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4. Beilage Tonnabend, IS. November 1»«». Leipziger Tageblatt. Nr. 31S. 103. Jahrgang. Mußestunden. * Junge Ehe. Roman von Anna BaadSgaard. Deutsch von Bernhard Mann. Aber die Straße war leer — leer. Ganz oben, wo sie vor der Schule in den Schatten der dichten Kastanienbäume einbog, waren einige Leute eifrig damit beschäftigt, das dort abgeladcne Heu unter Dach und Jach zu bringen. Sonst war nichts zu sehen. Einige flachsköpfige Kinder stürzten aus der blangestricheneu Tür und Vertrieben den Hund, der sich gähnend und schweifwedelnd erhob. Ter Postbote zeigte sich nicht. Inge trat in das große, küble Speisezimmer des „Kruges", um nach der Bornholmer Uhr zu sehen. Ja, es war an der Zeit. In einer oder zwei Minuten mußte er da sein. Ihr Herz klopfte heftig, und sie fühlte sich elend und schwindlig. Als der Postbote schließlich kam, wagte sie kaum aufzuschen. Sie wandte sich um, scheinbar gleichgültig, und blickte aus dem Fenster, während die Briefe an die wenigen Gäste verteilt wurden, die sich im Speisezimmer versammelt hatten. Tann wurde es dort still. Inge wandle sich um. Ter Tisch, auf dem die Post immer ausgcbreitet wurde, war leer, und die Wirtin sagte mit ihrem gewöhnlichen Lächeln: „Für Sie, gnädige Frau, ist heute kein Brief da." Inge ging auf ihr Zimmer und warf sich auf ihr Bett, das Gesicht in die Kissen vergrabend. Sie fühlte sich hoffnungslos, so ganz ohne Mut — zu elend, um zu weinen. Alles das um sie her, was sie gestern noch geliebt hatte, war für sie wertlos geworden. Die sommersrohe Welt draußen hatte für sie keinen Trost. Am liebsten hätte sie ihre klaren Farben und frohen Laute aus gelöscht, und wäre in ein Träumen, einen Schlaf versunken, aus dem es kein Erwachen gibt. Sie blieb unbeweglich liegen, während der Sonnenstreifen weiter rückte, und das scharfe Mittaaslicht begann in die gedämpfte Glut des Nachmittags übcrzugchen. Da »orte sic plötzlich aus dem Speisezimmer eine Stimme, die ihren Namen nannte — und der Klang dieser Stimme machte, daß sie klopfenden Herzens und mit weit geöffneten, heftig atmenden Lippen.aufsprang. — „Erik — Erik!" Tic Wclt war wieder voll von Sonne und Farben. Erik stand draußen im Speisezimmer, staubig und erhitzt von seinem Gang vom Bahnhof. Er hatte kaum gefragt, ob Frau Necrgaard hier wohne, als eine Tür sich öffnete und eine Helle und schlanke Gestalt ihm cntgcgcneilte. Er sah wie durch einen Nebel ein schmales, blasses, von mattgoldigcm Haar umrahmtes Gesicht, er sah den Schimmer eines lila Kleides — krokusblau, wie das, das Inge am Allerseclcntag in Florenz getragen hatte — und im nächsten Augenblick hatte er seine Gattin im Arm, fest angeschmicgt, als wolle sie ihn nie loslassen. Wer außer den beiden im Zimmer gewesen war, wußten sie nicht. Der oder die Betreffende war so feinfühlig gewesen, sich still zu ent fernen. Sic waren jetzt allein in dem großen, kühlen Raum, wo der grüne Schatten der Bäume durch die Fensterscheiben fiel und das Tick tack der Stubcnuhr die Stille durchbrach und die Augenblicke — die glücklichsten in ihrem Leben — zählte. Tic saßen zusammen in dem hochlchnigcn Sofa mit dem geblümten Schirtingbezug. Anfänglich sprachen sie fast gar nicht. Schon sich nur sehen zu dürfen, machte sic glücklich. Ihre Liebkosungen waren zart und behutsam, als fürchteten sie, das Glück zu versagen, das sie durch Trennung und Entbehrung wicdcrgcwonncn hatten. In der behut samen Zärtlichkeit, die Erik Inge gegenüber an den Tag legte, lag fast Ehrfurcht. Jetzt war sie nicht nur sein geliebtes Weib, nein, sie würde auch die Mutter seines Kindes werden; in Gedanken kniete er vor ihr in anbetendcr Dankbarkeit. Ach, wenn er sie nur so weit bringen konnte, daß sic die harten Worte vergaß, die er ihr gesagt hatte. Würde sic je verstehen, wie tief er sie bereute? Fortan wollte er ihr seine ganze unermeßliche Liebe schenken. „Wann bekamst du meinen Brief?" fragte Inge. „Gestern abend. Ich hatte Fräulein Hansen nach Hause gebracht. Sie suchte mich aus, um für dich zu sprechen. Ich war ganz gerührt über das alte Fräulein. Als ich nach Hause kam, lag dein Brief auf dem Tisch." „War das dort — dort, wo der andere Brief lag?" „Ja, genau aus derselben Stelle." Inge verbarg ihr Gcsicht an Eriks Schulter. Der Gedanke, daß sie ihm so viel Kummer bereitet hatte, schmerzte sie. Doch gleich darauf blickte sie auf und lächelte. Erik fand, daß sie jetzt ganz anders, viel frischer und sonniger lächelte als früher. „Hast du dich darüber gefreut?" „Ob ich mich gefreut habe — ach, Inge." „Sage mir, was du zuerst tatest, als du den Brief gelesen hattest." „Ach, es war wohl recht dumm von mir", sagte Erik zögernd. „Ich glaube —, ich weinte." „Weintest du?" wiederholte sic langsam. Dann nahm sie icin Ge sicht in ihre weichen Hände und küßte ihn. „Und was weiter, Erik?" „Ich eilte in die Küche und sagte dem Mädchen, daß sie meinen Koffer packen möchte. Dann fuhr ich." Sie hatte seine Hand ergriffen und sich an ihn geschmiegt. Plötz lich fragte sie ängstlich und mit gedämpfter Stimme: „Sage mir, Erik, was reden die andern über uns? Ist es nicht entsetzlich, daß ich so viel Schande über dich gebracht habe? Kannst du nach dem Geschehenen mich wirklich zurückkommcn lassen?" „Das Gerade stirbt schon von selbst, wenn nur wir beide zuiammen- halten. Und außerdem — ich will dir eins sagen: hätte ich die Wahl zwischen dir und der ganzen übrigen Welt, so würde ich dich — dich un5 noch eins wählen." Das Blut schoß Inge in die Wangen. „Erik — freust du dich über das Kind?" „Gewiß, gewiß. Du ahnst nicht, wie glücklich die Nachricht mich gemacht hat." „Wird es ein Knabe — und das glaube ich —, dann wollen wir ihn Börge nennen." „Natürlich, das habe ich mir auch gedacht." Sie blickten einander lächelnd an, und dachten an die Winternacht, als der Anblick des kleinen Knaben sie für eine Weile zusammengeführt hatte. „Wünschst du, daß wir in die Stadt ziehen, Erik? Ich bin jetzt gern dazu bereit." „Nein, nein. Laß den kleinen Börge mit der Natur um sich auf wachsen. Sic bietet einem Heranwachsenden Kinde mehr als die Großstadt." „Das ist ja das, was ich immer gemeint habe. Ach, Erik, jetzt fangen wir an, einander zu verstehen. Woher mag das kommen?" „Ich glaube daher, weil wir uns jetzt mehr lieben, als bisher. Weil wir wissen, was das Getrenntsein bedeutet." „Ja, darin magst du recht haben — heute wie immer." „Laß uns nicht davon sprechen, wer recht oder unrecht gehabt hat", sagte er und strich ihr das Haar sanft aus der Stirn. „Die Frage taugt nicht für zwei Menschen, die sich liebhaben." „Ich habe aber gegen dich gesündigt, nicht in der Tat, sondern in Gedanken." „Wir sind nicht Herr unserer Gedanken. Nur unseres Willens — zum Teil. Und deiner ist immer gut gewesen." Inge sprang Plötzlich vom Sofa auf. „Erik, ich sehne mich förmlich danach, dir die Gegend meiner Kind heit zu zeigen. Wollen wir einen Spaziergang machen — oder bist du müde?" „Gott bewahre!" Er lächelte munter. In seinem Innern sagte er sich aber, daß Inge sich früher schwerlich darum gekümmert habe, ob er müde sei oder nicht. Und er fühlte sich glücklich über diese Zärtlichkeit, die ihm bei ihr neu war. Im Vorzimmer, wo die Tür nach dem Wege offen stand, setzte Inge sich vor dem Spiegel ihren Hut auf. Und als Eriks Antlitz in dem Glase neben dem ihren zum Vorschein kam, hob sie die schlanken, leicht gebräunten Arme, wo die breiten Spitzen des Aermcls von dem Ellbogen zurückfielen, über ihren Kopf und legte sie um Eriks Hals. „Siehst du — so nehmen wir zusammen uns gut aus!" „Darin hast du recht." „Ich glaube, Erik, daß wir mit den Jahren immer mehr Aehnlich- keit miteinander bekommen werden." „Ja, und ebenso werden wir uns immer besser verstehen lernen." Erik küßte ihre weiche Wange. Tann sagte er: „Jetzt komm, Inge, und zeige mir, wv du als Kind gespielt hast." Sie gingen durch das Dorf, Arm in Arm. Und wieder kamen die alten Frauen in ihren Gärten angestolpert, wo die Bienen um die buntfarbigen Blumen sumnncn. Sie lehnten sich, mit der Brille auf die Stirn gerückt und den Strickstrumpf in der Hand, über den Zaun, und Inge mußte stehenbleibcn und ihnen ihren Mann vorstellen. Lächelnd hörte Erik zu, während sie von der verstorbenen Frau Doktor sprachen, die besser war, als die Leute heutzutage sind, und von der kleinen Inge, die auch gut gewesen war, obgleich sie von Kind an immer ihren eigenen Gedanken gelebt hatte. Als sie an der Doktorwohnung vorbeikamen, sahen sie über die niedrige.Hecke in den kleinen Garten. Inge zeigte Erik die Laube, wo sie als Kind gesessen und ihre Lieblingsbücher gelesen hatte; die Bäume, zwischen denen ihre Schaukel hing, und die Lindewallee, in der sie ge wöhnlich abends ihren Spaziergang mit der Mutter machte. Ein Feldweg führte sie schließlich zu dem weißen Gatter. Tort machten sic halt und drehten sich um, um über das Land hinauszu sehen. Es wurde Abend. Eine grauviolette Wolkenbank hatte sich nn Westen gesammelt. Bon ihrem zerrissenen Rande lösten sich dunkle Wölkchen ab und huschten an der Sonne vorbei. Es sah aus, als glitten sie, weiß und matt, fast ohne Glanz Lurch den Himmelsraum. Bon dem niedersten goldigen Rand der Wolken strahlten lange Lichtstreifcn fächerförmig zum Horizont hinab. Das Land lag im Wechsel von Licht und Schatten, mit einem goldigen Glanz über den sich wiegenden Halmen des Feldes, während ferne Baumgruppcn und Häuser sich dunkel von der Hellen Luft abhobcn. Ein gedämpftes Wagengeräusch erklang unten vom Wege, sonst war kein anderer Laut zu hören als das schwache Sausen des Windes und hier und da ein Bogeltrillcr auS dein Walde, wo die gräulichwcißen Stämme der Birken sich scharf von der grünen Dämmerung des Dickichts abhoben. Ja, das war Dänemark — das LanL mit den Weichen und feinen Farben und dem wechselnden Licht, das Land, wo der Rhythmus der Wogen sich im Steigen und Fallen des Erdbodens sortsctzt. Und sic sahen es, wie es gesehen werden muß, in dem milden Licht eines Hoch- sommcrabends, während die Luft von dem würzigen Wohlgeruch des Klees und jungen Heus und den frischen Atemzügen von Tausenden wilder Blumen erfüllt ist. Selbst wenn die Sonne sank, würde cs nicht dunkel werden. Tie Dämmerung hielt sich über dem Land, die Helle Sonlincrdämmerung, aus der Träume und Lieder entstehen. Und für Inge war es nicht nur Dänemark, Lie Heimat, sondern auch die Lieblingsstätte der Mutter. Bon hier hatte sie das letztemal in den Wald hinein- und über das weite Feld hinausgcschaut. Dies flüsterte sie Erik zu, während sic Arm in Arm dastanden und den Frieden und die Schönheit Les Abends in ihr Herz hineinströmen ließen. „Wie lieb du deine Mutter gehabt hast!" sagte er, und sic nickte ernst. Tann fuhr er mit einem schwachen Lächeln fort. „Jetzt mußt du dir auch Mühe geben, meine Mistter liebzugewinnen!" „Ach, Erik, deine Mutter!" — Inge sah komisch erschrocken aus, „Ich weiß ja nicht, ob ich ihr vor Augen kommen darf. Sie wird es mir gewiß nie vergeben." „Ach, das ist so schlimm nicht. Meine Mutter ist besser als du glaubst. Indessen, wenn cs nicht auf andere Weise gehen sollte, so weiß ich, wer einst zwischen euch Frieden stiften wird." UnL als Inge ihm erstaunt ihr Antlitz zuwandte, das in dem ge dämpften Sonnenlicht hell und klar schimmerte, bückte er sich zu ihr nieder und flüsterte ihr ins Ohr: „Unser kleiner Börge!" Sie errötete und lächelte. Und ihr schien es, als erklinge ein leises Echo dieser drei Worte nicht nur in ihrem eigenen Herzen, sondern in der ganzen Natur um sie her. Diese Worte waren ja der Widerhall des Gesanges vom Glück, das sie in ihrer Seele trug, und so hörte sic i n Gezwitscher der Bögel, im Sausen des Waldes und im zarten Flüstern Ler Grashalme, bis alles mitsang, alles jubelte: Unser kleiner Börge! Ende. I-siprige? I.eki'kk'-Lesang-Vkl'tzin. UvnkslkomvBl 8«»II»I»VII«I, <I«II irr. x»veinl»er 1VV», »K«ml8 z8 Tldr in äer MertlisIIe äer firgrisll-sslstle!. Kitwirkenäe: krau I ill^ »«« vom Vrossberro^licben Ilok- tbeater in Llannboim, vesanx, präuloin Hvlv»v I.<»i»ii8lt», IVarsebau, Llavier. Leitung;: Professor II «an Kttt. pinsel Llütiinor. - Programm siebe NN äon Plakatsäulen. - Kreise äer Plätze im Vorverkauf: Loxo 3.—; Tribüne >6 2.50; Parkett ./« 2.—; I. Uanxr 1.50; II. Rang; ./i 1.25 unä I.— ; Valerio —.50. ^n äer ^denälcasse erbebte Kreise. Lilletts bei Kranz 4ost, poteisstoinwog; 1. ao<«sa NirUerrenu.vamso. M Liotritt täglich. > ^-.iskuntt u. prosp frei. kLvkov-SvdwtSt I2ii1«rrikl»t8N8l»lL 1. Lldreiden, UünäeMeker^pi'LeM 1^omasrillLl8,II.sMttdmsmdch.1'eI.1345ö tebnelle u. xrüaäl. äusbilä.v. üucbbalt„ Porres;»., Lteooxr., lllaschiaeecbrb. usw. -akj»- 40 erstbl. Kekreibmasebiaea. iioKteoIok.LteiIellvacbweis. Vom 1. äaa.b. 31.0kt.ä.R wuräen u. 304VakanzenLem. »04246 TLN2- n.Lnstanäs- Vnterrivdt. - Kür meine im Uovember beginnenäen V«»L-I,vIir-lkiiir8v erbitte ßekällmsto ^nmeläungea von Damen unä Herren I»i8 18. 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