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01-Frühausgabe Leipziger Tageblatt und Handelszeitung : 22.09.1910
- Titel
- 01-Frühausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1910-09-22
- Sprache
- Deutsch
- Vorlage
- SLUB Dresden
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id84535308X-19100922013
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id84535308X-1910092201
- OAI
- oai:de:slub-dresden:db:id-84535308X-1910092201
- Sammlungen
- Zeitungen
- Saxonica
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
-
Zeitung
Leipziger Tageblatt und Handelszeitung
-
Jahr
1910
-
Monat
1910-09
- Tag 1910-09-22
-
Monat
1910-09
-
Jahr
1910
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Kezuq-.Prei» Ori«<irt«er» G«r»wrM«> I4«L l4«4 «k»»1n»» «»»G^»«tt»akL« A»d»»»>»,«W v> «MW» ,«» »«, MlNchM »c»>N«IiLI>rt V.G« „Mtl. 1^4 «»«iw«. »okdeftella-ld A«n« l» rt»M«r. »en e»«»Wr^ »«iWrUiM«. «M- M«ni, v«Mr«>ch U»,»ni. A»«la»d, vchMM». L»Mu «. 8» «0« Wr>,n> »um« »oi »i«a «r» »t» G<W»?»neII« «4 «Wu« nW-iItch r»4 e«tzv,n r«M«n «n<d«i»i r»M «Wltch L«>- » r>«4 »« »«,«»4» »W««-««.»»«««M d, M ,«M»» l««««, Z«I»al«. L»»l»I«ur« Morgen-Ausgabe. MpMerTllMaü Handelszeitung. Ämlsvkalt des Nates und -es Nokizeiamtes -er 2ta-L Leipzig. Anzeigen-Preis Mr S««ti «4 vewW an» Um,,»»», U« 6^1>>«ttene 10 »» W»tt» Petil»eN« L U, 74 »M W«U« c »« M4w4«4 «- a» N»NMM> l»!0 ^Ui »»» v«»rd« M «»«Nch« L«U »t, 74 au» Welt, PeNMÜ» 4» MU B «tzMruWM« »M tu »« »M»«i4-»»« <» Ur«>4 «»öl>k. N4»«i «<l> t-rT 0«tlaZ*Wd«W b ». laulea» «xv. Pougebühr. »«MM, kW»« incht MktU- «»W« w«Wn. 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Ein schon tot Geglaubter ist wieder mitten in den Tageskampf hineingeschritten: August Bebel auf dem Magdeburger Partei tage der Sozialdemokratie. Zur großen Ab rechnung mit den badischen Budgetbewilligern, Hofgängern und Disziplinbrechern hat er das Wort ergriffen, um es sobald nicht wieder fahren zu lassen. Und er hat bei dieser Gelegenheit einen erstaunlichen Grad von Milde und Abgeklärtheit gezeigt. Das Ende seiner Tage will er vielleicht im bayrischen Capua, in München, verbringen. So, wie er jetzt durch Alter und die wohl überwundene Krankheit ge worden ist, fängt er an, dorthin zu passen. Zwar ist Bebel — was gar zu gern vergessen wird — zeitlebens ein Stückchen Revi sionist gewesen. Wäre er ein Anhänger der allerschärssten Observanz, wie sie etwa von der „Leipziger Volkszeitung", von Arthur Stadt hagen und Rosa Luxemburg vertreten wird, so wäre die Parteigeschichte der Sozialdemokratie erheblich anders verlaufen. Bebel hat es stets verstanden, mit den Stär keren in der Partei — und das ist nun ein mal, hier wie überall, die Fortentwicklung, nicht die Stagnation — Kompromisse zu schließen. Und er hat, was für einen Demagogen und den Leiter einer Massen partei noch höher steht, es verstanden, diese Kompromiße erst dann zu schließen, wenn ihre Notwendigkeit längst allgemein dämmerte und sie mit einer Begründung zu schließen, die untadelhaft radikal und dogmentreu war. Man vergegenwärtige sich den Weg, der von den An fängen der siebziger Jahre bis zur Bewilligung der Erbschaftssteuer führt; vergegenwärtige sich, daß Bebel in all diefen und bei allen diesen Wandlungen der Führer der Partei ge blieben ist und stets als der Radikalsten einer zu gelten verstanden hat: und man wird zugeben müßen, daß in all diesem Gekonnten eine hohe politische Kunst liegt; um so höher anzuschlagen, wenn sie, wie höchst wahrscheinlich, zum größten Teile unbewußt ge übt wurde. Den politischen Instinkt kann man Bebel wahrhaftig nicht absprechen. Den poli tischen Instinkt? Ihn. Nur darf nicht aus dem Auge verloren werden, daß Bebels politische Bildung, politischer Gesichtskreis und politisches Arbeitsfeld eng begrenzte sind. Wo für uns das Politische erst recht eigentlich anfängt, da hört es für ihn auf: beim Staat, der sich aus den verschiedenen, ineinander übergehenden und miteinander eng versponnenen Klaßen zusam- mensetzt. Bebel kennt nur, will nur kennen die Klaßen, die sich ihm scharf scheiden; und unter ihnen wiederum recht eigentlich nur die eine, die seine, die Arbeiterklasse. Hier liegen die Gründe, die gehindert haben, daß August Bebel seine außerordentlichen politischen Talente zum Genie entwickelt hat; liegen die Gründe, die ihn nicht zu einem Führer des Volkes haben werden, sondern einen Demagogen haben bleiben laßen. Wenn er jetzt in der Rolle des Richters über den bösen Revisionismus aufge treten ist, so ist da» nur die Wiederholung einer ost gegebenen Roll«. Nie aber noch hat er sich dabei so mild gezeigt. Man denke an den „Jungbrunnen", an Leipzig, an Nürnberg. Das ist sicherlich zum Teil Taktik: die Aussichten für die Reichstag-Wahlen sollen nicht verschandelt «erden. Da» ist aber zum größeren Teile sicher nicht Taktik. Sein Instinkt merkt, in welcher Richtung die Entwicklung gehen wird. Und wenn Bebel wohl zu alt und starr wurde, diese Entwicklung noch mitzumachen, so besitzt er doch viel zuviel Witterung, um ihr radikal entgegenzutreten. Wohlwollen, Freundlichkeit, Achtung bringt er den Männern des Neuen entgegen. Er bekommt es fertig, sich ihren be sonderen Dank zu verdienen, ohne daß ihm von den Allergestrengsten ernsthaft etwas am Zeuge geflickt werden könnte (was, nebenbei, diesen Allergestrengsten eine sehr unheimliche Aufgabe wäre). Er ist ihnen nur zu mild. Und das sprechen sie auch aus. Dabei aber stellt sich etwas heraus, was man längst ahnte: Bebel hat die Mehrheit der Partei nicht mehr hinter sich. Er ist nun endlich, am Abend seiner Tage und Taten, doch zwischen die zwei Stühle gekommen. Er wird es nicht merken. Und die radikale Mehrheit wird sich hüten, es ihn merken zu lassen. Vielleicht wird sogar die religiöse Ehr furcht, die die Genoßen ihm entgegenbringen — Marx ist Gott, und Bebel ist sein Prophet —, vermögen, daß ein hinreichend großer Teil der radikalen Mehrheit wieder abbröckelt, so daß der Vorstandsresolution der Sieg wird. Aber all das kann nicht darüber Hinwegtäuschen: Der Mehrheit der Partei ist Bebel nicht mehr radikal genug. Das Amendement, das den Badenern und allen, die ihnen gleich sind, die große Exkommunikation androhte, hat im Hand umdrehen die Unterschrift der Mehrzahl der Delegierten gesunden, obgleich natürlich Bebels Stellung schon vor der Rede keinem un bekannt war. Das zeigt, was wir von der Zukunst zu er warten haben, wenn erst einmal Augusts des Großen Reich an die Diadochen übergegangen sein wird: In der roten Monarchie werden die erbittertsten Diadochenkämpfe anheben. Nie mand wird mehr da sein, der der von Tag zu Tag schwerer werdenden Aufgabe gerecht wer den könnte, die Resultate des Revisionismus unmerklich in den Eesamtorganismus der Partei überzuführen. Diesseits und jenseits der Main linie — die in diesem Falle kein rein geogra phischer Begriff sein wird — werden sich die Geister und das Stimmvieh scheiden. Das wird nicht von heute auf morgen kommen. Aber es wird kommen. Und wenn die Zeichen nicht völlig trügen, wird sich an der Totenfackel Bebels die Fackel der Zwietracht entzünden. Leüe des Sailers im Diener Rathaus. Kaiser Wilhelm begab sich, wie schon kurz gemeldet, gestern Mittwoch mittag von Schönbrunn, wo er den Kaiser Franz Josef besucht hatte, nach Wien, um das Rathaus zu besuchen. Das Rat haus und seine Umgebung hatten Festschmuck an gelegt. Der Kaiser wurde am Fuß der Festtreppe 1 vom Bürgermeister, den Bizebürgermeistern und den Schriftführern des Gemeinderats empfangen und im Festjaale zur Estrade geleitet, während das Trom- peterquartelr des k. k. Hosoperntheaters unter Leitung des Professors Stigler den Einzugsmarjch blies. Sodann ergriff der Bürgermeister Dr. Neu mayer das Wort zur Begrüßungs ansprache, in der er der innigen Freud« der Ge meindevertretungen und der gesamten Bevölkerung Wiens über den Besuch Kaiser Wilhelms Ausdruck gab. Die Huldigung zum 80. Geburtstage des Herrschers, an dem die Wiener mit allen Fasern ihres Herzens hängen, erfülle alle mit großem Jubel und verpflichte sie zu unvergänglichem Danke. Mit Stolz erfülle die Bürgerschaft Wiens aber auch der Ent schluß Seiner Majestät, das Wiener Rathaus zu be- suchen. Indem er dem Kaiser namens der Gemeinde. Vertretung wie der Bevölkerung den ehrfurchts vollsten Dank für die hohe Gnade ausdrücke, bitte er den Allmächtigen, daß er den Kaiser schütze und schirme zum Heil und Segen des mächtigen Deutschen Reiches und zur innigen Freud« Oesterreich-Unaarns, das die Nibelungentreue des Deutschen Reiches und seines erhabenen Herr, scher» erst vor kurzer Zeit wieder zu erkennen Ge legenheit hatte. Der Bürgermeister schloß mit einem dreifachen Hoch auf den Kaiser, in das die Ver sammelten begeistert einstimmten. „Mein verehrter Herr Bürgermeister! Meine Herren von der Etadtoertretung in Wien! Emp fangen Sie meinen herzlichsten Dank für den groß artigen Empfang, den Sie mir soeben bereitet haben, und für die freundlichen Willkommensgesinnungen, die aus den Worten des Herrn Bürgermeister« sprachen. Der Herr Bürgermeister hat soeben mir mit- geteilt, daß die Stadtvertret»ng der Residenzstadt Er. Majestät einstimmig den veschluß gefaßt hab«, einen Teil des Ringe», den Parkring, nach mir ,u benennen. (Heilrnst.) Es ist die» «in« ganz außergewöhnliche Ehrung für einen fremden Monarchen, und ich bin auf das tiefste er griffen, dog dce Vertretung der Stadt Wien mich für würdig gehalten hat, in den Mauern Ihrer schönen Stadt auch meinen Namen zu verewigen. Wenn ich den Sinn dieser außergewöhnlichen Huldigung richtig zu deuten verstehe, so lese ich einer seits daraus, daß sie ein Ausdruck sein soll der Freundschaft und der innigen Ge fühle der Sympathie, die zwischen der Bür gerschaft der Stadt Wien und mir nun seit langem bestehen (neuerliche Heilrufe), die sich überall kund gibt in dem freundlichen Gruße, wenn ich durch die Straßen fahre, und in den blitzenden und freund lichen Augen der schönen Wienerinnen. Es sind das Dinge, die ein Menjchenherz bewegen und fesseln. Zum anderen glaube ich, aus Ihrem Beschlüße herauszulesen, daß er das Einverständnis der Stadt Wien damit war, daß in ernster Zeit der Bundesgenosse in schirmender Wehr an die Seue Ihres allergnädigsten Herrn sich gestellt hat. (Anhaltende brausende Heilrufe.) Es war dies ein Gebot der Pflicht und Freundschaft zugleich; denn das Bündnis ist zum Heil der Wett in die Ueberzeugung und in das Leben der beiden Völker als ein Imponderabile übergegangen. (Stürmische Heilruse.) Ich bitte Sie also, die Vermittler meines herz lichen Dankes zu sein für diese außergewoM^e Ehre an alle Mitbürger und Mitbürgerinnen, aber die höchste Weihe wird diesem BeMusse dadurch er teilt, daß er gefaßt werden konnte in dem 80. Ge - burtstagsjahr Ihres erlauchten Lan desherrn. Dadurch wird'jür mich die Erinnerung noch inniger und schöner. (Heilrufe.) Eines Landes herrn, den Sie in Treue uno Lie^e verehren, zu dem mein Volk in inniger und warmer Verehrung herüberschaut und zu dem ich als zu meinem väter lichen «zreund empordlicke, in Ehrjurcht (stürmische Heftruse), als zu de« Symbol der personc,tzi«ltcn Selbstverleugnung und Pflichterfüllung. Darum reryt sich meinem Dank an o.e «mdt Wien zu gtelcher Zeit auch der Wunsch an, daß es dem Derrn gefallen möge, daß er Ihren heißgeliebten und hochocrcyrlen Landesherrn noch lange erhalte (begeisterte Zustim mung), damit unter seiner gesegneten Hand die Stadt sich weiter in Frieden entwi^em möge, und daß es Ihnen noch länger vergönnt sei, >yre Huldigung in Treue und Liebe ihm darbringen zu können. Allen Gefüylen, die mein Herz bewegen, und die auch die Ihren durchfluten, bitte ich Sie, Ausdruck zu geben, indem Sie mit mir einstimmen m den ^uf, datz der edle Lanüesoater, der vielgeliebte Kaiser und König, der Herr dieser schönen Kaijerstadt, Gottes Segen noch lange auf jein Haupt herabfließen sehen möge, und daß er und jein Haus und sein Land in Gottes Hand, in Gottes Schutz gestellt bleiben: Seine Majestät der Kaiser und König, Hurra! Hurra! Hurra!" Die Versammlung stimmte begeistert in den Ruf ein und brachte brausende, minutenrang andauernde Hoch- und Hurraruie aus den Deucicyen Kaiser aus. Dce Begeisterung war überaus gross. Der Deutsche Kaiser reichte dem B ü r g e r m e t ste r die Hand, der dem Kaiser die Vizebürgermeister und das Prä sidium des Gemeinderares oorftellle. Der Kaiser zog jeden einzelnen der vorgestellten Herren ins Ge spräch. Bürgermeister Reumayr tuo oen Kaiser ein, den Ehrentrunk zu nehmen. Gegenüber der Estraoe war eine Lauoe errichtet, in der ein Keller meister mit zwei Küfern in atioeu-ictier Tracht Auf stellung genommen hatte. In einem goldenen Trunroecher reichte der Kellermeister dem Kaiser einen Lhrentrunl. Ter Kaiser nahm den Pokal mit einigen Lvorren des Dances und leerte ihn bis zur Neige. Unter abermaitgen Hochrufen begab sich Kaiser Wilhelm, begleitet von den vorgegellten Herren und an der Seile des Bürgermeisters, durch die Sitzungssäle des Stadtrats und Magistrats, durch das Bureau des Magistralsdirektors in den Ee- meinderalssitzungsjaat und durch diesen in die Wafsenadteilung der städtischen Sammlungen, wo das von Professor Franz Matsch ge malte Bild besichtigt wurde. Der Kaiser ver weilte einige Minuten in Betrachtung des Gemäldes und äußerte wiederholt seine außerordentliche Be friedigung über die treffend« Aehnlichkeit des Por träts und die künstlerische Ausführung. Er gab auch wiederholt Professor Matsch gegenüber, der die Er klärungen gab, seinem Dank und vollste An erkennung über das ausgezeichnete Bild Ausdruck. Nachdem der Kaiser die Wassenjammiungen durch schritten halte, trug er sich aus die Bitte des Bürger meisters in das Gedentduch ein. Gedenkblatt und Federkiel, mit dem der Deutsche Kaiser schrieb, werden den städtischen Sammlungen einverteibt. Der Kaiser ging nunmehr über die Feststtege, be gleitet vom Eemeinderatspräfidium und seiner Suite, zum Parterre. Die im Arkadenhose ausgestellte Magistratsdienerkapelle spielte die deutsche Hymne. Lor dem Verlaßen des Rathauses wurde eine photo graphische Ausnahme de» Kaisers, umgeben vom Bürgermeister und dem Gemeinderatsprästdium, gemacht. Kurz nach V-1 Uhr bestieg Kaiser Wilhelm das Automobil und fuhr unter neuerlichen stürmischen Hochrufen der Festgäste zur deutschen Bot schaft. woselbst Botschafter o. Tschirsckky ein Früh stück gab. Dr« Menge vor dem Rathause und in den Straften bereitete dem Kaiser stürmische Ovationen. l04. Jahrgang. Sonlerustiue Geüankengsnge. H. Wie Herr Opitz in seinen Ausführungen in Herlasgrün von der alten Kartellzeit ausgeht und in ihr das eigentliche Sinnbild richtig verstandener sächsischer Parteipoliiik erblickt, so kehrt er auch am Schlüsse seiner Ausführungen zu seinem Lieblings gedanken zurück und spricht aus, daß schon lange der Zeitpunkt gekommen sei, wo die staatserhaltenden Parteien sich zusammentun müßten, um einer über stürzten Entwicklung nach links entgegenzutreren, wenn nicht Staat und Gesellschaft den Abgründen zugetrieben werden sollten. Vermehre der ,L i n k s li b e r a l i s m u s" die große Schwierigkeit der Regierung im gegenwärtigen Staate, dann sei er nur noch der Schrittmacher der Sozialdeinotratie und lade durch sein Verhalten eine um so größere Verantwortung aus sich, als auch die Negierung liberalen Anforderungen stets weit ent- gegengekommen sei. (') Für diese Politik der Sammlung sucht Herr Opitz dann weiter dis von ihm mit dem Namen Links liberalismus gezeichnete nationalliberale Partei da durch zu gewinnen, daß er ihr vorhält, sie würde in ihren Forderungen doch stets vom Freisinn und von der Sozialdemokratie überboten werden und deshalb eine Anziehungskraft auf die großen Wählermaßen im Wettbewerbe mit diesen Parteien nicht entfalten können. Auch hier tönt also der Nationalliberalen Partei ein Lockruf entgegen, den man aus anderem Munde von rechts schon oft hat ertönen laßen. Es ist kein Zeichen der Stärke des konservativen Gedankens, wenn man so lebhaft und dringend die Bundes genoßenschaft einer Partei herbeisehnt, für die man so oft nur Spott und Hohn zu haben vorgibl. Auch Herr Opitz kommt ja, um die nationaltiberale Par tei zu kränken, mit dem ganz abgebrauchten Argu ment, daß sie im jetzigen Landtag 4 Mandate weniger habe» als früher, wobei er wohlweislich verschweigt, daß die konservative Fraktion etwa 20 Mandate weniger al» früher besitzt und in den sächsischen Städten, in denen sie einst Bedeutung besaß, so voll ständig abgewirtschaftet hat daß beispielsweise Dresden, Leipzig, Chemnitz, Plauen »ad Zwicks» ihr nicht «in einziges LandtagSMan- dat mehr zu stellen vermochten. „Wenn die Kinder sind im Dunkeln, wird beklommen ihr Gemüt, und um ihre Angst za bannen, singen sie ein lautes Lied." So denkt man auch, wenn man die Worte des Herrn Opitz liest, daß allein die konservative Parier die sichere Gewähr für eine gesunde weitere Entwicklung der Dinge gäbe und daß er deshalb vertrauensvoll der Zukunft ins Auge schaue. Wie stehen denn aber rein sachlich die Fragen der Aussichten einer Sammlungspolitit im Kö nigreich Sachsen? Unzweifelhaft liegen in Sachsen die Verhältniße anders, als in manchem an dern Teil des Deutschen Reichs. Der Großblockgedanke ist von vornherein eine Absurdität, der nur gegnerischen Demagogen der nationalliberalen Partei für Sachsen imponieren kann. Die Sozialdemokratie wähnt sich stark genug, um sämtliche sächsische Reichstagswahl kreise zu erobern, und man wird das nickt einmal als Zllusionspolitik hinstellen können, wenn man daran denkt, daß sie schon einmal 22 von 23 Kreisen besessen hat. Andrerseits ist keine bürgerliche Partei so stark, um in irgendeinem Wahlkreise Sachsens aus eigener Kraft siegen zu können. Das gilt für den Liberalismus sowohl, wie für den Konservatismus. Eine Zeitlang machte sich die „Kreuzzeitung" das billige Vergnügen, stets vost den mit konservativer Hilfe gewählten Abgeordneten Junck und Weber zu sprechen, und ließ diese geistvollen Witzeleien erst, als die „Nationalliberale Korrespondenz" und das Leipziger Tageblatt" ihr darauf die mit national liberaler Hilfe gewählten Abgeordneten Wagner und Giese vorhielten. Wenn man annimmt, daß für die antisemitischen Grüppchen seit Zlchopau-Marienberg das letzte Stündlein geschlagen hat, dann steht die Sache so, daß in Sachsen 8 liberale und 6 Mandate der Rechten zu verteidigen sind (Bautzen, Pirna, Freiberg,Oschatz, Borna, Meißen). Um diese Mandate wird der Kampf im Jahre 1911 am heißesten entbrennen. Ist die Sammlungspolitik Las Zeichen, unter dem der Sieg der bürgerlichen Partei zu erfechten sein wird? Gewiß kann sie es unter gewißen Zeitläuften sein. Eine solare Zeil war im Jahre 1906 gegeben. Da überflutete die nationale Begeisterung alle Parteigegensätze. Da trat die Verschiedenartigkeit der Parteiauffaßung in wirtschaftlichen und politischen Fragen vollständig zurück gegenüber der Großzügigkeit des Wahlkampfes, der in der Fundierung der deutschen Kolonialpolitik und in der Abschüttelung des Zentrumseinflußes zwei Wahlparolen sah, die gerade im Königreich Sachsen aus Herz und Gemüt wirkten. Niemand wird leugnen, daß wir von einer ähnlichen Stimmung selten so weit entfernt waren, als heute. Ein wirres Durcheinander, eine weit gehende Parteizerrisfenheit, eine führerlose Regierung, das sind die Kennreichen der gegenwärtigen Lage. Wo ist da» Ziel, da» die zersplitterten Gruppen eint, wo ist der große Staatsmann, der da Wege weist, die em Ab flauen der Parteigegensätze herbeiführen? Wer zweifelt andrerseits, daß mit oder ohne Wahlparole des Reichskanzlers die Gegensätze der Wirtschafts fragen und der durch di« Kämpfe um die Reichs- fmanzresorm aufs neue in den Vordergrund getretene Kampf der agrarischen Wirtschaft-auftaßung gegen- über der industriellgewerblichen da» Gegenteil einer Einigung darzeigen? Gewiß kann auch unter solchen Umständen die Einheitlichkeit de» Aufmarsch«» die Schwierigkeiten der Lag« vermindern. Wenn nämlich die Persönlichkeit des Kandidaten groß und stark aenug ist, um über die Gegensätze zu siegen. Eine Kanditatur Dernburg, «ine Kandidatur Posadowsky auf der «inen Seite, Abgeordnete, die «» verstanden haben, mit ihrem Wahlkreise H» verwachsen, auf der anderen Eeite, sie geben die I Möglichkeit der besten Abwehr gegen sozialdemo-
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