nämlich die Gewissheit, dah manche Ausgabe, die jetzt unterblieben ist, in näherer oder fernerer Zu- kunft doch kommen und dann weit mehr Geld fordern wird, als nötig gewesen wäre, wenn man sie zur richtigen Zeit hätte machen können. Zeigt sich doch nirgends deutlicher, als in der Finanzwirtschaft, dah die Sünden der Väter heimgesucht werden an den Kindern bis in das dritte und vierte Glied. Einen Vorgeschmack von dem, was uns bevorsteht, haben wir bereits im letzten Landtag bekommen, wo allerdings wesentlich auch infolge Errichtung der Freizügigkeit der Güterwagen, für die Ergänzung und Erneuerung der Betriebsmittel, Lokomotiven und Wagen 16,32 Millionen Mark bewilligt werden muhten. Insofern wird sich also das Urteil über Dr. Rügers Finanzpolitik auch bei den Leuten mit der Zeit doch wesentlich ändern, die jetzt geneigt sind, ihm be dingungslos zuzustimmen. Nicht aözusprechen ist dem jetzigen Finanzminister das Verdienst, dah er mit fester Hand dem Verfall der sächsischen Staatsfinanzen Einhalt getan und wieder Ordnung in unser Finanzsystem hinein gebracht hat, so besonders durch Schaffung des Ge setzes über den Staatshaushalt von 1904. Dah die Mittel, die er dazu angewendet hat, in allen Fallen die richtigen gewesen find, wird dagegen niemand be haupten wollen. Schwer hat namentlich die In dustrie es empfunden, dass der Finanzminister Dr. 0. Rüger bei uns auch der Verkehrsminister ist. Wir hätten manchen Fortschritt im Derkehrsteben machen können, wenn nicht der Erfolg einer augenblicklichen Mehreinnahme vom Minister höher veranschlagt wor den wäre, als des im Moment geringeren, in Zu kunft darum um so sicherer stetig steigenden Ueber- schusses. Es zeugt nicht gerade von sozialem Ver ständnis, auch nicht von finanzpolitischem Weitblick, dah sich der Minister solange der Einführung der vierten Wagenklasse an Sonntagen widersetzte, weil er einen Ausfall von Million Mark jährlich erwartete und dah er doch im selben Landtag die Erbauung einer Rübenbahn vertrat, von der er selbst zugeben muhte, dah sie auf Jahre hinaus einen Zuschuh von min destens 300 000 Ut jährlich erfordern werde. Es war weiter nichts als Starrsinn, wenn der Finanzminister sich weigerte, die 70 000 «4t jährlich betragenden Pen sionslasten für die Nadelarbeitslehrerinnen auf die Staatskasse zu übernehmen, und dieselbe wenig vor teilhafte Eigenschaft legte der Minister an den Tag, als er im Landtag 1907/08 sich weigerte, den In habern von Doppelmandaten so viel an Tagegeldern zu gewähren, wie ihm bei Ausübung ihres Landtags mandates von ihren Reichstagsdiäten abgezogen wird. Ueberhaupt ist Dr. Rüger, der 1904 den höchsten sächsischen Orden der Rautenkrone erhielt und 1907 am Geburtstage des Königs in den erblichen Adel stand erhoben wurde, L-m Parlament niemals beson ders grün gewesen, und die Formen, in denen er mit dem Landtage verkehrte, stechen mehr als einmal scharf ab von der Liebenswürdigkeit, die dem Minister im persönlichen Verkehr eigen ist. Nicht immer hat Dr v. Rüger den politischen Gegnern die Gerechtigkeit zuteil werden lassen, die er für seine Person als selbstverständlich forderte, und nicht immer wusste cr seine Worte richtig abzuwägen. Noch im letzten Land tag hat es manchen scharfen Zusammenstoß gegeben, der vom Finanzminister direkt provoziert worden Außer Herrn Goliby wäre ich da, und der Haus meister und der Diener und — entschuldigen Sie, dass ich Sie zuletzt nenne. Sie selbst." — Hierbei überzog ein Grinsen sein Gesicht. Dann ergänzte er seine Auskunft mit den Worten: Sieben Personen im ganzen wohnen im Hause, zwei weibliche und fünf männliche. „Ich danke Ihnen bestens", erwiderte ich. „Sie werden mich wohl für sehr neugierig halten, denke ich, nicht?" „Nicht im geringsten, Herr Lart. Es ist sehr natür lich, Lass Sie das gerne wissen möchten. In Ihrer Stelle hätte ich genau dasselbe getan." Der Ton, in dem er das sagte, schien zwar un gekünstelt aufrichtig, doch täuschte ich mich nicht über den unverkennbar argwöhnischen Blick, den er auf mich warf, als er das Zimmer verlieh. Welcher Art mein Argwohn war, brauche ich hier wohl nicht näher auszuführen. Dah ein drittes weib liches Wesen im Hause weilte, davon war ich felsen fest überzeugt. Und bei dieser Ueberzeugung blieb ich auch. Während der folgenden Nacht ereignete sich etwas sehr Merkwürdiges. Ich hatte mich frühzeitig nieder gelegt und schlief den Schlaf des Gerechten. Plötzlich erwachte ich an dem schrillen Gelächter von Frauen. Sofort setzte ich mich im Bette auf und lauschte. Ich Latte mich nicht getäuscht. Es unterlag keinem Zwei fel, dah nicht nur eine, sondern wenigstens ein Dutzend ausgelassen fröhliche Frauenstimmen sich hören ließen, und zwar, wie mir schien, nicht sehr weit von meinem Bette entfernt. Ich hielt den Atem an und strengte mein Gebör an. Plötzlich drang ein Schrei, der eher dem Schmerze als der Fröhlichkeit ,zu entstammen schien, durch die Wände. Höhnisches Gelächter folgte. Dann war wieder alles still. Ich suchte vergebens weitere Laute zu erhaschen. Schließ lich streckte ich meine Hand zum Nachttischchen aus, das neben meinem Bette stand, zündete ein Streich holz an und schaute auf die Uhr. Es war gerade halb drei Uhr. Ich schlief erst bei einbrechender Morgendäm merung wieder ein. Unruhige Träume suchten mich heim, aus denen ich um sieben Uhr erwachte. Mein erster Eindruck war, daß ich die ganze Geschichte überhaupt nur geträumt hatte. (Fortsetzung folgt.)
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