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01-Frühausgabe Leipziger Tageblatt und Handelszeitung : 18.08.1910
- Titel
- 01-Frühausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1910-08-18
- Sprache
- Deutsch
- Vorlage
- SLUB Dresden
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id84535308X-19100818017
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id84535308X-1910081801
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-84535308X-1910081801
- Sammlungen
- Zeitungen
- Saxonica
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
-
Zeitung
Leipziger Tageblatt und Handelszeitung
-
Jahr
1910
-
Monat
1910-08
- Tag 1910-08-18
-
Monat
1910-08
-
Jahr
1910
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Amtsblatt des Rates und des Rolizeiamtes Ser Ltadt Leipzig. V7tt2 sstr Inserate au« i!ew«ig nnb Umgebung di« ügewaltene SO mm breit« lsetitteile 25 die 74 mm breite Reklamr,eil« l »on autwärt» 80 Ne'Iamca l.Lt Inserate von Behbrden m amtlichen TeU die 74 mm breite Petit,eil, 40 H. cheichä'trnn,eigen mir P atzoortchristtn und in der Abendau»aade ui> Prene erhobt. Rabail nach Taris. Beilagegebühr ü p. Tausend exkl. Postgebühr. ssesterteilte Autttäge können nicht zurück gezogen werden. Mr da» isrschemen an bestimmten Tagen und Plätzen wird lem« tttarantie übernommen Anzeigen-Annahme! Augustusplatz 8, bei sämlltchen gllialrn u. allen Annoncen- tttp-dirtonen de« In- und Audlande«. Haupt »Sillalr Gerls»! Karl Dnnckel, Heriogl. viyr Hofbuch- handlung, Lützowsliatze l(X (Telephon Vt, Nr. 4<i08). Haupt-Iiliale Dresden: Seeftratze 4, l. (Telephon 4M1Z. Nr. 227. Donnerstag, üen 18. stugull lSIV. 104. Jahrgang. Das Wichtigste. * Kaiser Franz Josef von Oesterreich-Ungarn vollendet am heutigen Tage sein 80. Lebens jahr. (S. Leitart.) " Der Vorstand des Bundes ver Land wirte erläßt eine Abwehrkundgebung gegen den Hansabund. (S. Dtschs. R.) * Ueber die Beisetzung des in Bremen ver storbenen Präsidenten von Chile sind noch keine Bestimmungen getroffen worden. (S. Ausl.) * In Fiume wurden zwei Anarchisten verhaftet, die verdächtig sind, ein Attentat auf den König von Italien geplant zu haben. (S. Ausl.) * England hat den Vertrag zwischen den Vereinigten Staaten von Nordamerika und Liberia anerkannt. (S. Ausl.) * Nach Telegrammen aus Kanea lehnen die kretischen Notabeln die Kandidatur zur griechischen Nationalversammlung ad. * Die Aussteller in Brüssel rechnen für Sep tember und Oktober noch auf eine Glanz periode der Ausstellung. (S. Tageschr.) * Der Wiener Professor Musil glaubt auf seiner arabischen Forschungsreise den wahren biblischen Berg Sinai wiedergefunden zu haben. (S. Feuill.) * Der Verband deutscher Radrenn bahnen hat seinen Austritt aus dem Weltverband der Union Lyclist Internationale beschlossen. (S. Sport.) Satter Kan; Iolef. Als wir am Tage des 60jährigen Regierungs jubiläums den politischen Charakter Kaiser Franz Josefs besprachen, ging der öster reichische Kaiserstaat gerade durch eine schwere Krisis hindurch. Es schien Zeit geworden zu sein, daß die morsche Frucht Serbien schon jetzt vom Baume der europäischen Staaten familie gepflückt werden müße. Von Balkan kriegen läßt sich aber immer nur der Anfang bestimmen und nie, wann sie aufhören werden. In den ersten Monaten des Jahres 1909 spitzten sich die Dinge derart zu, daß bereits ein kriegs fertiges Heer an die Grenze Serbiens entsandt werden mußte. Im letzten Augenblick geschah der Umschwung. Die Serben opferten ihren unmöglichen Kronprinzen, und der Kaiser gab sich mit dieser Genugtuung zufrieden. Die Entscheidung des alten Herrn begegnete keinem allgemeinen Beifall. Man mochte urteilen, daß Oesterreich wieder einmal in seinen alten Fehler verfallen sei, politische Notwendigkeiten zu verschieben und seine Ge legenheiten zu verabsäumen. Auch der Thron folger scheint dieser Ansicht gewesen zu sein, scheint es sogar über sich gewonnen zu haben, gegen den 78 jährigen Oheim eine Demonstra tion zu machen. Man mußte es so deuten, als er unmittelbar nach dem entscheidenden Kron rat in sein vorbereitetes Hauptquartier Neusatz abreiste, obschon es keinen Krieg mehr gab. Man urteile, wie man wolle: auf alle Fälle muß dem Menschen Franz Josef das Zeugnis erteilt werden, daß er um die Erhaltung des Weltfriedens ernstlich bemüht gewesen ist. Wir wollen ihm den Titel eines Friedens fürsten nicht aufdrängen, der ohnehin herzlich abgenutzt ist. Für einen Herrscher, der in seinen ersten dreißig Regierungsjahren fünfmal das Schwert gegen äußere Feinde gezogen hat, klänge er vollends geschmacklos. Und trotzdem weiß die Welt, daß der Monarch, der heute seinen achtzigsten Geburtstag feiert, nicht erst im tatenschwächeren Greisenalter durch sein Handeln bekannt hat, daß er die Friedenskrone höher schätzt, als den Lorbeer der Walstatt. Kaiser Franz Josef ist nie ein Mann des Kampfes gewesen. Auch wir Deutschen haben es erfahren, als er dem Preußenkönige so wenige Jahre nach der Königgrätzer Schlacht die Hand zur Versöhnung herüberstteckte und sich in seinen zuverlässigsten Freund verwandelte, als er dem Enkel durch weitere 22 Jahre die Treue gehalten hat. Die aus rein menschlicher Herzensgute er wachsene Friedensliebe des 80jährigen gibt auch den Schlüssel zu seiner an sich rätselhaften inneren Politik. Man müßte sich sonst verwundern, daß der Fürst kern deutschen Stammes es über sich gewonnen hat, die volklichen Interessen der Deutsch- Oesterreicher so wenig parteibewußt zu ver treten, daß sie zu verschiedenen Zeiten sogar hintangesetzt erschienen. Das beruhte durchaus nicht immer auf einer höheren politischen Raison, aus deren Gesichtsfelde vielmehr manche Maß nahmen vor der Kritik nicht bestanden, am wenigsten die Einführung des Dualismus, der die Begehrlichkeit der Separatisten dritter bis neunter Stelle aufgestachelt hat, und gar die Auslieferung der „Nationalitäten" ein schließlich der Deutschen an den madjarischen Primat. Das war auch nicht alles ein Ausfluß des hochentwickelten Gerechtigkeitsgefühls, das freilich unter den persönlichen Tugenden des Kaisers an erster Stelle hervorgehoben zu werden verdient: ihm mochten nicht alle Ein zelheiten der Bachschen Eermanisations-Politik behagen. Nein: die Art, in der so oft, zuletzt in der ungarischen Krisis von 1906, die inner politischen Streitigkeiten haarscharf vor ihrer alleräußersten Zuspitzung abgebrochen wurden, beweist unwiderleglich das aus dem tiefsten Wesen, seiner seelischen Verfassung hervor brechende Friedensbedürfnis. Es wird für die Geschichtsschreibung sehr schwierig werden, den ewigen Zickzack dieses Regierens auf eine stetige Linie planmäßiger Entwicklung zurückzuführen; und doch soll der Staatskünstler der im Wechsel der Erscheinung bewußt fort schreitenden natürlichen Evolution nachschaffen. Es ist aber leicht, aus den scheinbaren Wider sprüchen das Herz des Kaisers herauszufühlen, der Frieden haben wollte mit allen seinen Völkern. Dessen Pulsschlag haben auch dieVölker empfunden und mit wachsender Treue und Liebe sich um die Person ihres Herrschers zusammen geschlossen, durch alle Mißverständnisse hindurch. Noch das Jubiläumsjahr 1908, dessen friedlicher Verlauf nach seinen eigenen Worten das beste Geschenk seiner Untertanen gewesen wäre, wurde durch nationale Reibereien so arg verdorben, daß am Gedenktage Prag sogar unter die Herrschaft des Standrechtes gestellt werden mußte, und in Ungarn der Hader abermals aufs heftigste gesteigert war. Das Jubeljahr 1910, das ein Jahrzehnt des menschlichen, nicht des kaiserlichen Lebens zum Abschluß bringt, sieht friedlichere Zeiten: in Ungarn ist endlich die Besonnenheit in ihre Rechte wieder eingesetzt, und selbst in Böhmen erscheint wenigstens der Wille zum Frieden in beiden Lagern vermehrt. Es ist eine allgemeine Rede, daß nur die Person des alten Kaisers die auseinander strebenden Völker Oesterreichs noch Zusammen halte. Wir halten diesen Pessimismus für übertrieben und vertrauen auf Cavours Urteil, daß man Oesterreich erfinden müsse, wenn es nicht existierte. Ein Reich, das eine neue Pro vinz in einem einzigen Menschenalter in solchem Grade bereits seinem älteren Bestände ein gegliedert hat, wie es mit Bosnien gelungen ist, hat eine Lebenskraft bewiesen, die ver fallenden, untergehenden Staaten nicht eigen ist. Aber jener allgemeine Glaube ist beachtens wert als höchster Ausdruck der persönlichen Wertschätzung des Jubilars in der öffent lichen Meinung aller Länder. Wer ihn teilt, hat um so mehr Veranlassung, dem Feiernden einen noch recht langen Lebensabschnitt zu wünschen und von der Gewöhnung der Völker an ihr Zusammenarbeiten unter dem Zepter des Friedfertigen eine Milderung ihrer Gegensätze zu erhoffen. Ganz besonders aber wirDeutschen, deren Sympathien Europas ältester Eroßherrscher so vollauf in langen Jahrzehnten verdient hat und die wir am Fortbestände seiner Monarchie so mit allen Fasern unserer nationalen, geschicht lichen und kulturellen Zusammenhänge inter essiert sind. Wir wünschen unserem treuen Ver bündeten aus ganzem Herzen an seinem heutigen Ehrentage nicht allein einen noch recht langen, sondern auch recht sonnigen Lebensabend! * Der „Reichsanz." schreibt am Mittwoch in seinem nichtamtlichen Teil: „Kaiser Franz Josef vollendet morgen sein achtzigstes Lebensjahr. Wie ihm an diesem Ehrentage seine Völker in dankbarer Liebe entgegenjubeln, so wenden sich auch in Deutschland die Herzen dem erlauchten Monarchen zu, in dem wir einen väterlichen Freund unseres Kaisers, einen treuen Bundesgenossen des Deutschen Reiches, den starken Schirmherr» des europäischen Friedens und ein leuchtendes Vorbild fürstlicher Pflichterfüllung verehren. Mit den ungezählten Leider scheint sich Vie ursprüngliche Annahme, das, Menschenleben nicht zu beklagen seien, nicht zu bestätigen. Denn es sind zwei Angestellte der Mena gerie als vermißt gemeldet, die wahrscheinlich in den Flammen umgekommen sind. Leider ist auch kon statiert worden, daß zahlreiche Diebstähle und schwere Plünderungen vorgekommen sind, ja in Bruxelles-Kcrmesse wurde ein ganzes Haus demoliert, um die Warenvorräte zu rauben. Aber glücklicherweise steht diese., traurigen Fällen auch eine Anzahl von hervorragenden Taten der Redlich keit gegenüber. Eine Masse sehr wettvoller Gegen stände wurde von ehrlichen Beamten und sonstigen Findern der Ausstellungsleitung abgeliefert. Die allgemeine Stimmung ist heute durchaus nicht mehr gedrückt, ja man berät in den maßgebenden Kreisen sogar, ob man das Zerstörte nicht wieder aus bauen soll. Für sentimentale Trauer sind die Belgier nicht geschaffen, und ich könnte für ihre Dolkspsyche nichts bezeichnenderes anführen, als die Tatsache, daß ein leitendes Brüsseler Blatt seinen Artikel über das Unglück mit den Worten schließt: „T'Lxposition u'cst. pas motte. .Vivo l'I'Ixposition!" Von anderer Seite erhalten wir über die belgische Feuerwehr noch folgende Mitteilungen: Belgien besitzt in der Hauptsache 6 Arten von Feuerwehr. 1. Die nichtbewaffneten Feuer wehrkorps, das sind Privatgesellschaften, die vom Eemeinderat die Feuerlöscharbeit übertragen er halten haben. Sie wählen die Offiziere selbst. Ihre Tätigkeit wird nicht bezahlt. 2. Die bewaffneten, nicht besoldeten Eemeindefeuer- wehrkorps, die militärisch organisiert sind. Sie üben sich nicht nur in der Feuerwehr, sondern auch im Waffendienst. Sie bedürfen der königlichen Auto risation. Ihre Offiziere werden vom Könige er nannt. Sie haben auch beim Ehrendienst, beim Sicherheitsdienst und bei der Unterdrückung von Aufruhren und Tumulten tätig zu sein. 3) Die Feuerwehrkompanien der Bürgergarde haben eine doppelte Bestimmung. Sie bilden mili tärische Organisationen, unterstehen aber der Juris diktion der Gemeinde. Die Offiziere sind examiniert. 4> Die militärischen besoldeten Gemeinde feuerwehren sind kaserniert. Neben dem Feuer wehrdienst liegt ihnen die Unterstützung der Polizei ob. 5) Die Mannschaften der Polizeifeuerweh ren sind Polizeiagenten, die den Feuerwehrdienst als Nebendienst auszuüben haben und für jede einzelne Dienstleistung besonders ausgelohnt werden. 7) Die Privat- und Fabrikseuerwachen. Das Feuerlöschmaterral ist verhältnismäßig gut. Brüssel hat 4 Dampfspritzen, die Orte seiner Um gebung Anderlecht 2, Schaerbeck, Jxelles und Laeken ie 1. Die Antwerpener Fenerwehr, die im Brüsseler Brand gleichfalls eingegriffen hat. besitzt sogar eine Kohlensäurespritze und Feuerlöschdampfer. Brüssel hat ein besonderes Feuermeldenetz für öffentliche Ge bäude. Die vier Städte mit Berufsfeuerwehren, Brüssel, Antwerpen, Gent und Lüttich, Haden ein Polizei- und Feuertelegraphennetz. Immerhin gibt es in Belgien noch ca. 1500 Gemeinden, die weder eine Organisation besitzen, noch auf dem Gebiete des Feuerschutzes etwas getan haben. Nach üer Brüsseler Katastrophe. (Von unserem Brüsseler O.-Korre spondenten.) Die Tüchtigkeit eines Volkes erkennt man am besten an der Art, wie es ein Nation a I - Unglück trägt. Und da muß man sagen: Alle Ach tung vor den Belgiern. Noch ist der erste Tag nach dem furchtbaren Unglück nicht verfloßen, und schon sind alle Maßregeln getroffen, um die Folgen nach Möglichkeit abzuschwächen. Dazu war in erster Linie nötig, den erhalten gebliebenen Teil der Ausstellung wieder zugänglich zu machen, und den vereinten An strengungen der Polizei, des Eeniekorps, der Gendar merie und der leitenden Organe ist das unglaubliche Kunststück gelungen, binnen weniger Stunden solche Vorkehrungen zu treffen, daß schon Montag wieder der Ausstellungsplatz von Menschen überflutet war. Ja, am Nachmittag spielten in den Restaurants wie der die Musikbanden, und niemand, der die Menge auf der Plaine des Attractions in ihrem Treiben be obachten konnte, hätte es für möglich gehalten, daß im Volke so rasch der Eindruck der entsetzlichen Kata strophe überwunden werden könnte. Das läßt sich nur verstehen, weil das Volk die ökonomische Tragweite der Unglücksfolgen noch nicht kennt. Daß unersetzliche Kun st- schätze wie die Kleinodien des Museums von South-Kensington verloren gegangen sind, das be rührt natürlich die ungebildete Maste gar nicht. Aber was den rein materiellen Schaden an langt, so sollte denn doch das Volk mitfühlender sein. Denn es ist hier gegangen wie überall. Die reichen Aussteller büßen wenig ein, denn sie waren alle gui versichert. Aber gerade die vielen kleinen unbe mittelten belgischen Aussteller sind dle Leidtragenden. Sie haben die verhältnismäßig hohen Prämien ersparen wollen und sehen nun dem Ruin entgegen. Sie haben ihr Bestes geben wollen und nun ihr Bestes verloren. Um ein besonders mar kantes Beispiel hekauszugreifen. Das Abteil für Les Arts de la Femme ist mitverbrannt. In ihm hatten arme Kunststickerinnen, Häklerinnen und so weiter die Früchte einer jahrelangen Arbeit ausgestellt und das Glück gehabt, meistens für die ausgestellten Objekte Käuferinnen zu finden. Nun ist der schon sichere Gewinn verloren. Vielleicht, daß die öffentliche Wohltätigkeit etn- greift. Schon haben zwei Senatoren an den Mi nister den Antrag gestellt, die in Urlaub befindlichen Kammern einzuberufen, um Kredite zur Hilfeleistung zu bewilligen. In erster Linie sollen die vielen A r - beiter berücksichtigt werden, die in den abge brannten Abteilungen beschäftigt waren und nun brotlos geworden sind. Dann aber auch die kleinen Aussteller, für die die Vernichtung ihrer Stände auch die Vernichtung ihrer ganzen Existenz bedeuten würde. Es wäre schön, wenn die Nusstellungsleitung die ungeheuren Eintrittseinnahmen des gestrigen Tage? auch zu diesem Zwecke zur Verfügung stellen würde! Natürlich regt sich heute auch schon die Kritik. Und nicht mit Unrecht. Es steht jetzt fest, daß Las Feuer sofort beim Ausbruch entdeckt wurde und ge löscht worden wäre, wenn nicht der Wasserdruck für die Spritzen zu gering gewesen wäre. Derselbe be trug nur einen Meter! Es wird erzählt, daß der Feuerwehrkommandant, als er den geringen Druck des Masters sah, vor Wut und Schmerz laut zu weinen anfing. Und selbst im späteren Verlauf des Brandes wäre wohl noch mehr zu retten gewesen, wenn es nicht an einer zielbewußten einheitlichen Leitung gefehlt hätte. Das ist aber keine Schuld von Per sonen, sondern eines unglücklichen Snstems. Man muß bedenken, daß die Vorstädte Brüssels nicht ein gemeindet sind, sondern eine eigene Kommune mit eigener Verwaltung und — eigener Feuerwehr bilden. Und daß sie mit großer Eifersucht über ihre Selbständigkeit wachen. Der Brandplatz liegt auf dem Gebiete von drei Gemeinden, und jede einzelne der drei Feuerwehren wurde separat kommandiert. Ja, man erzählt sich als verbürgt, daß die Feuerwehr einer Vorstadt die Kameraden eines andern Faubourg von ihrem Terrain weggejagt hätten. Wenn das auch vielleicht übertrieben ist, so kennzeichnet es doch den unhaltbaren Zustand, und jetzt endlich wird man viel leicht durch den Schaden klug werden und wenigstens für die wichtigsten Faktoren der öffentlichen Wohl fahrt, für Feuerwehr, Polizei und Rettungsdienst, eine einheitliche Leitung schaffen. Das Komitee hat heute einen Aufruf erlaßen und an alle Zeitungen verschickt mit dem Inhalt, daß nur die belgische Hauptabteilung, die englische und ein Teil der französischen Sektion zerstört sei, im übrigen aber die Ausstellung unversehrt und jedermann zu gänglich sei. Man hoffe auf zahlreichen Besuch. Der Generaldirektor hat an die Journalisten der aus wärtigen Blätter die dringende Bitte gerichtet, in ihren Blättern hervorzuheben, daß so viel Schönes und Sehenswertes erhalten sei, um den Besuch auch für Gäste aus fernen Ländern immer noch sehr sehens wert zu machen. Ich komme dieser Bitte um so lieber nach, als sie vollständig auch meiner Ueberzeugung entspricht. Man muß nur bedenken, daß die deutsche, die holländische, die italienische, amerikanische, öster reichische, brasilianische und kanadische Abteilung vollständig unversehrt geblieben sind, und daß auch von der belgischen die ganze Maschinenabteilung, die Genie-, Landwirtschafts-, Minen- und Frauenarbeit? sektion noch steht, ganz abgesehen von den hundert kleinen Pavillons, die mitunter sehr viel Sehens wertes bieten, und der französischen Kolonial- und Automobilabteilung, die an sich schon einen Besuch lohnend machen würde. Die deutschen Aeuerbestimmun,zen. Anläßlich des Riesenbrandes ist die Vermutung ausgesprochen worden, daß bei den ausländischen Pavillons nicht genügende Vorsichtsmaßregeln gegen Feuersgefahr vorhanden waren. Die deutschen Be stimmungen für Ausstellungen, die erst kürzlich erneut wurden, sehen folgende wichtige Punkte vor: 1. Rauchen, sowie die Verwendung von unver wahrtem Feuer oder Licht sind verboten. Ent sprechende Plakate sind an geeigneten Stellen anm- bringen. Diejenigen Orte, an welchen ausnahms weise geraucht werden darf, sind besonders sestzustellen. 2. Mineral öle dürfen weder zu Heiz- oder Koch- noch zu Beleuchtungszwecken benutzt werden. 3 Gas leitungen dürfen nicht durch ungeschützte Gummi schläuche verbunden sein. Zum Anzünden der Gas flammen darf kein offenes Licht verwendet werden. Die Beleuchtungskörper müssen tunlichst über den Verkehrswegen angeordnet und gegen die Berührung mit verbrennbaren Gegenständen geschützt werden. 4. Elektrische Leitungen für Licht- und Kraft anlagen sind nach den Sicherheitsvorschriften des Verbandes deutscher Elektrotechniker anzulegen und durch Sachverständige einer eingehenden Prüfung zu unterziehen, worüber eine Bescheinigung vorzulegen ist. Elektrische Beleuchtungskörper und Leitungen dürfen nur an verbrennlichen Dekorationen. Gir landen usw. nicht angebracht werden. lDieser Para graph scheint in Brüssel nicht beachtet worden zu sein, da der Brand scheinbar durch Kurzschluß ent stand!» Bogenlampen müssen mit metallenen Fang tellern versehen sein: Dauerbrandlampen mit doppelt eingeschlosscnen Lichtbogen bedürfen keines Schutzes. 5. Ausgänge sind stets mit leicht lesbarer größer Schriit kenntlich zu machen und die zu ihnen führen den Wege durch Richtungspfeile an den Wänden zu bezeichnen. 6. Türenausgünge, Treppen und alle anderen Verkehrswege müssen von jeder Behinde rung des Verkehrs freigehalten werden. Aus schmückungen auf und an den Treppen sind nur aus schwer brennbarem Material ge stattet. Tannen- und Fichtengrün ist, sobald ge trocknet, durch frisches Grün zu ersetzen. Das Wersen von Papierschlangen oder ähnlichen Gegenständen ist verboten. 7. Sämtliche Türen müßen während der ganzen Dauer der Veranstaltung unverschlossen gehalten werden. 8. Für die Ausstattung der Säle und Korridore dürfen nur Dekorations gegenstände aus feuersicher imprägnierten Stoffen verwendet werden. st.Eine Notbeleuchtung ist in Betrieb zu halten. 10. Feuerlöschgerätc sind entsprechend bereitzuhallen. Sie dürfen weder verstellt noch anderweitig benutzt werden. 11. Für photo graphische Aufnahmen mittels Blitzlichtes ist besondere Erlaubnis erforderlich. Millionen, die morgen Kaiser Franz Josef ihre Huld gungen darbringen, vereinigen wir uns in dem Wun che, daß seine Weisheit noch lange über den Gesch cken der befreundeten und verbündeten habs burgischen Monarchie walten möge."
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