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Leipziger Tageblatt und Handelszeitung : 21.08.1910
- Erscheinungsdatum
- 1910-08-21
- Sprache
- Deutsch
- Vorlage
- SLUB Dresden
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id84535308X-191008211
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id84535308X-19100821
- OAI
- oai:de:slub-dresden:db:id-84535308X-19100821
- Sammlungen
- Saxonica
- LDP: Zeitungen
- Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
-
Zeitung
Leipziger Tageblatt und Handelszeitung
-
Jahr
1910
-
Monat
1910-08
- Tag 1910-08-21
-
Monat
1910-08
-
Jahr
1910
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weiter nicht». Rechtlich war es eine Aufforderung, mit der Ausstellungsgesellschaft Vertragsverhand lungen anzuknüpsen, und die belgische Regierung hat stet; betont, daß die Ausstellung nicht in ihrer Regt«, sondern nur unter ihrem Protektorate stattfinde. Ein solches Protektorat ist aber nur eine Reklame, kein rrchtlich faßbarer Begriff. Ls begründet keinerlei Rechtsbcziebungen irgendwelcher Art zwischen Pro tektor und Protegierten, noch viel weniger aber zu dritten Personen. Insbesondere kann keine Rede da von sein, daß der Protektor etwa eine biirgschaftliche Haftung für das beschützte Unternehmen auf sich nehme. Eine Haftung des belgischen Staates aus Vertrag ist daher ausgeschlossen. Es fragt sich nun, ob er aus irgendeinem Verschulden verant wortlich gemacht werden kann. Das belgische Gesetz bestimmt im Art 1382 ff., das, jede Persönlichkeit für den Schaden, den sie angestiftet hat, haftbar ist, und zwar nicht nur für böswillige, sondern auch für fahr lässige Handlungen bzw. Unterlassungen. Im Gegen satz zum deutschen Rechte genügt iovi-r <>ulp.i. Die Schadenersatzpflicht erstreckt sich auch auf Handlungen, die durch Angestellte begangen worden sind. Es kann nun wohl keinem Zweifel unterliegen, das; die staat lichen Organe an sich manches unterlassen haben als Oberstinhaber der bau-, sicherheits- und feuerpolizeilichen Gewalt. Allerdings ist hier stark zu betonen, das; die Oberoufsichtsrechte des Staates über die Eemeindepolizei nach belgischem Ver- sassungsrecht außerordentlich beschränkte sind. Jeden falls tragen die primäre Verantwortlichkeit die Exe kutivgewalten der beteiligten Gemeinden. Aber die ganze Frage nach einer Schuld von Administrativ organen scheidet um deswillen aus, weil nach konstan ter oberstrichterlicher Rechtsprechung die Admini- strativbehörden — seien es nun staatliche oder ge meindliche — für Handlungen und Unterlassungen innerhalb ihres amtlichen Wirkungskreises zivilrecht lich überhaupt nicht belangt werden können. Dieser uns Deutschen unbegreifliche Grundsatz resul tiert aus der dem belgischen Rechte eigenen strikten Trennung von administrativer und judikatorischer Gewalt und ist erst durch ein diesjähriges Erkenntnis des Brüsseler Kaffationsgerichtshofes abermals ap probiert wcrrdcn. Dadurch ist jeder Regreß gegen die administra tiven Organe ausgeschlossen; dagegen natürlich bleiben diejenigen nichtamtlichen Personen haftbar, denen ein Verschulden nach gewiesen werden kann. Es kommen hier in Be tracht die Mitglieder des Leitungskomitees, der Generalkommissar und schließlich dritte Personen, die an der Entstehung des Brandes beteiligt sein sollten. Man spricht ja davon, daß das Feuer von einem Be sucher durch Unvorsichtigkeit im Gebrauch von Rauch utensilien verursacht wurde. Die Frage nach der Schadenersatzvflicht solcher nicht im Kontraktsverband stehender Personen kann in dreifacher Linie in Betracht kommen. Die ge schädigten Aussteller können sich direkt an sie halten, ebenso die durch das Feuer um ihr Brot gekommenen Arbeiter und Beamten, und schließlich kann die in erster Linie aus dem Dertragsverhältnis schadenersatz verpflichtete Awsstellungsleitung sie im Regreßwege belangen. Der Umfang der Schadenersatzpflicht ist gemäß Art. 1149 der gleiche wie im deutschen Recht. Er umfaßt nicht nur den effektiven Schaden, sondern auch den entgangenen Gewinn. Wenn schließlich in dem Rechtsstreit der englischen Negierung auch auf die Frage Gewicht gelegt wurde, ob das Feuer in dieser oder einer benachbarten Ab- keftung entstanden sei, so wird diese Frage nur bei den außerbelgischen Abteilungen eine Rolle spielen. Sie hängt mit der Vorschrift des Art. 1733 zusammen, wonach die Haftung des Mieters für Brandschaden auch dann ausgeschlossen ist, wenn sich das Feuer von einem benachbarten Anwesen mitgeieilt hat. Außer diesen Hauptpunkten werden sich noch eine unübersehbare Menge anderer rechtlichen Streitfragen einstellen. Eine da von ist die, ob die Ausstellungslotterie zur Anschaffung neuer Preise an Stelle der in der belgi schen Halle ausgestellten und im Feuer zugrunde ge gangenen verpflichtet ist. Nach belgischem Rechte ist an der Verneinung dieser Frage nicht zu zweifeln. Denn die Verpflichtung zur Aushändigung der Preise tritt mit der Ziehung ein, und damit geht das Ver wahrungsrisiko an den gezogenen Preisen auf die Ge winner über. Die Lotteriegesellschaft ist zur Deposi- tarin geworden und hastet als solche gemäß Art. 1929 des Code nicht für Schaden, der durch höhere Gewalt verursacht wurde. Ich glaube, die Brüsseler Gerichte werden nach Ueberwindung des ersten Schreckens viel zu tun be kommen. DeuMes Reich. Leipzig, 21. August. * Di« beiden sächsischen Armeekorps werden bei den Kaisermanövern 1911, die in den nördlichen Teilen der Amtshauptmannschaften Grimma und Oschatz an der preußisch-sächsischen Grenze abgehalten werden sollen, voraussichtlich gegen zwer preu ßische Armeekorps operieren. * Deutschsoziale Partei. Der Parteitag des Deutschsozialen Landesverbandes für da» König reich Sachsen findet Sonntag, den 11. September, in Meißen statt. Mehrere Abgeordnete, u. a. auch Amtsgerichtgrat Lattmann, haben ihr Erscheinen be reits zugesagt. * Zur Reform des Religionsunterricht» hat jetzt auch der Landesverein für innere Mission der evangelisch-lutherischen Kirche im Königreich Sachsen Stellung genommen. Der Landesverern erklärt sich am Religionsunterricht in der Volksschule für leb haft interessiert, denn in der Rettungsarbeit an den Gefallenen aller Art erwiesen sich oft die Erinne rungen an diesen Unterricht als belebende Kraft, und auch das christliche Haus, als Ausgangspunkt für die Berufsarbeiter der inneren Mission, brauche den religiösen Unterricht in der Schule. So stehe der Landesverein auf dem Standpunkt, daß eine Vertiefung der religiösen Unterweisung rn der Schule nur freudig begrüßt werden kann, ander seits aber eine Verkürzung oder gar vollständige Ausschaltung des biblischen Christentums aus dem Schulunterricht zu bekämpfen sei. — Der Begriff „biblisches Christentum" ist reichlich dehnbar. Ortho doxe wie liberale Christen können darunter etwas ganz Verschiedenes verstehen. * Der Verband Sächsischer Industrieller und die Brüsseler Weltausstellung. Auf die von dem Ver band Sächsischer Industrieller an den Präsidenten der Ausstellung gerichtete Beileidskundgebung ist seitens des Präsidenten ein Danktelegramm erfolgt, in dem er den wärmsten Dank für die Anteilnahme an dem Unglück in Brüssel ausspricht. Gleichzeitig wird in diesem Danktelegramm mitgeteilt, daß Verfügungen getroffen sind, um die Ausstellung weiter zu erhalten und ihre Offenhaltung nicht unter brechen zu lassen. Die Brüsseler Ausstellungs leitung legt Wert darauf, daß man^in Deutschland hiervon in weitesten Kreisen Kenntnis nehme. * * Zu« Mainzer Nionierunglück. Der Gouverneur von Mainz hat noch am Freitagnachmittag einen ausführlichen Bericht über den Unfall, der sich des den Sprengübvnyekrwer Pioniere ereignete, an den Kaiser abgesandt. Am Sonnabend früh traf der Kommandant des 18. Armeekorps von Eichhorn aus Frankfurt in Mainz ein und besuchte die im Militarlazarett untergebrachten Offiziere und Mann schaften. Der Zustand der Offiziere und Mannschaften ist befriedigend, ebenso auch der Zustand des Feuer wehrmachtmeisters Leichner. * Die heute in Augsburg beginnende 57. Eeneralver. sammlung der Katholiken Deutschlands hat bereits einen großen Fremdenstrom in die Stadt des Augs- burgischen Bekenntnisses und des heiligen Ulrich ge- lockt. Auch das äußere Bild der Straßen wird von der bevorstehenden Tagung beeinflußt. Man sieht schon zahlreiche katholische Geistliche in ihrer schwarzen Tracht, vereinzelte Domherren in der violetten Gewandung und die charakteristischen Ge stalten der verschiedenen geistlichen Orden. Auch die katholische Laienwelt ist bereits stark vertreten, an ihrer Spitze der katholische Adel des Bayernlandes und die katholischen Magnaten von Oberschlesien, dem Rheinlands und Westfalen. Zu ihnen gesellen sich die dem Zentrum angehörenden Rcichstagsabge- oroneten und die Abgeordneten zu den Einzelparla menten. Von den hervorragenden Katholiken Bayerns dürfte am meisten interessieren Herr von Cramer-Elctt, ein übergetretener Protestant und Cohn des bekannten Nürnberger Maschinenfabri kanten, der sich durch großartige Schenkungen an die katholische Kirche Bayerns einen Namen gemacht hat. Die Festhalle am Eingang zum Wittelsbacher Park, die durch Vergrößerung der alten „Sängerhalle" ent standen ist, wurde durch intensives Arbeiten in den letzten Wochen vollständig fertiggestellt. Dem Haupt eingang gegenüber liegt die Rednertribüne, die sich terrassenförmig weit in den Saal hinein erstreckt. Davor befindet sich das Rednerpodium. Die Halle vermag insgesamt 7590 Menschen zu fassen, sie bat 3600 Sitzplätze im Parterre, 1400 auf den Galerien und 200 auf der Präsidialtribüne. Die übrigen Plätze sind Stehplätze. In die Halle führen 19 Türen, die eine rasche Füllung und Leerung gestatten. Am heu tigen Sonntag findet ein Pontifikalamt im Dom und nachmittags der große Festzug der Arbeiter- usw. Vereine statt. * Erster Allgemeiner Deutscher Zöllnertag. Dom 3. bis 6. September l. I. findet in Dresden zum ersten Male ein Allgemeiner Deutscher Zöllnertag statt, auf dem Zolltechniker sämtlicher deutscher Bundesstaaten zusammenkommen. Den Zolltechnikern, d. h. den aus dem Supernumerariat hervorgegangenen Zollbeamten, liegt bekanntlich die Warenunter suchung in zollchemischer und zolltechnischer Hinsicht sowie die Oberaufsicht über den Zoll- und Steuer dienst ob. Die Bestrebungen der deutschen Zoll techniker erstrecken sich namentlich auf eine bessere und einheitliche Ausbildung dieser Beamtenkategorie in allen Bundesstaaten. Die Beratungen werden sich neben der bereits genannten Frage noch dem Neichs- Zollbeamtenproblem, dem Austausch der Zollbeamten zwischen den einzelnen Bundesstaaten und der Frage der Beamtenausschüsse zuwenden. Mit der Tagung verbunden ist die dritte Hauptversammlung des Bundes Deutscher technischer Zoll- und Steuer beamten. * Der Internationale sozialistische Kongreß in Kopenhagen. Das International« Bureau tritt nach dem „Vorwärts" am 26. August zu einer Sitzung zu- sammen. Der Kongreß wird Sonntag eröffnet, am Nachmittag findet Meeting und Volksfest statt. Mon tag tagen außer dem Bureau die Sektionen der ein zelnen Nationen, ferner finden statt: Sitzungen der Redakteure und der Interparlamentarischen Kom mission. Die Tagesordnung für die folgenden Tage wird dann noch weiter bestimmt. Die Tagesordnung ist nun wie folgt festgesetzt: 1) Die Beziehungen zwischen Genossenschaften und politischen Parteien. 2) Die Arbeitslosenfrage. 3^ Das Schiedsgericht und die Abrüstung. 4) Die internationalen Ergebnisse der Arbeitergesetzgebung. 5) Die Organisation einer internationalen Kundgebung gegen die Todesstrafe. 6) Das für die rasche Aus führung der Beschlüsse der internationalen Kongreffe einzuschlagende Verfahren. 7) Die Organisation der internationalen Solidarität. 8) Resolutionen über andere Fragen. * Die Entfestigung Königsberg». Der Vertrag über die Entfestigung Königsberg» wurde am Sonn abendvormittag durch den Oberbürgermeister Körte und Stadtrat Berg einerseits und den Komman danten Generalmajor von Seckendorfs andererseits, vollzogen. * Ein« Resolution der Breslauer Fleifcherinnungen an den Kaiser. Da die aus den Reihen des Fleischer gewerbes an die verschiedenen Behörden und Parla mente gerichteten Gesuche um Maßnahmen zur Ver billigung des Fleisches sich als erfolglos erwiesen haben, haben fick jetzt die Vereinigten Fleischer innungen der Stadt Breslau mit einer ausführlichen Resolution direkt an den Kaiser gewandt. In dieser Resolution wird zur Verhinderung weiterer Erhöhung der Viehpreise unter anderem die zoll freie Einfuhr von Vieh, der Fortfall der Tuberkelinimpfung und die zollfreie Einfuhr von Futtergetreide verlangt. * Zum Kamps in der Werftindustrie. Am Sonn abend vormittag wurde ein Trupp arbeitswil liger Werftarbeiter in Hamburg, die im Dampfer zur Werft fahren wollten, von einer Rotte Streiken den angehalten. Mit Revolvern und Dolchen gingen die Angreifer auf die Arbeitswilligen los. Ein großes Schutzmannsausaebot legte sich sofort dazwischen und verhinderte Blutvergießen. Drei der Angreifer konnten verhaftet werden. — In drei stark besuchten Versammlungen der ausgesperrten und streikenden Werftarbeiter in Stettin wurde am Sonnabend der Bericht über den augenblicklichen Stand des Kampfes erstattet. An der Sachlage hat sich bisher nichts geändert. Streikbrecher find nicht vorhanden. Man macht sich darauf gefaßt, daß der Kampf noch wochenlang anhält. Zum Schluß wurden die Arbeiter ermahnt, sich weiterhin jeder Belästigung der arbeitenden Kollegen auf dem „Vulkan" zu enthalten und durch anständiges Be tragen auf den Straßen die Achtung de» Publikums sich zu sichern. — Ruslanü. Detterrelrtz-llngsrn. * Erkrankung de» Prinzen Aloi» zu Lichtenstein. Wie aus Wien gemeldet wird, unterzog sich heute Prinz A l o i s z u L i ch t e n st e i n, der feit Luegers Tode der Führer der Christlich-Sozialen Partei ist, in einem Sanatorium einer Operation. Es wurden erkrankte Teile des Darmes entfernt. Der Zustand des Patienten ist infolge großer Entkräftung gefahrdrohend. Italien. * Stapellaus. Am Sonnabend vormittag fand in Castellamare dr Stabia in Gegenwart des Königs und der Königin von Italien der Stapellauf des Panzerschisfes „Dante Aleabieri" statt. Dem Stapellaus wohnten außerdem ore Mitglieder der königlichen Familie, Minister. Parlamentarier sowie ein zahlreiche Menschenmenge bei. Gnslanü. * Stapellauf. In Gegenwart des spanischen Königspaares wurde in Portsmouth der neue Dreadnoughtvanzer „Orion" vom Stapel gelassen. Das Schiff hat eine Wasserverdrängung von 22 500 Tonnen, eine Hauptarmierung von zehn 13,5 Zöllern und soll eine Geschwindigkeit von 21 Knoten erreichen. ellins. * Eine "Aurückberusrmg yuanschikais? Prinz Tsaitao, auf dessen Einfluß die jüngste Veränderung in den Pekinger hohen Aemtern zurückgeführt wird, verhandelt angeblich mit der Kaiserin-Witwe über die Zurückberufung Puanschikais, Vie erste Premiere. Berlin, 20. August. Simson, Philister über dir! Der Kampf des guten, starken Nasiräers mit der Gemeinheit — ob er nicht älter ist als das Buch der Richter? Hie der einzelne und sein unverstandenes Eigentum — hie die Masse in Kommunität und Feindschaft: das ist die Urtragödie. Auch die Delila mit der weichen, glatten Haut, mit dem schlanken Wuchs — und in den Lilienfinaern die Schere — ist eine Dame von Erbadel. Man mag über die biblische Schöpfungsgeschichte sagen, was man will, aber Delilas Urgroßmutter war ganz gewiß Frau Eva im Paradiese. Sie heißt auch Lilith oder (bei Frank Wedekind) Lulu. Dem armen kurzgeschorenen Srmson sind nach Delilas schnöder Perfidie die Augen aus gestochen worden. Warum eigentlich? Jeder Simson ist doch schon blind, wenn er seiner Delila an den süßen Busen sinkt! Männchens Blindheit macht die furchtbare Tragödie vom Verrat des Schönen zur — Tragikomödie. Simson, Philister über dir! In des Künstlers, in des Dichters Ohr gellt der Ruf besonders grimmig. Es ist sein Los, das Werk aus seinem Herzen den Philistern preiszugeben. Auch das eine komische Tragödie: daß einer die Feinde kennt und haßt und ihnen dennoch seine Werheopfer bringt, die sie roh beschnuppern. Aus dem Zwang des Künstlers, sich der Welt mitzuteilen, ließe sich sein Drama gestalten. Die andere Entwicklung ist bekannter und allge meiner: Der Künstler Simson, dessen keusche Sprödigkeit von Delila, dem lockenden Erfolge, um buhlt und gebrochen wird. Das Glück Delila ist auch hier die Verbündete der Philister Dem norwegischen Dichter Sven Lange ist diese Delila gefährlich geworden In seinem Schau ¬ spiel allerdings, das „Simson und Delila" heißt und als Erstling des neuen Spieljahres in Rein hardts Deutschem Theater einen ziemlich lebhaften äußeren Erfolg errang, geht die Svmbolik nicht so lies. Sie be cheidet sich damit, einen verliebten Manm der zu ällig ein Dichter ist und ein altbibli sches Simson-Drama geschrieben hat, an der Untreue des Weibchens leiden und sterben zu lassen. Ja, Peter Krumbak ist in diesem gefälligen Rührstück nur zufällig ein Dichter! Obwohl uns Peter Krumbak geradezu einen artistischenBefähigungsnachweis liefert, was Künstler im Theaterstück selten zustande bringen, und obwohl seine „Simson"-Derse, auf einer nett skiz zierten Theaterprobe rezitiert, wirklich von schöner Sinnlichkeit blutgetränkt sind, bat Freiligrath ihm nicht das Dichtmal als speziellen Fluch auf die Stirne gedrückt. Denn das erlebte Drama des Peter Krumbak könnte das eines Landgerichtsrates, eines Arztes, ja eines Pastors ebensogut sein wie eines Dichters. Es wäre denn, daß man den anderen Herren weniger leicht zumuten möchte, in die doppelte Schlinge des Satans zu geraten und just eine raffi nierte Schauspielerin sich ans Leben zu legen. Eine Delila, die die Künste ihrer Weibnatur (wie die einseitigen Richter im Geschlechterkampfe sagen!) in einer Fachschule erheblich verstärken gelernt hat. Was sich begibt, ist eines schwachen Erden sohne» Schicksal im Irrgarten der Liebe; nicht eines Apostels Ringen um seine heilige Sendung. Kurz gesagt: hier drohen nicht dem Genius die Philister. Frau Delila-Dagmar, di« Schauspielerin, betrügt den unheilbar verliebten Gatten mit einem andern Mann, der, wieder bloß zufällig, ein Erzphilister, ein Herr Eroßkaufmann Meyer ist. Das Symbol spielt mit Worten und Begriffen. An innere Notwendigkeiten reicht es nicht. Denn Peter Krumbak würbe sich genau so pünktlich als Weibsklave erschießen, wenn Herr Meyer nicht Eroßkaufmann und Philister, sondern ein Apollinischer wäre. Die Weltanschauungs gedanken liegen dem Peter Krumbak zwar auf den Lippen; in seinem Innern bewegt ihn bloß der Stachel des Fleisches. Ruft man Simsotz, so denkt man eines Helden; eines Helden unserer Tage, der nicht mehr Tempelsäulen mit der Hand einreißt, aber nnt Gott und Teufel in seiner Seele ringt. Dem Peter Krumbak ist Pallas Athene Hekuba, sind die seine Kunst verachtenden Philister, die Versudler der schöneren Welt, im Prinzip gleichgültig, als er sich des einzigen Herrn Meyer wegen erschießt. Er tut's zur Rührung aller Pseudo-Wertherseelen rm p. t. Publikum. Falschgemünzt wie das Wappen des Simson auf der dramatischen Kleingeldmünze, ist das Tendenzwort des Selbstmörders: „Die Poesie muß sterben." Glaub' schon, daß Herr Krumbak Poesie hatte; aber um die handelte es sich leider gar nicht im Drama von Sven Lange. Und selbst wenn das Stück bloß „Delila" hieße, wäre der schwache Peter Krumbak ein zu wenig harter Brocken, daß uns an ihm die Kinnbacken der großen Männerver- zehrerin imponieren könnten! Das im Stil zur Tragikomödie künstlich empor geschraubte Rührstück hat manche Spuren des feinen, keuschen Künstlers Sven Lange, der einst die „Stillen Stuben" schrieb. Aber nur mehr Spuren. Er war kein Simson, dennoch sind ihm jetzt die Haare ziem lich kurz geschnitten. Und er präsentiert sich heute so konventionell, wie's die Philister lieben. Wo er noch sich selber nachging, wie in den minutiös ent wickelten, freilich langgezogenen Ehestands- und Ent wicklungsszenen des ersten Aktes, da begann das Publikum sich zu langweilen. Mit wirklich beinahe tragikomischem Humor und recht natürlich wird dar gestellt, wre die Schauspielerin, die Priesterin der Kunst, die Geliebte des Dichters, sich zielbewußt einen Kerl angelt, der gemein, dumm, reich und muskelstark ist. Das Triviale der Szene ist gerade das Nicht-Triviale des dramatischen Konzepts. Auch nett, daß Sven Lange den Philister Meyer zu einem Herrn mit eleganter Tournüre macht und den Dichter Krumbak mit einem ärgerlichen Bäuchlein auestattet. Solche Witze liebt die Ratur! Der zweite Akt besticht mit dem munteren Konterfei eiuer Dühnenprobe und hat ein gutes Knistern der mit Elektrizität gefüllten Atmosphäre. Doch ist die katastrophale Eifersuchtsentladung durch handwerks mäßige Schiebung herbeigeführt. 2n ihrer Rolle verrät sich die treulose Schauspielerin dem Gatten, wie schon Scribe in „Adrienne Lecouvreur" gezeigt hat. Der dritte Akt — ist gar Karl von Holtet. Etwa „Lorbeerbaum und Bettelstab" .! Der betrogene Ehemann kommt in halbem Wahnsinn nach langem Jrrschweifen in sein Haus zurüch spannt den Habn seiner Pistole .... ja, spannt ihn! ... . und belauscht die Intimität serner Frau Delila mit dem Philister. Ja, belauscht . . . .! Solche Pistolen hähne und Horchszenen, die ja einer ordinären Spannung sicher sind, gehören zum elendesten Theater- requifit. Das Publikum hielt den Atem an und klatschte. O Sven Lange, die Philister über dir! Die Regie Emil Geyers folgte dem Besten de» Stücke», dem Detail, mit Lieb«. Die erwachsene von daß von kombinierten Glockem Hörnern n wird. An der Spit Geschicklichkeit Sven Langes (gewiß kein prinzipieller Fehler!) bewährte sich an zwei „Bombenrollen", um die sich noch eine Anzahl „dankbarer" Rollen scharen. Den falschen Simson unterstützte Paul Biens seid mit seiner Innigkeit und unaufdring lichen Art, die realistische Arabeske zum Charakter zug zu machen. Nur im letzten Akte sollte er dem Dichter und der Pose selbständiger widerstehen. Köstlich war das verschlagene Mienenspiel Lucie Höflichs als Dagmar-Delila. Verführerisch genug war sie. Fehlte ihrer ehrlichen Ratur nur der eigentliche Lilith-Dämon. Josefs Kl eins Philister Meyer hatte reichlich Banalität. Den Nerz des Athleten schafft kein guter Wille. Ein Erinnerungs blatt gebührt Jakob Tiedtke, der einem unwahr scheinlich biederen Theaterdirektor eine ergreifende Menschlichkeit gab. Usimcmv Lievrl. Glockenlplelolrttmlen. Ein musikalischer Wettstreit, wie er wahrscheinlich noch niemals vorgekommen ist, wird heute und morgen in der alten belgischen Stadt Mecheln stattfinden. In der Kirche des heiligen Romuald hängt dort ein berühmtes Glockenspiel, dessen An fänge auf das Jahr 1441 zurückgehen. Die Uhr selbst ist noch erheblich älter und war im Jahre 1372 nächst einem in Paris geschaffenen Werk die älteste Turmuhr. Das Glockenspiel ist dann im Laufe der Jahrhunderte noch weiter ausgebaut worden und wird jetzt von Kennern als das schönste der Welt bezeichnet. Es besteht aus 45 Glocken, die zusammen ein Gewicht von 35 000 Lx besitzen. Die schwerste, der sogenannte Salvator, wiegt allein beinahe 9000 kkr. Die älteste stammt aus dem Jahre 1480. Die dritte und vierte Oktave des Glockenspiels, so wie ein Teil der zweiten, im ganzen 31 Glocken, sind im Jahre 1674 aus den Werkstätten des be rühmten Pierre HLmony hervorgeaangen, der den Ehrentitel eines Königs der Glockengießer in der Geschichte genießt. Rach einer Mitteilung des „Kosmos" werden nun dort an den genannten Tagen 18 Glockenspiel virtuosen um den Preis kämpfen, unter ihnen 13 berufsmäßige und 5 Amateure. Das Glocken spiel ist nämlich mit einer Art von Klaviatur ver sehen, die ähnlich einer Orgel mit Händen und Füßen gespielt wird. Nach dem Programm wird am ersten Tage das Flamände rlied von Peter Bönoit, einem berühmten Komponisten für Glocken spiele, gespielt werden. Am zweiten Tag soll dann ein engerer Wettbewerb zwischen den sechs besten Spielern des ersten Tags zum Austrag kommen, und zwar sollen diese Herren ein Andante mit Variationen vorführen, das von dem in Mecheln anaestellten Glockenspieler eigens zu diesem Zweck verfaßt worden ist. Ferner sind die Teilnehmer verpflichtet, zwei Stücke eigener Wahl zu spielen. Außer einem Geldpreise find noch zwei Kunstgegenstände und ein vom König gestifteter Preis ausgesetzt. Den Schluß der Feier wird «in außerordentliches Konzert bilden, das der Glockenspieler von Mecheln mit Einschaltung r" "7 und Trompeten geben wird. An der Spitze de» Preisgerichts steht der Leiter der Akademie für Musik in Mecheln. Die technische Einrichtung des Glockenspiels Mecheln ist höchst interessant. Abgesehen davon, e» in der angedeuteten Weise nach Belieben „ge spielt" werden kann, setzt es sich selbsttätig in jeder Stunde, halben Stunde, Viertelstunde und sogar noch in jeder halben Viertelstunde in Bewegung und spielt in jeder Stunde im ganzen 180 Takte. In einem Tage werden beinahe 60000 Noten an geschlagen. Uebrigens ist auch die damit verbun dene Uhr wenigstens in Europa die größte. Der äußere Durchmesser des Zifferblattes mißt beinahe 12 Meter, die Stundenziffern haben eine Höhe von fast 2 Metern, und der Zeiger umschreibt in jeder Stunde einen Weg von ungefähr 3 Meter Länge. Solche Zifferblätter sind im Ganzen vier vorhanden, je eins auf jeder Turm seite. Sie wurden im Jahre 1708 hergestellt und 1884 repariert. Im Jahre 1861 wurde ein elektrischer Betrieb für die Uhr eingerichtet. Die Kunst des Glockenspiels ist übrigens beinahe auf Frankreich, Belgien und Holland beschränkt. Besonders in Belgien herrscht eine große Lieb haberei für Glockenspiele, die auch in neuester Zeit um einige vermehrt worden sind. In Deutsch land besitzt nur das neue Rathaus in München eine Schöpfung ähnlicher Art, aber in ganz moderner Ausführung. Der Elockenspielvirtuose braucht dabei nicht wie in Mecheln seine Arme und Beine besonders anzustrengen, sondern er sitzt vor einer Klaviatur, die ungefähr der eines Harmoniums gleicht. * * Vom Leipziger Stadttheater. Fräulein Fladnitzer, die von den Folgen ihres Unfalles noch nicht ganz wiederhergestellt ist, bedarf noch der Schonung, und ist daher für die nächste Zeit am Auftreten verhindert. — Herr Heinz Salfner ist aus dem Verbände unseres Stadttheater» ausgeschieden, um sein neues Engagement am Berliner Neuen Schauspielhaus anzutreten. Eine Ankündigung des letzten Auftretens des Künstlers hier (am ver gangenen Mitttypch als „Pfarrer von Kirchfeld") ist auf dessen eigenen Wunsch unterblieben. * Hans Windersteins Philharmonische Konzerte. Aus den Programmen der Philharmonischen Kon zerte des kommenden Winters (Leitung König!. Professor Hans Winderstein) sind folgende Werke hervorzuheben: Der Zauberlehrling (l/äppreatt Wrcier» von Paul Dukas (neu), „Die drei Palmen", sinfonische Dichtung von Spendiarow (neu), Jm- preMons d'Jtalie, Suite von G. Charpentier (zum 1. Male), Lyrische Suite von E. Grieg (zum 1. Male), Violoncellkonzert von Karl Bleyle (neu), Faust- Sinfonie von Liszt mit Fel. Senius (Tenor) und dem Neuen Leipziger Männeraesangverein, Man fred von Rob. Schumann mit Dr. Ludwig Wüllner und dem Philharmonischen Chor. Letzterer wird ferner unter Kapellmeister Rich. Hagel» Leitung erstmalig die Chorwerke „Totentanz von Woyrsch und „tzuo vaäis" von Nowowieski zur Aufführung bringen. * Ein Zirkusnachtfest der Berliner Schauspieler wird auch in der kommenden Saison wieder ver anstaltet werden. Es findet am 16. April 1911 statt und wird am 23. April wiederholt. Der Ball der Bühnengenoffenschaft ist für den 26. Februar geplant. * Hochschulnachrichten. Zum Direktor der Obren- klinik an der Universität Gießen an Stelle von Prof. Ernst Leutert wurde der a. 0. Professor in Freiburg i. Br. Dr. med. Karl 0. Eicken berufen. — Der emer. ordentliche Professor der klassischen Philologie an der Prager deutschen Universität Hofrat Dr. phil. Otto Keller in Stuttgart begeht am 20. d. M. di» 50 jährige Doktorjubelfeier.
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