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01-Frühausgabe Leipziger Tageblatt und Handelszeitung : 28.06.1910
- Titel
- 01-Frühausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1910-06-28
- Sprache
- Deutsch
- Vorlage
- SLUB Dresden
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id84535308X-19100628016
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id84535308X-1910062801
- OAI
- oai:de:slub-dresden:db:id-84535308X-1910062801
- Sammlungen
- Zeitungen
- Saxonica
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
-
Zeitung
Leipziger Tageblatt und Handelszeitung
-
Jahr
1910
-
Monat
1910-06
- Tag 1910-06-28
-
Monat
1910-06
-
Jahr
1910
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Nr. 176. 104. Isüryrmy cewztyer Tageblatt. vlenstag, 28. 3unt 1910 Deutsches «eich. Leipzig, 28. Juni. * Die Teilun«, der Amtshauptmannschaft Lhemnitz. Das „Dresdn. Iourn." veröffentlicht die ministerielle Verordnung, bctr. die Teilung der Amtshaupt- mannschast Chemnitz und die Errichtung einer Amtshauptmannschait zu Stollberg am 22. Juni 1910. Dadurch wird am 1. Juli d. Z. in der Kreishauptmann schaft Chemnitz eine 6. Amtshauptmannschaft mit dem Sitze in Stollberq adgegrenzt. Der Amtshauptmann schaft Stollberg werden von dem bisherigen Bezirk der Amtshauptmannschaft Chemnitz die Amtsgerichts bezirke Stollberg und Zwönitz »ugeteilt. So viel jedoch den letzteren Amtsgerichtsbezirk anlangt, mit Ausnahme der Ortschaften Auerbach, Gornsdorf und Meinersdorf. Bei den Bezirken der Amtshaupt- mannschafl Chemnitz verbleiben die Amtsgcrichtsbe» zirke Limbach und Chemnitz, mit Ausnahme der Stadt Chemnitz, sowie dre im vorstehenden ausgeführ ten drei Ortschaften des Amtsgerichtsbezirks Zwönitz. * Der Rationale Wahlverein zu Leutzsch hält seine nächste Monatsversammlung Mittwoch, den 6. Juli, im Auenschlößchen ad. Landtaasabgeordneter Dr. Löbner - Leipzig spricht über das Brandversicherungs- gesctz. Den zweiten Teil der Verhandlungen bildet eine Aussprache über die allgemeine politische Lage. * Der Sächsische Landesverband für staatliche Pen. sions- und Hinterbliebenenveriicheruung der Privat angestellten hielt am Sonntag in Freiberg seine Landechaurtrersammlung ab, zu der aus allen Teilen Sachsens Vertreter erschienen waren. Einer am Son labend übend ibgehaltencn nicht- enenUi.hen Sitzung des Derbandsvorstandes folgte am Soni'ta.i mittag eine große öffentliche Kund- g'buno zugunsten der Venstonsvelsicherunq, die sehr zahlreich besucht war und der als Ehrengäste die Land, ragsabgeoroneien Braun und Dr. Mangler, Ver treter d;c Stadt und der Industrie beiwohnten In Vertretung lns infolge Krankheit behinderten Der- bandsvorsitzenden. Redakteur Thtesler - Dresden, leitete Oberinqenieur S: e 1 nle. Chemnitz d-e Ver sammlung. Den Hauotvorlraq hielt Neichetoqsadge» ordneter Dr. Heinze. Er gab gleich eingangs seiner hochinteressanten Ausführungen der zuversicht lichen Hosfnuung Ausdruck, Laß man in Sachen der Privatbeamtenvcrsicherung noch vor Schluß des gegen wärtigen Reichstages zu einem für dre Privatange stellten erfreulichen Resultate kommen werde, zeich nete dann ein Bild davon, wie sich die Dinge in dieser Angelegenheit entwickelt haben und wre sie augenblicklich stehen. Er verbreitete sich eingehend über die zwei von der Regierung ausgearbeiteten Denkschriften, betonte, daß die Berufsinvalidität un bedingt die Grundlage für die Versicherung der Pri- vatangestellten sein müsse und stellte sich auf den Standpunkt der Regierung, daß man die Privat beamten, soweit sie schon jetzt rn der Alters- und Invalidenversicherung inbegriffen sind, dort belassen, aber für ihre besonderen Verhältnisse besondere Zu» schußkassen bilden solle. Ein Anschluß oer Privat- beamtenoeriicherung an die vorhandene Alters- und Invalidenversicherung sei nicht möglich, weil der Kreis der Prioatbeamten innerlich ganz andere ge artet ist, als der Kreis der Industriearbeiter. Die Beiträge sollen in Höhe von 8 Prozent des Gehaltes zu gleichen Teilen von Angestellten und Prinzipalen geleistet werden. Rach einer Karenzzeit von 120 Beitragsmonaten soll die Rente ein Viertel der Summ« betragen, die während der 120 Monate ge zahlt worden ist. Zahlt der Versicherte über die 120 Monate hinaus, so soll die Rente von Monat zu Monat um ein Achtel des werter gezahlten Beitrages steigen. Die Witwen und Waisen bekommen einen bestimmten Teil der Rente. Man dürfe die Hoffnung hegen, daß die Vorlage im kommenden Winter verab schiedet werde. Um das zu erreichen, müsse aber ver mieden werden, daß die Versicherungsordnung mlt der Privatbeamtenversicherung verquickt werde, denn zur ersteren seien bereits in den Kommissionen Bs- zuverlässig an Stelle der Menschenkräfte erledigen, — seit sich Oie Menschen die c-euce Miiye genommen, cll die Maschinen auch nur erst einmal zu erfinden . . . Funkens bedürfen. Und man hat sich praktisch ein gerichtet: man besorgt nicht nur die Kraft allein, man schasst alle» Zubehör zugleich, dessen diese Krasi auf ihrem Wege benötigt, dre Straßen der Funken, die Kabel und Drähte. Zwar bedeuten das Kupfer walzwerk, die Drahtzieherei, die Gießereiriesenke- triebe für sich, aber auch sie sind hier weiter nicht» al» riesige Teile eine» noch riesigeren Ganzen, Strophen eines Maschrnenepos: die einzelnen Ent- stehungsetappen de» Kabel». Große, kräftige Gestalten gleiten in allen Sälen eilig hin und her, dünn beneidet zwischen Dampf und Hitze und zitternden Gasen, aber ein Eindruck bleibt der entscheidende sogleich: sic alle scheinen hier nur zu regulieren, zu leiten, die Titanenlräste zu lenken, die die Maschinen verschwenderisch aufdicten, um das Metall im vpiele zu besiegen. Ein glühender Kupferbolzen zwischen zwei Walzen geworscn. Manch mal zischt er im Rotglühen noch wütend auf, aber die Walzen sind unerbittlich und. wie er kaum eine Minute lang immer wieder von den langen Zangen der beiden Arbeiter rechts und links von der Maschine römischen die Walzen gezwängt wird, dehnt sich der Bolzen zur breiteren Zunge. Man läßt ihm keine Rahe. Die Zunge wandert weiter, wieder zwei Ar beiter vor engeren Walzen, wieder knapp eine Minute und die Kupserzunge wird, indes die Farbe langsam dunkelt, ein Kupferband. Und wieder eine Station weiter, eine noch engere Presse: jetzt ist'» eine fast grau schimmernde Kupserkonfettiriesenschlange. Noch einmal wiederholt das Spiel sich: der kurze, feste Kupferbarren, sechzig bis neunzig Kilogramm schwer, ist Draht von sechs Milimeter geworden. Er wandert weiter in die Drahtzieherei. Man preßt ihn durch immer engere Oesen, zwängt ihn, zieht ihn, reißt ihn durch: schließlich ist au» dem Kupserbarren ein Draht von 0,04 rnin geworden, dünner als ein menschl. bes Kopfhaar. Der Kupferbolzen von sechzig Kilogramm hat Leitungsdraht für die Länge von fünftausend vierhundert Kilometer ergeben. . . . Man hat das Kupfer ganz bezwungen. Es fügt sich raick und ohne Umstände, gibt Drähte von jedem erwünschten Durchmesser her. Dann packt man ihn sorgfältig in sein Futteral. Wieder besorgen olles die Maschinen, wieder stehen die Arbeiter fast nur als die Kommandierenden dabei. Die Maschinen surren lustig, erst flattern die Papierstreifen um den blitzenden Draht und pressen sich fest, die papierum- preßte „Kuxserseele" wandert in die luftleeren, großen Trockenschränke, man steckt sie in Eisenbassins und tränkt sie mit Imprägniermasse und hüllt sie endlich in nahtlose Bleimäntel, die in der Erde das Kabel vor Nässe schützen werden. Noch ist das Kabel nicht bis zur Unantastbarkeit geschützt, man sorgt soäler nochmals für gründliche Panzerung gegen äußere Angreifer, aber sowie erst der Bleimantel die inein ander geschlungenen Drähte der Kupferseele umhüllt, kommt das Examen. . . . Man bringt das Kabel in eine Art Eewitterkabineit, in einen reservierten Salon, wo man künstliche Blitze fabriziert. Ten Bleimantel hat man auf seine Dichtigkeit dadurch ge prüft, daß man ihn vierundzwanzig Stunden lang unter Wasser liegen ließ, dann setzt man das KcLel der Prüfungsspannung aus. Man fordert beim Examen von dem neuen Kabel das Ertragen einer Spannung, die zweieinhalbmal größer ist als die spätere, die es im Alltagsgebrauch wird errcagen müssen. Es in sa >n .re - ^o-tenk-onnerweuer, mit Donner und zuckenden Blitzen, wenn einem der Riesenkabel die schwerste Belastungsprobe (120 000 Volts zuaemutet wird. Ist freilich diese Reifeprüfung glücklich überstanden, ist auch die letzte Adjustierung rasch vollendet. Die Panzermaschinen übernehmen sie. Der Bleimantel wird asphaltiert, dann mit Ivte umwickelt, dann umschließt ein sestes Eisenbano die Jute, dann wieder Jute das Eisenband, — Isolation und Außenpanzerung find vollendet: das Kabel harrt der Ströme, denen es dienen soll. . . . Man kann all das im Kabelwerk in Oberspree von Schritt zu Schritt, von Nuancce zu Nuance sehen. Ver blüffen wird die Exaktheit, mehr noch die Schnellig keit einer Arbeit, deren sich die Millionenstadt, die sie räglich aufbraucht, wie überdies noch die Arbeit manch anderer gleichgearteter Kraftquellen, nur stlicn bewunt wird. Bett-lüften wird nicht minder dieser berauschende, alles bezwingende Sieg der Maschinen, di« wirklich alles so einfach, so spielend, so unbedingt Müsse gefaßr worden, die für die Negierung unan nehmbar sind. Er halte die Durchführung der Pu- vcubeamtenversicherung für nötiger, als die Erledi gung der Dersicherungsordnung. Diesem mit leb- 1 inen: Beif-rll auigenommenen Vortrage folgte eine Aussprache. Der öffentlichen Versammlung inlu'e die Landeoverbandsoersammlung, die unter Ausschluß der Oeffentlichkeit tagte. * Der Kaiser empfing am Montag vormittag in Kiel den Besuch de» Großherzogs von Oldenburg, der mit seinen Kindern auf seiner Jacht „Lensahn" einge- lr> sfen ist. Hierauf nahm der Kaiser die Vorstellung einiger französischer Herren durch den fran zösischen Botschafter Combon entgegen, nämlich des Besitzers der französischen Dampsjacnt „Ariadne", des Senators Caston Meiner nid dessen Gasten, des ehemaligen Gesandten und Senators Albert Deorais, der Deputierten Lucien Hubert, Paul Bonoour, Gustave Berardi. Später empfing der Kaiser den Stautsfekretär a. D. Dernburg zur Abmeldung. Zur Frühstückstafel waren geladen die Vizeadmirale Schröder, Loorper, Pohl und Heeringcn. Oder- hofmarsmall Graf zu Eulenburg und der Chef des Zivillabinekts Val.'ntini reisten nach Potsdam zu rück. Der stellvertretende Hofmarschall Graf Pückler üdernabw den Dienst. * Auszeichnunge« der Leibärzte de» Kaiser». Der preußische „Staatsanzeiaer" schreibt: Dem Leibarzt des Kaisers Dr. v. Jlberg, sind di« Brillanten zum Roten Adlerorden 2. Klage mit der königlichen Krone, dem zweiten Leibarzt, Oberstabsarzt Dr. Riedner, da« Kreuz der Ritter de» Hausorden» von Hohenzollern verliehen. * Zur Frag: der Staatsangehörigkeit. Die in voriger Woche verbreitete Nachricht, es sei eins Novelle über die Staatsangehörigkeit so gut wie fernggestellt, wird wieder einmal dementiert. Es l egt noch keineswegs ein fertiger Gesetzentwurf vor. Tie Ausarbeitung scheint sich demnach leider noch lange hinziehen zu wollen. * In dem Reichstagswahlkreis« Spandau-Pots- dam-Osthavelland wurde am Sonntag in einer von den konservativen Vertrauensmännern de» Wahl kreises abgehaltenen Versammlung der Landtage abgeordnete L L d eck e - Spandau (Freikons.) ein stimmig aufgestellt. Der bisherige Vertreter des Wahlkreises, Bürgermeister Pauli-Potsdam, läßt sich in diesem Wahlkreise nicht wieder aufstellen, will aber in einem anderen kandidieren. * Auf ein Glückwunschtelegramm de» Westfälischen Bauernverein» an den preußischen Landwirtschafts minister von Schorlemer antwortete dieser, daß er es für tröstlich und ermutigend erachte, auf das Vertrauen und die Unterstützung der Landwirte der „Roten Erde" rechnen zu dürfen, in getreuem An denken an den verstorbenen Stifter de» Westfälischen Bauernverein», keinem unvergeßlichen Vater, nach besten Kräften die ihm anvertrauten Interessen der preußischen Landwirtschaft zu fördern. * Agrarischer Boykott. In Niederburg- städt im Wahlkreise Friedberg-Büdingen ver- vflichteten sich die Mitglieder des Bundes der Landwirte durch Unterschrift, die Ge werbetreibenden, die in der Stichwahl nicht händlerisch wählen, zu boykottie ren. Was sagt dazu die p. 1. Bundesleitung, die so sehr über sozialdemokratischen Boykott zu zetern versteht? * Ein« Folge der Borromäus - Enzyklika. Die städtischen Kollegien von Wilhelmshaven lehnten die Beteiligung an der Feier zum ersten Spatenstich für die katholische Kirche infolge der väpstlichen Auslassungen ab. * Kein Enlenburg-Prozeß. Die „Nordd. Allg. Zeitung" schreibt: Zum Fall Eulenburg brachten in den letzten Tagen einige Blätter die Mitteilung, daß Fürst Eulenburg wieder verhandlungsfähig sei und daß die Staatsanwaltschaft, um einer parlamenta rischen Interpellation über den Stand des Meineid verfahrens aus dem Wege zu gehen, den Prozeß in der ersten Schwurgerichtsperiode wieder aufnehmen wolle. Diese Nachrichten sind völlig unzutreffend. Seitens der Staatsanwaltschaft ist der Fürst nach den eingcholten Gerichtsbeschlüßen durch Medizinalrat Dr. Störmer im April und Mai untersucht worden, und zwar beim zweiten Male auch mittel» Röntgen- Apparates und mittels de» Orthodiagraph». Die Untersuchung hat erneut ergeben, daß der Fürst nicht verhandlungssähig ist. Das Herzleiden (Arterio sklerose und Herzvergrößerung) besteht weiter fort. Die Staatsanwaltschaft ist außerstande, die An beraumung eines neuen Hauptverhandlungstermins zu beantragen. — Demnach scheint es überhaupt frag lich, ob der Fall Eulenburg noch einmal seine gericht liche Sühne findet. Kuslanü. Spanien. * Blutige radikal-republikanische Kundgebung. Dio radikalen Republikaner veranstalteten am Sonntag in Bilbao in lärmender Weise revo lutionäre Kundgebungen. Als die Polizei entschritt, bewarfen die Ruhestörer die Beamten mit Steinen und verwundeten einen von ihnen. Darauf drangen sie in den Klub der Karlisten. Zn dem nun folgenden Tumult wurde eine Person ge tötet. Die Zahl der zum Teil schwer verletzten Personen beträgt sieben. Die Ruhe wurde erst durch das Einschreiten des Gouverneurs wiederher gestellt, der den Manifestanten gestattete, ihren Weg sortzusetzen. Norwegen. - Aufwendungen für die Marin«. Zeitungsmel dungen zufolge soll die Regierung wegen günstigen Standes der Staatsfinanzen beabsichtigen, dem Storihing oorzuschlagen, vier Millionen Kronen von dem aus fünf Millionen bestehenden Ueberschuß des vorjährigen Budgets für außerordentliche Auf wendungen für die Marrne zu verwenden. Türket. * Ueber die Boykottbewegung schreibt uns unser Konstantinopeler L-Korresponoent unter dem 23. Juni: Die Boykottbewegung in der Türkei und besonders in der Hauptstadt nimmt immer größere Formen an. Nachdem zuerst den unter hel lenischer Flagge segelnden Schissen verboten wurde, am Kai von Galata anzulegen, und nachdem sich türkische große Geschäftshäuser dem Boykottkomitec angeschlosicn haben, versuchte man gestern auf dem hier angckommencn Dampfer der Deutschen Levantc- Üinie „Rh 0 d 0 s", der durch Griechen, die aber tür kische Untertanen sind, gelöscht werden sollte, eine Löschung zu verhindern. Dabei kam es zu einer ziemlichen Prügelei, bei welcher es verschiedene Ver letzungen gab, bis schließlich die Polizei sich ins Mittel legte. Die Sicherheitsbehörde ist eifrig be strebt, Ausschreitungen innerhalb der atadt auf jede Werse zu verhindern. Die Polizeiposten wurden verstärkt und die Nachtpatrouillen sind auch zahlreicher geworden. Allerdings kann die Boykott bewegung von der Regierung nicht unterdrückt werden, diese kann nur Ausschreitungen hintanhalten, da es sich um einen Ausbruch des Volksun- willens handelt gegen den Einkauf von griechi- schen SLaren. Die Griechen hier leben natürlich in beständiger Furcht. Sie glauben bestimmt, doß es außer der allgemeinen Ausweisung auch zu Metzeleien kommen wird und daß es dann schlimmer werden würde, wie im vergangenen Jahre in Adana. Das ist natürlich Unsinn, dre neue Türkei, welche selbst bei der Entthronung des roten Sultane Abdul Hamid gegen diesen mit aller Milde vorgegangen ist, hat das ge ringste Interesse daran, eine Einmischung der M«Mc in die inneren Angelegenheiten des Landes herauf- zubeschwören, eher ist das Gegenteil der Fall, und auch der populärste Mann der Türker, MMnüo Scyefket Pascha, würde mit etwaigen llnruhc- stiftern sofort kurzen Prozeß machen, wenn es über haupt solche Fanatiker gäbe. rvile. * Neubildung de» Kabinett». Das Kabinett hat sich neugebildet und setzt sich wie folgt zusammen: Inneres Augustin Edwards, Aeußeres Luis Jaquterdo, Finanzen Carlos Balina reoa. Die Pantomime. Eine theatergeschichtliche Plauderei. Von Dr. Paul Landau. Wundt hat in seiner Völkerpsychologie alle mimische Betätigung des Menschen als eine Weiter bildung jener qualitativen Ausdrucksbewegungen be zeichnet, die im Mienenspiel des Gesichts die allge meine Gefühlsrichtung und in den instinktiven Be wegungen ^.cd Gebärden die Vorstellungsinhalte der Lerdenschaften widerspiegeln. So entwickeln sich bei den wilden Völkern mimische Tänze, in denen be stimmte Handlungen nachgeahmt und bestimmte Wesen als handelnd eingeführt werden. Das inten sive Miterleben einzelner bedeutender Vorgänge, z. B. von Krieg und Jagd, fordert zu einer nachahmenden Tätigkeit heraus, die auch schon bei den Ausdrucks bewegungen und bei den aus ihnen sich entwickelnden darstellenden Gebärden die entscheidende Rolle tpr-ft. In solch mimischen Vorstellungen, wie sie sich bei den Papuas so gut wie bei den Eskimos, bei fast allen primitiven Raffen finden, werden die wichtigsten Vorgänge des Lebens, Lieoe und Krieg, Säen und Ernten durch Gebärden ausgedrückt und damit sind bereit» die Keime einer dramatischen Wiedergabe de» Dasein» durch die Pantomime gegeben. Besonders wichtig sind die Tierpantomimen, z. B. ein Frosch tanz mit obligater Quakbegleitung, die Nachahmung des Känguruysprunaes ber den Australiern, die Schilderung aanzer Szenen aus dem Leben der Tiere. Tritt zu dieser Pantomime das gesprochene Wort, dann ist die Geburt de» Dramas vollzogen, wie wtr an der Entwicklung de« griechischen Bocksreigens zur Tragödie verfolgen können. Die Tierpantomime ist bei den Griechen auch noch in einer Zeit hochentwickelter Kultur gepflegt wor den. Di« Darsteller hüllten sich in Masken und Fell« und ahmttn die Bewegung de« Löwen, de» Fuchses, der Nachteule täuschend nach. Da» war aber nur «in kleiner Scherz in der reich ausgebildeten, in mannig fachen Formen sich auslebenden pantomimischen Kunst der Griechen, der Orcheftik. Das orchestische Spiel, da» au« rhythmisch zur Musik ausgeführten Bewegungen de» Kopfe», der Hände und de» Körpers bestand, wurde im Theater und aufMarktplätzen au»- geführt, aber auch bet Festen aller Art, Hochzeiten und Gelagen. Schon bei Home, hören wir von dem mimischen Reigentanz der Jünglinge am Hofe de» Llktnoo» »nd von den orchestischen Spielen der Freier im Hause de» Odyffeu». Die Pantomimen wurden teil» völlig nackt aurgeführt, damit di« Anmut der Körpersormen, da, reizend« Spiel der Muskeln be wundert werden könnte, teil« wurden Masten und Kostüm« verwendet. Die Vorführung einer Van- tomtm« war dem Athener und noch mehr dem Lako nie, oder Eyrakusaner ein gern geübte» Mittel ge selliger Unterhaltung. Selbst der weise Sokrates hatte sein, Liebltngspantomime, einen „Memphis genannten, karikierenden Tanz, um den man ihn nicht erst laug« M bitten beauchte. Solch« Soloscherzr > waren z. D. die Schilderung eines leichten Dämchen», das seine Versührunaskünste an einem Gimpel ausübt, ! dann die tolle Wüstheit eines betrunkenen Bauern, die klapprige Drolligkeit eines gebückten Alten, die mimisch erzählte Geschichte eines Jungen, der beim Bäcker Kuchen stiehlt und ertappt wird. Wohl war auch im griechischen Drama die panto mimische Aktion ein wichtiges Darstellungsmittel ge wesen; nun wurde aber unter Augustus das Wort völlig aufgegebcn und die Musik nur als Begleitung und Resonanz der Gebärde geduldet. Die Texte die ser Pantomimen, die von Chören hinter der Szene gesungen und von einem rauschenden Orchester be gleitet wurden, enthielten wirksame Szenen aus den nun ganz absterbenden alten Tragödien; alle diese dramatischen Solos stellte der eine Pantomime allein dar, so daß er abwechselnd als Mann und Weib, jetzt als Jupiter und dann als Semele, erst als König und dann als Soldat, als Greis und Jüngling auf trat, „so daß man glaubte, daß es viele Personen ent halte". Die Sprache der Hände, noch heute bei dem Süd länder viel beredsamer und lebendiger als bei uns, muß im Altertum an allgemein verständlichen Kesten sehr reich gewesen sein: jede Veränderung der Hand haltung jede Nüance in der Stellung der Finger hatte einen Sinn, drückte einen genau bestimmten Inhalt aus. Dazu kamen die Biegungen, Wendungen und Drehungen, die Sprünge und Akrobatenstücke, die der Pantomime mit seinem Körper ausführte. Aeußerlich charakterisierende Gebärden wurden jedoch von guten Künstlern verschmäht; es galt für plump, etwa Krankheit durch die Geste des Pulsfühlens oder da« Zitherspiel durch die des Saitenschlagens zu ver sinnbildlichen. Als der später berühmte Tänzer Hylas in der Tanzschule die Tertworte „Der große Aga memnon" dadurch ausdrücken wollte, daß er sich auf die Zehen stellte, tadelte ihn sein Lehrer Pylades, weil er den Helden „nur lang, aber nicht groß" mach«. Bei diesen Worten mußte die Stellung eines in tiefes Nachdenken Versunkenen angenommen werden. Eine sehr feine und höchst komplizierte Tradition der Ge bärdensprache schrieb dem Künstler die Formen des plastischen Ausdrucks genau vor. Seine Ausbildung erhielt dieser darstellend« Tanz durch den Zilizier V"lade» und den Alerandrtner Batbyllus. die in leidenschaftlicher Gegnerschaft ihre Kunst entfalteten und sogar politische Streitigkeiten entfesselten. Pylades, der Begründer der tragischen Pantomime, war ei« ernster leidenschaftlicher Künst ler, der al» Bacchus — so schildert ihn ein griechischer Dichter — wirklich vom Himmel stammte «nd von der Götterkönigin als Sohn begrüßt worden wäre, als rasender Herkules aber den Wahnsinn allzu stark hervorkehrte. Bathyllu, war der sinnlich verfübrc- risch« Ephebe, der die kühnsten Freiheiten der Erotik wtedergao und rauschenden Beifall erregte. Ueber- haupt wurde die Leidenschaft für die Pantomimen, vesonder» bei den Frauen, „direkt eine Krankheit", wie Seneca sagt. Die Pantomimen waren die ver hätschelte» Liebling« der Kaiser und der höchsten Ge sellschaft. Ein wahrer Rausch und Taumel der Ent zückung riß da» Publikum dieses dekadenten, der Ver nichtung entgegengehenden Zeitalters hin. Mit dem römischen Weltreich sank auch die Pan tomime ins Grab. Während des ganzen Mittel alters und der Renaissance hat sie sich nicht frei und selbständig entwickeln können. Wohl übten die fahrenden Svielleute und Sänger der Nitterzeit auch pantomimische Künste, unterstützten die Anschaulich keit ihrer epischen Vorträge durch körperliche Illustrie rung, durch reiche Gebärdensprache und Mienenspiel. Die lustige Person des Dramas übernahm von ihnen die Tradition plastischer Darstellung. Besonders in der Stegreifkomödie der Italiener lebte die alte pantomimische Begabung wieder auf; Harlekin machte seine Handsesten, derb anschaulichen Späße, die Lazzt, die eine nicht mißzuverstehende Fülle prägnanter Gesten begleitete. Doch die eigentliche Pantonnme entfaltete sich erst wieder in der Kultur des Roloko, die in ihrer Ueberreife manche Ähnlichkeit mit der des ersten christlichen Jahrhunderts hatte. Einer genialen Tänzerin, Marie Salle, gebührt der Ruhm, die Pantomime, die bis dahin mit Ballett und Oper vermischt gewesen war, zuerst in ihrer rein künstle rischen Form durchgeführt zu haben. Sie emanzipiert ich von der feststehenden Gebundenheit der Tanz- chritte, läßt sich ihre Gebärden und Bewegungen nur >urcb die Leidenschaft diktieren, die die dargestellte Handlung in ihr hervorruft; sie wagt es, das steife Kostüm der Zeit von sich zu werfen und mit auf gelöstem Haar in einem nach dem Muster einer grie chischen Statue drapierten Muffelingewand aufzu treten. Noverre, der große Reformator der Tanzkunst und eigentliche Erneuerer der Pantomime, ist nur ihr Nachfolger, der aber die „Action dramattque" zum Siege fuhrt. Der beginnende Klassizismus unter stützt nnt seinen antikisterenden Tendenzen die Herr schaft einer plastischen Ausdruckskunst des Körpers. Der dänische Ballettmeister Vincenze Galeotti trennt noch stärker, als es Noverre getan, die Pantomime vom Ballett. Er ordnet nach dem Vorbild griechischer Bildwerke in rhythmisch-plastischer Grupvierung Männer, Frauen und Kinder zusammen, die in edlen Stellungen und charakteristischem Ausdruck die Liebe darstellen oder den Krieg oder den Tod oder die Freundschaft. Die Mode der „lebenden Bilder", der erstarrten Pantomime, beginnt. Während die Salls und nach ihr die Allard und die Euimard in dem stet» wechselnden Fluß ihrer Stelluiwen und ihre« Mienenspiel» da» reiche vielgestaltige Leben selbst fest gehalten halten, gibt nun die berühmte Lady Hamtl- ton die plastische Pose. Ihre Wandlungen bieten nicht mehr eine psychologisch fortschreitend« Handlung, sondern nur noch jähe Ueoergänge au» einer Rolle in sie andere, „schreckliche und rührende Momente" In dem weißen faltenreichen Gewand einer antiken Statue, mit einfachem Bande gegürtet, durch den Schal sich bald verhüllend, bald enthüllend, erscheint sie al» keusch« Vestalin und wandelt sich zur rasenden Bacchantin, zeigt al» Galatea, al» Iphigenie, al» Medea, als Maria Magdalena Szenen der Sehnsucht, der Raserei, der Verzweiflung, der Reue, der Schwär merei. Goethe bewundert sie auf der italienischen Reise, Tischbern malt sie. Nach ihr tritt das Tänzer paar Vigano zuerst öffentlich in solchen Vorstellungen auf. In großen Kupferstichmerken halten bekannte Künstler, wie Rehberg und Schadow, die schönsten Posen fest, die überall Nachahmung finden. In Deutsckland bringt die große Schauspielerin Henriette Hendel-Schütz diese Kunst der Pantomime zur höchsten Blüte; neben ihr wurde Bürgers geschiedene Gattin Elise viel gefeiert. Das Fieber der pantomimischen Posen aber drang überall hin und führte zu merk würdigen Exzentrrzitäten. Die Entwicklung der Pantomime im 19. Jahr hundert nimmt ihren Ausgang von der französischen Romantik, die den beliebtesten Pantomimenhelden unserer Tage, den Pierrot, schuf. Charles Debureou war der geniale Verkörpere! dieser von Nodier und Gautier geschickt inszenierten Figur. Die Kabaretts des Montmartre nahmen den Pierrot und damit uuch die Pantomime wieder auf; so kam sie mit em „Ueberbrettl" zu uns nach Deutschland. Eine litera rische Vertiefung der Pantomime haben verschiedene moderne Dichter versucht, Maeterlinck in seinen un heimlich phantastischen Spielen, Dehmel in seinem tiefsinnig grandiosen „Luzifer", Hofmannsthal in seinen melancholisch zarten Symbolen, Wedekind in seinen Grotesken, Bierbaum. Die Richsrü- Strsutz-Woche in München. (Nachdruck derkoten.) I. München, 25. Juni. Auf die künstlerisch inhaltsreichen Festtage, die der Erinnerung an Robert Schumannacweiht waren, ist jetzt die Nichard-Strauk-Wocke gefolgt. Wie in jenem Gedenk- und Dankfeste, so kommt auch in dieser eigenartigen musikalischen Feier, die einem Lebenden gilt, ein großzügiger Kunstgedanke zu weihevollem Ausdruck, der die Teilnehmer nicht nur mit Dank erfüllt für die Urheber dieser Idee, sondern auch einen bleibenden tiefen Eindruck in ihnen hinterläßt. Es ist ein Riesenprogramm, das in dieser Richard-Strauß-Woche ausgeführt werden soll. Die musikalische Leitung liegt bei unserem genialen energischen Dirigenten Felix Mottl und bei dem Generalmusikdirektor Richard Strauß, dem Künstler und Tondichter, der im Mittelpunkte Vieser Festwoche steht. Von den Mitwirkenden erwähne ich noch Solo kräfte, wie die Kammersängerin Faßbender (München), Magarete Preuse-Matzenauer München), Edyth Walker (Hamburg) und Tilly K 0 enen und Sänger wie Ernst Krau» (Berlin), Fritz Fein hals München), Fritz Drodersen. Dr. Raoul Walter, Paul Bender, letztere ebenfalls Münchener Künstler, ferner Prof. Dux- bäum (Violoncell), Wilhelm Backhau» (Klavier), Adolf Hempel (Orgel) und Prof. Arnold N»sä
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