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02-Abendausgabe Leipziger Tageblatt und Handelszeitung : 17.08.1910
- Titel
- 02-Abendausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1910-08-17
- Sprache
- Deutsch
- Vorlage
- SLUB Dresden
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id84535308X-19100817025
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id84535308X-1910081702
- OAI
- oai:de:slub-dresden:db:id-84535308X-1910081702
- Sammlungen
- Zeitungen
- Saxonica
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
-
Zeitung
Leipziger Tageblatt und Handelszeitung
-
Jahr
1910
-
Monat
1910-08
- Tag 1910-08-17
-
Monat
1910-08
-
Jahr
1910
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BezugS-PreiL str Leipzig und Boro«, durch «»I«« Lrtaer und Spedilrur« 2«al tiallch in» Hau« gebrach«: 00 mouatl., t.70 «ierteljShrl. Bei unser» Filiale» u. Lu. «ahmeftelleu abgeb-l«: 7S H inonatl.. »LS »ienelstbrl. Durch dt« P»A: tnnerhald Deuischland« und der deutsche» Kolonien »iertelsthrl. S.t« «onatl. autschl. Postdefte0aeld. ferner iu Belgien, Dänemark, den Donaullaaten. Italien, Luremdura, dtiederlande, dior» wegen. Leuerreich. Ungarn, »Maud, Schweden, Schwei« n. Spanien. I« alle» übrigen Staate« nur direkt durch die BescdPrinell« de« Blatte« erhältlich. Da« Leipziger Lcyeblarl erschein» 2 mal täglich. Sonn» u. Fei riag« an» morgen». »vo»neineu«.*nnaume. Tugultusplatz 8, bet unseren Drägern, Filiale«, Spediteur«» u»d Annahmestellen. sowie Postämtern und Briesträgrr». Etnzeluerkaustpret« der Morgen» «usgad« iv der tidenduntgab« I ch» Sledaktion »ud Beschäftäkeller Johannltgasse 8. Fernsprecher: I4«i8L I4SW, t««ä Abend-Ausgabe. WxzMrTagMaü Handelszeitung. Amtsvkatt des Nates und des Nokizeiamtes der Stadt Leipzig. Anzeigen-Preis shr Inserate au« Leipzig und Umgebung die ggeinaiiene bv mm breit« Brtitzeil, 2ü 4, di» 74 nun breite »eklamezeU« l ass »«» »»«wärt« civ »ielameu I.L) agl Iuseriw »»» vebbrdrn »» amkNchen teil die 7« Mw drctte Petitzeil« 40 «eschtittanzeigen mit P agoorschristen und tu der L'lrndautaab« im Preise erhöht. Radatl nach Laris. Beilagegedübr ü ». Dauienü «»kl. Postgebühr. Fester»eilt« iluiträg« kännen nicht «uritlk- »eeoge» werden. Für da« Erscheinen an bestimmten Lagen und Plätzen wird lew« Baraiiti« übernommen. »neigen-Lnnadmei vuguftulplatz bei sämtliche» FUiale« u. allen Annoncen» itlpeditrouen de« In» und «»«laude». Haupt-Filiale Berlin: Tert DiiNiker, Her,»gl. vapr. Hofbuil^ Handlung, Lützowsti-itz« 12. (Lelephon VI, iir. 4<xXlj. Haupt-Filiale Lre.de« Seestratze 4, t (Lelcphon 46^1). Nr. 226. Mittwoch, üen 17. kluguk lSlo. l04. Jahrgang. ————— —>.ii. _ ! Geständnis der Raubmörder Rarl u. Friedrich Asppius. Leipzig, 17. August. War es schon nach den Verdachtsmomenten, die sich nach der Festnahme der Brüder Karl und Friedrich Koppius gegen diese anhäuften, als sicher anzunehmen, daß sie als Verüber des Mordes an den Friedrichschen Eheleuten anzusehen sind, so wird die Bevölkerung unserer Stadt doch wie von einem Alp befreit aufgeatmet haben, als sie durch die von uns schon in den Vormittagsstunden ausgegebenen Tausende von Extrablättern erfuhr, das; das verbrecherische Brüderpaar über führt worden ist und sich zu einem Ge ständnis gezwungen gesehen hat. Karl und Friedrich Koppius gehören nicht nur zu den raffiniertesten, sondern auch zu den brutalsten und dreistesten Verbrechern, die in der Chronik von Schandtaten anzutreffen sind. Sie schreckten vor nichts zurück, und es ist mit Bestimmtheit anzunehmen, dass sie noch weiter ihr schreckliches Unwesen in unserer Stadt betrieben hätten. Um so mehr müssen wir uns freuen, daß es durch das schnelle und beherzte Eingreifen des Verlagsbuchhändlers Siegfried Weber am 16. Juli gelang, den Haupttäter Karl Koppius festzunehmen, und daß die Staatsan waltschaft die Ueberführung beider Verbrecher in so umfassendem Mähe bewerkstelligte. Nachstehend lassen wir den hochinteressanten amt lichen Bericht über die gesamten Vorgänge folgen: Am 16. August 1910 hat die Staatsanwaltschaft ihre Erörterungen gegen die Gebr. Koppius wegen der verschiedenen in den letzten Jahren hier verübten schweren Straftaten abgeschlossen und die Sache an den Untersuchungsrichter beim Landgerichte Leipzig weitergegeben. Dem Staatsanwalt Dr. Mühle ist es nicht nur gelungen, den Brüdern Koppius eine große Anzahl schwerer Derbrechen nach zuweisen, sondern er hat auch beide zu umfassenden Geständnissen gebracht. Danach hat Karl Kop. pius, während er in der Taberna in Stellung war, nach einem einmaligen vorherigen missglückten Ver such v. 14. Dez. 1906 am 17.Dez.1906 den Geldbriefträger Rübner im Treppenhaus des Grundstückes Nikolai- strasse 11/13 mit einem Hammer niedergeschlagen, hat mit eigens dazu geschliffenem Messer ihm beide Bestelltaschen abgeschnitten und mit diesem etwa 9000 geraubt. Den Raub hat er zunächst vorüber gehend im Kohlenschuppen des Weinrestaurants Taberna untergebracht und bis zum Herbst 1907 in der Hauptsache durch Verluste bei Renn wetten verloren. Am 5. Oktober 1907 hat Karl Koppius weiterhin einen Raubmordversuch an der Fabrikbesitzersehefrau Wagnerim Treppenhaus des Grundstücks Gottschedstrahe 15 verübt. Er kannte die Wagner nicht, traf zufällig mit ihr am genannten Tage in der Nähe des Marktes zusammen, wo sie durch ihre Brillanten und ihr silbernes Geldtäschchen seine Aufmerksamkeit erregte. Da er völlig mittel los war und am 17. Oktober heiraten wollte, folgte er kurz entschlossen der Wagner bis zum Grundstück Gottschedstrahe 15, drängte sich vor ihr durch die Haus tür und fiel sie im Treppenhause mit seinem Taschen messer an, indem er versuchte, ihr den Hals zu durchschneiden. An der Durchführung der Tat wurde er durch die gellenden Hilferufe der Frau und durch das Einklappen seines Taschenmessers gehindert. Den Mord an den Friedrichschen Ehe leuten haben die Gebrüder Koppius ge meinschaftlich verübt. Zunächst war beabsichtigt, die Tat im Grundstück Peterssteinweg 1 auszuführen. Da dort die Untermieter noch in der Wohnung waren, begaben sich die Gebr. Koppius in die Friedrichsche Wohnung. Die Eheleute Friedrich sind mit einem schweren Hammer von Karl Koppius nieder geschlagen worden. Friedrich Koppius hat sich besonders an der Tötung Friedrichs mit beteiligt. Karl Koppius empfing dann den Eeldbriefträger, Friedrich Koppius hatte es übernommen, ihn mitdem Hammer nieder zuschlagen. Die Ermordung und Beraubung des Geldbriefträgers ist nur unterblieben, weil der zweite Briefträger vor diesem nicht wegging. Die seinerzeit veröffentlichten und auch die spä teren Erpresserbriefe an die Firma Weber hat bis auf einen Teil des zweiten Erpresserbriefes und einige Adressen (derselben), die Friedrich Koppius geschrieben hat, Karl Koppius geschrieben und auch selbst verfasst. Bei den verschiedenen Ver suchen, die erwarteten Geldbeträge abzuholen, sind beide Brüder tätig gewesen. Ein dritter Täter kommt weber für den Friedrichschen Mord, noch für die Erpressungen in Frage. Endlich haben die Gebrüder Koppius ge meinschaftlich auch das Attentat in der Liviastrasse am 24. März 1910 verübt. Sie haben zusammen am Abend vorher den Einkauf des Fliederstrausses bewirkt, im Laden war Friedrich Koppius. Lei der Tat hat Friedrich Koppius dem Dienstmädchen Hulda Seysfert zunächst den Strauss überreicht, dann ist er ihr an den Hals ge sprungen, hat sie zu Boden geworfen und dort hat der zuspringende Karl Koppius mit einem Ham mer das Mädchen wiederholt auf den Kopf geschla gen. Verscheucht wurden die Täter durch das Schreien des Mädchens und das Klingeln der Witwe Rauer. Beabsichtigt war, diese und das Dien st Mädchen umzubringen und die Woh nung auszurauben. Di« Geständnisse der Gebrüder Koppius decken sich gegenseitig vollständig^ Auf die Angabe des Karl Koppius hin ist auch im Walde hinter der Kettenbrücke der Hammer, den er zur Ermordung der Eheleute Friedrich und zum Attentat auf die Seyffert verwendet hatte, gefunden wor den. politische Nachrichten. Zur Ostasienreise des Kronprinzen. Berlin, 17. August. (Tel.) Der hiesige japa nische Botschafter und der chinesische Ge sandte haben der deutschen Regierung dieFreude ihrer Negierungen über den bevorstehenden Besuch des deutschen Kronprinzen in Tokio und Peking ausgedrückt. Die Gedenkfeiern bei Metz. Metz, 17. August. (Telegr.) Der gestrige dritte Tag war dem Andenken der bei Eorze. Vion- ville und Nezonville im Kampfe Gefallenen gewidmet. Zn Metz sind Abordnungen des Leibgrenadierregiments König Friedrich Wil helm IU., 1. Brandenburgisches Nr. 8 und vom Verein ehemaliger Angehöriger des Regiments ein getroffen. Um 12 Ubr mittags begann für die An gehörigen des Leibgrenadierregiments Nr. 8 die Feier durch die Enthüllung eines Denk mals. das an der Strasse Eorze—Nezonville errichtet worden ist. An der Feier nahmen der kommandie rende General von Prittwitz und Eaffron, der Stadtkommandant und frühere Oberstleutnant des Regiments, der es in der Schlacht geführt hatte, General von l'Estocque und zahlreiche ehemalige Offiziere, des Regiments, ferner zwanzig aktive Offi ziere, 80 Unteroffiziere und die Mannschaften teil. Vertreten waren ferner: Die Vereine ehemaliger Mitkämpfer aus Frankfurt a. O., Berlin, Guben, Eberswalde und Fürstenwalde. Nach den Darbie tungen des Metzer Männergesangvereins und nach der von einer kurzen Ansprache begleiteten Nieder legung eines Kranzes durch den jetzigen Regimentskommandeur Oberst von Uthmann sprach Divisionspfarrer Merensky die Weihe rede. Oberst von Uthmann bat dann den Vertreter der Regierung, das Denkmal in die Obhut des Lan des zu nehmen. Dieser sagte das zu und legt« im Namen der Landesregierung einen Kranz nieder. Oberleutnant Köpke vom Regiment hielt dann einen Vortrag über das Regiment am Schlachttage. Mit einem Eesangsvortrag endete die Feier. Der Sockel des Denkmals ist aus unregelmässigen, aufeinandergeschichteten Steinen der Ruine des am Schlachttage zerschossenen Weihen Hauses bei Eorze errichtet und von einem die Flügel ausbreitenden, mächtigen, bronzenen Adler gekrönt. Hakki Pascha und Graf Aehrenthal. Wien, 17. August. (Tel.) Das „Fremdenblatt" schreibt: Hakki Pascha, der am 14. August in. Marienbad eingetroffen ist, besuchte den eben falls dort weilenden Grafen von Aehrenthal. Beide Staatsmänner benutzten diese Gelegenheit zu einem Gedankenaustausch über die wichtigen Fragen, die in der letzten Zeit im Vordergrund der Diskussion standen. Entsprechend den zwischen Oesterreich-llngarn und der Türkei erfreulicherweise bestehenden vorzüglichen Beziehungen trug diese Aussprache sehr herzlichen Charakter an sich. Der Präsident von Chile s. Bremen, 17. August. (Telegr.) Der Präsident der chilenischen Republik, Pedro Montt, der gestern hier eingelrosfen war, ist abends um 11 Uhr 50 Min. einem Herzschlage erlegen. Falliöres Abreise aus Bern. Bern, 17. August. (Tel.s Bei einem Diner, das gestern abend in der französischen Botschaft stattfand, wechselten Präsident Falliö res und der Bundes präsident Co int esse herzliche Trinkjprüchc. Um IOV2 Uhr fuhr Falliöres mit einer Dragoner eskorte zum Bahnh'of, wo der Bundesrat, mit dem Präsidenten an der Spitze, zur Verab schiedung erschienen war. Nach herzlichen Ab- schiedswonen Falliercs' verliess der Zug um 11 Uhr unter Kanonendonner und den Klängen der Marseillaise den Bahnhof. Streikunruhen in Bilbao. Bilbao, 17. August. (Tel.) Infolge verschiedener von den streikenden Grubenarbeitern unternommener Versuche, Arbeitswillige von der Arbeit abzuhalten, kam cs zu mehreren Zusammen stössen. Bei einem Bergwerk wurde ein Arbeits zug von 200 Ausständigen mit Steinen beworfen und beschossen. Die Streikenden durchzogen mit Waffen und Stöcken das Erubengebiet, um die Wiederaufnahme der Arbeit zu verhindern. Es sind umfassende Massnahmen zur Aufrechterhaltung der Ordnung getroffen worden. Strahenbahnerstreik in Columbia. New York, 17. August. (Tel.) Die Angestellten der Strassenbahngesellschaft in Columbia sind in eine Streikbewegung eingetreten. Sie fordern Er höhung des Gehaltes und Verkürzung der Arbeitszeit. Die Bewegung ist sehr be deutend und grösser als seinerzeit in Philadelphia. Am Sonntagabend schoss die Polizei, um die Aus ständigen zu zerstreuen, einige Schüsse in die Luft ab, worauf sich die Menge wütend gegen die Polizei wandte. Die Polizei musste von ihren Revolvern gegen die Menge Gebrauch machen, wobei zahlreiche Personen verwundet wurden. Der Gouverneur erklärt sich ausserstande, mit der geringen Polizeimacht die Ordnung aufrccht- zuerhalten. Eine Untersuchung ist etngeleitet, wer die Schuld an den blutigen Vorgängen des letzten Sonntags trägt. Nach den letzten Meldungen wurden bei dem Zusammenstoss 75 Aus ständige ver wundet, davon 25 schwer. Sus Leipzig unü Umgegenü. Leipzig, 17. August. Wetterbericht der Königl. Sachs. Landeswetterwarte zu Dresden. Voraussage für den 18. August. Südwestliche Winde, vorwiegend heiter, warm, trocken, plötzliche Störungen keinesfalls ausgeschlossen. PÜHlberg: Starker anhaltender Tau, glänzen der Sonnenunter- und -Aufgang, Abend- und Morgenrot. Fichtelberg: Starker anhaltender Tau, glän zender Sonnenunter- und -Aufgang, Abend- und Morgenrot. 4, Ruth. Roman von H. Courths-Mahler. Konsul Waldeck war mit seiner jungen Frau in Berchtesgaden eingetroffen. Ruth war mit der Majorin zum Bahnhof ge fahren, um die Ankommenden abzuholen. Das junge Mädchen war in fieberhaft« Auf regung und sah mit brennenden Äugen dem Zuge entgegen. Und dann tauchte im Menschengewühl eine wohl bekannte Gestalt auf. Ein schlanker, stattlicher Herr . mit kurzgeschnittenem, graumeliertem Haar und star kem Schnurrbart. Auf den flog Ruth plötzlich zu u,N> warf sich schluchzend, und unbekümmert um dre Umgebung an seine Brust. „Papa, mein lieber Papa." Er sah mit feuchten Äugen auf sie herab. „Meine liebe, kleine Ruth, mern gutes Kind." Und sie herzten und küssten sich, als wollten sie sich nicht wieder lassen. Dio Majorin hatte sich inzwischen der schönen blonden Frau zugewendet, die mit mokantem Lächeln der Begrüssung zusah und sich mit spöttischem Achsel zucken dann abwandte. Ein scharfer, musternder Blick war dabei über die schlanke Mädchengestalt geglitten. Als Frau von Grotthus zu ihr trat, sah sie ihr mit liebenswürdig herablassendem Lächeln ins Gesicht. „Vermutlich Frau von Grotthus, nicht wahr? Wir müssen uns >lbst bekannt machen, mein Mann ist anderweitig zu sehr in Anspruch genommen." Ehe die Mawttn etwas erwidern konnte, drehte sich Waldeck nach ihnen um. „Verzeihe, liebe Erna, dass ich dich warten liess. Hier ist meine kleine Ruth, dies ist deine Mutter, mein Kind." Ruth verneigte stch stumm. Die Tränen sahen ihr noch in der Kehle. Frau Erna aber streckte ihr herzlich beide Hände entgegen. „Ich bin noch zu jung, um dir die Mutter ersetzen zu können, liebe Ruth, aber wir wollen gute Freun- binnen sein. Za?" Da» jung« Mädchen sah sie ernst an und sagte leise indem sie zögernd ihre Hände in die ihrer Stiefmutter legte: »Ich will es versuchen, gnädige Frau." „Aber das ist doch Unsinn, Kind, ich heisse „Mama" für dich, wozu die Förmlichkeit?" Ruth biss die Lippen zusammen und wollte trotzig schweigen. Da begegnete rhr Blick den ernsten vor wurfsvollen Augen der Majorin. Sie nahm sich zu sammen und zwang sich, zu reden. „Du musst mit mir Geduld haben, ich muss mich erst wieder an den Namen gewöhnen." „Natürlich, das gibt sich schon. Aber ich denke, wir entfernen uns nun hier, man macht schon Glossen über unsere Familienszene." Sie schritten zum Wagen. Als man zu Hause anlangte, begab sich Frau Erna sofort in ihre Gemächer, von ihrer schnippisch aussehenden Jungfer gefolgt, um Toilette zu machen. Ruth zog sich gleichfalls zurück und der Konsul blieb mit Frau von Grotthus allein. Er ergriff ihre Hand mit herzlichem Druck. „Meine liebe, verehrte Frau Major, ich danke Ihnen herzlich für das Telegramm, es nahm mir eine schwere Sorg« vom Herzen. Wie ertrug Ruth die Nachricht von meiner Vermählung?" Ihre grösste Sorge war, dass ihr des Vaters Liebe verloren gehen könne. Wenn die ihr bleibt, wird sie bald beruhigt sein." „Ich finde sie so verändert. Was ist aus meinem lustigen Wildsang geworden?" „Ein junges Menschenkind, das tapfer sich be müht, mit dem ersten Schmerz seines Lebens fertig zu werden." „Wenn sie nur nicht so stumm wär«. Was soll meine Frau davon denken/' „Frau Konsul wird verstehen und verzeihen, wenn sie sich an Ruths Stelle zu versetzen sucht. Ich bitte Sie herzlich, werden Sie nicht ungeduldig mit dem Kinde. Sie bleiben jetzt nur einige Lage hier. Wenn wir im Herbst wieder in Berlin zusammentreffen, wird Ihre Tochter der Situation vollständig ge- wachsen sein. Sie bat bi» dahin Zeit gehabt, Ihr seelisches Gleichgewicht wiederzuftnden." Hier trat Erna zu den beiden in» Zimmer. „Störe ich eine geheime Konferenz, Herrschaften?" frug sie schelmisch lächelnd. Waldeck ging ihr entgegen und küsste ihr die Hand. „Wir sprechen über meine Tochter, Erna. Du musst Nachsicht mit ihr haben. Sie ist —" „Ein wenig eifersüchtig auf mich", vervollstän digte sie lachend den Satz. „Ach geh, lei nicht so tragisch» lieber Herbert, das gibt sich schon» lajs sie „Komm mit mir hinunter in den Garten, der Tee soll im Pavillon serviert werden. Deine Eltern werden auch gleich erscheinen, und dein Vater wird sich freuen, dich schon dort zu finden." Ruth erhob sich, rieb sich die Stirn mit Köl nischem Wasser und ordnete ihre Frisur. Dann folgte sie der Majorin. Waldeck war inzwischen mit seiner Frau allein geblieben. „Zürne Ruth nicht, mein geliebtes Herz. Sie ist von mir zu sehr verwöhnt worden und muss sich erst darein finden lernen, dass jetzt eine andere den ersten Platz in meinem Herzen emnimmt." Sie sah ihn mit verführerischem Lächeln an. „Wird das auch immer so bleiben, wirst du böser Mann mich auch nicht davon vertreiben lassen?" Er zog sie stürmisch in seine Arme und bedeckte ihr Mund und Augen mit glühenden Küssen. „Du weisst, dass ich dich liebe, über alle Begriffe, über alle Vernunft und dass ich unendlich glücklich bin in deinem Besitz." Sie entzog sich ihm lachend. (Fortsetzung folgt.) ruhig ein bisschen schmollen, ich verdenke es ihr gar nicht. Versprich ihr morgen einen schönen Schmuck, du hast es ;a dazu, und gleich wird's besser werden." Zn Waldecks schmalem, energischem Gesicht zeigte sich ein Zug von Erstaunen. „Da kennst du Ruth schlecht, Erna, sie denkt jetzt sicher nicht an Schmuck und Tand. Sie sah ihn überlegen lächelnd an und bog sich graziös in den Hüsten. „Erlaube, dass ich anderer Meinung bin, daran denken wir Frauen auch in den tragischsten Momen ten unseres Lebens. Tue, was ich dir sage, und du wirst Wunder erleben." Sie warf sich in einen Sessel und wippte mit den Fussspitzen. Watdsck sah fragend zur Majorin hinüber. „Meinen Sie. dass es hilft?" Diese schüttelte abwehrend den Kopf. „Nein, ganz sicher nicht. Lassen Sie Ruth ruhig gehen und geben Eie sich den Anschein, als merkten sie ihr verändertes Wesen nicht. Dann kommt sie am leichtesten darüber hinweg." Frau Erna schlug ihre Fingerspitzen gegen- einander und sagte etwas impertinent: „Deine Tochter scheint mich wirklich wie eine Art Landplage oder schwere Not aufzufassen. Schmeichel haft rst das weniger für mich/ „Sie gestatten mir zu bemerken, gnädige Frau, dass Ruth Sie gar nicht kennt. Zbr Kummer gilt der Sache, nicht der Person, folglich kann er Sie nicht beleidigen. Ich bin fest überzeugt, wenn die junge Dame Eie erst kennen lernt, wird sie Zhrer Liebens würdigkeit nicht widerstehen können." Diese diplomatische Rede der Majorin verfehlte ihren Zweck nickt. Frau Erna lächelte huldvoll und nickte ihrem aufatmenden Gatten zu. „Zch glaube, wir befolgen den Rat, den uns Frau von Grotthus gibt und lassen das klein« Mädchen ruhig austrotzen." Waldeck küsste voll zärtlicher Inbrunst ihre Hände. ^Du bist ern Engel, meine Erna." Die Majorin war still zur Tür hinausgeglitten. „Arme kleine Ruth , dachte sie. Es triev sie, das jvnge Mädchen aufzusuchen. Sie sah still, mit ernstem Gesicht in ihrem Zim mer. Al» die Majorin eintrat, nickte sie dieser mit müdem Lächeln zu. „Sag' jetzt gar nichts zu mir, Tante Grotthus, frag mich nichts, ich muh es erst lernen, mich besser zu beherrschen." Tageschranik. Ium vrsnüe üer Brüsseler rveltsusssessung. Brüssel, 17. August. Eine äusserst wichtige Aussage ist gestern nachmittag den Gerichts behörden von dem Po st vor st eher Lepere gemacht worden. Dieser erklärte, dass er am Eonntag. abend 10 Minuten vor 9 Uhr, als er noch in seinem Bureau arbeitete, durch die scheibe einer Verbindungstür zwischen dem Postamt und der Aus stellung in der sich anschliessenden Halle Belgiens Flammen beobachtete, die plötzlich mit un glaublicher Schnelligkeit aus einem Stande hervor brachen, der sich im Znnern der Halle befindet und wo während des Tages gewisse mechanische Arbeiten mit Seidengarn vor dem Publikum verrichtet werden. Es handelt sich um eine Maschine, die durch einen kleinen Dynamo getrieben wird. Angesichts dieser ganz neuen Aussage, die viel Wahrscheinlichkeit für sich hat, haben die Gerichtsbehörden sofort eine photographische Aufnahme diese» Teil» der Ruinen vornehmen lassen, und die Gericht». Personen begaben sich an Ott und Stell«, um die noch
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