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Leipziger Tageblatt und Handelszeitung : 13.11.1909
- Erscheinungsdatum
- 1909-11-13
- Sprache
- Deutsch
- Vorlage
- SLUB Dresden
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id84535308X-190911136
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id84535308X-19091113
- OAI
- oai:de:slub-dresden:db:id-84535308X-19091113
- Sammlungen
- Saxonica
- LDP: Zeitungen
- Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
-
Zeitung
Leipziger Tageblatt und Handelszeitung
-
Jahr
1909
-
Monat
1909-11
- Tag 1909-11-13
-
Monat
1909-11
-
Jahr
1909
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3. Beilage Tonnabeud, 13. November 1000. Feuilleton. Nur der geistig Minderbemittelte läßt sich in Diskussionen ein. Oskar Wilde. * Hermanirffa-t. Von Leo Greiner. Eine kleine deutsche Residenz . . . Wer aus dem finstern, freudlosen Kronstadt kommt, das sich mit seinen Winkelgäßcheu schmal und gedrückt zwischen den überhängenden Gebirgen versteckt, oder aus den erst vor kurzem erschlossenen Wildnissen des Jogaraser Gebirges, des Negoigebiets und seiner hohen, in Felsenkesseln verborgenen Meeraugen gegen Hcrmannstadt absteigt, fühlt sich mit wunderlicher Plötzlichkeit, noch voll von den Ein drücken eines so fremdartig scheinenden Landes, von der lieben, vertrauten Heiterkeit eines thüringischen Fürstenstädtchens umfangen, wenn ihn die kleine, schmalspurige elektrische Bahn mit fast komisch wirkender Hast in wenigen Minuten vom Bahnhof ins Herz der Stadt führt. Sie fährt nur durch die Scherergasse, gleich ist sie am großen Ring, und nicht weit hinter der Heltauer und Schewuisgasse, am Erlenpark, ist sie schon wieder zu Ende. So klein ist diese Bahn. Dennoch scheint sie noch um einiges großer als der Zweck, für den sie angelegt wurde, denn sie ist immerhin eins von jenen Vehikeln, mit denen man instinktiv, aus seiner phlegmatischen Gewohnheit heraus, die Begriffe von Groß- und Massenbetrieven, etwas wahrhaft Amerikanisch-Grenzenloses verbindet, und die Strecke vom Bahnhof zum Erlenpark hat im Vergleiche dazu etwas so VorelektrisckeS, Spaziergänger haftes, Gemütsruhiges, daß der Wagenlenker, mit dem zu sprechen strenge verboten ist, mehr an einen Sportsmann erinnert, der auf eigene Faust die Müßiggänger auf dem Bürgersteig erschreckt, als an eine Persönlichkeit, die mit ihren eilenden Kraftwagen von eben diesen Müßiggängern bestellt und bezahlt wird. Aber dies ist ja eben das Eharaktereigcntümliche der kleinen Residenzen: daß ihr Gesichtskreis weiter, nicht um viel, aber immer- hin weiter ist, als ihr topographischer Umfang, und daß dieses kleine Mehr, das den Rcsidenzlern und Rcsidcnzlcrinncn so gut zu Gesicht zu stehen pflegt, sich in ihrem Leben als ein leichter Ucberschuß über das Gewöhnliche, als ein Versuch zu einer gewissen Freiheit, ja selbst einer bescheidenen Sünd- lichkeit, Eleganz und Genußfähigkeit äußert, lauter Eigenschaften, die in be vorzugten Zeiten sogar zu geschlossenen Kleinstadtkulturen führen konnten. So weit hat cs nun Hermannstadt freilich nicht gebracht; allein daß eS jahrhundertelang der Mittelpunkt des kleinen siebenbürgischen Sachsen volkes und zeitweilig die Hauptstadt dieses ganzen Landes war, hat ihm ein Erbe gesichert, das heute, da die Bedeutung des Städtchens in politischer Beziehung durch die Neuordnung der Tinge nivelliert worden ist, noch lange nicht verbraucht erscheint: die Politik, deren Zentrum es war, hat den Um satz an Gedanken und Worten erhöht, die Blutzirkulation des allgemeinen Lebens beschleunigt, Machtbcwußtsein und Souveränität trotz der herrschen den Enge ins Große und da und dort selbst ins Großartige bis ins Tragische hinauf erzeugt, und davon blieb den Enkeln, obgleich sic so gut wie alles, was die große Zeit ihnen gebracht, verloren hatten, ein Rest von Stolz, Streben und Freiheit: die einstige Vielfältigkeit des Lebens war ein guter Blitzableiter für die sonst unumgängliche Entstehung spießbürgerlicher Denkungsart gewesen, und was sich nun nicht mehr nach außen gebrauchen ließ, gab dem inneren Leben einen gewissen Schwung: man suchte Heiter keit und Gefälligkeit in die Enge des Daseins zu tragen, liebt Theater, Musik und hübschen Luxus, freut sich an niedlichen, eleganten, elektrisch schimmernden GcschäftSläden und ist unbeabsichtigt alles in allem ein wenig wienerisch, obgleich die sicbcnbürgische Lust rauh und unzärtlich durch diese Gaffen fegt und am Ende der Häuserreihen, die jeden Augenblick einen Durchblick ins Freie der Ebene eröffnen, in der Ferne die schroffen, grauen voll gezackten Stämme des Gebirges, unnahbar und allem Fröhlichen ab hold, in finsterer Erstarrung sichtbar werden. Eine kleine deutsche Residenz . . . Auf dem großen Ring, der mit seinen vier Zeilen, zum Teil alten, kleinen, hochgcgicbclten Häusern mit Torbogen, die Weite des leeren, holprig gepflasterten Platzes umschließt, steht, von der Sonne beschienen, ein umgitterter Heiliger. In der einen Front, in sich versunken, das Gebäude der sächsischen Nationsuniversität, in dem die Geschicke des siebenbürgischen Deutschtums mehrere Jahrhunderte lang entschieden wurden. Noch sieben davor die vier Tanncnbäume, die der einst das Zeichen der richterlichen Gewalt der Hcrmannstädter Königsrichter waren, jener mächtigen Sachsengrafen, denen das Recht der Leibes- und Lebens strafen von Königen und Kaisern übertragen war: die Tannenbäume grünen, aber die Rechte sind verdorrt. Wie klein ist dieses HauS, und wie Heftsam, daß dereinst soviel Macht, Entscheidung und Hoffahrt darinnen Geriehtssaal. Reichsgericht. rr. Leipzig, 12. November. Gefälschte Knba.sigarren. Der Firma Henry Elay und Bock <L Co. in London sind vier Warenzeichen in Deutschland für Kubazigarren und -tabake geschützt worden. Wegen Inverkehrbringens von Nachahmungen und Verletzung des Markenschutzes ist vor einigen Jahren der Zigarren fabrikant Kabel in Altona verurteilt worden. Am 26. Februar dieses Jahres hatten sich nun vor dem Landgerichte Hamburg der Kaufmann Friedrich Fuchs und der.Kaufmann Gottwald aus Hamburg sowie der Kommerzienrat Weygang in Bautzen wegen Beihilfe zum Vergehen gegen das Warenschutzgeietz zu verantworten. Alle drei haben seinerzeit Kabel die Umhüllungen sEtiketten, Binden usw.s mit dem widerrechtlich benutzten Warenzeichen geliefert. Das Gericht hat angenommen, das; die Angeklagten, weil mit dem Geschäftszweig ver traut, wissen mußten, daß die fraglichen Warenzeichen geschützt waren. „Henry Clav" ist nicht, wie sic behaupten, Freizeichen und ist es niemals gewesen. — Die Revisionder drei Angeklagten, die u. a. Ungültigkeit des Strafantrages behauptete, kam gestern vor dem Reichsgericht zur Verhandlung. Der Verteidiger wies im besonderen darauf hin, daß Kommerzienrat Wcvgang der Leiter eines außerordentlich großen Be triebes mit vielen Unterabteilungen sei und sich unmöglich um geschäft liche Einzelheiten kümmern könne. Er habe von der Anfertigung der hier fraglichen Warenzeichen gar keine Kenntnis gehabt, was um so glaubhafter sei, da er in hohem Alter siche und schon unter Schlag anfällen zu leiden gehabt habe. Da jedoch diese Behauptungen sich gegen die tatsächlichen Feststellungen richteten, konnten sie Beachtung nicht finden. Das Reichsgericht erkannte auf V e r w e r f u n g der Revisionen. ASnigNehes Schöffengericht. ? Leipzig, 12. November. Zu einem wüsten Auftritt kam es in der Nacht zum 11. August vor einer Gastwirtschaft in der inneren Stadt, als ein Polizeibeamter den Namen des Arbeiters Mar L. feststellen wollte. Dieic Namensfest stellung erfolgte aus dem Grunde, weil L. kurz vorher den ihm auf der Straße begegnenden Arbeiter Sch. ohne alle Veranlassung angc- rempelt und auf ihn losgeschlagen hatte, was Sch. dem nächsten Schuh- manne, den er traf, meldete. Da L. dem Beamten seinen Namen nicht sagen wollte, sollte er mit auf die Wache kommen. Das paßte ihm aber erst recht nicht, und so erging er sich denn in den unflätigsten Schimpfe reien. Als ein zweiter Schutzmann dazu kam, schlug L. mit den Fäusten um sich, trieb dem einen Beamten den Helm über den Kopf und trat den anderen mit dem Fuße gegen den Unterleib. Als alles nichts half, warf L. sich zu Boden, und den beiden Schutzleuten blieb nichts anderes übrig, als den rabiaten Arrestanten zur Wache zu schleppen. Auf der Wache riß L. sich dann plötzlich los. griff nach einem Wachtmeistcrsäbel,. der an der Wand hing und hieb auf die Beamten ein; den einen traf er so schwer an der Hand, daß der Verletzte vier Wochen hindurch keinen Dienst tun konnte. Vom Schöffengericht wurde L. einschließlich einer dreimonatigen Strafe, die er in einer anderen Sache bekommen hat, wegen Körperverletzung, Widerstandes gegen die Staatsgewalt,Beleidigung und groben Unfugs zu 11 Monaten Gefängnis und 3 Wochen Haft verurteilt. Als er das hörte, sprang er auf, schlug mit den Fäusten auf die Lehne der Anklagebank und brüllte: „Die Schutzleute sind meineidig! Die Strafe nehme ich nicht an! Tie Verhandlung muß vertagt werden!" Wegen Ungebühr vor Gericht wurde gegen ihn jetzt noch auf eine sofort zu vollstreckende Ha ft st rase von 3 Tagen erkannt. Der Kieler Werftpro;e- . s-ks. Kiel, 12. November. Im weiteren Verlauf der gestrigen Verhandlungen wurde als Zeuge Kaufmann Bernstein vernommen, der häufig selbständige Geschäfte mit der Werft gemacht, manchmal sich auch an der Chapruse beteiligt hat. — Vors.: Haben Sie zuweilen Verdacht gehabt, daß Frankenthal auf der Werft Geschäfte macht, die nicht ganz regelrecht waren? — Zeuge: Ja, ich habe gedacht, daß er dort Vorteile habe, wie und wo, darüber konnte ich nur Vermutungen anstellen. — Es wird dann ein Leipziger Tageblatt. Raum gefunden! Dicht hinter dem großen Ring führt die Harteneckgasse an den Resten der alten Stadtmauer entlang, aus der noch heute einige Zunftbasteien, schön getürmt, herauswachsen. Die Gasse trägt ihren Namen nach dem berühmtesten unter den sächsischen Grafen: Johann ZabantuS Sachs von Harteneck, einem Manne von Wallensteinischem Geschick, der im Jahre 1703 auf dem großen Ring, angesichts der vier Tannenbäume, die seine oberrichterliche Blutgewalt symbolisierten, wegen Hochverrats vom Leben zum Tode befördert wurde. In dem winkligen Ratbaus aber, daß durch ein Gäßchen vom großen Ringe zu erreichen ist, geht man durch einen baumbestandenen, mit hölzernen Galerien umgebenen Hof, betritt über eine enagewundene Turmtreppc die Rüstkammer und erblickt daselbst zwischen zerschlissenen Bannern und der RcvolutionSfahne des Georg Rakcczy das Schwert, mit dem jenes Blntgericht an Sachs von Hartencck vollzogen wurde, und kann es aus der Scheide ziehen und sein Gewicht und seine Schärfe prüfen. Tritt man dann wieder ins Sonnenlicht und überblickt den Platz im Geviert von Bürgerhäusern und runden Torbögen, so glaubt man den stillen Tagesschein und den stummen Heiligen, den er umspielt, uni einiges besser zu verstehen. Eine große geschichtliche Mission ward hier unterbrochen, Geschicke und Geschichten erfüllen die Lust mit traumhaftem Schweigen, und Ivie überall, wo der Lauf einer ins Große gehenden Ent wicklung gehemmt und zerstört wurde, sind auch hier die historischen Er innerungen unauslöschlich, und Dinge, die sich vor Jahrhunderten zuge tragen, sind wie gestern geschehen und reden aus Holz und Steinen deutlich klagend. Auf dem engen kleinen Ring, auf dem Huctplatz mit der gotischen Stadtpfarrkirche, in der Pempslingergassc, die bogcnübcrbrückt an hohen Mauern entlang in die Unterstadt hmabführt, wiederholt sich diese vom Alten gesättigtes schicksalsvolle Stimmung im Kleinen. Und die Geschichte beeinflußt daö Leben noch heute, sie bedarf nickt der Schule, um künstlich erhalten zu werden, sie lebt als freie Tradition auch in den unteren Volks schichten, jeder weiß, was Hermannstadt gewesen, was die Harteneck, Hnet, Pempflinger, Brückenthal für mächtige Herren waren und welche Schicksale sic gehabt. Brückenthal . . . Dies ist der Name, der gewissermaßen von selbst aus dem alten in das gegenwärtige Hermannstadt hinüberleitet. Sein Palast mit hohem Portal und weiten Höfen, jetzt zur Unterbringung der Bildergalerie und anderer Museen verwendet, steht unter den Bürger häusern des großen Rings als ein Dentmal weltmännischen Geistes, der die Schranken des Zunftbürgertums durchbrach und in Weite, Luxus, Behagen und schöngeistigem Mäcenatentum zum ersten Male etwas wie wienerische Lebensführung in die kleine, würdige und ein wenig steife Sacksenstadt mit ihren Dunkelheiten und deutenden Schicksalen hineintrug. Samuel von Brückenthal, Gouverneur von Siebenbürgen, Freund der Kaiserin Maria Theresia, Kunstkenner und Sammler, Diplomat und Weltmann, stellt unter den streng bürgerlichen Sachsen eine Erscheinung von sonst unerhörter Frei heit, Gesellschaftlichkeit und ästhetischer Bildung dar, und der Ton, den er anschläat, bezeichnet ein deutliches Hinaustreten über das Trägheitsgesetz der Kleinstadt und scheint beute noch, nach so vielen Veränderungen, im Leben des modernen Hcrmannstadt zu erklingen. Freilich ist es jetzt nicht eine einzelne bedeutende Persönlichkeit, die ihn angibt, und jene Brücken- thalsche Leichtigkeit ist wohl auch nicht mehr so tief fundiert wie damals. Jetzt scheint es das österreichische Militär, das hier in Massen stationtcrr ist, was in oberflächlicher Weise die weltmännische Freiheit pro klamiert und den langsameren Sachsen, mag er wollen oder nicht, in seinen lustigen Strom mit fortrcißt. Tas ganze neue Hermannstadt trägt, schon architektonisch, die Signatur der Militärstadt, fast alle großen Gebäude hängen als Kasernen, Spitäler, Kommandanturpalais mit den uni formierten Eindringlingen zusammen. Eine kleine deutsche Residenz, lieb, still, voll verrauschter Schicksale, gewiß! Aber es ist österreichische Einguartie- rung darinnen, die Kaiserlichen bestimmen das Leben, und wenn sie auch nicht mehr wie im 17. Jahrhundert mit Faustreckt und grausamen Steuern Hausen sondern ihre Invasion nur durch bunte Röcke, Wiener Dialekt und Zapfenstreich mit schmetternder Musik und wandernden Lichtlcin dokumen tieren, so sind sic doch, wie dazumal, immer noch Herren der Stadt und kommandieren die ganze Bevölkerung auf die Bretterpromenade, wenn vor dem elektrisch strahlenden Prunkcafe die Militärkapelle den Brautmarsch und den Donauwalzer spielt. Obwohl Fremde, sind sie nicht verhaßt, denn sie täuschen dem bedeutungslos gewordenen Städtchen Bedeutung vor, bringen Geld ins Land und beschleunigen den allgemeinen Pulsschlag. Unter allen Städten Siebenbürgens ist Hermannstadt die einzige, die heute noch, trotz ungarischer und rumänischer Zuzügler, ungestörten deutschen Charakter besitzt. Aber die deutsche Svrache, die hier herrscht, ist nicht die langsame, singende, nordische des Sachsen, sondern die raschere, süßere deS Wieners, oder, grauenhaft anzuhören, jenes raffelose, deutsch ungarisch slawische Gemisch, das die Sprache des nichldeutschen, aber in der Kadetlenscyule halb verwienerten österreichischen Offiziers ist, ein Kauder Nr. 31S. 103. Jahrgang. welsch, das der österreichische StaatSgedanke au» Wiener Deutsch und einigen östlichen Idiomen zusammengebraut hat. Selbst der Sachse, sonst wenig anpassungsfähig, ist von der österreichisch-babylonischen Sprechart vielfach angrsteckt, seine Aussprache ist hier leichtfertiger als sonstwo in diesem Sande, und kokettiert wohl gar mit der weltmännisch erscheinenden Auflösung der Sprachformen. Von der Bretterpromenade, wo all dies bunte, österreichische und sächsische Volk versammelt ist, flüchtet man darum gerne zurück in die Harteneckgasle, ein Zeugnis feinen, ästhetischen Geiste», dem cdclmännischen Wesen des Samuel von Brückenthal verwandt. * * Professor Max Pohle in Chemnitz ß. Ter langjährige Leiter der Städtischen Kapelle in Cyemniy, Musikvirellor Professor Max Pohle, ist nach längeren Leiden gestern gestorben. Am 25. Mai 1852 als Sohn eines Musik» diieltors in Leipzig geboren, studierte Pohle von 1866 an Musik vornehm lich unter C. H. Dörings Leitung und ging drei Jadre ipäter als Cdordirektor an das Kölner Stadttheatcr. Im Oktober 1870 übernahm er die Leitung der Konzerte aut dem Kgl. Belvedere in Dresden, fungierte Jahre daraus als Konzert- nieylcr in BreSlau und ward 1872 rum Kapelldireklor des 104. Regiments „Prinz Friedlich August" in Zwickau gewählt, das in der Folge nach Chemnitz über» üedetlk. Har ward Pohle im September >889 städtischer Musikdirektor, welchen Po icn er bis 19 )7 beneidete. Während seiner Krankheit wurte er durch den Thcaterkapellmeister Malala vertreten. Starte Willenskraft und unerschütterliches lünsüerijches Glaubensbekenntnis charakterisierten Pohles gesamtes Muken, das für Chemnitz im Rahmen der Städtischen Abonnementskonzerte und des Chemnitzer Lehrergeiangvereins von grötzler Bedeutung war. Kunstreiten führten die Chemnitzer Kapelle nicht selten nach bedeutenden Kunstzemren wie Dresden und München. Auch in Leipzig erschien diese stünstlerschar zu wiederholten Malen in weltlichen und lirchlicken Konzerten. Max PohlrS Wirten wird auch hier, in seiner Vaterstadt, unvergessen bleiben. * Münchner Theater. Man schreibt uns aus München: Im Zeichen Friedrich Schillers bat das Schauspielhaus einen schönen Sieg errungen. Man spielte „Kabale und Liebe", man spielte die Tragödie mir großem Eifer und gutem Gelingen, und man fand ein dankbares, begeistertes Publikum. Dadurch würde sich aber die Aufführung des Dramas im Schauspielhaus nicht wesentlich von den vielen Hunderten unterschieden Haden, die jetzt zum Gedenken Schillers stattfinden, wenn nicht Direktor Stollberg mit großem, künstlerischem Verständnis ihr einen ganz reizenden, eigenartigen Nahmen gegeben hätte, der das Ge- samtbilo zu einer besonders intimen Wirkung brachte. Kostüme und Ausstattung waren durch Herrn Kunstmaler Götz, den künstlerischen Beirat der Direktion, nach Stichen von Chodowicki hergcstcllt, und so sah mau wiederholt Szenenbilder, -die sehr gut von dem großen Illustra tor der klassischen Literaturepoche selbst hätten stammen können. Dabei war seitens deS Direktor Stollberg insofern dramaturgisch sehr geschickt Vorlegungen worden, als er die übliche Einteilung in Akte mit den störenden Verwandlungen ganz fallen ließ, und dafür neun Abschnitte oder Bilder, wenn man so jagen will, einsetzte, die glatt, ohne nennens werte Paule heruntergcspielt wurden. Dadurch machte das Drama einen so unmittelbaren, mächtigen und dabei geschloffenen Eindruck, wie ich ihn nie empfunden habe. Stürmischer Applaus rief denn am Schluß mit den Darstellern auch Herrn Direktor Stollberg vor die Rampe. — Tas Volkstheater veranstaltete einen ganzen Schillerzyklus, der die Mehrzahl der Schillerschen Werke umfaßte und zu dessen Durchführung sich die Direktion Iran Anna Feldhammcr, die von ihrem Wirken am hiesigen Hofthcater bekannt ist, den sächsischen Hofschauspielcr Herrn Tiller verschrieben hat. LI. X. * Hochfäuiluachrichtrn. Zum Rektor der Kieler Universität wurde vom März 1910 bis 1911 Professor Dr. vhil. Goetz-Martins gewäklt. — Aus BreSlau wirb gemeldet: Tie Stadtverordneten genehmigten zur Zentenarfeier ter Univelsität BreSlau im Fabre 1911 die Erwerbung von mnf am Unioer- sitätsptatze gelegenen Grundstücken für 300 000 ./t zur Errichtung eines StubentenheimS. * Kleine Chronik. Frl. Margarete Brill, eine junge Leipzigerin, wurde ab 1910 als erste Soubrette an kas Resivenztheater in Dresden engagiert. Die Künstlerin hat ihre geianglicke Ausbildung bei Kapellmeister Otto Findeisen, die sckauivielerische bei Regisseur Rudolf Retty erworben.— Das Kleine Theater in Berlin erwarb durch Vermittlung der Anstalt für Aufführungsrecht lCharlottenburg-Berlini das vieraltige Lustspiel deS bekannten englischen Schriftstellers William I. Loke „Die Sittenlehre des Sir Marcus". Das Stück, da» mit einem geistvollen Dialog, der an OScar Wilde gemahnt, eine sehr lustige Handlung verbindet, wird im Frühjahr die Uraufführung erleben. Auch für Wien und von Adele Hartwig für ihre Gast spiele wurde das Stück bereits erworben. Brief verlesen, den der Zeuge am 10. November 1904 an Frankenthal geschrieben hat und in dem eS heißt: „Ich mache keine Geschäfte auf Grund von Uebergcwicht oder gefälschten Manipulationen, das mögen Sie sich ein für allemal merken." — Vors.: Was meinen Sie mit dem Uebergew ckt und den falschen Manipulationen? — Zeuge: Ich war mit Frankenthal und Jacobsokm nicht befreundet wir haben uns immer in den Haaren ge legen, weil sie mir das Geschäft erschwerten. Wenn man sich da aus- cinandersetzt, schreibt man manches, was man später nicht verstehen kann. Gewichtsdifferenzen kommen ja beim Altmaterial vor. Ein Wagen Blei wiegt hier ebensoviel wie in Honolulu. Anders ist es beim Altmaterial. Ter Zeuge erklärt weiter, die Kaiserliche Werft habe die Händler iinmer nur al? Schuttabladcstelle betrachtet. — Bert. Justizrat Sch irr er: Wie wiegt denn die Kieler Werft? — Zeuge: Ehe die Werftgeschichte passierte, Hobe ich einmal eine Zusage aus Rohre bekommen. Ich ging hin und wollte sehen, wie die Ware auSschaut. Da gab man mir eine Dezimalwage, die war mindestens 100 Jahre alt. Drei oder vier Beamte und Applikanten waren auch dabei. Ich sagte: Mit dieser Wage kann ich nicht wiegen. Es wurde aber doch die alte Wage benutzt. Als ich nach Hause kam und nachwog, war ich sehr zufrieden. (Große allgemeine Heiterkeit.) — Ein Beisitzer fragt: Wollen Sie sagen, «ie hätten viel Uebergewicht bekommen? — Zeuge: Ich sage nur, ich war zufrieden, weiter will ich nichts sagen. (Erneute Heiterkeit.; Ich hatte der Werft ausdrücklich mitgeteilt: mit dieser Wage kann man nicyt wiegen. Der nächste Zeuge ist Kaufmann Petznick (Hamburg). Er gibt an, er babe auch Geschäfte mit der Kieler Werst gemacht, habe aber dabei 120 000 zugesetzt. Wenn die Kieler Händler das Altmaterial von der Werft bekamen, fiel es immer bester aus als bei den auswärtigen Händlern. — Der Erste Staatsanwalt fragt, ob sich der Zeuge nicht einmal bei dem Reicksmarineamt beschwert habe. — Zeuge: Ja, es handelte sich um die erwähnte Chapruse. Die Beschwerde ist aber in der Erregung geschehen. — StaatSanw.: Sie sprechen in der Beschwerde von russischen Zuständen. — Zeuge: Ich sagte, daß die Herren aus Kiel, speziell Frankenthal, sich das beste Material aussuchen könnten und wir das schlechte kaufen mühten. Vors.: Sie wußten doch aber, unter welchen Umständen und zu welchen Bedingungen die Werft verkaufte? — Zeuge: Ja, wenn man aber sieht, daß einer eS anders machen konnte . . . — Vors: Sie »vollen damit sagen, cs war allgemein das Gerede, daß die Kieler Herren bester wegkamcn? — Zeuge: Ja. — StaatSanw.: Sie sprechen in der Beschwerde von Durchstechereien. Meinten sie das in bezug auf Beamte? — Zeuge: Tas kaun ich nicht sagen. Wenn die Kieler Herren bester weggekommen sind, so liegt das an der Organisation. Bestimmte Beamte kann ich nickt namhaft machen. — Bert. Justizrat Sch irr er fragt den Zeugen, ob nicht vor 14 Tagen im „Hamburger Fremdenblatt" ein Brief ver öffentlicht worden sei, der dem Zeugen in dieser Anllagcsacke ab genommen wurde. — Zeuge: Ja. — Justizrat Sch irrer: Ich stelle fest, daß aus der Anklageschrift ein Brief vorzeitig veröffentlicht worden ist. Die vorzeitige Veröffentlichung ist eine strafbare Handlung. Ich bitte zu erwägen, ob die Staatsanwaltschaft das verfolgen will. — Vors. Herr Justizrat, wollen Sie die Güte haben, sich mit ibrem An träge an die Hamburger Staatsanwaltschaft zu wenden. — Justizr-.it Schirrer: Vi-lleickt interessiert sich aber auch die hiesige Staatsanwalt, schäft dafür (Heiterkeit.) Z-uae Kaufmann Detten (Hamburgs ist der Schwager Brakels. Er bekundet, daß er nach besten Verhaftung die Geschäftsbücher aus Angst vernichtet habe, soweit sie sich auf die Geschäfte mit der Werft bezogen. Es sei ihm erst später klar geworden, daß er damit seinem Sckwager einen schlechten Ge- fallen erwiesen habe. — Ein Zeuge gibt an, daß im Bureau Frankenthals zwei verschiedene Lochmaschinen verwendet wurden. — Es wird dann die Witwe des verstorbenen Spediteurs Klünder vernommen. Sie gibt an, ihr sei nicht bekannt, daß ihr Mann mit Frankenthal und Jacobsohn größere Geschäfte gemacht hätte. Zn Beginn des heutigen zehnten VerhandlungStagcS fragt ein Ge schworener: Der Angeklagte Hermann Jacobsoyn hat gestern gesagt, die hebräischen Ausdrücke „Rabbi I und II". „MeschoreS". „Balbvis" feien ge braucht worden, um den Angestellten und der Konkurrenz nickt zu ver-.aten mit wem man in Verbindung stehe. Nun kommen doch Ä>er diese Ausdrücke auch in den Briefen vor, die der Angeklagte Jacobsohn an Frankenthal ge schrieben hat. — Angekl. Hermann Jacobsohn: Diese hebräischen Ausdrücke wären bei mir schon gang und gäbe und ich habe sie auch in den Privatbriescn gebraucht. Hierauf wurde eine Reihe von Zeugen vernommen über das Verhältnis der Angeklagten Frankenthal und Jacobsohn zu dem inzwischen verstorbenen Klünder. Mit diesem Klünder, der eine Zeitlang Werftsvediieur war, sollen die Angeklagten Frankenthal und Jacobsohn bekanntlich in den engsten geschäftlichen Beziehungen gestanden haben, und dieser Klünder soll mit den hebräischen Ausdrücken gemeint sein. Die Anklage bestreitet, daß ein solch enger geschäftlicher Verkehr vorlag und hat dafür eine ganze Reihe Zeugen benannt. Es sind das in erster Reihe frühere Angestellte des verstorbenen Spediteurs Klünder. Ter als Zeuge vernommene Verarbeiter Böttcher bekundet, daß er von einem solch engen geschäftlichen Ver kehr zwischen den Angeklagten Frankenthal und Jacobsohn einerseits und Klünder anderseits nie etwas gesehen und daß er auch von Frankenthal oder Jacobsohn nie Geschenke bekommen habe. — Staatsanwaltschaftsrar Neils : ES wird nämlich bebauvtet daß „MeschoreS" einer der Angestellten Klünders sein soll. Wir müssen deSl?cnb auch die Angestellten fragen, ob sie Geld von den Angeklagten Frankenthal oder Jacobsohn bekommen haben. — Angekl. Hermann Jacobsohn: Ich habe das Geld für die Angestellten sehr oft dem Klünder selbst gegeben. Ich kann natürlich nicht sagen, ob Klünder das Geld an die Angestellten abgegeben hat. — Vors.: Es besteht nun eine Meinungsverschiedenbeit insofern, als der An geklagte Frankenthal gestern gesagt hnt, er habe Klünder größere Beträge zur Verfügung gestellt als Darlehen für den Ankauf von Waren, und daß später Klünder dieses Geld zurückgegeben hat. Nun finden sich aber in den Abrechnungen Summen von 3000 und 4000 die als Ausgaben ge bucht sind und nicht in Form von Darlehen. — Angekl. Frankenthal: TaS sind andere Summen, die wir dem Klünder gegeben haben, weil er so gut auSzusuchen verstand. — Vors.: Sie wollen also sagen, daß die runden Summen, die unter „Rabbi" und .MeschoreS" verzeichnet sind, nickt gegeben worden sind an Angestellte der Kaiserlichen Werft, z. B. an Heinrich oder Cbrunst, sondern an Klünder? — Angekl. Frankenthal: Jawohl — Ter nächste Zeuge war früher Buchhalter bei Klünder, der bekundete, daß Klünder überhaupt nur einmal mit Frankentbal in Geschäfts beziehungen gestanden habe. Von Geschenken Frankenthals an Klünder oder an besten Angestellte weiß der Zeuae überhaupt nichts. — Zeuge Schiffsmakler Görke ist seit dem Tode Klünder» Mitinbaber der Firma Ksnnber. Er bestätigt die Aussage des letzten Zeugen. Seit einen; Prozeß mit Frankentbal seien keinerlei Geschästc mehr zwischen Frankenthal und Klünder gemacht worben. — Angekl. Repenning: ES ist wiederholt vor gekommen, daß Klünder mit uns Ringgeschäste gemacht hat. — Jeune Kauf mann Haß bat ebenfalls mit der Kaiserlichen Werft in Kiel Geschäfte gemacht, teils allein, teils mit andern zusammen. — StaatSanwaltfchaftSrat Neils- In welchem Riste hat der Angeklagte Frankentbal auf der Kaiserlichen Werft gestanden? — Zeuge: In einem sebr gu:en Rufe. Er war bekannt und beliebt bei sämtlichen Beamten der Kaiserlichen Werft, Klünder habe sich an den. Ringgesckäften beteiligt. Als nächster Zeuge wurde ein früherer Reisender des Angeklagten Hermann Jacobsohn ausgerusen. der für diesen vor allem aus den an deren Kaiserlichen Wersten tätig war. Diesem Zeugen hat Hermann Jacobsohn wiederholt Gelder mitgegeben, die er dort an die in seinem Interesse tätigen Arbeiter verteilen sollte. — Angekl. Hermann Jacob- sohn: Dieser Zeuge ist doch derjenige, der in den Briesen als „MeschoreS" bezeichnet wurde. — Erster Staatsanwalt Greffrath: Das ist ja eine ganz neue Aufklärung. In der Voruntersuchung hat der Angeklagte Hermann Jacobsohn davon nichts gesagt. Der Zeuge Kaufmann Menzel, früher geschästssiihrender Buch halter bei der Firma Brakcl L Sohn, bei der bis 1902 Hermann Jacob sohn stiller Teilhaber war, bekundet, daß sie keine Ahnung davon gehabt hätten, daß die Geschäfte, die Hermann Jacobsohn mit der Kaiserlichen Werst machte, nicht ganz in Ordnung wären. Ich muß allerdings sagen, daß ich wiederholt, um meine Bücher in Ordnung zu bringen, von Herrn Jacobsohn Abrechnung verlangte. Herr Jacobiohn subr mich aber direkt an und sagte, ich hätte ihm nichts zu sagen, er würde schon abrechncn. — Bors.: Wer öffnete denn die eingehende Korrespondenz? — Zeuge: Briese mit ausführlichen Inhaltsangaben, die auch von Herrn Franken thal stammen konnten, die aber adressiert waren an die Firma Brakcl <L Sohn zu Händen des Herrn Jacobsohn, kamen direkt in besten Hände. — Angekl. Siegfried Jacobsohn: Glaubt der Zeuge, daß mein
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