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01-Frühausgabe Leipziger Tageblatt und Handelszeitung : 21.09.1910
- Titel
- 01-Frühausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1910-09-21
- Sprache
- Deutsch
- Vorlage
- SLUB Dresden
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id84535308X-19100921010
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id84535308X-1910092101
- OAI
- oai:de:slub-dresden:db:id-84535308X-1910092101
- Sammlungen
- Zeitungen
- Saxonica
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
-
Zeitung
Leipziger Tageblatt und Handelszeitung
-
Jahr
1910
-
Monat
1910-09
- Tag 1910-09-21
-
Monat
1910-09
-
Jahr
1910
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Nr. 2Sl. Jatzr-su-. geben hat, in Salb. Var der Frühstückstafel empfing Kaiser Wilhelm den Grafen Aehrenthal allein in besonderer Audienz di« längere Zeit dauerte. — Der Wiener Stadtrat hat den einstimmigen Beschluß gefaßt, einen Parkring mit „Kaifer-Wilyelm-Rtng" zu bezeichnen. ' Zu« silbernen -achzeitsfeiee de» badisch«, Groß. herzog»p««re» wird noch aus Karlsruhe gemeldet: Der eigentliche Festtag (Dienstag) wurde durch Elockengeläute und Festgottesdienstc in den Kirchen aller Konfessionen eingeleitet. Um 9 Uhr nahmen die großherzogUchen Herrschaften im großherzoglichen Palais vie Beglückwünschung des Hofstaates und der unmittelbaren Beamten entgegen. Daraus begaben sich der Großherzog und die Großherzogin zum Resi- denzschlosfe, wo gegen '/»IO Uhr die während des gestrigen Tages angekommenen fürstlichen Gäste dem Großherzogspaar ihre Glückwünsche darbrachtcn. Um 10 Uhr begann in der Schloßkirche ein feierlicher Dankgottesdienst in Gegenwart des Eroßherzogs- paares und der übrigen Mitglieder des grogherzog- lichen Hauses, mit den fremden Fürstlichkeiten. De: Präsident des Evangelischen Oberkirchenrats Exzellenz 0. Helbing hielt eine der Bedeutung des Tages entsprechende Ansprache. Hierauf wurden von den großherzoglichen Herrschaften im Schloß zur Be glückwünschung empfangen: dos Gefolge der an wesenden Fürstlichkelten, Deputationen der Ersten und Zweiten Kammer sowie der Landstünde, der Kommandierende General mit einer Abordnung des 14. Armeekorps, sowie Vertreter der katholischen und evangelischen Kirche. Von der ersteren war der Erz bischof von Freiburg erschienen. 0. Maßregelung eines Nationalliberalen. Der Kreisarzt Dr. Thomalla in Iohannisburg in Ost preußen ist „im Interesse des Dienstes" nach Altena- Lüdenscheid versetzt worden. Dr. Thomalla war Leiter des Krankenhauses in Iohannisburg und hat sich während des Reichstagswahlkampfes in Lyck- Iohannisburg, in dem er für den nationalliberalen Kandidaten eintrat, bei dem Landrat und den Kon servativen unbeliebt gemacht. * Eine Auszeichnung Basiermann». Der Groß herzog von Baden verlieh dem Neichstagsabg. Basier mann das Kommandeurkreuz 2. Kl. des Ordens vom Zähringer Löwen. 0. Ein früherer Wittelsbacher. Ein Gegenstück zu der bekannten Belenntnisrede des Primen Ludwig von Bayern ist ein Ausspruch, den der erste König von Bayern Maximilian Joseph getan hat und der jetzt von einem bäuerischen Blatt ausgegraben wird. Das Bekenntnis dieses Wittelsbacher» lautet: „Meinen kleinen Finger wollte ich geben, wär« mein Haus nicht katholisch geworden. Das Papsttum ist in jeder Beziehung vom Dösen. Di« römische Geistlichkeit hindert Fürst und Volk, das zu werden, was sie sein sollen. Betrachte ich die Rheinlande, die Pfalz. Württemberg — wie weit ist Bauern zurückgeblieben! Warum? Was ist der Grund? Bayern ist katholisch, Bayern hat unter der Zuchtrute der Jesuiten ge standen. Wie ich diese Kerle haste, kann ich gar nicht sagen!" * Bund der Industriellen. Der Geschäftsfüh rende Ausschutz des Bundes trat am 16. September in Berlin zu einer Sitzung zusammen, in welcher die Aufgaben des Bundes der Industriellen für das kommende Winterhalbjahr eingehend besprochen wurden. Zur Reichsversicherung wurde be schlossen, von Fall zu Fall Stellung zu den weiteren Beratungen der zuständigen Reichstcmskommission zu nehmen, die am 20. September ihre Sitzungen wieder ausgenommen hat. Der Bund der Industriellen weirvet sich namentlich gegen die geplanten Versicherunas, ämter und gegen die Beschränkung der Betriebs krankenkassen, sowie der Selbstverwaltung der bis herigen Versicherunasträger. — Ferner wurden die Anträge und Wünsche beteiligter Firmen zur Hand habung des Nahrungsmtttelaesetzes beraten. Es ist «in dringlicher Wunsch der Industrie der Nahrung»- und Genußmittel, daß namentlich di« Nahrungsmittelkontrolle einheitlich für das Reichs gebiet gehandhabt wird, während jetzt die Vor schriften der Nahrungsmittelpolizei von Ort zu Ort abweichen und den Wettbewerb der beteiligten Industrien überaus erschweren. Der Geschüftsführende Ausschuß beschloß, eine Tagung der an diesen Fragen beterligten Firmen und Fachverbände «tn'uberufen, um nach eingehender Beratung die Wünsche der Industrie zur Geltung zu bringen. — Für ein Komitee, das rn den nächsten Tagen di« Wünsche der deutschen Industrie zu einem deutsch-schwedischen Han delsvertrags beraten soll, wurden Vertreter beteiligter Firmen abgeordnet. — Ebenso wurde die Beteiligung an Verhandlungen über das Schmier- Lelpztger gelderunwesen beschlossen. — Ferner gelangten zur Beratung die Vertretung der Industrie im Wirtschaftlichen Ausschuß, die preußische Verwaltungsreform lnamentlich die Zusammen setzung der Kreistage und Kreisausschüste), die be vorstehende Neuregelung des deutschen Patent rechte», sowie die Frage der Konkurrenz klausel, die vom „Großen Ausschüsse des Bundes der Industriellen" demnächst eingehend beraten werden soll. Endlich wurde der Anschluß weiterer Fachverbände an den Bund der Industriellen erörtert. * Die Einweihung der neuen Kölner Rheinbrückc. Dienstag mittag sand die Einweihung der von Geb. Rat Schmechten erbauten, feit längerer Zeit dem Verkehr übergebenen Straßenbrücke über den Rhein in Gegenwart von Zivil- und Militärbehörden, an der Spitze Minister v. Vreitenbach, statt. Dieser hielt die Weiherede. Hierauf siel die Hülle des auf der linken Portalseite errichteten und von Projesior Tuaillon-Berlin geschaffenen Reiterdcnkmals Kaiser Wilhelms II. in der Uniform des Gardedukorps. Der Minister taufte die neuen Bauwerke „H o h e n z o l l e r n b r ü ck e" und schloß init einem begeistert aufgenommenen Hoch aus den Kaiser. Mittags fand ei'- Festesten statt. — In seiner Rede führte Minister v. Breitenbach u. a. aus: In gewaltigem stählernen Bogen überspannt die neue Brücke den Strom. Ihre Masten ""eben frei und kühn himmelwärts, ein Sinnbild der Groß industrie und Ingenieurkunst, ruhend auf Quader pfeilern, die die fortschreitende Technik tief im Strome felsenfest gegründet hat. Ein neuer Ruhm wird der Stadt erwachsen aus diesem Brückenbau, der den schönsten und mächtigsten deutschen Strom und die belebteste Schiffahrtsstraße an der Stelle überschreitet, die zu den bevorzugtesten der Welt ge hört. Ein profanes Bauwerk, bestimmt, dem natio nalen und internationalen Verkehr den Durchzug freizuhalten. Diese Auffassung beherrschte alle, dre mitgewirkt haben an diesem größten Brückenbau tes Staates mit Kopf und Hand, mit Lust und Liebe, in harter, heißer Arbeit. Allen denen aufrichtigen Dank für ihre Mitarbeit, aber keinem mehr als unserem geliebten Landesherrn, Kaiser Wilhelm II. Er griff, als die Notwendigkeit eines neuen Erweiterungs baues der alten Rheinbrücke hervortrat, den Ge danken einer solchen Herstellung auf, die nicht allein den Forderungen des Verkehrs, sondern auch der Ueberlieferung und der Umgebung künstlerisch ent sprach, und darum gebührt unser Dank an diejenigen, die mitgearbeilet und mitgewirkt haben, an erster Stelle unserem königlichen Herrn. Heute gilt es Kaiser Wilhelm II. Die Enthüllung seines Stand bildes bedeutet den Schlußstein eines wesentlichen Teiles des Baues. Vier Standbilder preußischer Herrscher zieren nach ihrer völligen Vollendung dieses Baudenkmal, das ein neues Symbol von Kraft und Blüte preußischer Lande unter Hohenzollernart dar stellt. Zur Weihe des Werkes bitte ich Cie, in den Ruf einzustimmen: Kaiser Wilhelm, er lebe hoch! hoch! hoch! * Di« Novelle zur Sachverständigen- und Zeugen gebührenordnung. Ueber die seit längerer Zeit im Reichsjustizamt sertiggestellte Novelle zur Gebühren ordnung für Zeugen und Sachverständige erfährt die „Inf." daß der Entwurf den Forderungen der Sachverständigen, da eine Erhöhung der Ge bühren entsprechend den heutigen wirtschaftlichen Verhältnissen nicht von der Hand zu weisen ist, wie z. B. der vereidigten Chemiker oder des Hamburger Vereins, wesentlich in der Erhöhung der Ge bühren entgegenkommt, aber nicht so weit geht, wie es deren Wünschen entsprechen würde. Jedenfalls Wd über vVt bestehenden Ungleichheiten beseitigt worden, und u. a. ist auch eine Steigerung der Sätze für Kosten der Verpflegung und des Nacht aufenthaltes vorgesehen. Was die Neuordnung der Zeuaengebühren anlangt, so ist deren Erhöhung gleichfalls vorgesehen, und zwar vor allem der Min destsätze, denn der Entwurf sieht Sätze in einem Rahmen vor, innerhalb besten die einzelstaatlichen Regierungen die Gebühren nach ihrem Ermessen fest setzen können. Es wird also hinsichtlich der Gebühren erhöhung für Zeugen wesentlich von der praktischen Handhabung der Tarifsätze durch die Bun desstaaten abhänaen, in welcher Höhe entsprechend den betreffenden Fällen eine Steigerung eintritt oder nicht. Eine Einbringung der Novelle in der bevorstehenden Parlamentssitzung ist nicht beab sichtigt, da sich die Kosten für die Einzelstaaten und für die Parteien auf Millionen belaufen würden und es nicht für gerechtfertigt erachtet wird, einen Entwurf von so bedeutender finanzieller Tragweite dem Reichstage in einiger Zeit vorzulegen, in der Reich und Bundesstaaten das Prinzip größter Spar samkeit vorwalten lasten müßen. Speziell auch Privatpersonen werden durch die vorgesehene Tageblatt. Neuordnung erheblich belastet, da sie bei den Prozeß kosten in Zivilsachen auch die erhöhten Zeugen gebühren zu zahlen haben. lluslsnü. OeltecreMi-Ungsrn. * Dir deutsch tchechischen Verständignngsverhand- lunge». Am Dienstag begannen in Prag unter dem Vorsitz des Statthalters Grafen Coudenhove die von der Negierung eingeleiteten Verständi gungsverhandlungen, an denen die Ver treter sämtlicher deutscher und tchcchischer Parteien des Landtages teilnahmen. Es sprackjei: zunächst der Statthalter und Oberstlandmarschall, sodann namens der Tschechen Dr. Skarda, worauf Dr. Eppin ger als Finanzreferent die Finanzlage des Landes erörterte. Hieran schloß sich eine Debatte. Um 12 Ubr wurden die Verhandlungen unterbrachen, die um 2 Uhr wieder fortgesetzt wurden. Lnnlanü. * Zur Lage in der englischen Baumwollindustrie. Der Bund der Baumwollspinner von Lancashirc hielt, wie uns ein Londoner Privattelegramm mel det, am Montag eine stark besuchte Versammlung in Manchester ab zur Beratung über den Ausstand eines Teiles der Arbeiterschaft. Es wurde beschloßen, falls diese Streitigkeiten bis zum 1. Oktober nicht beigelegt sind, eine allgemeine Aussper rung anzuordnen, von der dann 700 Fabriken mit 150 000 Arbeitern betroffen würden. Eine weitere Folge der Aussperrung wäre, daß 350 000 Arbeiter verwandter Branchen zur unfreiwilligen Arbeits niederlegung gezwungen würden. Spanien. * Der Ministerrat beschloß, die Wiedereröffnung des Parlaments auf den 6. Oktober festzusetzen. Der Finanzminister erörterte den außerordentlichen Etat und erklärte, daß eine Anleihe von 1^ Milliarden erforderlich sein werde, wovon 100 Mil lionen auf die Marine, 180 Millionen aus die öffent lichen Arbeiten, 750 auf das Heer, 310 auf das Innere und 22 auf Justiz und Unterricht entfallen würden. Türkei. * Sturz des ökumenischen Patriarchen? Die Pro- v i n z i a l m e t r o p o l r t c n, die zu Abgeordneten der Nationalversammlung der ottomanischen Grie chen gewühlt worden sind, sind mit der Haltung des Patriarchen unzufrieden und beabsichtigen den Sturz desselben. Sic protestierten beim g'- mischten Rat gegen die Vertagung der National versammlung und wollen sich im Patriarchat ver sammeln. * Beseitigung der Privilegien in der Türkei. „Torriere d'Italia" veröffentlicht eine Zuschrift aus Smyrna, wonach die dortigen türkischen Behörden jede Gelegenheit benützen, um die Kapitulationen zu beseitigen. Hierbei wird folgender Fall erwähnt: Ein Italiener hatte einen Franzosen verletzt, und der italienische Konsul wollte über den Italiener zu Gericht sitzen. Die türkischen Behörden verhafteten jedoch den Italiener und ließen ihn 7 Tage in Haft, worauf sie ihn freisprachen. Die Einwendungen des italienischen Konsuls und des italienischen Botschaf ters in Konstantinopel waren fruchtlos geblieben. Eine hohe ottomanische Persönlichkeit soll sich ge äußert haben, es sei nunmehr an der Zeit, mit den Privilegien der Fremden auszu räu men. Alle Fremden mußten in Zukunft nach türki schen Gesetzen abgeurteift werden. Griechenlsnü. * Die Nationalversammlung. Nach langer Ver handlung nahm die Nationalversammlung den An trag auf Leistung des Verfassungseide» an und behielt sich di« Besprechung über die Qualifi kation der Nationalversammlung als konstituierende oder revisionistische Versammlung bis nach Bildung des Bureaus für die Eidesleistung vor. * Da» griechische Memorandum über die Ersatz ansprüche. Die Konstantinopler Meldung, das grie chische Memorandum über die Ersatzansprüche wegen des Boykotts habe unhöfliche Ausdrücke gegen die türkischen Provinzialbehörden enthalten, worauf Li« Spannung zwischen der Pforte und dem griechi schen Botschafter in Konstantinopel zurückzuführen fei, ist, wie offiziös mitgeteilt wird, ungenau. Der die türkischen Behörden betreffende Satz des an den griechischen Gesandten in Konstantinopel gerich teten Memorandums lautet folgendermaßen: Alle MtnmoH, 2l. September lSio. Ausschreitungen werden täglich unter der Aeaide der Lokalbehörden begangen, die sie dulden und die sogar mit Agitatoren gemeinschaftlich arbeiten und sich weigern, den griechischen Untertanen den Schutz an gedeihen zu lassen, auf den sie ein Recht haben. vereinigte Staaten. * Taft und Roosevelt. Die „Associated Preß" ver öffentlicht folgendes CommnniguK aus Newhavn (Connecticut): Während der Unterredung zwischen Präsident Taft und Roosevelt am Montag wurden fast ausschließlich New Parker Staats angelegenheiten behandelt: nationale Fragen wurden nicht besprochen. Es ist zweifellos, daß ein Schatten des nationalen Wahlfeld zuges von 1k)12 über dem Zusammensein schwebte. Die alte Herzlichkeit zwischen Taft und Roosevelt ist geschwunden. Taft empfindet noch tief, daß Roosevelt jüngst erklärt hat, er habe das Gefühl, als wenn Taft nicht anständig gegen ihn vorginge. Es steht als das Ergebnis hiervon fest, daß die Beziehungen beider Männer nie wieder die alten werden können. Alas das Jahr 1012 anbelaugt, ist Tafts Stellung die, daß er gewillt ist, als Kandidat für die Präsident schaft wieder aufzutreten, wenn das Volk ihn nomi niert: braucht das Volk ihn aber nicht, so wird er sich seiner Entscheidung ruhig unterwerfen. — Schärfer kann die seit langem schon bestehende Spannung zwischen Roosevelt und Taft offiziell nicht ausgcdrückt werden! * Bestrafung eines Trustdeamten. Der frühere Sekretär und Schatzmeister der American Sugar Re- fining Company, Charles R. Heike, wurde durch das Bundesgericht zu 8 Monaten Zuchthaus und zu 5000 Dollar Strafe verurteilt, weil er die Negie rung durch falsche Angaben über das Zucker gewicht betrogen hat. k!raonttn!en. * Di« neue Andcnbahn. Der Senat nahm das Gesetz über den Bau der neuen Audenbahn an, durch die der Norden Argentiniens mit Chile verbunden werden soll. Die Baukosten betragen 8 122 000 Pesos Gold. Lllzislüemokratillherparteimg. br. Magdeburg, 20. September. (Prio.-Tcl.) Die Badenser haben der Parteileitung eine harte Nuß zu knacken gegeben. Man kann offenbar mit der heiklen Vudgetsrage nicht fertig werden. So einfach kurzerhand die um Frank, David und Kolb vor die Türe zu setzen, wie es Rosa Luxemburg und die Mannen ihrer Richtung am liebsten möchten, geht nicht an. Da» sieht sogar der prinzipienfeste Bebel ein. Tine Mißbilligung des Parteitage», und mag sie noch so scharf sein, wird den badischen Genossen ziemlich gleichgültig sein. Darum hat man heute noch rasch in aller Frühe eine Zusatzresolution einge- bracht, in der erklärt wird, daß diejenigen Partei genosten, die dem Beschlüsse Les Parteitages zuwider handeln, sich damit ohne weiteres außer die Pattei stellen. Doch auch das würde nur einen Verlegenheits beschluß bedeuten. Darüber sind sich alle einig, und auch die heutige Bebelsch, Rede ließ die ver zwickte Lag«, in die man da geraten ist, Lurchblicken. Man war auf den heutigen Vormittag überaus ge spannt. Di« Galerien füllten sich schon lange vor Beginn der Sitzung. Daß keiner der Delegierten fehlen würde, war vorauszusehen. Sie nehmen es überhaupt mit ihren Mandaten ernst und plagen sich redlich mit fleißigem Zuhören. Auch auf den Plätzen der Pressevertreter harrte alles erwartungsvoll der kommenden Ding«. Aber der große Tag enttäuschte. Das war nicht der alte Bebel, wie man sich ihn in Erinnerung an Dresden und Nürnberg gedacht hatte. Der Bebel von heute war nicht der Parteidiktator, der durch seine Persönlichkeit und seines Wortes Kraft die Master: nach seinem Willen lenkt. Er, der Sine Strmüe bei Ssin;. Eine Erinnerung. Non Amtsgerichterat Paul Schmidt (Leipzig). Ls kann wohl keinem Zweifel unterliegen, daß Josef Kainz nach dem Tode Matkowskys der be deutendste deutsche Schauspieler unserer Zeit gewesen ist, weshalb man dem Verfasser dieser anspruchslosen Plauderei verzeihen wird, wenn er den persönlichen Eindruck, den er von dem Künstler bei kurzer Be kanntschaft im Gespräch empfangen hat, im folgenden wiederzugeben versucht. Man wird dem Verfasser auch verzeihen, wenn er Labei von seinen eigenen Hervorbringungen zu sprechen mehrfach genötigt sein wird. Auf dem Theater hatte ich nur viermal Gelegen heit gehabt, Kainz' außerordentlich« Kunst zu be wundern, und zwar bei seinen letztjährigen Gastspielen im Leipziger Schauspiel haus«. Hatte er als Mephistopheles im „Faust" durch seine wunderbare Sprechkunst überrascht, die bei der größten Nuancierung im einzelnen nicht den leisesten Hauch der Goetheichen Verse verhallen ließ und doch die großen Züge des Dämons mit der „kal ten Teufelsfaust" in mächtiger Auffassung als Ganzes scharf umrissen vor Augen stellte, so war der am meisten individuelle Eindruck, den man von Kainz' Kunst empfing, wohl der seiner Darstellung des „Tasto", die al» merkwürdig« Leistung ja viel bewun dert und viel geschvlten ist. Kainz gab den Tasso, dessen für uns Neuere endlose Monologe er ohne jede Kürzung ließ, als «ine Art Thristu« in Gethsemane: er erschöpfte ßch so in der Wiedergabe dieser Roll«, kehrte so sein Innerstes an die Außenwelt hervor und entfachte einen solchen Sturm und Wirbelwind der Leidenschaft, daß ich schon damals den Eindruck empfing, das leibliche Gesäß, da» «inen solchen Orkan au»zusprüh«n wagte, müsse doch endlich in sich selbst zersprengt werden. Glaubte man so den ganzen Kainz erkannt zu haben, so war man erstaunt übe, di« ungeheure verwandlungskunft diese» wahrhaften Proteu», wenn man ihn in einem der modernen Sitten, und Milieustücke, etwa al» Bauer Grutz in Schönherr» „Erd« , wiedersah. In Maske. Haltung, Gebärde, Tonfall, selbst im Klang der Stimme war er dermaßen verändert, daß man nicht glaubte, denselben Menschen vor sich zu haben. Und dies« große Kunst war echt, denn sie konnte, wie bekannt ist. auch gelegentlich versagen. AI» „Romeo" bei einem fein« letzten Gastspiel« nu Leipztger Schauspielhaus« n«r»1«t«n ihn Nerven und Stimmung, er plärrte die Rolle herunter, wie auf einer überhasteten Probe, Lücken im Gedächtnis ließen ihn alle Konturen verwischen, und wenn er dennoch Beifall fand, so zeigt das, was die Suggestion eines großen Namens aus die Menge vermag. Mit Kainz persönlich zusammcngeführt wurde ich durch mein Drama „Kaiser Otto IU.", das im Mai 1909 im Leipziger Schauspielhaus« aufgeführt worden war. Ein junger Schauspieler, Theodor Loos, der jetzt für das nächste Jahr von Brahm an das Lessing theater engagiert ist, hatte mit größtem Fleiß und be wundernswertem Enthusiasmus die nicht einfache, an das Gedächtnis ziemliche Anforderungen stellende Titelrolle übernommen. Das Stück wurde von der Kritik einmütig abgelehnt, fand aber beim Publikum, selbst bei der Premiere, die unter dem Eindruck allzu langer, durch die Verwandlungen bedingter Pausen stand, einen sehr lebhaften, bei den Wiederholungen, al» dieser Uebelstand durch die bessere Einarbeitung der Maschinerie vermindert war, geradezu stürmischen Beifall. Das gab mir den Mut, mich an Kainz, von dem ich wußte, daß er heroische Rollen in großen Tragödien mit Vorliebe suchte, gelegentlich seines Aufenthaltes in Leipzig mit der Bitte zu wenden, die Darstellung Ottos III. bei einem seiner Gast spiele zu übernehmen. E« war nicht leicht, zu dem vielumworbenen Manne Zutritt zu erhalten: im Hotel war er unnah bar und durch eine Mauer von Portiers und Be diensteten verschanzt. Herr Oberregisseur Bornstedt, der den Kanzler Williges von Mainz in meinem Drama verkörpert hatte, war so gütig, eine Unterredung zu vermitteln, und so machte ich denn an einem klaren Herbstmorgen 1909, von Born stedt vorgestellt, die Bekanntschaft von Kainz. Wir schritten etwa eine Stunde lang vor dem Hotel „Katserhof", das der Künstler damal» bewohnte, auf und ab, seine Gattin mit ihm erwartend, di« erkrankt gewesen war und auf der Reise nach Leipzig kam. Mein Drama, da» ich ihm bereits früher hatte über reichen lasten, war Kainz bekannt. Gr erklärt« sich auf da» liebenswürdigste bereit, die Rolle Ottos III. zu übernehmen, und gab mir anheim, es unter Be rufung auf ihn bei dem Berliner Königlichen Schau spielhaus zu Händen des dortigen Dramaturgen Dr. Paul Lindau einzureichen, nur sollte als dafür in Frage kommendes Gastspiel nicht das damals bevor stehend«, sondern eine« der für später geplanten in» Auge gefaßt werden. Kafty «« in bester Stimmung, wie je mand, der im Zenit seines Schaffens und Könnens steht. Er sprudelte von Witz und Laune. Als ich ihm von den Schwierigkeiten sprach, die ein unbekannter dramatischer Autor bei der Anbringung von Dramen an deutschen Theatern habe, während Dänen, Nor weger, Rusten, Franzosen, die Wied, Shaw, Gorki, Gjellerup, die Flers und Cavaillet mit ihren Erzeug nisten die Bühne beherrschten, sagte er mit dem ihm eigenen Lächeln, indem er aus den nahen Schwa- nenteich hinwies: „Dort, auf jener Bank, habe ich in jungen Jahren, als ich als unbekannter Anfänger hier in Leipzig meine schauspielerischen Lehrjahre durchmachte und wegen meiner Gestalt und Sprech weise arg verhöhnt wurde, manchmal gesessen und mich verzweifelt gefragt, ob es nicht bester wäre, sich in das Wasser zu stürzen und dem allen ein Ende zu machen — und Sie sehen", fügte er hinzu, „ich habe es dennoch zu leidlichem Ruhme gebracht." Wir kamen dann auf die Lage dramati- scher S'ch riftsteller überhaupt zu sprechen. Ich bemerkte, daß man bei Einreichung eines Stückes sicher monatelang, bisweilen auch jahrelang warten könne, ehe man die übliche ablehnende Antwort er halte. Kainz erwiderte: „Die Theater werden mit stücken überlaufen. Bei den Berliner Theatern sollen täglich Dramen in ganz unglaublicher Anzahl eingehen." Ich gestattete mir, geltend zu machen, daß, soweit ich Gelegenheit hatte, einen Einblick zu ge winnen, e» sich um al« Manuskript gedruckte Posten, Schwänke, Dilettantenstllcke minderwertigster Art handle, denen man die Wertlosigkeit auf den ersten Blick ansehe, während wirkliche Tragödien großen Stils bei einem Theater jährlich kaum ein paar Dutzend einliefe», die also sofort zu sichten wären. Kainz erwiderte: „Die meisten Stücke werden gar nicht gelesen. Es mangelt für den dramatischen Schriftsteller eben an jeder Instanz, an die er appel lieren könnte. Ich kann Ihnen da ein bezeich nende» eigene» Erlebnis erzählen. Ich hab« «ine Uebersetznna des Byronfchen „Eardanapal" verfasst und sie vor Jahren dem Direktor des Wiener Hofburgtheaters Schien- ther zur Aufführung übergeben. Er steckte das Manuskript in seine Brusttasche und sagte mir wohl wollende Prüfung in der nächsten Zeit zu. Es ver ging über ein Jahr, ohne daß ich wieder etwas von der Sache hörte. Als ich darauf zurückkam, stellte sich herau», daß Cchlenther das Manuskript gar nicht ge lesen hatte. Ich konnte meinem Glück danken, daß ich es überhaupt wieder zurückerhielt." Kainz kam dann anf di« Rollen zu fprechen, di« er in der nächsten Zeit geben wollte, wobei er auch Richard II. erwähnte. Ich sagte zu ihm: „Warum graben Sie dieses fast verschollene Stück wieder aus? ZlZarum diese Garbe, die nun dreihundert Jahr« lang leergeklopft worden ist. wiederum klopfen? Nehmen Sie Tragödien lebender Autoren, und Sie werden ungeahnten Erfolg erringen. Nur nicht gerade Tot gehurten, wie den doppeltgekrönten „Tantris". Kainz wehrte ab: „Was wollen Sie? Tantris ist ein gutes Stück, ich habe großen Erfolg Larin gehabt." Unterdes war des Künstlers Gattin erschienen, eine einfache, vornehme Frau von gewinnendem Wesen. Nachdem er sie herzlichst begrüßt hatte, lud uns Kainz ein, noch ein Stündchen bei ihm in seinem Hotelzimmer bei einer Zigarette zu verbringen. Wir folgten selbstverständlich der Einladung und betraten den Hotelsalon, ein im üblichen Klimbimstil luxuriös ausaestattetes Gemach, das auf den ersten Blick den Eindruck eines Teppichbasars machte, Teppich« am Fenster, an den Wänden, an den Türen, Teppiche am Boden! Das Gespräch, an dem sich Herr Bornstedt und die Gattin von Kainz lebhaft beteiligten, drehte sich hauptsächlich um Theaterangelegenbeiten, meist um eine junge, schöne Schauspielerin, die damals dem Ensemble des Leipziger Schauspielhauses angchörte, und die gerade an jenem Morgen, erregt über eine ungünstige Kritik, unter Tränen bei Kainz Rat und Trost gesucht hatte. Kainz hatte sich ihrer auf das liebenswürdigste angenommen, betrachtete aber ihre künstlerische Zukunft, wegen einer eigentümlichen Kälte im Spiel, die ihn am Abend vorher fast selbst aus dem Konzept gebracht hätte, etwas skeptisch. So verflog die Zeit, und ich hatte beim Abschied das Gefühl, nicht nur einen großen Künstler, sondern auch einen guten und liebenswürdigen Menschen kennen gelernt zu haben. Die Pläne und Entwürfe aber, die dieser bedeutende Kopf noch auszuführen gedacht«, der nach immer neuen Lorbeern strebt«, hat da» unerbittliche Schicksal zunichte gemacht, indem es ihn mitten au» der Bahn riß und vor der Zeit dahin streckte. So ist das unberechenbare, rätselhaft Leben, von dem ein großer Bervfsgenoste des verewigten Kainz, der Schauspieler Shakespeare aus Strat ford, im „Macbeth" sagt: ..Leben ist nur ein wandelnd Schattenbild, Ein armer Komödiant, der auf der Bühne Stolziert und tobt ein Weilchen und dann nicht mehr Vernommen wird: ein Märchen ist's, erzählt Don einem Tollen, voller Lärm und Wüten, Doch nicht, bedeutend."
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