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02-Abendausgabe Leipziger Tageblatt und Handelszeitung : 14.09.1910
- Titel
- 02-Abendausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1910-09-14
- Sprache
- Deutsch
- Vorlage
- SLUB Dresden
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id84535308X-19100914020
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id84535308X-1910091402
- OAI
- oai:de:slub-dresden:db:id-84535308X-1910091402
- Sammlungen
- Zeitungen
- Saxonica
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
-
Zeitung
Leipziger Tageblatt und Handelszeitung
-
Jahr
1910
-
Monat
1910-09
- Tag 1910-09-14
-
Monat
1910-09
-
Jahr
1910
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KiWger Tag MM Handelszeitung. Ämtsvkatt des Rates und des Nolizeiarrttes der Ltadt Leipzig. sMe Inserat» au« Leipzig und Umgednnq dt, Sgripaltene SO nur, breit, Petitzeil, 28 di« 74 nun breit« Ncklamezeile t ^g- bm> a»«wätt« 80 ch, Rellamen l.2l) Inserate von Bebärden na amtlichen Dell dt« 74 mm trott« Petitzeil, 40 «eschLst«anzeigen mit P agvorschrtsten und in der Abendau«gade im Preise erhobt. Rabatt nach Laris. Bcilagegedühr 8 p. Dausend exkt. Postgebühr. Fefterteilt« «usträge kännrn mchi zurück, aezogen werden. Für da« itrschcinen an bestimmten Lagen und Plätzen wird kein« Garantie übernommen. Anzeigen- Annahmei >ugusto«pl,tz bei sämtlichen Filialen u. allen Annoncrn- lttpeditioue» de« Ja» uad Lutlanbr«. Haupt-Filiale Berlin: I«rl Luncker, Her,ogl. «>i>r. Holbuch» Handlung, Lützowstiaße 10. (Lelephon Vt. Br. 4M8). Haupl-Stlial» Dre-drar Eeestraße 4,1 (Telephon 462th. Nr. 254 Mittwoch, »en l4. Seplember lSIV. 104. Jahrgang. Der Schutz üer nationalen Arbeit. Von befreundeter Seite wird uns geschrieben: Herr v. B e t h in a n n H o l l w e g hat erst durch den „Berliner Lokalanzeiger" und alsdann durch die „kölnische Zeitung" erklären lassen, daß er niemals daran gedacht habe, die Sammlungspolitik auf Grundlage der Parole vom Schutz der nationalen Arbeit zur Wahlparole für die nächsten Reichstags wahlen zu machen. Etwas unvorsichtig hat er in dem ersteren offiziösen Organ hinzugefügt, er habe sich mit der Frage einer Wahlparole noch gar nicht beschäftigt. Auch die Kanonenschläge der letzten Reichstags wahlen, die stellenweise ein Anschwellen der sozialdemokratischen Stimmen um vierzig Prozent zeigen, haben also den Einsiedler von Hohen finow nicht aus seiner philosophischen Ruhe gestört, und er empfindet es als eigentümlich, daß andere Leute sich vorstellen, der Kanzler des Deutschen Reiches würde schon jetzt Sorge dafür tragen, daß die rote Flut nicht mehr weitersteige, daß der Zerrissen heit und Zerklüftung des Parteiwesens ein Ende be reitet und ein Ziel vorgezeichnet werde, das die Lau heit und Trägheit der Wähler besiege und uns davor bewahre, daß die Partei der Nichtwähler wieder zur stärksten Partei im deutschen Lande werde. Ist aber das Dementi des Reichskanzlers wörtlich zu nehmen? Wie man früher ge sagt hat, daß für den Diplomaten die Sprache dazu da sei, um die Gedanken zu verbergen, so sind ja auch heute vielfach Aussprachen von Staatsmännern dazu da, um dementiert zu werden. Selbst wenn man nicht längst in parlamentarischen Kreisen sich davon er zählte, daß der Kanzler oder sagen wir einmal die Regierung, soweit wir von einer solchen bei uns sprechen können, die Frage der Schutzzollpolitik in den Vordergrund der Erörterungen bei den nächsten Rcichstagswahlen sieben werde, so würde doch der Blick in eine gewiße Preße davon zeugen, daß die Umgebung des Kanzlers bisher mindestens daran gearbeitet hat, diese Frane zum Schibolet der nächst jährigen Reichstagskämpse zu machen. Es ist doch kein Zufall, daß der stets offiziös inspirierte Herr Dr. Arendt allen Ernstes von einer Versöhnung des Hansabundes mit dem Bund der Landwirte zu sprechen beginnt, daß auf dem >eitmahl des Zentral verbandes Deutscher industrieller Graf Schwerin- Löwitz im Namen der schutzzollbedürftigen Landwirt schaft, der schukzollbedürstigen Großindustrie seine Sympathie ausspricht, und die Herren Bück und Beumer mit noch stärkeren Worten der Sympathie erwiderten. Ist es ein Zufall, daß die Wahlfonds sammlung des Hansabundes von dem schutzzöllne- rischen Zentralverband Deutscher Industrieller durch eine eigene Sammlung konterkariert wird, und daß Herr Steinmann-Bucher von der „Deutschen In dustrie-Zeitung" sowohl in diesem Organ selbst, wie in der Tagespreße die Sammlungspolitik des Herrn v. Bethmann Hollweg mit außerordentlichem Eifer verteidigt und diejenigen bösen National liberalen schilt, die sie nicht mitmachen wollen. Ist es ferner ein Zufall, wenn ganz im Sinne der Bestrebungen, denen namentlich auch die hochschutz- zöllnerische „Deutsche volkswirtschaftliche Korrespon denz" sekundiert, der Kaiser in Westpreußen da von spricht, daß der Landwirt den Industriellen die Hand reichen solle, und daß gerade in denjenigen Ge bieten, in denen die schutzzöllneriscbe Industrie hauptsächlich vertreten ist, die Kanzlerpolnik An hänger findet? Es muß doch irgend etwas Einigendes sein, was gerade diese Kreise jetzt an Bethmann Hollweg fesselt, während man sonst nicht behaupten kann, daß eine große Anziehungskraft von seiner Person ausstrahle. Daß das nicht einfache müßige Kombinationen sind, zeigt ja übrigens zur Genüge der Umstand, daß die „Rheinisch-Westfälische Zeitung" angesichts der Darlegungen der „Frank- furter Zeitung" erklärt, ihr sei diese Enthüllung nichts Neues, sie wiße bereits seit langem, daß die Schutzzollpolitik die Parole des Kanzlers für die nächsten Wahlen sein werde, ebenso wie auch die „Dresdner Neuesten Nachrichten" schon vor Wochen in einem Aussatz über das verschleierte Geheimnis von Hohenfinow denselben Gedanken zum Ausbruch gebracht-haben. Die Darlegungen der „Frankfurter Zeitung" und das Echo, das sie erweckten, werden dem Kanzler gezeigt haben, wie weltfremd er auch in diesem Falle gewesen ist, wenn er glaubte, mit diesem Signalruf die zerstreuten Scharen um sich sammeln zu können. Auch seine Hoffnung, einen Teil der nationalliberalen Partei dadurch zum blau schwarzen Block herüberzuziehen, wird sich voraus sichtlich nicht erfüllen. Man hat in der nationallibe ralen Presse die Darlegungen der „Frankfurter Zeitung" anscheinend mißverstanden. Ein großer Teil der Presse hat sich auf den Satz gestürzt, wonach diese Wahlparole ein Sprengpulver für die national liberale Partei sein werde, und darin gewissermaßen einen Wunsch der fortschrittlichen Linken erblickt, während diese Sprengung in dem Aufsatz der „Frank furter Zeitung" als Wunsch des Reichskanzlers be zeichnet wurde. Gewiß ist der Reichskanzler nicht so naiv, zu glauben, daß die Parole an sich zu einer Spaltung in der nationalliberalen Partei führen kann, denn die Partei steht geschloßen auf dem Boden des Schutzes der nationalen Arbeit und wird dies auch auf dem Parteitag zu Kassel zum Ausdruck Dringen. Was der Kanzler aber durch eine solche Parole erreichen zu können glaubte, war die Sprengung eines etwaigen Bündnißes zwischen der Fortschrittlichen Partei und den Nationalliberalen, wie es sich namentlich im Osten der preußischen Monarchie bereits anaebahnt hatte. Der Kanzler will au» begreiflichen Gründen nicht auf die Dauer das Odium auf sich nehmen, lediglich mit den Konser vativen und dem Zentrum zu regieren. Bisher sind seine Versuche, die Nationalliberalen zum Eintritt in die Regierungsmehrheit zu veranlaßen, vergeblich gewesen. Hier und da hat sich der Eesamtli be rat r s m u s zu einer einheitlichen Schlachtlinie zu sammengefunden, nun denkt man in manchen Kreisen der Reichskanzlei, und namentlich Herr Wahnschaffe soll das ausgesprochen haben, durch eine starke Be nennung des Schutzzollgedankens einen Kampf zwischen der fortschrittlichen und nationalliberalen Preße zu entfachen, dadurch die beiden Parteien einander wieder zu entfremden und so denjenigen Flügel der Nationalliberalen zu stärken, der die Unterstützung der Sammlungspolitik Bethmanns er strebt. Das ist die Eeneralidee Bethmanns und der Reichskanzlei gewesen, und in diesem Sinne ist bis her auch die offiziöse Preße bearbeitet worden, trotz aller Ableugnungen, die jetzt versucht werden. Die nationalliberale Partei hat keinen Anlaß, ihrerseits die jetzt stattgehabten Erörterungen zu be dauern. Sie werden rhr Deranlaßung geben, dem törichten Gerede von einem Abmarsch der national liberalen Partei ins freihändlerische Lager mit aller gebotenen Einmütigkeit und Freimütigkeit entgegen zutreten. sie werden aber anderseits das freundnach barliche Verhältnis zur Fortschrittlichen Partei nicht zu trüben brauchen, da die Erkenntnis von der prinzi-<' piellen Berechtigung einer Schutzzollpolitik in einer Zeit, in der mehr und mehr die anderen Länder sich vor uns verschließen, auch in diesen Kreisen wächst, und bis zum Jahre 1916, wo wir über die Neu orientierung unserer Wirtschaftspolitik zu entscheiden haben, noch weiter wachsen wird. Bedauerlich ist es, daß bei dieser Gelegenheit die „Nationalliberale (Korrespondenz" in Berlin sich nicht nur völlig un orientiert zeigt, sondern in einer durch nichts zu billigenden prüden Weise gegen die „Frankfurter Zeitung" vorgehen zu können glaubt. Wir wißen aus vielen Kreisen der nationalliberalen Partei, wie außerordentlich dieses Tohuwabohu in der „Natio nalliberalen Eorrespondenz" und ihre fortgesetzte Ge reiztheit der Sprache verurteilt wird, und möchten auch bei dieser Gelegenheit den Wunsch aussprechen, daß der geschäftsfiihrende Ausschuß der Partei hier Remedur schaffe. Eine solche Remedur liegt nicht nur im Intereße der „Eorrespondenz", deren Einfluß durch diese Art der Polemik leidet, sondern auch im Intereße der Eesamtpartei. Seutlchlanü und Mexiko. Große Festlichkeiten haben soeben in der nord amerikanischen Republik Mexiko begonnen, welche das hundertjährige Jubiläum ihrer Unabhängigkeit begeht. Auch das Deutsche Reich nimmt offiziell an der Feier teil, eine mili tärische Abordnung hat sich nach Mexiko begeben, und auch die deutsche Marine wird vertreten sein. Außer dem hat Kaiser Wilhelm den Mexikanern ein Denkmal Alexander v. Humboldts, der auf seinen Forschungsreisen längere Zeit im Reiche der Azteken weilte und dieses in seinen Werken ein gehend geschildert hat, zum Geschenk gemacht. Dieses Denkmal, welches den großen Gelehrten in jüngerem Alter darstellt und auf einem einfachen Sockel vor der Nationalbibliothek in Mexiko seinen Platz fand, wird in diesen Tagen enthüllt werden. Man siebt, unsere maßgebenden Kreise legen großen Wert aus die Pflege guter Be ziehungen zu dem kleinen Bruder der nordameri kanischen Union, der Vereinigten Staaten. Natür lich sind unsere Interessen nur solche wirtschaftspoli tischer Natur, und es ist bemerkenswert, daß Deutsch land mit einer Handelspolitischen Aktion den anderen Mächten vorauseilte und schon im Jahre 1855 einen auf dem Prinzip der Meistbegünstigung beruhenden Vertrag mit Mexiko abschtoß. Nach den politischen Umwälzungen der 60er Jahre machte Präsident Juarez bekannt, daß alle Verträge mit Mächten, die das Kaiserreich Mexiko anerkannt hatten, aufgehoben seien, man sei aber bereit, neue Abkommen zu ver einbaren, was denn auch mit Deutschland Geschah. Unser letzter mit Mexiko abgeschloßener Vertrag, welchem ebenfalls die gegenseitige Meistbegünstigung zugrunde liegt, datiert vom Jahre 1892. Trotz der scharfen Konkurrenz, welche die Vereinigten Staaten und England machen, hat sich der deutsche Warenaustausch mit Mexiko in günstigster Weise entwickeln können. So belief sich unsere Aus Sie Kau im Spiegel. Von E. W. Appleton. (Autorisierte Aebersetzung.) Auch diese wohlgemeinte Mahnung zur Vorsicht verübelte ich ihm nicht. Ich öffnete die Tasche und zeigte ihm das Bündel Papiere. „Da", sagte ich, „es ist ganz intakt, genau, wie es mir eingehändigt wurde." „Gut", versetzte er. „Jetzt kannst du es hinein legen." — Daraufhin versorgte ich di« Papiere in dem Schrank und schlug die Türe dahinter zu. „So", bemerkte Richard, „dieses Geschäft wäre er ledigt. Apropos, was du für schöne Blumen auf deinem Tische hast!" Ich hatte sie noch nicht bemerkt. Ich wußte nur, daß sie morgens, als ich mein Zimmer verlaßen hatte, noch nicht dagestanden hatten. „O ja, wirklich sehr schön", sagte ich. „Ich denke mir, daß Marie — In diesem Augenblick pochte es an der Tür«, und Marie trat ein. „Wünschen Sie etwas zu eßen, Herr Lart?" fragte sie. Ich sah Richard an. Er schüttelte das Haupt. „Willst du nicht lieber mit mir speisen?" fragte er. „Ist mir recht. Nein, danke, Marie, heute nicht." Das Mädchen schickte sich an, das Zimmer zu verlaßen. Da setzte ich hinzu: „Ach, Marie, haben S i e diese schönen Blumen auf den Tisch gestellt?" Sie blickte mich erstaunt an. „Ich? Nein, Herr Lart, ich war nicht mehr in Ihrem Zimmer, seit ich Ihr Bett gemacht habe. Das war gerade, nachdem Sie ausgegangen waren." „So, ach natürlich. Ich erinnere mich jetzt. Wie ich nur so vergeßlich sein konnte. Danke, Sie können jetzt gehen." Als sie die Tür hinter sich zugemacht hatte, wandte ich mich an Richard und sagte, auf die Blumen deutend: „Noch ein Geheimnis mehr, alter Freund! Die Blumen waren nicht hier, als ich das Zimmer oer- ließ. Löse du das Rätsel an meiner Stelle!" Nachdenklich rieb sich Richard einen Augenblick das Kinn. „Tja", sagte er^,das ist ein wenig ungewöhnlich, das gebe ich zu. Wollen wir nicht nähere Bekannt schaft mit dem Strauße machen?" Er hob die Blumen aus dem Glase und teilte sie vorsichtig auseinander. Plötzlich schien etwas seine Aufmerksamkeit in Anspruch zu nehmen. „Was ist denn das?" rief er aus und zog einen schmalen Streifen Papier aus dem Blumensträuße. „So sieh doch nach!" versetzte ich. Er folgte meiner Anweisung. „Es stehen ein paar Worte darauf, mit Tinte ge schrieben." Damit überreichte er mir den Zettel. Er enthielt den Satz: „Warum befolgen Sie meine Warnung nicht?" „Die gleiche Handschrift?" fragte Richard lakonisch. „Dieselbe, und noch einmal, du Weiser aus dem Temple, erkläre mir die Bedeutung!" erwiderte ich ein wenig triumphierend. „Seltsam!" sagte er kopfschüttelnd. „Das Haus scheint für einen Eeistesspuk nicht geeignet. Der Sonnenschein, der über diesen vortrefflichen Teppich seine Strahlen ergießt, scheint mir recht harmlos. Die Wände und die Decken sehen einheitlich und ordentlich aus. Von geheimen Türen zu reden wäre Unsinn. Nein, mein Junge — hierbei schüttelte er abermals ungläubig den Kopf — aus irgendeinem Grunde narrt dich irgend ein Dienstbote. Komm jetzt, wir wollen gehen! Keiner von uns beiden glaubt an Geister. Wir können nur lachen über — großer Gott!" Er schnappte nach Luft. Sein Geficht hatte sich plötzlich mit Totenblässe überzogen. Seine weit ge öffneten Augen richteten sich auf mich und sahen sich dann nervös im Zimmer um. „Was in aller Welt hast du denn?" fragte ich, ganz erstaunt und besorgt wegen seines seltsamen Ge barens. Er packte mich bei der Hand. Ich fühlte, daß er heftig zitterte. Endlich bewegten sich sein« Lippen, di« er vor Ueberraschung zu schließen vergeßen hatte. „Es ist jemand^hier , sagte er, „ein Weib. Ich habe si« für einen Moment im Spiegel gesehen. Ein wildes, ungekämmtes Geschöpf mit Augen so schwarz wie die Nacht, die Flammen auf mich schoßen, und saftigen Lippen, die vom Zorn verzerrt waren. Wo ist sie? Wer ist es?" ,Frage di« Blumen da!" erwidert« iH. „Sie allein können dir » sagen. Tut mir leid, Richard, daß ich entdecken mußte, daß du, wie auch gewiß« andere Menschen, Halluzinationen zugänglich bist/ „Laß deine sarkastischen Bemerkungen!" sagte er und griff nach seinem Hute. „Ich zittere noch durch und durch und möchte diesen verhexten Ort verlassen. Komm!" Mit diesen Worten eilte er aus dem Zimmer. Ich folgte ihm die Treppe hinunter, und einige Augen blicke später befanden wir uns wieder auf der Elsi- norestraße. „Ted", sagte er, „ich muß dich um Verzeihung bitten. Ich habe nun selbst gesehen und ich glaube. Es war ein Weib, ein wundervolles Weib und sie war eher lebendig, als ich es in diesem Momente bin. Aber wie zum Henker hat sie es angestellt, durch die Tapete hindurch zu verschwinden? Auch habe ich nicht einen Schritt gehört. Wer weiß, vielleicht haben wir beide einen Stich!" Sech st es Kapitel. Ich mußte beinahe lachen, als ich zu meiner Be friedigung erkannte, daß Richard nun schließlich doch mit mir einer Ansicht war. Dieser Gedanke kam meinem Mute zu Hilfe. Warum sollte ich nicht die Sache zu Ende führen? Warum sollte ich das Rätsel nicht lösen, wenn das für einen Menschen möglich war? Von Le Noir hatte ich nichts zu be fürchten, mochte er ein noch so großer Detektiv sein. Ich hatte außerdem den Eindruck, daß er einen Irr tum begangen und mich mit irgend jemand anders verwechselt hatte. Jetzt lachte ich von Herzen. „Die Sache wird interessant, Richard", sagte ich. „Und mit deiner Hilfe will ich auf meinem Posten aurcharren und die Sache verfolgen." „Gut", meinte er, „die Sachlage wimmelt von verhexte» Vorfällen. Ich beneide dich nicht darum, aber ich bewundere unbedingt deinen Mut. Da kommt eine leere Droschke gefahren. Was meinst du zu einem kleinen Essen bei Pagani?" Der Vorschlag war mirrecht. Der Nachmittag ver- lief sehr gemütlich, und erst um neun Uhr kehrte ich nachSt. Johns Wood zurück. Wie ich erfuhr, war Herr Goliby von Manchester zurückg«k«hrt und hatte sofort nach mir gefragt. Dann war er wieder ausgegangen und hatte hinterlaßen, daß er nicht vor elf Uhr zurück sein würde, mich aber um diese Zeit zu sprechen wünsche. Daher blieben mir noch zwei Stunden, di« ich nach Belieben verwenden konnte. Ich zündete meine Pfeife an und ging noch zu einem kleinen Spaziergang aus. fuhr dorthin, an welcher insbesondere die Textil-, Maschinen- und die Eoldwaren-Zn- d u st r i e partizipierten, zu Beginn dieses Jahrhun derts auf 26 Millionen Mark und war in steter Auf wärtsbewegung bis zum Jahre 1907 auf 58,7 Mil lionen, also um über 100 Prozent, gestiegen. Im Jahre 1908 trat freilich ein rapider Fall auf 36,9 Mil lionen ein, doch stand dieses Jahr unter dem Ein fluß einer allgemeinen höchst ungünstigen Konjunk tur. von der auch im Jahre 1909 noch keine völlige Erholung eingetreten ist, jedoch darf gehofft werden, daß die Einbuße nur vorübergehend war. Unsere hauptsächlich aus Feinsilber, Kautschuk, Kaffee, Tabak und Kupfer bestehende Ein fuhr aus Mexiko hatte zu Beginn des Jahrhunderts einen Wert von 10,8 Millionen Mark, sie belief sich 1907 auf 21,6 und 1908 auf 19,9 Millionen. Mexiko hat sich in letzter Zeit gut ent wickelt, die Verhältniße sind stabiler geworden, und mit den Staatsstreichen ist es vorbei. Früher hatten die Soldaten oft kein anderes Mittel, ihren rückständigen Sold zu erhalten, als eine Revolution in Szene zu setzen. Heute aber liegt es nicht im Intereße des Militärs das Schwert gegen das Vater land zu ziehen, und darum ist es auch nicht mehr möglich, daß ein unzufriedener General sich an die Spitze eines Teiles der Armee stellt, um die Re gierung zu stürzen. Ueberdies ist das Heer jetzt ein anderes, es ist vom Gefühl der Pflicht und Treue fürs Vaterland erfüllt. An dem Aufschwünge des Landes gebührt dem Präsidenten Porfirio Diaz, welcher seit 1876 mit eiserner Hand das Staatsruder führt und auch kürzlich wieder vom Volke zur höchsten Ehrenstelle im Staate berufen wurde, das größte Ver dienst. Am 15. d. M. tritt Diaz in sein achtzigstes Lebensjahr, und auch ihm gelten die Kundgebungen, die in diesem Jubiläumsfahr im Lande veranstaltet werden. Als gewiegter Politiker hat der Präsident im vorigen Jahre durch eine Zusammenkunft mit Taft die Beziehungen Mexikos zu den Vereinigten Staaten zu festigen gesucht, was ihm hoffentlich auch gelungen ist. Je mehr Mexiko kulturell und wirtschaftlich er schloßen wird, desto größeren Wert erhält es als Absatzgebiet. Dieses immer ergiebiger für uns zu gestalten, muß die Pflicht der Reichs regierung sein, und daher ist es zu begrüßen, daß letztere die freundschaftlichen Beziehungen zu Mexiko pflegt und durch ihre Beteiligung an den Jubiläums feierlichkeiten uns die Sympathien des mexikanischen Volkes zu wahren bestrebt ist. S Hierzu wird uns heute telegraphiert: » Mexiko, 14. September. Gestern sand der deutsche Tag der mexikanischen Jubiläumsfeier statt. Im Auditorium der Nationalbibliothek über gab der deutsche Gesandte Bünz mit einer An sprache die Festgabe des Deutschen Kaisers, die Humboldt st atue, in Geaenwa-t "on R rungsbeamten, Diplomaten und den Offizieren und Kadetten des deutschen Schulschiffes „Freya". Dann erfolgte di« Enthüllung der Statue vor der National bibliothek unter den Klängen der deutschen und der mexikanischen Nationalhymne. Präsident Diaz übernahm die Statue mit einer Ansprache. Alle deutschen Geschäfte waren zur Feier des Tages ge schloßen. Ich schlenderte die Elsinorestraße zur Linken hinunter. In dieser Richtung war ich noch nie ge gangen. Eine Strecke lang folgten hohe Mauern, die ausgedehnte Grundstücke einschloßen, dann kreuzte ein Fußweg, ebenfalls zur Linken, die Straße. In diesen oog ich nunmehr ein Bald begann er nach der Richtung einzuschwenken, di«, wie ich annahm, an die rückwärtige Mauer der „Villa Rabenhorst" führen mußte. Aber der Weg war eng, die Mauern erhoben sich zu beträchtlicher Höhe, und Dunkelheit füllte den Raum dazwischen aus. Diese Umstände munterten mich nicht gerade auf, den Weg noch weiter zu verfolgen, und ich war bereits entschloßen, wieder umzukehren, als an einer scharfen Biegung eine kleine Ueberraschung meiner harrte. Die hohe Steinmauer machte mit einem Male einem eisernen Gartengitter Platz, das mir den Durch blick auf eine mitten im Garten stehende schneeweiße Villa erlaubte. Alle Fenster waren durch das elek trische Licht hell erleuchtet, je nach den Vorhängen, die einen hochrot, die anderen blaßgelb schimmernd. Es war ein hübscher Anblick, der aber in den Londoner Vorstädten keine Seltenheit bildet. Und so wäre ich vielleicht weitergegangen, ohne ihm große Aufmerk samkeit zu schenken, hätte ich nicht am Gartenror einen Wagen bemerkt und gehört, daß sich auf dem Kieswege des Gartens Schritte dem Tore näherten. Es war ein Privatgesährt, wie ich an der ganzen Aufmachung und der vornehm einfachen Livree des Kutschers erkannte. Meine Neugier war erwacht. Ich drückte mich an die entgegengesetzte Mauer hinter einen Strauch und zog den Hut über die Stirne herunter. So konnte ich beobachten, daß jemand den Kutschenschlag öffnete, und als der Schein der Wagen laterne auf sein Gesicht fiel, erkannte ich in ihm sofort den auffallend blaßen jungen Mann, dem ich einige Tage zuvor im Emoirelheater begegnet war. Dann vernahm ich seine Stimme, die mir abermals merk würdig bekannt vorkam. „In den Klub", sagte er, „möglichst schnell!" „Zu Befehl, Herr Baron", antwortete der Kutscher. Ich hörte die Peitsche sausen, die Räder schwirren und flüchtige Hufe klappern. Dann war ich wieder allein. Einem gewöhnlichen Spaziergänger wäre an dieser Begegnung nicyts ausgefallen, aber mich interessierte der Unbekannte. Und so wollte ich wenigsten» sehen,
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