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01-Frühausgabe Leipziger Tageblatt und Handelszeitung : 15.08.1910
- Titel
- 01-Frühausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1910-08-15
- Sprache
- Deutsch
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id84535308X-19100815019
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id84535308X-1910081501
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-84535308X-1910081501
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
-
Zeitung
Leipziger Tageblatt und Handelszeitung
-
Jahr
1910
-
Monat
1910-08
- Tag 1910-08-15
-
Monat
1910-08
-
Jahr
1910
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Amtsblatt des Rates und des Natizeiamtes der Stadt Leipzig. Anzeigen-Preis lür Inserate au« Leipzig und Umgebung dw SgeioaUen» HO mm breit« Petitzeil» 2S di« 7« mm breit« btrklamezeile l aubwärt» 80 Reklamen 1.20 Inserate von «ebbrden lm amtlichen Leit di« 74 mm breit« Petitzeil, 40 «eschältla neigen mit P agoorschristen an» in der Abendatl«aad« im Preise erhädl. Nadal i nach Toni. Beilagegeoübr ö p. Tausend e;kl. Postgebühr. Festerteilt« Aulkräge können mcht zurück- gezogen werden. Für da« i!«scheinen an bestimmten Tagen und Plätzen wir» kein« idarann» übernommen «neigen-Annahme! Vugustu«platz 8, hei sämtlichen Filialen u. allen Annoncen- läipeditionen de» In» und «ullande«. H«upt-Filiale Derltu: Tarl Duncker, Her>ogU vrtzr. tzosbuch- bandlung, Lützowstlatze IL (Televhon VT, Nr. 4M3). Haupt-Filtale Lre«de« Seestratze 4, T (Telephon 4Ü21). Nr. 224. Maniag, üea lS. August lSio. lv4. Jahrgang. Die Brüsseler Weltausstellung in Flammen. R Brüssel, 14. August, LL,3tt Min. (Dringt. Drahtmeldung.) Weltaus stellung in Flammen, unrettbar verloren. Brussel, 14. August, 12 Uhr 20 Min. (Eig. Drahtmeld.) Seit Uhr steht die belgische Sektion der Weltausstellung in Flammen. Es ist unmöglich, im Augenblick zu sagen, wie weit sich der Brand bis jetzt erstreckt hat, da man an den Herd der Feuers brunst absolut nicht herankommen kann. Das Feuer ist in der grossen Halle linhs am Eingang zur Ausstellung ausgebrochen; die belgische Abteilung stand sofort in Hellen Flammen. Ein mächtiger Feuer schein erhellt die ganze Umgegend. Die Stadt Brüssel ist in fieberhafter Aufregung. Brüssel, 14. August, 12 Uhr 35 Min. (Prival- telegramm.) Das Feuer in der Weltausstellung brach auf dem rechten Flügel aus und ergriff als bald die nächstliegenden Gebäude. Die Feuer wehr traf er st nach einerViertelstunde ein. Sie war völlig machtlos. Die deutsche Ausstellung ist bis jetzt noch nicht von dem Brand ergriffen, steht aber in grosser Gefahr, da ein sehr starkerWind aus der Richtung des Brandherdes aus die deutsche Abteilung zuweht. Die französische Abteilung ist völlig in Flammen eingehüllt. Die Brüsseler Kirmess brennt jetzt seit einer halben Stunde. Das Feuer sprang auch von hier aus schon auf die nächstliegen den Abteilungen der Ausstellung über. Ole /euermetzr versagte. Schuld an dem schnellen Umsichgreifen des Bran des in der Ausstellung trägt die Brüsseler Feuerwehr, die erst 18 Minuten nach Ausbruch des Feuers an der Brand stätte erschien. Die Feuerwehrmannschaften zeigten sich v ö ll i g kopflos und wussten nicht, wie sic den riesenhaften Brandberd an greifen sollten. Auch reichten die Löschvor richtungen in keiner Weise aus. Man ist entrüstet über solche Nachlässigkeiten, die sich nun so schwer rächen. Ob Menschenleben von dem Feuer gefordert wurden, lietz sich noch nicht feststellen. Zahlreiche Personen sind verwundet. Zn Brüssel ist ein Treiben wie mitten im Kriege, der Telegraph spielt nach allen Rich tungen der Windrose, Depeschen gehen in alle Welt, Drahtanfragen kommen aus aller Welt. Es ist ein Krieg, ein furchtbarer Kamps mit dem Feuer unter weithin blutrot flammendem Himmel. Prasselnd sinkt die leicht gebaute Ausstellungsstadt in Schutt und Asche. Briissel, 14. August, 1 Uhr 20 Min. (Offi- ziöse Meldung. Eigener Drahtbericht.) Der Brand in der Weltausstellung hat di« grobe Hauptindustriehall«, in der di« belgische Ausstellung gröhtenteils untergebracht war, voll ständig eingeäschert. Von der ganzen riesen- grossen Halle ist nur ein eiserner Trümmerhaufen übrig geblieben. Man glaubt, dass auch die eng lische Sektion grobenteils, wenn nicht ganz, ein Raub der Flammen geworden ist. Die italienische und österreichische Sektion find, falls nicht ganz zerstört, so doch sta r t beschädigt. Das Feuer soll durch Kurzschlutzim Post» amt der groben Ausstellungshalle entstanden sein. Zn dem Ausstellungsviertel Altbrüssel ist das Hauptrestaurant „Grüner Hund" links vom Eingang völlig eingeäschert. Die Feuerwehr ist machtlos. Ob der Verlust an Menschenleben zu beklagen ist, steht zur Stunde noch nicht fest. Zn Len Gärten der Ausstellung hat sich eine unübersehbare Menschenmenge e,«gefunden. Man erzählt, dass heute der beste Tag der Ausstellung war. An 200 V00 Per. sonen besuchten heute die Ausstellung. Zm Augen blick des Ausbruches der Feuersbrunst war der Stadt teil Altbrüssel buchstäblich vollgepfropft von Menschen. * Der entsetzliche Brand der Brüsseler Weltaus stellung, von dem uns nach Mitternacht fortlaufend Telegramme über Telegramme meldeten, erinnert an das gleiche Schicksal der Chicagoer Weltausstellung in den 90cr Zähren. Damals war wenigstens ge nügend für das Feuerlöschwesen gesorgt. Daran hat man es allem Anschein nach in Brüssel völlig fehlen lassen. Die grobe Ausstellungshalle hatte zuerst das komische Schicksal, da» sic nickt zur rechten Zeit fertig wurde, eigentlich niemals recht fertig wurde. Nun ist sie so schnell in Asche gelegt. Wieviel fleissige Ar beit ist hier jäh vernichtet. Ueber üie üeutlche Abteilung berichtete das Leipziger Tageblatt gelegentlich der Eröffnung der Weltausstellung im April: Unsere Sektion liegt im nördlichen Teil der Ausstellung, an landschaftlich hervorragend schöner Stelle, jlankiert vom Bois de la Cambre und Parc de Solbosch, in dem Blüten- und Blumenwald der durch die Kunst Brahees geschaffenen gärtneri schen Anlagen. Unter den 12 Konstruktionsbauten, in denen die Ausstellungsobjekte untergedracht sind, bildet das „Deutsche Haus" den Zentralpunkt. Es ist ein 43 Meter hoher, sich lang dahinstreckender, mit einem Glockenturm in der Mitte gekrönter Bau. an dessen Innengestaltung die hervorragendsten Münch ner Künstler mitgearbeitet haben. Wie sehr er all gemeine Bewunderung findet, beweist, was über ihn ein französischers Blatt schreibt: „Seine monumen talen Proportionen, sein zugleich robuster und ge schmeidiger Stil, seine Bereinigung von Solidität und Komfort erwecken keineswegs, wie man glauben könnte, den Eindruck einer massiven Schwerfälligkeit, sondern den einer geräumigen und behaglichen Be hausung, wie solche kür die heutige Welt nottut, deren Leben sich teilt zwischen Geschäft, Sport und den Erholungen der Gesellschaft und der Häuslichkeit." Das „Deutsche Haus" birgt nicht nur die offiziellen Bureaus, sondern auch Empfangs- und Repräsentationsräume, sowie grosse Säle, welche zu Aufführungen, für Borträge und Festlichkeiten be stimmt sind Zch glaube aber, die Hauptanziebung wird sein Annex, ein grosses Restaurant mit Wein stube, und das rechts seitwärts gelegene MUnckener Haus — ein groher Bierpnlast. in dem abwechselnd der edle Stoff sämtlicher Münchener Grossbrauereien mm Ausschank gelangt. An das .^Deutsche Haus" reihen sich die Ge- bäudefürRaumkunstundKunstgewerbe an, in denen unter anderem auch die Schätze der Meißner Porzellanmanufaktur Unter kunft gefunden haben. Dann kommen die Hallen, unter ihnen als imposanteste die Maschinenhalle und di« landwirtschaftliche Halle. Zu letzterer führt eine Monumcntaltreppe empor: sie trägt als besonderen Schmuck ein Kolossalgemälde von Bogel. Die Ma schinenhalle gliedert sich in drei Abteilungen, eine für Motormaschinen. die anderen für graste Ma schinen und für Zndustrie. Die letztere beherbergt alle grasten deutschen Industriezweige, insbesondere die Papier-, Leinen-, Wolle-, Waffen- und chemische Fabrikation. Die graste Maschinenhalle wird nach Ansicht der Techniker den Clou der ganzen Aus stellung bilden. Alle Maschinen sind in Bewegung zu sehen, der grösste Teil wird durch Elektrizität fle- speist, die Triebanlagen eine Sehenswürdigkeit für sich — befinden sich hinter den Hallen. Dann lammen noch die Halle für das Zngenieurwesen, die Kunst-, Automobil-, Luftschiffhalle, die Halle für Toilette- und Luxusindustrie, und als für mich und alle Laien wohl interessanteste: die Kultus- und Unterrichtshalle. Zn letzterer wird ein getreues Spiegelbild des deutschen Unterrichts, von der Volks schule bis zur Universität gegeben. Zu ihr hat auch die sächsische Regierung einen Hauptanteil beigestcuert. * Ueber die Brülleler Kirmes schrieb geleyentlich der Eröffnung der Korrespon dent des Leipziger Tageblattes: „Nur etwas war rechtzeitig fertig, La Bruxelle- Kermesse, über die ich Ihnen ausführlich zu berichten versprach. Stellen Sie sich eine grosse Holz budenstadt vor, die ein Stück Altbrüsse ler Lebens bieten soll. Steile Gässchen, kleine Häuser, ein gedeckter Marktplatz und noch so manches andere ganz hübsche Bild. Aber das Ganze ist doch zu sehr Kulissenarbeit und leidet darunter, dass man aus Profitwütigkelt jedem Häuschen Schankgerechtigkeit verliehen hat. Alt- Brüssel war doch wirklich nicht bloss eine gemütliche Bierstadt! Wir Deutschen, die wir in Passau, Nürn berg, Bayreuth, Rothenbuxg und vielen anderen Orten noch alte Stadtteile roalittrr erhalten sehen, sind allerdings etwas zu verwöhnte Beurteiler der artiger Zmitationen. Uebrigens habe ich auf melnen Wanderungen durch Brüssel selbst im Herzen der Stadt, im sog. Marollenviertel, auch schon ganze Gässchen gefunden, die vollständig noch das Gepräge entschwundener Zeit tragen. Aber für so etwas hat der Durchschnittsbelaier nicht viel übrig. „Der Fläme liebt die Wisseuschast, wenn sie ihm etwas einbrinzt, und die Kunst als Dorwand für ein vergnügtes Leben", so urteilt Vanderkindere über seine Lands leute, und der Mann kennt als alteingesessener Bruxellois seine Pappenheimer. So ist denn Bruxelle-Kermesse zwar Tag für Tag von Besuchern überflutet, aber sie lassen sich weniger von seinen architektonischen Reizen, als durch die vielen Estaminets anlocken. Dort werden Lambic und Faro verzapft, beides belgische Gebräus, die man hierzulande komischerweise für Bier hält und — noch unbegreiflicher — mit Hochgenuss trinkt. Za, sie haben in Antoine Liesse sogar ihren Poeten gefunven, ver den schauerlichen Stoff mit den begeisterten Versen besingt: 8»1ut L toi. diörs limpicks ot dlovcko cks tievs wov verro et Iv dovkeur ev mala Xk! j'ev vouckrais versor L tout le movcks ?our Iv dovkeur ckv tout le govre duwaiv. Theater. Leipzig, 15. August. Neues Theater. Escamillos „Auf in den Kamps" galt gestern nicht nur dem Torero, es galt unserm Opcrnpersonal, das nach Beendigung der Ferien aufs neue die Bretter, die die Welt bedeuten, betrat, um hier — in künstlerischem Sinne — einen Kampf zu führen, aus dem nur der siegreich hervorgehen wird, der mit Anspannung aller verfügbaren Kräfte — der gesanglichen wie darstellerischen — kämpft. Doch dürfen dabei auch Lust und Liebe nicht fehlen. Sie sind die Fittiche zu grossen Taten. Und mit Lust und Liebe wurde gestern in Bizets „Carmen" ge sungen und gespielt Das gilt fowotst von den Haupt- verrretern dieser Oper, von Fräulein Sanden (Carmen) und Herrn Jäger (Don Jose), als auch von den Vermittlern der üvrigen Pariren. Das sehr zahlreich erschienene Publikum folgte mit viel Interesse dem flotten Spiel und dankte durch reichen Beifall für die Aufführung, zu deren gutem Gelingen das Orchester unter Herrn Kapellmeister Porsts umsichtiger Leitung wesentlich mit beitrug. 6. R. Schauspielhaus. „Der M ei ste rd i e b". Es lebe die Detektivkomödie! So viel ist jedenfalls sicher: Wenn von heute ad im Schauspielhause vierzehn Tage hintereinander „Der Meisterdieb" gegeben wird, wer den Parkett und Galerien alle vierzehn Abende voll besetzt sein. Warum denn auch nicht? Es ist doch „so furchtbar spannend", dies neue Detektivstück, und da bei so elegant. Zn der Tat, man sieht saubere und geschickte französische Arbeit in recht eleganter Auf machung; man sieht ein Stück von besseren Quali täten, als das landläufige Genre. Einst hat der so vom Unglück verfolgte genialische Ferdinand Bonn in Berlin mit seinen Sherlock-Holmesiaden sogar den „Hund von Baskerville" hoffähig gemacht, und seit dem ist das Detektivstück bei uns unausrottbar im Schwange. Es grassiert wie eine Epidemie, es elek trisiert die Theaterbesucher, es richtet manchmal in unreifen Gemütern auch Schaden an. Jedenfalls muh es als ein nicht unwesentliches Moment unseres zeit genössischen Theaters in Betracht gezogen werden. ..Der Meisterdieb" zeigt bei weitem noch nicht den Tiefstand dieser Richtung an. Ein Meister der Diebe mit all den bekannten Eigenschaften, und ein Detektiv als sein Gegner, der ruhig arbeitet und viel Scharf sinn entwickelt. Sie messen ihre Waffen in atem beraubenden Szenen. Herr Kurt Juncker vom König!. Hoftheater in Stuttgart begann in der Rolle dieses „Meisterdiebes", der sich in der Maske eine» Herzogs sicher weiss, seine hiesige Gastspielzeit sehr erfolgreich und gab den genialen Gauner sehr ansprechend. Den Trick mit dem Tausch des Millionenkolliers könnte man sich un auffälliger vorstellen. Herr Wolfram war ein smarter, bewundernswerter Kriminalist, ein Detektiv, wie man ihn sich zur Lösung kniffliger Fälle nur wünschen kann. Von den übrigen Darstellern zeichnete sich die Gesellschafterin (Frl. Lore Busch) besonders durch ihr verständnisvolles, diskretes Spiel aus. Dem Stück und dem Spiel wurde lebhafter Beifall zuteil. I>. s. LMe Plauderei mit Lilli Lehmann. Robert Brussel, der Musikkritiker des „Figaro", ist zu den Mozart-Festen nach Salzburg gereist und hatte dort eine Unterredung mit Lilli Lehmann, der berühmtesten aller Mozart-Znterpre- tinnen. „Sie ist noch immer schön und imposant," schreibt er; „sie zeigt unter weihen Haaren ein helles, freund liches Gesicht, aus welchem ein Herrfcherblick funkelt, dem die Begeisterung ein eigenartiges Feuer ver leiht. Sie ist schlicht und einfach; ihre würdevolle Haltung ist nichts Angelerntes: die Künstlerin ist vornehm von Natur. Wenn man sich ihr nähert, hat man das Gefühl, als ob man Beethoven und Mozart näher trete; im Gegensatz zu jenen Sänge rinnen, die in ihrem Hirn nur wunderbare Noten aufgeiveichert haben, ist in ihrem Herzen etwas von dem Geiste der grossen Meister geolieben. Wir haben lange geplaudert: von allem — von diesen Schauspielen, deren Seele sie ist. von ihren Schülerinnen, von Musik und hauptsächlich von Ge sang. Auch von der Vergangenheit sprachen wir, und sie erzählte mir von dem musikalischen Milieu, in welchem sie aufgewachsen ist: „Das ist sehr wichtig," sagte sie, „und für eine Künstlernatur vielleicht bas Entscheidende. Wenn ich zuerst eine untergeordnete Kunst, Krämerei oder In dustrie kennen und lieben gelernt hätte, hätte ich wahrscheinlich mit meinem Leben nichts anzufangen gewusst. Aber meine Mutter war für meine Schwester und für mich die sicherste und strengste aller Erzieherinnen. Der grossen Mozartschen und Beet, hovenschen Zeit noch ganz nahe, hat sie uns von frühester Kindheit an in der Kenntnis und Ver ehrung dieser «rossen Namen erzogen. Sie hatte Leipzig, wo Wagner st« kennen gelernt und so- gar zur Frau begehrt hatte, verlassen, um nach Prag zu gehen; das intensiv musikalisch« Leden, das damals hier herrscht«, schien ihr für unsere ersten Studien nutzbringender zu sein. Sie hatte al» Sängerin grosse Erfolge errungen, hatte sich neben der Schröder-Devrient und neben der Malibra n hören lassen und hatte in Kassel unter Spohr, in Riga unter Wagner gespielt. Da sie sich aber — und das mit Unrecht — für zu alt hielt, um noch länger auf der Bühne zu erschei nen, hatte sie sich dem Harfenunterricht gewidmet; sie hatte die Geheimnisse des Harfenspiels einer Markgräfin abaelauscht, die sie in den ersten Jahren des verflossenen Jahrhunderts in einem deutschen Seebade getroffen hatte. Die alte Harfe von Erard, die ihr Vater ihr im Jahre 1820 geschenkt hatte und die bis dahin nur ein zur Unterhal tung bestimmtes Instrument gewesen war, verwan delte sich von nun an in ein Arbeitsinstrument. In Prag, das noch ganz voll war von Mozart- schcn Erinnerungen, lernte ich die Interpreten des „schönen Gesanges" kennen. So oft sich einer oder eine von ihnen hörn liess, nahm mich meine Mutter mit ins Theater, entwedgr in eine Loge oder auch ins Orchester, wo ich mich versteckte, um von dem Un terricht, der sich mir hier bot, nichts zu verlieren. Während dieses Aufenthaltes in Prag konnte meine Mutter, die mit dem verbannten Wagner korrespon dierte, an einen Verleger die „Tannhäuser"- und die „Lohengrin"-Partitur für 15 Louis verkkaufen. Als er in Zürich war, wollte Wagner mich eines Tages sogar adoptieren, aber meine Mutter war der Ansicht, dass er für mich ein noch etwas zu junger Vater war. Wahrscheinlich batte ich es seinem Gedenken an diese Beziehungen und meinen ersten Erfolgen zu verdanken, dass ich im Jahre 187k von ihm aufgefordert wurde, die erste Rheintochter, das Waldvöglein in „Siegfried", dann die Brünnhilde zu singen, während meine Schwester Marie die zweite Rheintochter kreierte. Wie sehr bedaure ich, dass ich Wagner damals nickt gefragt habe, wie er über die Kunst des Gesanges denke. Ich bin der festen Ueberzeugung, dass er sich dafür viel mehr interessierte, als' man gemeiniglich glaubt. Ich be daure auch, dass die lange Korrespondenz, die er mit meiner Mutter führte, die Beute von Auto, graphensammlern geworden und verstreut worden ist. Wenn man die Freunde meines Eltern hauses wiederfinden könnte, würde man jenen Brief wechsel vielleicht noch einmal zusammenbringen können: es wäre sicher eins der wertvollsten Dokumente über das Privatleben des Meister s." Die Künstlerin sprach dann noch von ihren Kunst- fohrten nach Amerika: „Ich habe", sagte sie, „Amerika schon vor langer Zeit kennen gelernt, als ich mit einer der ersten grossen Theatergesellschaften dort weilte, und ich habe, wie ich glaub«, die Neue Welt erst mit Wagner bekannt gemacht. Welchen naiven Reiz besah diese Welt damals! Das Publikum war noch nicht so, wie es heute ist: unterrichtet und musi kalisch erzogen; und die Erinnerungen, die ich von drüben heimgebracht habe, sind voll köstlicher Anekdoten. Ich habe jedenfalls selten ein so naiv enthu siastisches Publikum gefunden. . . ." * Eine Thoma-Premiere. Die Uraufführung von Ludwig Thomas neuester dramatischer Arbeit „Erste Klasse" fand Sonnabend im Pfarrdorf Egern am Tegernsee statt. Dr. Ludwig Thoma war selbst an- wesend. Das Stück ist eine satirische Szene ohne Handlung. Seine Stärke liegt im Dialog, in dem Thoma, von ein paar Längen abgesehen, sich wieder als Meister zeigte, noch mehr aber in der treffenden Zeichnung von einigen teils karikierten, teils fabel haft echten Charakteren, die wir aus seinen Satiren kennen. Die Darstellung des Stückes durch die Denggsche Truppe war ausgezeichnet. * Da» Berliner Museum für Meereskunde hat bereits über Platzmangel zu klagen. Die Er- Weiterung der Sammlungen ist bei dem Fehlen an geeigneten Räumen zu museumsmässiger Aufstellung mehrfach behindert und verschiedene Neuerwerbungen konnten nicht mehr zur Aufstellung gelangen. Die Reichsmarine - Sammlung erhielt vom Reichs marine amt und verschiedenen Behörden und Ver waltungsstellen der kaiserlichen Marine Schiffsinoen- tarien zur Ergänzung der Schiffskammern, ferner eine Kajütentür von dem alten Schulschiff „Char lotte" und Zeichnungen von alten Schiffen der Marine. Eine interessante Erwerbung erhielt das Instrumentarium und die ozeanologische Sammlung. Es überwies nämlich das geographi>che Institut der Berliner Universität eine silberne Dose mit den Resten des Dokumentes, das von der zweiten deutschen Nordpolfahrt an ihrem nördlichsten Punkt niedergelegt worden ist. Der biologischen und Fischerei-Sammlung schenkte die Firma Kempinski in Berlin eine Darstellung des Gröhenwachstums der holländischen Auster. Der Direktor des Museums, Geh. Reg.-Rat Prof. Dr. A. Penck, überwies Gegenstände aus Fischbein und Fischhaut, die er auf seiner Reise um die Welt in Japan erworben hat. In der Reichsmarinesamm lung wurde das Modell eines Torpedobootes mit Inneneinrichtung aufgestellt, in der biologischen Sammlung das Schaudecken mit der Tier- und Pflanzenwelt de« Wattenmeeres bei Ebbe und Flut, die Helgoländer Sammlung von Meeresalgen, da» Material zur Darstellung des Vogelledens des Wattenmeeres und ein Walrohkopf.
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