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01-Frühausgabe Leipziger Tageblatt und Handelszeitung : 28.06.1910
- Titel
- 01-Frühausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1910-06-28
- Sprache
- Deutsch
- Vorlage
- SLUB Dresden
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id84535308X-19100628016
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id84535308X-1910062801
- OAI
- oai:de:slub-dresden:db:id-84535308X-1910062801
- Sammlungen
- Zeitungen
- Saxonica
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
-
Zeitung
Leipziger Tageblatt und Handelszeitung
-
Jahr
1910
-
Monat
1910-06
- Tag 1910-06-28
-
Monat
1910-06
-
Jahr
1910
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Bezugs-Prei» tkr Lelpjlg and «ororr, durch «Irr« krüger ,n» Spedlirur, r««> »Lglich »u» Hau» grdrachi - SV ->> monatt-, S.7V lnert-NLHri Bel unl«u flUlaleu u. An» «ahwevellen avaedolt 7S ch mouaU„ T.e<> »irnrllährl. Lurch »»« *»N: klurrhaid Lruilld.ano» und drr d«lttchru N»l»nien vierrrUtdrl ».SS monatl. »uttchi PoftdtNrllgrld. ferner >» Belgien. Dünrmart »en Donaustnaren, Italien. Luremdurg, Niederlande, illor- wearn. Oeslerieich Ungarn. Ausland, Schweden. Schwer» a Spanien In allen udrigen Sraare» nur »irev durch die »«>»»',»Hell« «latte» -rdLtilich. Da» l!«,p»ige, tuqrdl,»' -rlchrin- llmu» tllgllch Sinn- » gererr^a» ,« m»rg«n». Adinne «n,-Annu0>->< AuguNusvlatz 8, del unleren trdgern Filialen Lvediteuren UN» Lnnadm«stellen Ivwie AostLmier» und Bnetkrüger» ch»a,»l»»er»,l»»r»«« »er vk^gen- «ulgab» tv »er eide«»a»»g,d» S «t» «edakttvn an» SelchaNskellei Iodannitgasterc Sernwrrcheri l4WT l«W^ »4SV4. Morgen-Ausgabe. KiWgtr TagcblM Handelszeitung. Amtsblatt des Rates und des Ralizeiamles Ser Ltadt Leipzig. Anzelqen-PretS Mr Ialerate au» l!e>v,i, und Umgedunq di« Sgeivallene Ü0 mm drei»» Betitzeil« LS ch, die 74 mm breit« Reklame»«!!« l »,n autwLn« 00 ch, Sieklamen i.Äi Inserate v»n Bebtrden n- amlllchen Dell di« 74 mm drrit, Petitjeil« 40 Ge>ch»il«<ln»«il,en ml« P atdorlchrislen und in der Abendau»gade im idreue erhöht, liiadali nach Larst. Beilagegedübr b p. Lausend exkl. Postgebühr. ffesterteilte Austräge können nicht zurück- gezogen werden. Zur da» Erscheinen an bestimmten Tagen und Plätzen wird keine iSarantie übernommen. Anzeigen. Annahme! Sugustu-platz 8, bei sämtlichen Filialen a. allen Annoncen- Etpeditionen de» In- und Aa»lande«. Hauvt-FIliale verlin: T»rl Duncker. Herwgl. Vihr. Holbuch- handlung, Lützowstiaße 10. iTclevhon Vi, Ur. -töust). Haupt-Filiale Lresdein Seestralle 4. i (Telephon 4621). Nr. 176. vlenswo. »en 28. Juni lSio. 104. Jahrgang. Das Wichtigste. * Wegen der Differenzen bei der Kommissions- beratung der Reichsversicherungsordnung sollen vertrauliche Komprsmißverhand- lungen zwischen den Parteien der Rechten und dem Zentrum angebahnt sein. (S. d. bes. Art.) * Die Beisetzung der Prinzessin Feodora von Schleswig-Holstein erfolgte gestern im Beisein der Kaiserin in Primkenau. (S. Letzte Dep.) * Nach offiziöser Mitteilung findet im Herbst dieses Jahres der Eulenburg-Prozetz nicht statt. (S. Dtsch. R.) * Porfirio Diaz wurde wieder zum Präsi denten von Mexiko gewählt. (2. Ausl.) * Die türkische Presse bezeichnet die neue Kretanote der Mächte als einen grotzen Er folg des Kabinetts Hakki Bey. (S. d. bes. Art.) König Müinanü üer Lrsnzale. (Bon unserem Pariser I-Korrespond.) Paris, 25. Juni. Unsere braven Republikaner schwelgen wieder ein mal in Royalismus. Nach Herzenslust und aus Leibeskräften rufen sie seit drei Tagen: „Es lebe der König!" Und sie meinen es durchaus ehrlich: denn der Monarch, den sie leben lassen, weilt nur zum Be such in ihrer „Lichtstadt". Immerhin klingt der Ruf komisch aus dem Munde von Leuten, denen die „Mar seillaise" längst nicht mehr revolutionär genug ist. Und fast noch komischer ist, daß die königstreue Be geisterung einem Fürsten deutschen Stammes und deutschen Namens gilt. Aber er sitzt auf einem sla wischen Thron und er hatte eine französische Mutter. Das genügt, um den Koburger Ferdinand in den Augen der Boulevardiers zum Franzosen zu stempeln. Nach seinem Vatersnamen fragen sie nicht: sie er innern sich nur seines Großvaters, der ihr letzter König war, und den sie deshalb wegjagten. Es findet sich freilich in den Zeitungsartikeln, die den Bulgaren zar verherrlichen sollen, nicht die leiseste Anspielung auf die Februarrevolution von 1848, dafür aber fehlt in keinem Blatt der Hinweis auf die Tatsache, das; die drei älteren Geschwister des Gastes auf französi schem Boden und in französischen Königsschlössern zur Welt kamen: Der Prinz Philipp in Paris, der Prinz August in Eu und die Prinzessin Klotilde in Neuilly. Noch eindringlicher wird hervorgehoben, das; der deutsche Prinz von seiner Mutter ganz in französischer Denkart erzogen wurde, daß er stets die lebhafteste Bewunderung für französisches Wesen bekundete, ja, daß er sich ganz „als Franzose fühlt". Vielleicht ist das gar nicht einmal übertrieben, denn im Gefolge des Königs sehen wir außer den bulgarischen Diplo maten und Militärs nur Hofbeamte mit echt franzö- schen Namen: den Oberkämmerer Grafen de Bour- boulon, den Zeremonienmeister Grafen de Clinchamp und den Kabinettssekretär de Chevremont. Dieser Umgebung entsprach bisher auch das Auf treten des Bulgarcnherrschers. In seinem Trink spruch gelegentlich des vorgestrigen Prunkmahles im Elysäe betonte er, daß sein erster amtlicher Besuch seit der Unabhängigkeitserklärung seines Landes ihn über Petersburg und Konstantinopel direkt nach Paris geführt habe. Das schmeichelt den Galliern immer, wie es sie zurzeit arg verdrießt, daß das junge belgische Königspaar nicht zuerst bei ihnen, sondern am deutschen Kaiserhof erschien. Die gallische Eitel keit zeigt sich eben unter der diplomatischen Führung des kleinen Pichon noch anspruchsvoller und noch empfindlicher als in den Tagen des gernegroßen Del- cassö. Männer, die man sonst für ganz vernünftig und friedfertig hielt — der Akademiker Paul Bourget! — reden in vollem Ernst von der Not wendigkeit, die Rheingrenze für Frankreich zurückzngewinnen, wohlverstanden: nicht nur Elsaß und Lothringen mit einem Stück Rheinufer, sondern „die Rheingrenze!" Noch offener und allgemeiner äußert sich das alberne Verlangen, bei jeder Ge legenheit und auf jedem Gebiet als führende Nation anerkannt zu werden und eine moralische wie intel lektuelle Hegemonie geltend zu machen. Die Boule vardblätter überbieten einander in Erfindungen, um ihre Leser in solchem Irrwahn zu bestärken. Brachte doch die „Patrie" dieser Tage einen triumphierenden Artikel über den „französischen Sieg", den — der deutsche Lenkballon „Tlouth" mit seiner glücklichen Fahrt von Köln nach Brüssel davontrug. Wie das genannte Blatt versicherte, wäre dieser Ballon mit einem Motor französischen Systems ausgerüstet. Zn den Augen der Abstnthtrinker, auf deren Kundschaft die „Patrie" besonders spekuliert, macht der fran zösische Motor das in Deutschland erfundene und er baute Luftschiff zu einem Vehikel gallischen Ruhmes und läßt die deutschen Aeronauten, an ihrer Spitze den preußischen Leutnant Grafen v. Kleist, einen fran zösischen Sieg erringen. Gönnen wir ihnen solcher Erfolge noch recht viele! Leider ließ die Fahrt der belgischen Majestäten nach Berlin sich nicht ebenfalls als Huldigung für die „große Nation" auslegen, und darüber ist man hier tatsächlich so verstimmt, daß die Beziehungen zwischen der Republik und dem belgischen Hof darunter gelitten haben. Der Landesoater Falliöres hatte für den Herbst in Brüssel wie im Haag seine amtliche Visite angesagt; jetzt erfahren wir plötzlich, daß der Besuch „aufs nächste Frühjahr" verschoben wurde, und die bekanntlich sehr franzosensreundliche „Indöpendance beige" liefert den Kommentar zu der Nachricht, indem sie ein „Mißverständnis" zwischen Paris und Brüssel in Abrede stellt, zugleich aber die Priorität des in Berlin abgestatteten Besuchs zu entschuldigen sucht. Bei den Begräbnisfeierlichkeiten in London, so schreibt das Blatt, lud Kaiser Wil helm den König Albert dringlich zu einem baldigen Vesuck in Berlin, und deshalb mußte der junge Monarch die deutsche Reichshauptstadt vor der republikanischen Metropole bevorzugen. Er „mußte"! Wie man sieht, spukt die fixe Idee von den Vor rechten Frankreichs als europäischer Vormacht auch schon außerhalb der französischen Grenzen. Der König von Bulgarien hat es für nützlich ge halten, mit dieser fixen Idee zu rechnen. Man ist ihm denn auch sehr dankbar dafür, daß er, aller seiner Familienbeziehungen ungeachtet, nicht nach Wien oder Berlin, sondern zuerst nach Paris die Fahrt lenkte. Und wie er seinen republikanischen East- freunden aus der Seele zu sprechen wußte, indem er .Frankreichs ruhmvollen Kämpfe iür den Fortschritt der Menschlichkeitsgedanken, sowie für Len Triumph der Freiheit und des Rechtes" verherrlichte! So schön hatte vor ihm noch kein Herrscher sich geäußert, wie der ministerielle „Petit Parisien" dankbar her vorhebt. So sehr ist denn auch noch keiner in Paris mit Liebenswürdigkeiten überhäuft worden, wie wir als Augenzeugen bestätigen können. Der Russenzar und der Britenkönig fanden vielleicht eine ebenso prunkvolle, gewiß aber keine so herzliche Aufnahme. Die Prelle feiert Ferdinand I. in allen Tonarten, sie bewundert in ihm den ebenso zielbewußten, wie verschlagenen Diplomaten, der sich aus einem Vasallen der Pforte zum unabhängigen Herrscher eines von ihm selbst geschaffenen starken Reiches zu machen wußte, sie preist ihn als einen „soll rvÄ-äo Livx", aber ne liebt ihn, wie Monarchisten und Republikaner um die Wette erklären, als „gekrönten Franzosen" uns als „Enkelsohn Ludwig Philipps". Und der Gothaische Hofkalender führt ihn doch unter den Prinzen des deutschen Hauses Sachsen-Koburg aus! Prinz Msr über üie Kretskrsge. Zum Kretaproblem äußert sich in einem langen historischen Exkurs, den die ultramontane „Köln. Volksztg." veröffentlicht, Prinz Max, Herzog zn Sachsen. Er leitet seine Darlegungen, die Kreta frage vom christlichen Standpunkte aus betrachtet, mit folgenden Sätzen ein: „Man hat sich zwar schon lange an das gewohnt, woran man sich nie gewöhnen sollte, daß nämlich das Christentum, die göttliche Wahrheit, im Staatslebcn und gar erst im internationalen Verkehre der Staa ten untereinander fast keine Rolle spielt. Aber selten tritt einem dieser Umstand in so widriger Gestalt entgegen, wie heutzutage durch das Verhalten der Mächte Europas in der Frage, die das unglückliche Kreta berrisst. Es scheint zunächst, daß diese Ge walten sich zu einem Gotte aufspiclen, der über das Schicksal von Ländern und Völkern verfügt und unter dessen Anordnungen der „Schützling" sich blindlings fügen muß. „Was hat auch ein so kleiner Gegenstand gegenüber einer solchen Großmacht zu bedeuten?" Vom christlichen Standpunkte aus muß die ungerechte Behandlung Kretas um so tiefer betrüben, als es eine der ältesten Provinzen des Christentums ist, um die es sich handelt." Dann läßt er zum Lobe der Insel Kreta, als eine- der ältesten christianisierten Statten, einen Ge beishymnus des heiligen Andreas non Kreta folgen und schließt diesen Abschnitt wie folgt ab: „So haben Heilige gebetet und geweint. Und wir sollten sorg los und spielend ein christliches Dol? seinem Ver hängnis preisgeben, wo wir es doch mit Leichtigkeit obwenden könnten, wenn wir wollten''" Noch andere Hymnendichter, die die Gcfe.br der Muselmanen in schreckhaften Bildern für die Kreter zeichnen, werden zitiert, und schließlich kommt die Nutzanwendung für die Gegenwart: „Man sage nicht: heutzutage sei die tür kische Herrschaft keine Gefahr mebr und erträglich für die Christen. Das wird doch höchstens lemand sagen, der es nie erfahren hat, was türkische Herrschaft bedeutet, oder nie in diesen Gegenden ge weilt hat. Die Minister der Großmächte denken, es ser etwas Lerchtes, unter solche Herrschest gestellt zu werden. Es ist eine Grausamkeit sonder gleichen, wenn wir, die wir in gesitteten Vr- i hältnijsen leben, die uralten Christenheiten des I Morgenlandes, von denen wir so viel empfangen haben, immer und immer wieder in solche Verhält nisse hineinstürzen." Der Protest gegen das Verhalten der Kretamächt: schließt endlich: „Gott braucht die Menschen nicht. Er hat wohl manche auf Throne oder an andere ver antwortliche Stellen gesetzt, damit sie seinem Volke dienen und seine Sache befördern. Wenn diese nicht seinen Plänen entsprechen, so wird er einmal über sie hinwegscbreiten, und das Volk Gottes wird auch ohne sie befreit werden, aber nicht zu ihrer Ehre. Welche Stunde der Freude wird dann diese Bcfreiungsstuunde sein! Was die Mohammedaner heute verlieren, werden sie nie wicdcrgewinnen. Alsdann wird hoffentlich Kreta, die alte christliche Insel, für immer unter christlicher Herrschaft stehen." Es ist ganz interessant, für welche Anschauungen der prinzliche Priester hier Anhänger wirbt: aber es ist doch zugleich sestzustellcn, daß eben diese Anschau ungen vom staatsrechtlichen Standpunkte aus in der Praxis der Gegenwart keinen Anspruch aus Gel tung machen können. Die neue Kretanote. Die Botschafter der Kretaschugmächte über reichten am Donnerstag der Pforte die Antwortnote auf die Note vom 13. Mai. Nach dem von der Pforte publizierten Text teilt die Note den bekannten Schritt der Konsuln bei dem kretischen Exekutivkomitee, sowie den Beschluß der Mächte mit, die bei Kreta stationierten Schiffe zu vermehren. Hierdurch bezeigten die Schutz mächte nochmals die Absicht, die Souveräni tätsrechte desSultans zu wahren. Die Schuhmächte fordern daher die ottomanische Regie rung auf, wirksame Maßnahmen zu treffen, damit der Erregung im Lande ein Ende ge setzt werde, weil die Erregung, zu der die Haltung Griechenlands keinen Anlaß gebe, bedauerliche Zwischenfälle Hervorrufen könnte. Wenn die oitoina- nische Regierung glaube, daß die Zeit zur Bestim mung oes definitiven Regimes auf Kreta gekommen sei, so erklärten die Schutzmächte, daß die Erörterungen hierüber nur unter Beteiligung sämtlicher Signatar mächte des Berliner Vertrages beginnen könnten. — Die türkische Presse bezeichnet die Note als einen großen Erfolg des Kabinetts Hakki Bei, weil zum erstenmal die Mächte den Ausdruck „Souveräni- tätsrechte" gebraucht und außerdem die definitive Lösung der Kretafrage im Einvernehmen mit Oesterreich-Ungarn und Deutschland in Aussicht gestellt hätten. — Ueber die Haltung dieser beiden Staaten wird noch gemeldet: Die Zusage Deutschlands und Oester reichs, sich an einer Kretakonferenz zu be teiligen, ist nur bedingsweise gegeben worden, und zwar wollen die beiden Mächte dem Konzert der Kretamächte nur dann beitreten, wenn dadurch eine große Kriegsgefahr verhindert werden kann. Aus üen Sommerkammillionen. Die Strasprozcßksmmission erledigte am Sonnabend die Paragraphen 235—243, in denen es sich namentlich um die Vernehmung von Zeugen oder Sachverständigen in der Hauptverhandlung handelt. Gestrichen wurde Absatz 3 des 8 235, der den Gerichten die Be fugnis geben wollte, weitere Fragen der Prozeß beteiligten an die Zeugen einzuschränken, wenn Miß brauch mit den Fragen getrieben würde. Gestrichen wurde auch 8 238, der das Kreuzverhör betrifft, indem man annahm, daß das Kreuzverhör praktische Bedeutung nicht gewonnen hat und in das System der Zeugenvernehmung nicht paßt. Im übrigen wurde die Regierungsvorlage angenommen. Reichsversicherungsordnung. In der Sonnabendsitzung der Reichsoersicherungs kommission wurden zunächst die Paragraphen 343 und 346, die am Freitag ausgesetzt worden waren, beraten. Die Vorlage bestimmt in diesen Paragraphen, daß bei den Landkrankenkassen die Vertreter der Arbeit geber und Versicherten im Ausschuß und im Vorstand von der Vertretung des Eemeindeverbandes gewählt werden sollen, und auch der Vorsitzende des Vor standes durch diesen zu stellen ist. In der Diskussion wurden diese Bestimmungen von einer Seite ange fochten, mit der Behauptung, daß es sich hier um eine Entrechtung der landwirtschaftlichen Arbeiter handle, indem man ihnen das Wahlrecht sowie das Mitbestimmungsrecht in der Kassenverwaltung nehme. Demgegenüber wurde von anderer Seite an geführt, daß es sich hier in der Hauptsache um Per sonen handle, die neu in die Versicherung eingezogen würden, und daß somit von einer Entziehung vor handener Rechte zunächst keine Rede sein könnte, daß ferner aber die ländlichen Verhältnisse mit ihren großen räumlichen Entfernungen, der Schwierigkeit der Verständigung zwischen den Versicherten und ihrer häufigen Unäbkömmlichheit eine allgemeine Wahl nicht zulieben. Trotz der Erklärung der Regierungs vertreter, daß der Aufrechterhaltung dieser Bestim mung seitens der verbündeten Regierung ausschlag gebende Bedeutung beigelegt werde, wurden die Paragraphen 343 und 346 gegen die Stimmen der Konservativen. Freikonservatioen und der National liberalen abgelehnt und dagegen an Stelle des 8 349 der Regierungsvorlage ein Zentrumsantrag an genommen, wonach für die Zusammensetzung und Wahlen des Vorstandes und Ausschußes der Land krankenkassen sowie für die Bestellung des Vorsitzen den dieselben Bestimmungen, wie für die Orts- krankenkassen, gelten sollen. 8 350 wurde angenommen. Hierauf wurde zur Abstimmung über den bereits diskutierten 8 412 geschritten, der die Halbie rung der Beiträge regelt. Es wurde gegen die Stim men der obengenannten Parteien ein Zentrumsantrag angenommen, wonach die Drittelung der Bei träge ausrechterhalten wird. Durch diese Beschlüße dürfte das Zustandekommen des Gesetzes ernstlich gefährdet erscheinen. Die Paragraphen 351 bis 354 bebandeln die Zu sammensetzung des Vorstandes und Ausschußes bei den Betriebs- und Innungskrankenkaßen: obgleich auch bei diesen die Beiträge nach den Beschlüßen der Kommissionsmehrheit den Arbeitgebern mit zwei Dritteln zur Last fallen, wurde von derselben Kom missionsmehrheit ein fozialdemkratischer und ein Zentrumsantrag angenommen, wonach den Betriebs unternehmern nur die Hälfte der Stimmen im Aus schuß und Vorstand zustehen soll. Die Paragraphen 352 und 353 wurden unverändert angenommen, wäh rend 8 354 einen Zusatz für die Innungskranken kassen des Inhalts erhielt, daß die Satzung die Hal bierung der Beiträge zulaßen kann. 8 355 wurde angenommen. 8 356, der von der Anstellung der Beamten handelt, wurde mit 16 gegen 12 Stim men abgelehnt, so daß nunmehr bezüglich der An stellung der Beamten die allgemeinen, für Vorstands beschlüße maßgebenden Bestimmungen gelten, d. h. daß über die Anstellung die einfache Stimmenmehr heit im Vorstand entscheidet. Die Paragraphen 357 bis 361, die im übrigen die Pflichten des Vorstandes und Ausschußes regeln, wurden unverändert ange nommen. Die Beratung der Paragraphen 362—371, in denen die Verhältnisse der Angestellten geregelt werden, wurden ausgesetzt, nachdem die vorliegenden Abän.drrungsanträge seitens der Antragsteller be gründet waren. Hierauf wurden noch die Para graphen 372—376 (Verwaltung der Mittel) mit einer unwesentlichen Abänderung angenommen und be schloßen, die Beratung über den Abschnitt VI (Ver hältnis zu den Aerzten, Zahnärzten, Krankenhäusern und Apotheken) vorläufig auszufetzen und am Mon tag nach Regelung des Abschnittes über die An gestellten in der Beratung bei 8 408 fortzufahren. In den letzten Tagen haben nach Meldung eines Berliner Blattes zwischen Mitgliedern der konser vativen Partei und des Zentrums vertrauliche Be sprechungen über die Reichsversicherungsordnung statt gefunden, die es wahrscheinlich machen, daß Zen- trumundRechteinder zweiten Lesung der Kom mission zu einer Einigung unter fich und mit der Regierung kommen werden. Ins besondere sollen die in der ersten Lesung gestrichenen V e r s i ch e r u n g s ä m t e r, auf die seitens der Re gierung entscheidender Wert gelegt wird, in der zwei ten Lesung angenommen werden, wogegen die Regierung fich zu einigen Zugeständnissen, besonders hinsichtlich der Regelung der Beiträge für die Krankenkassen, verstehen würde. Die Asdelltsüt. Berlin, 26. Juni. Berlin, die „amerikanische" Stadt, will impo nieren. Der Troß der Fremden, der namentlich jetzt während der Sommermonate die Friedrichsstadt durchzieht, die Unzahl Russen mit den melancholischen, nicht immer ganz sauberen Gesichtern, die langen Engländer, die noch immer die Sehenswürdigkeiten des Schlosses, des Brandenburger Tores, der Sieges allee aus ihren roten Bädekern ablesen, die vollge pfropften Mail-Coaches und die wandernden Trupps der, hübschesten Amerikanerinnen genügen ihr nicht. Ein Fremdenkomitee, das klug genug ist, die Mithilfe der Zertungskorrespondenten aus aller Herren Län dern zu erbitten, wirbt um neue Bewunderer für die deutsche Reichshauptstadt, die eben noch immer zu wenig Gäste zählt. Man kann ja nun nicht behaup ten, daß die Wahl der Sehenswürdigkeiten, die der Korrespondent des „New Port Herald" oder des populärsten Tokioter Blattes den deutschlandslustigen Lesern seines Publikums anpreisen soll, immer gerade überaus glücklich getroffen ist. Sicherlich ist eine große Bierbrauerei ein hervorragend deutsches Institut. Aber zum wenigsten wird München gegen die Zu mutung Protest einlegen, daß Freunde der Bier industrie gerade in Berlin die vollendetsten Reprä sentanten dieser naßen Produktion besteuern sollen, und es bedarf gar nicht der Erinnerung der alten Rivalität zwischen deutschem Nord und deutschem Süd, um diesmal den Protest zugunsten von Bayrisch Vier gelten ru laßen. Vom Pißner überhaupt nicht zu reden. ...Und auch das bleibt eine fragliche Sache, ob der Rundgana durch ein preußisches Gymnasium (von der musterhaften Einrichtung aller Räumlich keiten abgesehen) hinreichend viel Tatsachen erkennen läßt, die dem Erdball zur Nachahmung zu empfehlen wären. Glücklicher als alle Einfälle, die die reue Zentralstelle für Berliner Fremdenverkehr bisher hatte, war jetzt ihre Idee, die Riesenkräfte, die die Riesenstadt unaufhörlich Tag und Nacht in brausen der Bewegung halten, an ihren Quellen aufzuspürcn. Den Fremden einen Blick in die Werkstätten zu ge statten, die das Tempo der Stadtrhythmen bestimmen, die mithelfen, Berlin zu Europas amerikanischester Stadt zu machen. . . . Man fuhr zu den Berliner Elektrizitätswerken hinaus. Draußen in Oberspree, eine Stunde vor Berlin, wo just die Spreelandschaft beginnt, ihre Ein förmigkeit in Reiz und Anmut umzuwandeln, dicht am Spreeufer steigt plötzlich die Stadt der Blitze und Funken, der Kabel und Drähte empor. Eine eigene Stadt mit eigenen Lagern, eigenen Bahnen, eigener Garnison: Feuerwehren an allen Toren, Feuerwehren als Spaliere, in allen Maschinenräumcn, an allen Ecken. So schmuck sie sind und so harmlos sie auf und ad patrouillieren: sie und die Tafeln, die ab und zu wieoerkehren, die schreienden Warnungstafeln „Lebensgefahr" und „Starkstrom", von gezückten roten Blitzen umzüngelt, — all das sorgt immerhin bald nach dem Eintritt für ein Gefühl von angenehm aruseliger Behaglichkeit. Und man wartet auf die Dressur des tobenden, schnaubenden, lauernden Rie sen, der in jeder versteckten Bewegung unaufhörlich von tausend Augen bewacht werden muß. damit es ihm nicht einmal sekundenschnell einfällt, plötzlich cin wenig auszubrechen, tückisch daneben zu schlagen und mit dem ersten Schlage gleich im Umkreis alles zu zertrümmern. Es ist ein Komplex, ein ganzer Kranz von Riesenfabriken, die täglich elektrische Kraft genug schaffen, um eine Stadt von siebzigtausend Ein wohnern mit Telephon, Telegraph, elektrischem Licht, Straßenbahnen, kurz mit allem technischen Bedürf, nißen vollauf zu versehen, soweit sie des elektrischen
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