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01-Frühausgabe Leipziger Tageblatt und Handelszeitung : 15.06.1910
- Titel
- 01-Frühausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1910-06-15
- Sprache
- Deutsch
- Vorlage
- SLUB Dresden
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id84535308X-19100615016
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id84535308X-1910061501
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-84535308X-1910061501
- Sammlungen
- Zeitungen
- Saxonica
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
-
Zeitung
Leipziger Tageblatt und Handelszeitung
-
Jahr
1910
-
Monat
1910-06
- Tag 1910-06-15
-
Monat
1910-06
-
Jahr
1910
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Das Dlrhttglte. * Die Reichstags-Ersatzwahl in Friedberg-Bü dingen ergab Stichwahl zwischen dem Kandidaten des Bunde» der Landwirte und dem Sozialdemo kraten. lS. Letzte Dep.) * Der Papst wies die deutschen Bischöfe an, die Borromäuv-Enzyklila nicht von den Kanzeln zu verkündigen. (S. Leitart.) * Die gesamte bürgerliche sächsische Presse veröffentlicht Huldigungsartikel für König Friedrich August wegen seiner Haltung zur Borromäus Enzyklika. (S. d. des. Art.) * Das in Dresden tagende Schiedsgericht für das Baugewerbe erledigte in seiner Sitzung am Dienstag die Schiedssprüche für München und Nürnberg und vertagte sich nach dem Versuch einer generellen Entscheidung. lS. d. bes. Art. u. Letzte Dep.) * Zn England droht ein großer Seemanns- streik auszubrechen. sS Ausl.) * Die Hochwasserkatastrophe in Ahr weiler hat einen Schaden von vielen Mil lionen angerichtet. 49 Leichen sind bis jetzt geborgen. (Dergl. den bes. Art. und Tageschron.) Die Antwort -er Kurie. Die bureaukratisch-diolomatische Erledigung der Borromäus-Enzyklika und ihrer Folgen scheint nun gelungen. Jedenfalls wird man in Nom so denken, und es ist mit Sicherheit zu vermuten, daß auch das offizielle Berlin so denken und sich von dem Ausgang für befriedigt erklären wird. Die offiziöse Auslassung der Berliner Regierung über ihre Aktion beim Vatikan und dessen Antwort liegt jetzt in der „Norddeutschen Allgemeinen" vor, und zwar in folgendem Wortlaut: „Am 6. Juni war dem preußischen Gesandten beim Vatikan Weisung erteilt worden, dem Kardinal-Staatssekretär sine Note zu übergeben, in der die preußische Regierung aus den in der Erklärung des Ministerpräsidenten namhaft ge machten Gründen gegen die auch an das preußische Episkopat gerichteten Kundgebungen der Enzyklika Verwahrung einlegt. Zugleich weist die Staatsregierung darauf hin, daß die Verantwortung für die Störungen des konfessionellen Friedens, die die Folge des Rundschreibens sind, allein diejenige Stelle trifft, von der es ausgegangen ist. Dies glaubt die preußische Regierung, die beim apostolischen Stuhle im Interesse guter Be ziehungen zwischen Staat und Kirche eine diplo matische Vertretung unterhält, durch ihren Ver treter mit um so größerer Berechtigung aus sprechen zu können, als sie ihrerseits treu ihren verfassungsmäßigen Aufgabenbestrebtist,mit allem Ernst und allen Mitteln die Wahrung und Festigung des Friedens zwischen der evangelischen und der katholischen Bevölkerung des Staates zu fördern. Der Gesandte führte diesen Auftrag am 8. Juni aus und sprach dabei der ihm er teilten Instruktion gemäß die bestimmte Erwar tung aus. daß die päpstliche Kurie Mittel und Wege finden werde, die geeignet seien, die aus der Veröffentlichung der Enzyklika sich ergeben den Schäden nach Möglichkeit zu beseitigen. Ins besondere müßten wir erwarten, daß die Enzyklika in den deutschen Diözesen weder von der Kanzel verkündet noch durch die bischöflichen Verordnungsblätter veröffentlicht würde. Am 11. d. M. ist dem Gesandten amtlich erklärt worden, daß der Papst bereits den deutschen Bischöfen Befehl gegeben habe, eine solche Verkündigung oder di« Ver öffentlichung zu unterlassen. Am 13. d. M. hat die Kurie dem Gesandten eine vom Kardinal- Staatssekretär unterzeichnete Note behändigt, in der es im Hinblick auf die preußische Bevölkerung heißt: Der heilige Stuhl glaubt, daß der Ur sprung dieser Erregung darauf zurückzuführen ist, daß dir Zweck nicht richtig erkannt wird, aus den die Enzyklika gerichtet war, und daß daher einige ihrer Sätze in einem Sinne aus gelegt sind, der den Absichten des heiligen Vaters völlig fremd ist. Es liegt daher dem unterzeichneten Kardinal daran, zu er klären, daß Seine Heiligkeit mit wahrem Be dauern die Nachricht von einer solchen Er regung vernommen hat, da — wie schon öffent lich und formell erklärt worden ist — irgend eine Absicht, die Nichtkatholiken Deutschlands oder dessen Fürsten zu kränken, seiner Seele ganz fernlag. Der heilige Vater hat übrigens nie mals eine Gelegenheit vorbeigehen lassen/ um seine aufrichtige Achtung und Sympathie für die deutsche Nation und ihre Fürsten zu be kunden. Er hat noch bei einer kürzlichen Ge legenheit die Freude gehabt, diese seine Gefühle zu wiederholen." Das heißt: Die Kurie nimmt von den Schmähungen der Reformatoren und ihrer fürstlichen Beschützer nichts zurück, sondern erklärt nur: Der Zweck der Enzyklika sei nicht richtig erkannt und einige Sätze seien in einem Sinne ausgelegt worden, der dem heiligen Vater durchaus ferngelegen habe. Worauf zu erwidern ist, daß uns, dem ganzen evangelischen Deutschland, der Zweck der Enzyklika außer ordentlich gleichgültig ist, und daß Sätze wie der: „Männer irdischen Sinnes, deren Eott der Bauch ist" nicht als Schmeicheleien, sondern als Beschimpfungen aufgefaßt werden muffen. Ein gewisses sachliches Entgegenkommen zeigt der Vatikan dadurch, daß er, der durch den preußischen Gesandten beim Vatikan über mittelten Anregung der preußischen Regierung folgend, die deutschen Bischöfe angewiesen hat, eine Verkündigung der Enzyklika von der Kanzel oder eine Veröffentlichung in den kirchlichen Verordnungsblättern zu unterlassen. Im übrigen ist dies ein Entgegenkommen, das wohl nur für Preußen Wert hat, auch wenn der Befehl sämt lichen deutschen Bischöfen zuaegangen ist, weil nämlich die nichtpreutzischen Staaten meist in ihren Gesetzen schon dafür gesorgt haben, daß die Erlasse des päpstlichen Stuhles, soweit sie §ur Verkündigung bestimmt sind, der staatlichen Kontrolle unterliegen. So hat auch Sachsen das sogenannte Placet, d. h.: alle Anordnungen allgemeinen Inhalts der katholischen geistlichen Behörden sind vor der Verkündigung ver Staatsregierung zur Kenntnisnahme vorzulegen. Sie bedürfen der königlichen Genehmigung. Sachsen hätte also auch ohne dieses Verkün digungsverbot des Papstes die Mittel an der Hand gehabt, um die Verkündigung und Ver öffentlichung zu verhindern, und es ist gar kein Zweifel nach den Dresdner Kundgebungen, daß von diesen Rechten des Staates der katholischen Kirche gegenüber prompt Gebrauch gemacht worden wäre. Also wie gesagt, formell scheint die Ange legenheit erledigt zu sein, wenn uns nicht noch, wovor uns der Himmel behüten möge, in einer offiziellen Berliner Note die glorreichen Erfolge der Berliner Mannhaftigkeit versetzt werden sollen. Aber die Herrschaften in Rom wie in Berlin werden sich irren, wenn sie meinen, daß nunmehr auch die ganze Bewegung aus der Welt geschafft sei. Mit Nichten! Eine Ohrfeige bleibt, was sie ist, auch wenn der freundliche Geber erklärt, sie nicht zum Zwecke der Beleidigung ausgeteilt zu haben, und die preußische Regierung kann sich für so befriedigt erklären, wie sie es im Gefüyl ihrer gottge wollten Abhängigkeit verantworten kann, so wird das doch das deutsche evangelische Volk nicht hindern, sich nach wie vor für schwer beleidigt zu halten und in der Interpretation des Vati kans keinerlei Genugtuung zu finden. Insbe sondere wird das preußische Volk jetzt erst recht die Frage nach der Notwendigkeit und Zweck mäßigkeit der preußischen Gesandtschaft beim Vatikan prüfen. Und wir sind überzeugt, daß diese Borromäus-Enzyklika kein belangloser, schnell vergessener Zwischenfall sein wird, son dern daß sich an diesem Schulbeispiel von der Abgeklärtheit und Kultur der römischen Ge sinnung immer von neuem die evangelischen Geister entzünden werden, um endlich die Be deutung der Kurie auf das ihr allein recht mäßig zustehende Gebiet individueller Seelsorge zu begrenzen. pretzMmmen zu üer Kunügebung ües liichMrhen Königs. In der ganzen sächsischen bürgerlichen Presse herrscht eitel Freude und Befriedigung über die Kundgebung des Königs gegen die Enzyklika. Wir verzeichnen hier eine Auslese von derartigen Aeuße- rungen: Die „Dresdner Nachrichten" schreiben: „Der Geist der alten Wettiner ist nicht erloschen, er lebt. Die Geschichte der Reformation wird niemand schreiben können, ohne des sächsischen Fürstenhauses zu gedenken, unter besten Schutz Dr. Martin Luther die größte Tat der Kirchengeschichte ausführen konnte. Gegen Papst. Kaiser und Reich hat Friedrich der Weise den ehemaligen Wittenberger Mönch beschützt, und allen Verlockungen der Kurie gegenüber blieb er standhaft. Er ist bis zu seinem Lebensende Katholik geblieben, er wollte den Glauben seiner Väter nicht verlosten, aber trotzdem ist er der größte Förderer der evangelischen Bewegung gewesen, und wer weiß, wie sich die Zukunft des Deutschen Reiches gestaltet haben würde, wenn er statt des bigotten Spaniers Karl die deutsche Kaiserkrone angenommen hätte. — Daß das jetzige Vorgehen des Königs und seiner Regierung nicht ohne Folgen bleiben wird, ist sicher. In Rom wird man sich der Erkenntnis nicht verschließen können, daß die Enzyklika in der Tat «in höchst unkluger Schritt war, denn der persönliche Protest unseres gutkatholischen Königs wird wohl mehr Eindruck Hervorrufen als die Vorstellungen der protestantischen Höfe." Der „Dresdner Anzeiger" erklärt: „Die Hoffnungen und Erwartungen, die in der großen Protestversamm- lung der evangelischen Bevölkerung Dresdens am Freitag geäußert wurden, sind mit diesen Kund gebungen des Königs und der sächsischen Staats regierung erfüllt worden. Diese Kundgebung ist um so wertvoller und bedeutsamer, als Se. Majestät und die königliche Familie zur katholischen Kirche gehören. Mit Genugtuung wird man sie im ganzen Lande und im ganzen Reiche begrüßen und mit Gefühlen des Dankes für den Willen, auf diese Weise den Frieden unter den Konfessionen erhalten und fördern zu wollen." Das „Chemnitzer Tageblatt" stellt fest: „Es gehört ein gewaltiger Entschluß für einen katholischen Fürsten dazu, wenn er — mag es auch nur in der Form eines freundschaftlichen Rates geschehen — dem Träger der päpstlichen Tiara entgegenzutreten wagt; ruft er doch damit den ge samten Heerbann des Jesuitismus in die Schranken, und was das bedeutet, davon kann selbst mancher der Nachfolger Petri ein bitteres Lied singen. Es ist eine geschichtliche Tat, zu der König Friedrich August von Sachsen sich hier emporgerungen hat, sie sichert ihm einen Platz wie in den Herzen seines eigenen dankbaren Volkes, so auch unter den hervor ragenden Fürsten aller Völker." Die „Chemnitzer Allg. Zeitung" sagt: „Auf alle Fälle aber hat sich König Friedrich August mit seiner den edelsten Absichten entspringen den Tat ein hohes Verdienst erworben und damit von neuem bewiesen, daß es ihm ernst ist mit dem vor Jahren gesprochenen Wort: „Ich will Frieden haben mit meinem Volke." Gleich »einen Vorfahren legt er Wert darauf, daß die Ver schiedenheit des Glaubens kein Hin dernis sei für ein herzliches Einvernehmen zwischen Krone und Volk." Die „Neue Bogtländische Zeitung" bemerkt: „Durch das ganze Sachsenvolk hallt es wie ein Ruf der Befreiung. Und im ganzen Reiche werden freie Männer des freier denkenden und gerecht urteilenden Sachsenkönigs Entschluß mit Freuden begrüßen, persönlich dem Papst, der auch für ihn höchster Kirchenfürst und heiliger Vater ist, rückhaltlos und offen zu schreiben, wie seine Schmähschrift den Frieden der Völker störte." Der „Vogtländische Anzeiger" führt aus: „Wenn König Friedrich August sich entschloß, zu dem Papst zu sprechen, so zeigt das in herzerfrischender Weise, wieviel unserm Landesoater an dem kon fessionellen Frieden unter seinen Landeskindern sowie namentlich daran liegt, daß durch konfessionelle Gehässigkeiten, wie die der Enzyklika, nicht das Eott sei Dank so feste Vertrauensband zwischen dem katho lischen Herrscherhause und dem protestantischen Volke Sachsen geschädigt wird." Ganz besonders bemerkenswert erscheint uns ferner noch folgende Stimme eines nichtdeutschen Blattes, der „Wiener Neuen Freien Presse": „Nichts zeigt deutlicher, wie weltfremd, wie verrostet die vatikanische Politik geworden ist, als der Umstand, daß ein katholischer Fürst Deutschlands sich mit einem Zerschneiden des Tischtuches von ihr trennt und vor der ganzen europäischen Oeffentlichkeit ihr den Gehorsam kündigt. Die sächsischen Staatsminister verkünden die Zustimmung des Königs, daß sie die Entrüstung der evangelischen Volkskreise gegen die beleidigenden Worte des Papstes teilen. Sie erklären, daß sie nur mit tiefem Be dauern die Verunglimpfungen der Reformation zur Kenntnis genommen habe. Aus all dem ist eine Lehre zu ziehen. So wie die Päpste in ewigen Zwist mit der Staatsgewalt gerieten, solange sie die weltliche Macht und das uneingeschränkte Herrschasts recht über einen Staat, ja über alle Staaten bean spruchten, so müssen sie auch jetzt immer wieder schlietzlich an die harte Wand der Gewalt und der Notwendigkeit des Staates stoßen, wenn sie das Recht der Beurteilung und Verurteilung von Andersgläubigen uud die oberste Gewalt über das Gewissen und die religiösen Gefühle aller Menschen für sich in Anspruch nehmen." Zustimmungskundgebungen. Der freudigen Zustimmungskundgebung der Leipziger Universität an den König, von der wir bereits gestern berichteten, sind Huldigungsdepeschen aus allen Teilen Deutschlands gefolgt. Bei einer Ausfahrt am Dienstag vormittag in Dresden wurden dem Könige stürmische Ovationen bereitet. * Das preußische Herrenhaus hat sich am Dienstag gleichfalls mit der Enzyklika beschäftigt. Es liegt darüber folgender Bericht vor: Berlin, 14. Juni (Tel.) Am Ministertisch Rheinbaben, Arnim. Die Sitzung beginnt um 2 Uhr. Vor Eintritt in die Tages ordnung erklärte Graf Ziethen-Schwerin: „Eine tiefgehende Erregung ist in der evangelischen Bevölkerung von ganz Deutschland und des preußischen Vater landes hervorgerufen durch die Borromä Eusnzyklika. Ein Sturm der Entrüstung erhob sich über die Schmähungen der Enzyklika gegen die Reformation und ihre Urheber und die Fürsten und Völker, die sich ihr anschloffen. Ich halte es nach der Erklärung des Ministerpräsidenten im Abgeord- netenhause nicht mehr für nötig, eine förmliche Be schlußfassung des Hauses herbeizuführen. Mit Rück sichtnahme auf die Geschäftslage beschränke ich mich darauf, diese schwere Verunglimpfung der evangelischen Bevölkerung, die den für unser Vater land nötigen konfessionellen Frieden zu stören ge eignet ist, entschieden zurückzuweisen. (Beifall.) Freiherr von Landsberg-Steinfurt: Als Katho lik muß ich gegen diese Erklärung in mancher Beziehung Verwahrung einlcgen und kann nicht zugeoen, daß die Enzyklika Schmähungen und Verunglimpfungen der evangelischen Bevölke rung enthält. Ich begreife andererseits wohl, daß der Wortlaut der Enzyklika zur Erregung der evangelischen Bevölkerung Anlaß gab. Wenn auch die Enzyklika rein kirchliche Angelegenheiten be trifft, so bedauern wir doch, daß durch ihren Wort laut die evangelische Bevölkerung derart ver stimmt wurde, und wir würden das um so mehr bedauern, wenn dadurch irgendwie ein Zwiespalt zwischen der evangelischen und katho lischen Bevölkerung veranlaßt wird. (Beifall.) Auch ich möchte meinerseits betonen, daß man um so mehr auf beiden Seiten bestrebt sein soll, mit allen Kräften für den konfessionellen Frieden zu wirken, und ich freue mich, daß Graf Ziethen dieser Hoffnung Ausdruck gab daß der konfessionelle Frieden nicht gestört wird. Ich schließe mich ihr aus vollem Herzen an. Ich hoffe, daß die in Rom im Gange befindlichen Verhandlungen auch weiter zu e.ner friedlichen Auslegung der Enzyklika Veranlassung geben werden. (Beifall.) Wie Rom die „friedliche Auslegung" der En zyklika meint, haben wir ja nun leider zur Genüge gesehen. Freier Staat — freie Kirche! Die Summen, die jetzt für die völlige Trennung von Staat und Kirche eintreten, mehren sich gerade in diesen Tagen in erfreulicher Weise. Ganz beson ders begrüßen wir es, daß auch ordinierte Geistliche immer lebhafter den Wunsch nach reinlicher Schei dung der beiden Mächte äußern. So schreibt der bekannte Pfarrer Traub-Dortmund in einer Be sprechung der Wirkung der Enzyklika in der „Christi. Welt" folgendes: „Aber laßt sie doch ruhig so weiter machen. Je toller, desto besser. Es ist nur ehrliche Konse quenz, was der Papst ausplaudert. Es ist gut, daß die Diplomatie seine Worte nicht verkleistert hat. Wir werden jetzt, wenn alles hart auf hart geht, nur gesunden, wenn es heißt: Trennung von Kirche und Schule, Trennung von Kirche und Staat, Aufhebung des Bot schafterpostens beim Vatikan, der schon längst eine staatsrechtliche Ungeheuerlichkeit ist, Aufhebung des Religionsparagraphen im Strafgesetzbuch." Alle diese Forderungen sind auch von uns schon wiederholt gestellt worden. Ueber weitere Protestversammlungen liegen folgende Meldungen vor: Eisenach, 15. Juni. (Privattel.) In der begeistert verlaufenen Protestversammlung auf der Wartburg wurde nach einer glänzenden Red« des Kirchenrats Kiefer eine scharfe Resolution gegen die Borromäus-Enzyklika angenommen. Der Großherzog von Weimar erhielt ein Huldigungs telegramm. Eisleben, 14. Juni. Die gestern abend vom Evan gelischen Bunde eingerufene Proteskpersainmlung gegen die päpstliche Beschimpfung war überaus zahlreich besucht. Der Oberpsarrer an der St. Andreaskirche, Superintendent Luther hielt die Rede. Im Anschluß hieran zog die Versammlung abends 10'^2 Uhr nach dem Marktplatze zum Luther denkmale. Erhebend mächtig erscholl „Ein feste Burg ist unser Gott" in alle Winkel und Gassen der alten Lutherstadt hinein. Eilenburg, 14. Zuni. Die gestrige Protestver sammlung gegen die Borromäus-Enzyklika war von etwa 1400 Personen besucht. Als Redner war der Universitätsprofessor i>. Drews-Halle a. S. gewon nen worden. Die Versammlung fand unter freiem Himmel im Garten des hiesigen Schützcnhauses statt. * Der koburgische Landtag faßte gegen die Stimme des sozialdemokratischen Abgeordneten eine R e s o l u t i o n g e g e n d i e B o r r o - mäus-Enzyklika. Die Regierung trat ihr in allen Teilen bei. Sss Schieüsgericht kür ass Baugewerbe trat am Dienstagvormittag 9 Uhr in der zweiten Etage des Neuen Dresdner Rathauses zusammen, um seine Entscheidung über eine eventuelle Beseiti gung der Bausperre zu fällen. Zur Teilnahme an dieser Sitzung sind zahlreiche Delegierte der Arbeit geber und Arbeitnehmerverbände aus ganz Deutsch land in Dresden eingetroffen. Den Vorsitz bei den Verhandlungen führten Oberbürgermeister Geh. Rat Dr. Beutler und Geh. Rat Wiedfeldt-Berlin. Die Verhandlungen wurden mittags durch eine Er holungspause unterbrochen und nachmittags im Saale des Stadtverordnetenkollegiums die Beratungen fortgesetzt. Vom Arbeitgeberverband traten in das Schiedsgericht ein: Baurat Enke-Leipzig, Bau meister Behrens-Hannover, Baumeister Lüschen- Frankfurt a. M. und Baumeister Fritz-Essen. Vom Zentralverband der Maurer in Hamburg wurde Abg. Bömelburg, vom Zentralverband der Zimmerer in Hamburg Schrader, vom Zentral verband der Bauhilfsarbeiter in Hamburg Behrens und vom Verband der Christlichen Bauarbeiter gewerkschaft Fried berg gewählt. In das Präsidium trat noch Gewerbegerichtsdirektor Prenner- München ein. Am Nachmittag wurden zunächst die Schieds sprüche für München und Nürnberg gefällt. Die bisherigen Löhne für Maurer und Zimmerer betrugen dort bis letzt 59 und für Hilfsarbeiter 47 pro Stunde. Das Schiedsgericht bewilligte eine sofortige Lohnerhöhung von 2 pro Stunde, vom 1. April 1911 an eine Erhöhung von 4 pro Stunde und vom 1. Avril 1912 an eine weitere Er höhung von 2 «K vro Stunde. Außerdem soll vom 1. April 1911 die Arbeitszeit um Stunde verkürzt werden. In Nürnberg betrug der Stundenlohn für Maurer und Zimmerer bisher 19 und für Hilfs arbeiter 45 8?. Es tritt hier eine sofortige Erhöhung um 1 pro Stunde ein und vom 1. April 1911 an eine weitere Erhöhung um 2 H pro Stunde, sowie vom 1. April 1912 an eine weitere Erhöhung um 1 pro Stunde, Die Hilfsarbeiter erhalten eine sofortige Erhöhung um 2 H. Die Arbeitszeit bleibt dieselbe. Am Dienstag sollen noch weiter die Schiedssprüche für Würzburg, Schweinfurt und Regensburg sowie für die hauptsächlichsten sächsischen Städte gefällt werden Außerdem ist noch eine Er klärung wegen der Aufhebung der Bausperre zu erwarten
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