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02-Abendausgabe Leipziger Tageblatt und Handelszeitung : 15.08.1910
- Titel
- 02-Abendausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1910-08-15
- Sprache
- Deutsch
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id84535308X-19100815022
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id84535308X-1910081502
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-84535308X-1910081502
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
-
Zeitung
Leipziger Tageblatt und Handelszeitung
-
Jahr
1910
-
Monat
1910-08
- Tag 1910-08-15
-
Monat
1910-08
-
Jahr
1910
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die französische Kolonialabteilung zu schützen. Die wilden Tiere, die sich in einer Menagerie im Vergnügungspark befanden, brachen au» und flüchte ten sich aus den Flammen in den Park. Neber die furchtbare« Verheerungen liegen folgende neuere Drahtnachrichten vor: Brüssel, 15. August, 3 Uhr nachts. Nach Erkundi- gungen ist die li nke Seite der Ausstellung di« zur Treppe, di« nach der deutschen Abteilung führt, v o l l st ä n d i g vernichtet. Es sind also die Ausstellung«« Belgien», Englands, Frankreichs bi» auf einen kleinen Teil zerstört und die Aus stellung Italien» stark beschädigt. Man glaubt auch, daß die große Maschinenhalle, in der die kleinen Länder untergebracht sind, ein Raub der Flammen wird, da das Feuer noch wütet. Man erklärt, daß keine Personen getötet, aber etwas 20 verletzt worden sind, darunter zwei schwer. Die üeutlHe Abteilung unverlehrt. Brüssel, 15. August, 4 Uhr morgens. Es gelang heute früh gegen 2 Uhr, das Feuer einzudümmen. Die wilden Tiere, die aus der Menagerie des Brüsseler Kirmesparkes entsprungen waren, sind ge tötet worden. Es verlautet nunmehr doch be stimmt, dah eine Person im Kirmes- park umgekominen ist. Das Terrain der Aus stellung ist in weitem Umkreise von Militär abge- sperrt. Wie es heißt, soll das Feuer im sogenannten englischen Restaurant in Alt-Brüssel, und zwar durch Kurzschluß der elektrischen Leitung entstanden sein. Um dem Feuer Einhalt zu tun, mußten durch Militärabteilungen einzelne Ge bäude gesprengt werden. Zn einem noch in der Nacht verbreiteten Extrablatt des „Peuple" wird die Bevölkerung aufgefordert, die Katastrophe, die die Weltausstellung betroffen hat, dadurch wieder gut zu machen, daß man so schnell wte möglich beginnt, die vom Feuer zerstörten Teile wieder aufzubauen. Di« Verlust« sind un geheuer. Man spricht davon, daß Werte von soo MM. Franks verbrannt sind. Fast alle großen Aussteller waren jedoch ver sichert. Die Jury der Weltausstellung, die eben die erste Phase ihrer Arbeit beendet hat, hatte das gesamte Material und die Dokumente im Hauptver waltungsgebäude deponiert. AllediesePapj.ere sind vernichtet. Die Ausstellung ist vorläufig für das Publikum geschlosse«. Ersatz für da» zerstörte Werk. Eine Meldung des Wolffschen Tele graphenbureaus besagt einigermaßen lm Widerspruch dazu: Brüssel, 15. August, morgens. Einige Berichte besagen, daß das Feuer durch Kurz schluß in der belgischen Abteilung entstanden sei, andere glauben nicht daran, da noch nach Ausbruch des Brandes ein Teil des elektrischen Lichtes brannte. Bieleicht wird die Ursache mit Sicherheit niemals festgestellt werden können. In dem Stadviertel Alt-Brüssel sind die wilden Tiere der Menagerie erstickt. Das Ausstellungskomitee be schloß noch nachts, die Ausstellung nicht zu schließen. Man wird schon heute vormittag Dispo sitionen treffen, um in irgendeiner Form in kürzester Zeit Ersatz für das zerstörte Werk zu schaffen. Biele Ausstellungsgegenstände konnten in Sicherheit gebracht werden. Die Blätter melden, daß ein Kellner in den Flammen um gekommen ist; es ist jedoch unmöglich, Genaues festzustellen. Ei« Flammenmeer. -^Brüssel, 15. August, morgens: Der ganze Himmel über Brüssel ist in ein Flammenmeer ge hüllt. Die Funken fliegen über das ganze Terrain, und die Feuerwehren können nichts tun, als die eigentliche Stadt Brüssel und die deutsche Ab teilung und die französische Kolonialabteilung, die glücklicherweise etwas abseits liegen, zu schützen. Dor der Ausstellung staut sich eine ungeheure Menschen menge, die aus Brüssel und Umgebung zusammen strömte. Dazu kamen Automobile und andere Fahr zeuge, die von Minute zu Minute eintrasen. Die feurige Lohe leuchtet weit ins Land hinein, und bei ihrem Schein sieht man auf den Straßen und Plätzen Brüssels jammernde und wehklagende Gruppen stehen, denn das Unglück ist unbeschreib lich für die Stadt, und un gezählte Millionen an Werten find vernichtet. Zn der englischen Abteilung, die unmittelbar an die belgische stößt, wurden große Sammlungen von kostbaren Juwelen und Edelmetal len ausgestellt, ebenso Porzellan- und Kristallwaren von «»schätzbarem Wert«. Alle» wurde ein Raub der Flammen. Zn der französischen Abteilung waren f ü r viele Millionen der wertvollsten Kunstgegen stände angesammelt, ebenso in dem schönen Alt- Brüssel. Das Feuer wütet fort. Brüssel, 15. August. Die sämtlichen zusammen hängenden Ausstellungshallen sind jetzt ein ein ziger ungeheurer Gluthausen. Die Hitze ist fürchterlich, so daß man sich höchstens auf 150 Schritt nähern kann. Wasser in Liese Gluten hinein zugeben. ist nahezu nutzlos, da es auf der Stelle ver dampft. Man batte versucht, von der Rückieite der Gebäude einzudringen, um das Feuer auf diese Weise von dort aus zu bekämpfen, aber vergebens. Alle Gebäude sind im Znnern mit leichten Stoffen be kleidet, und von >00 zu >00 Metern tanzen dle Flammen an diesen Stoffwänden entlang, durch die herabfallenden Funken alles andere mitentzündend. Der Linoleumbclag der Fußböden bot absolut keinen Widerstand, sondern platzte in der Hitze und sprühte wie Pulver empor. Die ganze Ausstellung ist durch eine große Allee gleichsam in zwei Teile getrennt. Man hoffte, daß diese Oucrallee dem Feuer eine Grenze setzen würde, aber unglücklicherweise erhob sich ein ziemlich heftiger Wind, der die Funken und brennenden Stücke auch auf die andere Seite der Allee trug. Im Nu stand auch jenseits alles in Flammen. Das Feuer brennt unausgesetzt mit gleicher Heftigkeit fort und ist, wie dem „Lok.-Anz." gemeldet wird, in zwischen bis nahe an die deutsche Abteilung herangerückt; man verzweifelt beinahe, diese zu retten, obgleich alles darauf augenblicklich konzentriert ist, wenichtens diesen Teil vor den Flammen zu bewahren. Die Verwirrung zu vermehren, sind in dem Ausstellungs gelände einige 60 000 Menschen, welche durch die ge sperrten Ausgänge nicht heraus können, zu sammengedrängt, und alle rennen in größter Bestürzung durcheinander. Aus der Stadt eilen die Angehörigen der eingeschlossenen Besucher herbei, und die Behörden haben Mühe, diese von dem Eindringen in das Gelände abzuhalten. Gendarmen und Polizei sind von der ganzen Umgebung zufammen- oezogen, um halbwegs Ordnuna zu schaffen. Das Feuer wütet fort und dürfte sichbisindiespäten Tagesstunden hinein fortsetzen. Wie ein Postskriptum mutet folgende Nachricht von der Stätte des Schreckens an: Brüssel, 15. August. Während der gestrigen letzten Vorstellung in der Menagerie Bostok auf der Welt ausstellung wurde kurz vor Ausbruch des Brandes Tierbändiger Tomtalon schwer ver wundet. Er führte dem Publikum einen seiner Haupttricks vor, indem er einem riesigen Löwen den Kopf in den geöffneten Rachen steckte. Schon oft hatte Tomtalon dies getan, ohne daß ihm je etwas geschehen wäre. Gestern dagegen schnappte plötzlich die Bestie zu, und die Zähne drangen tief in die Schläfe des Tier bändigers. Als Las Publikum Blut aus dem Rachen des Löwen fließen sah, erhob sich ein« wüste Panik: man schrie nach den Wärtern. Inzwischen war Tomtalon ohnmächtig geworden, und die Wärter Hätten große Mühe, ihn aus dem Rachen der Bestie zu befreien. Glücklicherweise war das Tier i durch das Schreien der Zuschauer verblüfft wor den und hatte nicht weiter zugebisfen. Trotzdem wird an dem Aufkommen des Tierbändigers ge zweifelt. Bericht eines Augenzeugen. Ein Brüsseler berichtet dem „B. T.": Auf der Fahrt zu der Solboschebene, wo die Ausstellung liegt, bemerkte ich, daß schon der Himmel über der ganzen Stadt von den aufsteigenden Flammen taghell erleuchtet war. Es schien, als ob auf dem Aus- stellungsaelände ein riesenhaftes Feuer werk abgebrannt würde. Die Menschen, die sich in den Gärten aufhielten, spannten Regenschirme auf oder bedeckten den Kopf mit Mänteln, mit Tüchern und Schals, um sich vor den he rum fliegenden Funken und Holz stücken zu schützen, denn das Sprühfeuer war sehr lebhaft. Um 1410 Uhr abends war die Hitze, die aus den brennen den Gebäuden herauskam. schon so stark, daß den um hundert Meter entfernt Stehenden die heißen Gluten ins Gesicht schlugen, und man hörte ferner, wie im Znnern der brennenden Häuser donnernd und krachend die Gebäude und ihr Inhalt in sich zusammenstürzten. An den Säulen der Hauptfassade sind Hundert tausende kleiner elektrischer Lampen zur Illumination angebracht. Es waren wohl die elektrischen Leitungen vom Großfeuer noch nicht berührt, da das Licht weiter brannte, während die leichten Fassaden mauern schon in sich zusammenbrachen. Ueber den Umfang des Brandes, über die Zahl der Toten und Verwundeten läßt sich nichts Sicheres be richten Es sei nur erwähnt, daß in den Hallen Reichtümer von märchenhaften Werten lagern, daß sich dort eine ganze Diamanten ausstellung befindet, auf der die kostbarsten Steine vereint sind. Der größte Teil dieser Kost barkeiten ist natürlich versichert, aber ich habe einen kleinen belgischen Fabrikanten gesprochen, der klagend vor den brennenden Gebäuden stand. Er hatte aus Sparsamkeitsgründe« nicht versichert, und er erzählte, daß viele die gleiche Unvorsichtigkeit begangen hätten. Das donnernde Zusammenstürzen der Gebäude dauert noch an, und ich kann es bis zu meiner Wohnung hören, die eine halbe Fahrstunde vom Ausstellungsgclände entfernt liegt. Sprengungen mit Dynamit. Unser Korrespondent telegraphiert uns in der Mittagsstunde: Brüssel, 15. August. (Priv.-Tel.) Die Artillerie sprengte die festen Mauern mit Dynamit. Die Feuerwehren waren macht- l os Eine furchtbare Panik h«rrscht i« der Bevölkerung. Man spricht fortgesetzt von Schwer verletzten und sogar von Toten. Es heißt, dah in dem fürchterlichen Gedränge, das unter den Besuchern der Kirmes in Alt-Brüssel entstand, Menschen erdrückt worden seien. Das Militär sperrt die Straßenteilc ab. Als Ursache wird jetzt Kurz schluß in der K L ch e Les englischen Restaurants ver, mutet. Die deutsche Abteilung in Sicherheit. Ferner telegraphiert uns unser Mitarbeiter: 8t. Brüssel, 15. August. fPriv.-Tel.) Das ge samte Archiv der Ausstellung, in dem u. a. auch die Ergebnisse der Zury niedergelegt waren, ist ein Raub der Flammen geworden. Die wochenlange Arbeit der Zury ist also vollständig ver geblich gewesen. Die räumliche Verteilung der Ausstellung brachte es mit sich, daß einige ihrer Abteilungen, vor allen Dingen der ganze Komplex der deutschen Sektion, von dem Feuer verschont ge blieben sind. Wer die Brüsseler Ausstellung besucht hat, dem wird dieser Umstand ohne weiteres erklärlich sein. Die deutsche Abteilung liegt voll kommen für sich, durch einen breiten Zwischen raum getrennt von dem Hauptgebäude, in dem außer Belgien noch eine Reihe anderer Nationen aus gestellt haben. Das Feuer, das in der belgischen Ab teilung ausgebrochen ist, hat naturgemäß schnell nach rechts und links innnerhalb des Hauptgebäudes und nach dessen Seiten flügel übergegriffen. Auch die kleineren in un mittelbarer Nähe gelegenen Pavillons sowie die Ab teilung Alt-Brüssel, die sich ebenfalls dicht an das Hauptgebäude anschließt, waren sofort im Be reiche des Feuers. Das Feuer hat hauptsäch lich dadurch eine solche Ausdehnung genommen, weil ein heftiger Wind wehte, der einen starken Funkenregen über die leicht brennbaren Aus stellungspavillons niedergehen ließ. Die meisten aus Holz gefertigten und mit Oelfarbe gestrichenen Aus stellungsbaulichkeiten sowie die vielen Pappen, Lein wand und sonstigen brennbaren Gegenstände, die zu dem Bau der Hallen verwendet wurden, gaben dem Feuer reichliche Nahrung. Der Wind setzte wieder ei«. Früh um 3 Uhr wurde auch die bisher verschonte Abteilung der französischen Ausstellung vom Feuer er griffen. Gegen Uhr glaubte die Feuerwehr, die in fieberhafter Tätigkeit ist, daß sie des Brande» Herr werden könne, da sich der Wind etwas gelegt hatte. Diese Aussicht war aber nur von kurzer Lauer, denn sehr bald setzte der Wind von neuem ein und das ganze Ausstellungsgebäude war in einen dichten Feuerregen gehüllt, und an verschiedenen Stellen brach das Feuer von neuem au«, so daß die Feuerwehr nicht in der Lage war, an sämtliche Brand stätten eilen zu können. Dadurch kam es, daß mehrere Baulichkeiten bis auf den Grund nieder gebrannt sind. Ein trostloses Bild. 8r. Brüssel, 15. August. (Priv.-Tel.) Heute vormittag ist das Ausstellungsgeländ« da» Ziel zahlreicher Neugieriger, die mit den Zügen von nah und fern, namentlich aus den großen belgischen Badeorten, nach der Ausstellung kommen. Es bietet sich ihnen ein trostlose» Bild der Zerstörung. Der größte Reiz für die Ausstel lungsbesucher ist vorüber. Die Ausstcllungsleitung gibt zwar bekannt, daß die Ausstellung bis zum Schlußtermin geöffnet bleibt, es dürste je doch trotzdem fraglich bleiben, ob die zerstörten Pavillon» wieder ausgebaut werden können. Jedenfalls wird die Ausstellung durch das Feuer einen wochenlangen Ausfall erleiden. Sehr be dauerlich ist, daß zahlreiche Aussteller vollständig ruiniert sind, da ein großer Teil der Ausstellungs objekte nicht versichert find und auch teilweise nicht erneuert werden können. Außer einem Kellner, der in den Flammen seinen Tod fand, wurden zahlreiche Personen durch Brand wunden verletzt, einzelne so schwer, daß sie sofort in das Spital überwiesen werden mußten. Di« Galerien find gerettet. Eine der größten und belangreichsten Aufgaben, die der Feuerwehr oblagen, war derSchutzderretro- spettiven Ausstellung. Obwohl diese Ge bäude von dem Flammenherd weit abliegen, vergaß man doch inmitten der größten Aufregung nicht, der Kunstsektion besonderen Schutz zu gewähren, da die dort vereinigten Schätze an kulturellem und materiellem Wert dem Gesamtwerte der übrigen Ausstellung fast gleichkommen, wenn sie ihn nicht übertreffen. Es muß als ein großes Gluck bezeichnet werden, daß die Ausstellung der alten bel gischen Maler, in der sich Bilder aus den Galerien und Altarblätter aus alten Kirchen des Landes be finden, von der Weltausstellung weitabliegcn. Ob wohl diese Baulichkeiten, die sich an das Musse Cin- quantenaire anschließen, vom eigentlichen Feuerherde nahezu tausend Schritte entfernt sind, gewährte man ihnen mit Rücksicht auf die Funken, die der Wind in weite Fernen trug, besonderen Schutz. Bis zum Augenblick verlautet nicht, daß dieser Abteilung ein Unglück widerfahren sei. Das Gnüe ües Feuers. o Brüssel, 15. August, 7,20 Uhr morgens. (Prio.-Tel.) Das Feuer wurde gegen 5 Uhr morgens als erloschen angesehen. Der vom Feuer er griffene Teil der Ausstellung ist ein etwa 20 rn hoher ungeheurer Trümmerha«fe«, aus dem noch immer die Flammen aufschlagen. Man spritzt kein Wasser mehr hinein und läßt den Haufen a u s b r e n n e n, da an die Rettung der darin befindlichen Gegenstände doch nicht mehr zu denken ist. Die deutsch« Abteilung ist gerettet und hat auch keinerlei äußere« Schaden erlitten. Der Reichskommissar Albert von der deutschen Ausstellung ist abwesend, er befindet sich seit vorgestern auf einer Dienst reise in London. Der Präsident der belgischen Ausstellung Baron Jansen war bi» 5 Uhr morgens auf der Unglücksstätte. Die Meldung, daß englische Kronjuwelen und wertvolle Bilder der englischen Abteilung verbrannt find, bestätigt sich nicht, dagegen find wertvolle Möbel und andere Gegenstände ein Opfer der Flammen ge worden. „Nun, welchen denn?" ..Dein lieber Vater hat für alles gesorgt. Mein Sohn hat eine Einladung von ihm erhalten, seinen Urlaub hier zu verbringen, und ich denke, wir wer den iqn bald erwarten können." Ruths Gesicht belebte sich. Eine leichte Röte übergoß ihre Wangen und die Augen bekamen Glanz. „Und das sagst du Böse mir erst jetzt, das ist schlecht von dir." Freust du dich denn auf sein Kommen? Die Majorin blickte gespannt zu ihr hinüber. Ruth wurde etwas verlegen. . Natürlich freue ich mich, schon deinetwegen. Du gehst ja immer auf Wolken, wenn dein Fred in deiner Nähe ist." Sie seufzte tief auf. Das Gesicht der alten Dame strahlte. „Er ist ja mein einziger, Kind." „Ja. und du liebst ihn über alles. „Du hättest ihm sicher keinen Stiefvater gegeben." (Fortsetzung folgt.) Tageschronik. Das Lllendahnunglück von Sauton. P«ri», 15. August. Präsident FalliLrcs ist durch die Katastrophe von Saujon tief er schüttert. Er wird zwar nach der Schweiz Weiter reisen, aber alle Punkte des Programms, welche den Tharakter von Vergnügungen tragen, sollen in Fortfall kommen. Bordeaux, 15. August. Ueber das Eisenbahn unglück liegt jetzt folgender Bericht vor: Ein Ver gnüg u n g s z u g, der jeden Sonntag 8 Uhr früh vom Staatsbahnhof der Vorstadt Bastide nach Royan abfährt und die 140 Kilometer betragende Entfer nung zwischen den beiden Städten in zwei Stunden zurücklegt, stieß vormittags 10 Uhr 45 Min. in folge falscher Weichenftellung auf Bahnhof Saujon, 9 Kilometer von Royan mit voller Geschwindigkeit auf einen leeren Güterzug auf. Der Zusammenprall war furchtbar. Die sechs ersten Wagendrit ter Klasse wurden vollständig in einandergepreßt und drei davon buchstäb lich zermalmt. Es wurden 32 Leichen und etwa hundert Verwundete aus den Trümmern hervor gezogen, wovon drei auf dem Transport ihren Ver letzungen erlagen. Der Lokomotivführer des Vergnügungszuges wurde weit weggeschleu dert und schwer verletzt, der des Eüterzuges lag zermalmt unter der Maschine. Paris, 15. August. Zu der Eisenbahnkatastrophe auf der Station Saujon werden noch folgende Ein zelheiten gemeldet: Der Zusammenstoß ereignete sich folgendermaßen: Der Eüterzug Nr. 1512 sollte aus der Station das Gleis wechseln und auf ein Nebengleis gebracht werden. Aus bisher noch nicht aufgellarter Ursache blieb die Maschine des Zuges, als sie gerade auf dem Nebengleis an gekommen war, plötzlich st ehe n. Der Stations chef hatte, da er annahm, daß der Personenzug noch nicht fällig sei, kein Warnungssignal nach Bordeau x gegeben. Plötzlich brauste der Personenzug heran. Er hatte seine Ge schwindigkeit etwas vermindert und dürfte im Augenblick der Katastrophe 40 Kilometer Geschwin digkeit gehabt haben. Die Lokomotive des Personen zuges wurde links aus dem Gleise ge worfen und stürzte den Bahndamm hinun ter. Der Packwagen und der erste Per sonenwagen türmten sich aufeinander, während der zweite Personenwagen, ein Wagen 3. Klasse, in dem sich die Z ö g l i n g e e i n e s M ä d- chenpensionats befanden, vollständig zersplitterte. Auch der 3. und 4. Wagen wur den schwer beschädigt. Der Zug hatte etwa 1200 Passagier«. Die Zahl der Toten einschließlich der auf dem Transport Verstorbenen beläuft sich auf 37, die der Schwerverletzten auf 58. Eine größere Zahl der letzteren dürfte nicht mit dem Leben davon kommen. Der Direktor des Staatseisenbahnbetriebs, Dubois, der nach den ersten Meldungen bei der Kata strophe Getötet worden sein sollte, ist nur leicht ver letzt. Er gibt eine Darstellung de» Unglücks, aus der hervorgeht, daß die Schuld an der Katastrophe den Stationsches von Saujon trifft. Die Lokomotive riß bei dem Sturze in einen Graben die vier folgenden Wagen mit sich Die unverletzt gebliebenen Passagiere der anderen Wagen wurden Zeugen furchtbarer Szenen. Aus den Trümmern wurden di« Verunglückten müh sam heroorgezogen. Die Rekognoszierung der Leichen machte ungeheure Schwierigkeiten. Die Gesich ter waren fast ausnahmslos unkennt lich. Ob Deutsche unter den Opfern der Kata strophe sich befinden, kann noch nickt gesagt werden. Aus den Einzelheiten geht hervor, daß die Verwun deten große Qualen leiden mußten. Auf Trinkwasser mußten sie eine halbe Stunde warten. Es entstand ein erbitterter Kampf um die Trinkgesäße. Man befürchtet, daß die Mehrzahl der Verwundeten ihren Verletzungen er liegen wird. Ein Augenzeuge berichtet über den Zusammenstoß: Ich saß im dritten Wagen des Unglückszuges, es herrschte eine sehr große Hitze, wir hörten das lustige Singen und fröh liche Lachen der Mädchen. die in den ersten Wagen saßen. Den größten Teil der Reise hatten wir bereits hinter uns, als plötzlich ein furcht bares Krachen erfolgte. Wir wurden alle durcheinander geworfen, und es herrschte ein furcht bares Durcheinander; die Decke unseres Abteils war abgerissen und wir suchten durch diese Oeffnung den Weg ins Freie, wo sich uns ein entsetzlicher Anblick bot: ein großes Gemisch von blutiaen Körpern, Wagenteilen, dazwischen Verwundete. Die weißen Kleider der Kinder, mit Blutge tränkt, das war ein furchtbarer Anblick. Schnell machten wir uns ans Rettungswerk und es gelang uns auch, aus dem Wirrsal der Trümmer einige Ueberlebende hervorzuziehen. Die Verwundeten hatten. furchtbar unter der großen Hitze zu leiden, die herrschte. Der Verkehr mit Royan konnte bereits wieder aus genommen werden, der Verkehr mit Bordeaux stockt aber noch. O N»ch «in Eisenbahnunglück. Petersburg, 15. August. Auf der Hasenzweig- ltnie der Nikolaibahn in der Näh« von Peters burg fand infolge falscher Weichen st el- lung ein Zusammenstoß zweier Güter züge mit einem rangierenden Zuge statt. Zwei Züge fuhren auf parallelen Gleisen einan der entgegen, der dritte durchkreuzte ihren Weg. 35 Wagen und zwei Lokomotiven stürzten den Bahndamm herab. Sieben Zugschaffner wurden verwundet. Brüssel, 15. August. (Zur bevorstehen den Vermählung der morganatischen Witwe König Leopolds), der Baronin Vaughan, mit ihrem Schloßverwalter bringt „Messager" die sensationelle Nachricht, daß der zu künftige Gatte Herr Durieux die Vaterschaft der Kinder der Baronin anerkannt habe, und daß nach der Vermählung des Paares die gesetzliche Adoption der angeblichen Kinder Leopolds II. erfolgen werde. Wien, 15. August. (Lustmord?) Heute früh wurde im Prater die schrecklich verstümmelte Leiche einer bisher unbekannten Frauens person aufgefunden, die einem Lustmorde zum Opfer gefallen zu sein scheint. Pari», 15. August. (Eine wertvolle Er findung.) Aus Cherbourg wird gemeldet, daß ein Angestellter der Maschinenwerkstätten des hiesigen Arsenals, namens Eduard Debrix, einen Apparat konstruiert hat, der es ermöglicht, Tele phondrähte mit einem Morseapparat zu verbinden. Ein von einem auf See befind lichen Dampfer aufgegebenes drahtloses Telegramm würde mittels des neuen Apparates von jedem Tele graphenbureau auf der Erde ohne Unterbrechung ausgenommen werden. Der Marineminister hat die Prüfung der neuen Erfindung veranlaßt. Pari», 15. August. (Unter dem Verdacht der Giftmischerei.) Auf Grund der Anzeige des deutschen Chauffeur» und Tafeldeckers Arthur Hermann hat die Staatsanwaltschaft «ine strenge Untersuchung gegen die Gattin de» Dramatikers Pierre Verton eingeleitet. Sie wird beschuldigt, an ihrer Schwiegertoch ter, der Frau des Dramatikers Claude Berton, einen Giftmordversuch verübt zu haben. Pierre Berton sowohl, wie sein Sohn Claude stellen jede Schuld der Angeklagten entschieden in Abrede. London, 15. August. (Miß Florence Nightingale -f.) Zn South Street bei Part Lane ist die Philanthropin Miß Florence Nightingale gestorben. Miß Nightingale, Sie durch ihre menschenfreundlichen Bestrebungen be- rühmt gewordene Ehrenbürgerin von Lon don, war am 12. Mai 1820 in Florenz als Tockier eines englischen Gutsbesitzers geboren. Sie erhielt von ihrer Mutter, einer Tochter Will-Smiths, de» eifrigen Beförderers der Sklaoenemanzipation, früh eine philanthropisch« Richtung, besuchte viele Schulen, Hospitäler und Rettungshäuser England«
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