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02-Abendausgabe Leipziger Tageblatt und Handelszeitung : 25.06.1910
- Titel
- 02-Abendausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1910-06-25
- Sprache
- Deutsch
- Vorlage
- SLUB Dresden
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id84535308X-19100625021
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id84535308X-1910062502
- OAI
- oai:de:slub-dresden:db:id-84535308X-1910062502
- Sammlungen
- Zeitungen
- Saxonica
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
-
Zeitung
Leipziger Tageblatt und Handelszeitung
-
Jahr
1910
-
Monat
1910-06
- Tag 1910-06-25
-
Monat
1910-06
-
Jahr
1910
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Bezugö-Preiö kür L«qHlg «»» «or»rr« durch »»>«« rräa« »A Llxdlirui, ,««> «talich m« Hau« »rdrachl - »v aiouaü., T.1V >ch oirrtrlithri v«- »nt«r» tzüial«» u. >u» «dmaveüeu ado'dolt 7L ch »^»»U„ t.»L m«r«l,Sdrl. Durch dt« V«k> lunrrtzald »«uilchluad« und dar daoch-r» ttrloairn «erreliLbrl «.«« „«atl. l^t« »»«tcht Poftdrstcllacld. ferner m Oelgir». DLnrmart. »«>> DoaauÜaaten, Italir». eurem durg, >><ied«rlaud«. N»r- wra«», 0m«rr«ich Ungar». Kurland, Schwrdan. Schwn» » Svaaiau In alle» übrigen H«aare» »»r »ir«V »urch di« »e»(tchtt«b,ll, "»» «lan^ erdüiUich. Da« v«-ving«' DagrdUM «ch«»> >«M ktgltch So»». » F»"-eu>g« ,« morgen«. «doa»e e»>^l»iut»>». Vug»ttu«vla, 8, bei unteren träger» Filiale» öpediteuren und Lnnadmeltelle» »wie Lovämtrr» »»d «neiirtger» ch«»,»l»«el»»»«»r»i« »er «»«»». «»«gab» lv »ar adr»da»«,»d« » Sieb aktiv» «»» Orichättdlleller A»ba»ni«galle v. S«r»wr»<der> lsüUL 14«d, 14«^ Abend'Arrsgabe. tMgtr T agMM Handelszeitung. Amtsblatt des Aales und des Nolizeiamtes der Stadt Leipzig. Anzeigen-Preis Wr I»I«rar« au« ietveig und Umgebung die Sgeioaltene bO mm breit» Petit,»«« 2d 2), bi« 74 mm breite «ietlamezeile I ^e »o» «»»wart« cL» SieNameu i.L) ^g; J»i»rate v»n Bebbeben '» amtlich«» DeU dt« 7« mm breit« Petitzeil« «0 »«lchäsrrnn,eigen mit P'agvorlchristen UN» t» ber Nbenbautgade im Preil« rrhodi. btabatt nach Daris. Beilagegedübr ü uk p. Daus«»» e^l. Poügkdühr. Hestert eilte tluitrLge kinnen nicht »urück- ge»og«» werden. Aük bat Erscheinen an bestimmten Dagen und Platzen wirb lein« Saranti« übernommen. «neigen-Einnahme: Auguftuöplatz 8, bei sämtlichen Filialen u. allen Annonce». Llpeditwnen des In- und illuslande«. Haupt-Silial« vrrliut S»rl Dnncker. HerrogU Bagr. Hosbuch» Handlung, Lützowstiaße IO. tLelevhon Vi, «r. 4Mlj). Haupt-Silial« Lre«de« Seestratze 4. 1 (Telephoa 4621). Nr. 173 Sonnsbena, aea LS. 3un> lSl0 104. Ishrgany. plllitiMe Nachrichten. Aus der Fahrt nach Kreta. Pari», 25. Juni. (Tel.) Der Kreuzer Condö" wird morgen von Toulon nach Kreta ab gehen, um dort bis auf weiteres zu verbleiben. Zum Streit im Baugewerbe. Hagen i. Wests., 25. Juni. (Tel.) Sieben große Arbeiteroersammlungen haben sich gestern abend mit den bekannten Vorschlägen des Arbeit gebervereins im Baugewerbe beschäftigt. Die vier beteiligten Arbeiterorganisationen machten durch ihre Vertreter einstimmig bekannt, daß sie eine bestimmte Erklärung nicht abgeben könnten. Sie müßten ihre Maßnahmen von dem Verhalten der Nicht organisierten abhängig machen. In Solingen lehnten die Maurer den Schiedsspruch ab und beschlossen, von nächster Woche ab zu streiken. Aus Thüringen wird uns geschrieben: Die Einigungsbestrebungen find bislang, in Thüringen auf wenig günstigen Boden gefallen. In Jena kam es in einer großen Maurer- und Bauhilfsarbeiter versammlung zu sehr stürmischen Auftritten und zu einer Resolution gegen den Derbandsbeschluß auf Annahme des Dresdner Schiedsspruchs. — In Apolda haben die Pflasterer sämtlich die Arbeit eingestellt und dadurch die Stadtverwaltung tn große Angelegenheiten gebracht. Die Ausständigen erhielten durchschnittlich einen Stundenlohn von 39 Pf., verlangten aber pro Stunde 5 Pf. Aufschlag was verweigert wurde. Im benachbarten Bad- Sulza find die sämtlichen beim Bahnhofsneubau beschäftigten Erdarbeiter, über 50 an Zahl, in den Ausstand getreten, weil ihnen der geforderte Stundenlohn von 38—40 Pf. nicht bewilligt wurde. — In Greiz haben sich dagegen die in den Aus stand getretenen Maurer wieder zufriedengegeben. Der Bericht der 11. Kommission des Reichstage» über den Arbeitskammerentwurf ist jetzt im Reichstage mit einiger Verspätung aus gegeben worden. Die Kommission hat am Entwurf eine Reihe von Abänderungen vorgenommen, von denen die Staatsregierung einen Teil für unannehm bar erklärt hat. Die wichtigsten Aenderungen sind fol gende: Zu den Aufgaben, die der Entwurf den Ar beitskammern zuerkennt, hat die Kommission eine neue gestellt, die Vereinbarung und Regelung der Lohnsätze in der Hausindustrie. Ferner wurden den Arbeitskammern die technischen Beamten unterstellt und die Wählbarkeit der Organisationsbeamten in die Arbeitskammern proklamiert, schließlich auch die staatlichen Arbeiter unter die Bestimmungen des Ge setzes gestellt. Diesen drei Beschlüssen stellte die Re gierung lebhaften Widerspruch entgegen und drohte mit dem Scheitern der Vorlage bei end gültiger Annahme der Bestimmungen. Nach den Kommissionsbeschliissen sind für die technischen Be amten besondere Abteilungen für Angestellte an den Arbeitskammern zu errichten, die Geschäfte der Ab teilung führen die Mitglieder der Kammern. Die weiteren Abänderungsbeschlüsse sind unwesentlicherer Natur. Sie sollen die Kammern durch Beschluß des Bundesrates nach gutachtlicher Aeußerung der Inter essenten errichtet werden, die Wahlberechtigung be ginnt mit dem 21. Lebensjahre (Vorlage 25), die Wählbarkeit mit dem 25. Jahre (Vorlage 30). Die Sitzungen der Kammern sollen entgegen der Vorlage öffentlich sein, jedoch sind geheime Sitzungen zulässig. An Resolutionen empfiehlt die Kommission folgende: Ausgestaltung der Arbeiterausschüsse in den Staatsbetrieben, soweit sie diesem Gesetz nicht unter stehen, Vorlegung eines Kaufmannskammergesetzes für die Angestellten des Handelsgewerbes, die man unter das Arbeitskammergesetz zu stehen nicht für gut befano, da die Interessen zu weit auseinander gehen. Khuen Hederoary — gefürstet. Wien, 21. Juni. (Tel.) Wie die Prager „Bo- hemia" von wohlinformierter Seite erfährt, hat Kaiser Franz Josef dem ungarischen Ministerpräsi denten Grafen Khuen Hederoary, dem es ge lungen ist, die Harmonie zwischen der Krone undllngarn wiederherzustellen und die ungarische Politik nach langen Perioden der Zwistigkeit und der Krisen wieder in Ordnung zu bringen, eine beson dere Auszeichnung verliehen, indem er ihn in den Für st en st and versetzte. Die Veröffentlichung soll am 80. Geburtstag des Kaisers erfolgen. Offizierskursus iu Frankreich. Paris, 25 Juni. (Tel.) „Matin" veröffentlicht einen Artikel des Senators Gervais, rooriu mitgeteilt wird, daß im Kriegsministerium demnächst ein^ur- su» für Häher« Offiz»«,« abgehalt«» werde» wird. An dem Kursus werden 20 Oberstleutnants und Kommandeure teilnehmen, die unter den her vorragendsten und befähigtsten Offizieren der franzö sischen Armee ausgewählt werden sollen. Der Kursus wird acht Monate dauern und unter Leitung eines Offiziers des Eeneralstabes stattfinden, der vom Kriegsminister bestimmt wird. Dieser Offizier wird im Prinzip der jeweilige General stabschef der Armee sein, dem ein Kommandant als Mitarbeiter zur Seite steht. Die Teilnehmer des Kursus, die 20 patentierten und nicht patentier ten Offiziere, werden vom Kriegsminister bezeichnet werden. Sie werden nicht nur Hörer, sondern in gewissem Maße auch Mitarbeiter sein. Es wer den wichtige Fragen der internen Heeresangelegenheiten, Mobilisie rung, Transportorganisation, Erkundigungen über fremde Armeen, die neuen technischen Erfindungen auf dem Gebiet der drahtlosen Tele graphie und Tclephonie, sowie der Kriegsluft schiffahrt erörtert werden. Die Siidbahnangestellten in Frankreich arbeiten wieder. Paris, 25. Juni. (Tel.) Wie aus Nizza ge meldet wird, beschlossen nunmehr sämtliche An gestellte der Südbahnlinie die Wieder aufnahme des Dienstes, nachdem ihnen von der Gesellschaft ihre hauptsächlichsten Forderungen bewilligt worden sind. Der Kanzler in Kiel. Der Reichskanzler v. Bethmann Hollweg, der gestern aus Stuttgart nach Berlin zurückkehrte, ist, wie wir hören, vom Kaiser nach Kiel ein geladen worden: er trifft heute dort ein. Ebenso hat der Staatssekretär für Elsaß-Lothringen, Zorn v. Bulach vom Kaiser eine Einladung erhalten, der Kieler Woche beizuwohnen. Der Entwurf über die Haftung des Reichs für seine Beamten ist nunmehr durch kaiserliche Verordnung in Kraft getreten. Nach dem Gesetz übernimmt das Reich die Haftung für Amtspflichtverletzungen seiner Beamten, wenn der Schoden in Ausübung der dem Beamten übertragenen öffentlichen Gewalt zu gefügt ist. Ausgeschlossen ist die Haftung, wenn der Geschädigte bei fahrlässigen Versehen des Beamten auf andere Weise Ersatz erlangen kann oder wenn der Beamte auf Grund von Gesetzen nicht zur Rechen schaft gezogen werden kann. Die Beschränkung der schon bestehenden Haftpflicht auf Grund des Reichs postgesetzes von 1871 wird durch das neue Gesetz nicht berührt, hier bleiben für gewisse Fälle noch die Be amten allein verantwortlich. Dagegen haftet der Fiskus für militärische Unfall«, die bm militärisch»» Hebungen durch die Schuld von Personen des Sol datenstandes verursacht sind, auch für di« Folge erscheinungen Lei Soldatenmißhandlungen. Tageschranik. Aufhebung einer Nacktloge. Berlin, 24. Juni. (Telegr.) Die Polizei hat hier eine Nacktlogs aufgehoben. Unerwartet erschien ein Kriminalkommissar vor dem Versammlungslokal und machte der Sitzung ein Ende, indem er Männ lein und Weiblein sich schleunigst ankleiden ließ und die Loge für aufgelöst erklärte. Die Personalien sämtlicher Anwesenden wurden festgestellt. Schweres Gewitter. Harmover, 25. Juni. (Telegr.) Bei einem gestern nachmittag über Hannover und Umgegend nieder gegangenen Gewitter wurden in einem Baratt drei Personen, die während des Gewitters auf freiem Felde waren, vom Blitz erschlagen. Acht andere Personen, die unweit davon in einem Ge büsch Schutz gesucht hatten, wurden vom Blitz betäubt und teilweise schwer verletzt. Die Bomben von Friedberg. Hanau, 25. Juni. (Telegr.s Die beiden Bomben, die in Friedberg gefunden wurden, sind gestern nach mittag in der hiesigen Pulverfabrik geöffnet wor den. Es wurden Versuche mit dem Inhalt der Bom ben angestellt. Ihre Füllung bestand aus einer Nitroglyzerinlösung, eins der stärksten Spreng mittel, das man kennt. Man füllte den Inhalt der einen gefundenen Bombe in ein schweres Artillerie geschoß von 21/2 Zentimeter Stärke und brachte die Füllung zur Entzündung. Das Geschoß wurde glatt in zwei Teile zerlegt. Das Paket, das gestern abend in der Hand gepäckannahme des hiesigen Bahnhofes beschlagnahmt wurde, enthielt u. a. mehrere Larven. Die Aufzeichnungen, die in den ebenfalls in dem Karton vorgefundenen Briefschaften gemacht waren, sind in fremder Sprache abgefaßt. Es geht aus denselben bervor, daß der Attentäter und sein Komplice in Frankfurt a. M. wohnten. Friedberg, 24. Juni. (Telegr.) Hier ist jetzt ein Berliner Kriminalkommissar eingetroffen. Nach den bisherigen Ermittlungen sind bei dem Attentat vier Personen beteiligt gewesen. Eine Frau hat um die Zeit, als der Raub ausgeführt wurde, gesehen, wie ein Mann über die Mauer sprang, um das Bankgebäude nach dem freien Felde zu zu verlassen. Bei dem Sprung ver lor er seinen Panamahut, der jetzt aufgefunden wurde. Das Urteil gegen Hofrichter. Wien, 25. Juni. (Telegr.) Kaiser Franz Josef befindet sich zurzeit in Pest. Dort wurden ihm gestern die Akten des Hofrichter-Prozesses vor gelegt. Wie verlautet, lautet das Urteil, das Kaiser Franz Josef gestern unterzeichnet hat und das heute veröffentlicht werden soll, auf 20 Jahre schweren Kerker«, ohne Anrechnung der Untersuchungshaft, und Ausstoßung aus der Armee; ferner auf Verlust des Militärranges sowie auf Un fähigkeit zur Wiedererlangung eines militärischen Ehrenranges oder einer Staatsstellung. Als Mil derungsgrund wird die von den Aerzten konstatierte geistige Minderwertigkeit Hofrichter» angeführt. Der überfällig« Dampfer «Triest". Pest, 25. Juni. (Tel.) Die Lloyd-Direktion ist der Ansicht, daß der überfällige Dampfer „Triest" nicht untergeganaen ist, sondern daß er wegen des vom 16. bis 18. d. M. im Indischen Ozean statt gefundenen heftigen Zyklons in einem kleinen Hafen an der arabischen Küste Zuflucht gesucht hat. An Bord des Dampfers „Triest" befinden sich ca. 100 Persopen einschließlich der Mannschaft. Von Oesterreichern ist nur ein Graf Thurn mit Gemahlin an Bord, die anderen Personen sind Engländer. Demonstrationen gegen einen Examinator. Innsbruck, 24. Juni. (Priv.-Tel.) Im Hörsaal des pathologischen Instituts kam es heute zu stür - mischen Demonstrationen gegen Pro fessor Pommer, der nach der Ansicht der Stu denten bei den letzten Prüfungen mit übermäßiger Strenge oorgeaangen sei und mehrere Studenten hat d u r ch f a lle n l a s s e n. Silhouetten üeutlcher Schsulpieler: Else Lehmann. Von Hermann Kienzl (Berlin). (Nachdruck verboten.) Die großen Wirkungen auf der Bühne gehen immer nur von Werdenden aus So schrieb Theodor Fontane nach dem 20. Oktober 1859, dem theater geschichtlichen Tage, an dem Gerhart Hauptmann und Else Lehmann entdeckt wurden. „Vor Sonnen aufgang" war's bei Sturm und Blitz. Else Lehmann, die Meisterin, ist auch heute eine Werdende und wird es bis zum Ende ihrer Schöp» fangstage sein. Das eben ist das Kennzeichen erner Schauspielkunst, die — was auch die schulmeisterliche Einteilung dagegen sage — wahrhaft produktiv ist: daß ein schaffender Mime niemals bei dem Geworde nen verharrt; daß er immer aufs neue werdend ist. Im andern Felde stehen die Fettigen, die bis zu Ende Gewachsenen, die Routiniers. Von ihnen, so meinte Fontane, können, so erheblich auch ihre sichere Technik sein möchte, die großen Wirkungen auf der Bühne nicht auvgehen. Beispiele sollen sprechen: Friedrich Haase, Barnav, etwa auch Sonnenthal waren Meister ihrer längst starr gewordenen Technik. Wie der Organist einmal die, einmal iene Orgelpfeife zieht, so holten sie aus ihrem Arsenal sauber gereihter Prä parate je nach Bedarf seelische Maske, Stimmsall und Gebärde. Fast nur das textlernende Gedächtnis und die Kostümpbantasi« (Kostüm als ein Begriff, de: allerdings über Echneiderscheere, Frrseureisen und Schminktopf hinausgreifi) hatten von Rolle zu Rolle neue Arbeit Auch Künstler vom Geschlechte eines Matkowsky, eines Oskar Sauer, einer Hansi Niese, eines Kainz, eines Moisfi. einer Else Lehmann (ich wähle Lier mit Grund recht unähnliche Eiaenarten) haben ihr persönliche» Arsenal: aber das ist allein ihre unerschöpfliche Natur. Diese Schauspieler wissen selbst nicht genau, welche Möglichkeiten in ihnen schlummern. Di« Stunde weckt sie. Von der Stunde, in der ihre neue Gestalt lebt, nehmen sie den inneren sibnlbmus und die Kraft zu unerhörten Ausdrucks fähigkeiten. Da» ist das wahrhafte, das geheimnis volle künstlerische Schaffen, das unabgegrenzte Werden. Pollkommen naiv tritt die Else Lehmann an j-de neue Aufgabe heran. Sie sogt sich nicht, jetzt verkleide dich, verwandle dich! Eie horcht nur in sich hinein. In ihr ruhen all die mannigfaltigen und gegensätz lichen Echtheiten und Wahrheiten, die der schöpferische Trieb nur herauszuheben braucht, um verschieden artigsten und vollkommensten menschlichen Wesenheiten Fleisch und Blut zu geben. In ihr, irgendwo, l^bt die quellende Sonnenscheinliebe der Helene Krause: in ihr die furchtbare animalische Wüstheit der Hanne („Fuhrmann Henschel"): in ihr die Bauernkraft der Griselda; in ihr das streitbare Weib, das als Keller, starker Mensch über die junge Erde schreitet (Lona Hessel in „Stützen der Gesellschaft"); in ihr der Zorn des Hungers, die Wut der Vetroleuse (die junge Webersfrau); in ihr das Lächeln und Lachen des ge- sündcten und klügsten Herzens (die Pianistengattin in Bahrs „Konzert"); in ihr vor allem das Mutter- ium in allen seinen Wundern; die beschränkte un gebildete Frau Gina („Wildente") mit dem heiligen Instinkt, Irene Herms (in Schnitzlers „Der einsame Weg') mit dem erschütternden Schrei, mit dem herz pressenden Klagelaut nach dem Kinde; und die Fülle der Tragik als Mater Dolorosa (Frau Alwing in den „Gespenstern") ... Es ist gewiß' wer von einem der Naturlaute der Else Lehmann, einem lieblich-hellen oder gewaltig-dunklen, )e getroffen wurde, verliert solche Offenbarung nie mehr aus dem Gehör oer Seele. Virtuosen verkleiden sich von Rolle zu Rolle; aber in der Persönlichkeit drs Künstler-Schauspielers voll zieht sich eine andere Metamorphose: nur die Aeuße rung, das Bild der Persönlichkeit ändert sich für uns, die Betrachter. Ein reicher Mensch hat viele Fähig keiten — Fähigkeiten zum Göttlichen und Fähigkeiten z> m Verruchten, Fähigkeiten zum Helden und Fähig keiten zum Verbrecher; das sind die ungleich starken Elemente seines Charakters, von denen di« stärkeren die schwächeren binden. Der künstlerische Wille, mit dem sich der Mensch in einen Teil seines Wesens ein lebt, kann die Einheit auflosen, kann ein bestimmtes Element zur Herrschaft bringen. Goethe hat in sich den Mephisto wie den Faust getragen, Shakespeare Rikd-.rd III. und die Eordelia. Die Else Lehmann ist Fuhrmanns Hanne und Mutter Alwing und die von Humor strotzende Diebin Wolff („Biberpelz"). Ist eine jede und hundert andere Gestalten ganz und gar. Aus reichen und urkrästigcn Elementen besteht ihre reich-, urkröftige Natur. In früherer Zeit verargte man es einem Schau- I spieler, wenn man ihn in der zweiten Rolle an Stimme, Tonfall, Gebärde wiedererkannte. Man I verlangte von ihm, daß er sich verstelle. Ein Künstler, der von innen heraus jeden Menschen gestaltet — wie die Lehmann — vertraut seiner Kraft der Einfühlung und den neucntdeckten Gefilden seiner Seele so fest, daß er nicht sehr daran denkt, seinen äußeren Menschen zu verleugnen. Er verleugnet ja auch sein Wesen keineswegs. Er findet vielmehr in seinem Wesen jeweils den Teil, der mit dem Geschöpf des Dichters harmoniert. Auf diese Weise hat der Natu ralismus, der überwunden, aber nicht tot ist, der Schauspielerei eine neu- Grundlage gegeben und das Sein für den Schein gesetzt. Die erlauchteste Er scheinung der naturalistischen Schauspielkunst ist Else Lehmann. Wäre ein hochtrabendes Wort nicht gerade vor ihrer unbedingten Schlichtheit eine stilistische Verfehlung, man müßte sie die Bannerträgerin des Naturalismus nennen. Aber auch dieses Schlagwort verfällt, wie jedwedes, der Gefahr des Mißverstehend Das Wort grenzt allerdings die Eigenart der Leh mann, die mit Ibsen und Hauptmann gekommen ist, mit ihnen die deutsche Well erobert hat, nach der ro mantischen und klassizistischen Seite ab. Kothurn, Vers, Pathos und Pose sind ihr fremd, das Lied, die Ballade, der Traum, die Kultur der Ritter und der Minnesänger ist ihre Sache nicht. Der Stoff, aus dem dieser herrliche Mensch geformt wurde, ist das Dolksmäßige, das — wenn man so will — Plebejische: dann aber Kraft und Adel des Plebejertums! Ihre Kunst hat keine artistischen, keine aristokratischen Höhen; dafür aber hat sie Tiefen, die bis an den Grund alles Menschlichen reichen. Tiefen, in die wir schaudernd und bewundernd finken, wenn plötzlich ein einziges Wort, ein wilder, tierischer Schrei, ein seelenvoller Blick, ein Zittern der Mienen sie er schließen. Mit den geringsten äußeren Mitteln, auf alle theatralischen Stützen der Illusion verzichtend, ganz nur auf sich selbst gestellt, erschüttert und beseligt uns die Lehmann. Verstände man nun unter dem Theaternaturalis mus hauptsächlich die von vielen klugen Schau spielern geschickt geübte Fertigkeit, die Außenwelt zu beobachten, typische Züge zu sammeln und umzu prägen, also eine vorwiegend intellektuelle, nicht intuitive Spürsamkeit und Wachsamkeit: so bliebe der Begriff des Naturalismus weit hinter der Else Leh mann zurück. Jener Naturalismus wäre mit einem nett beschreibenden Reporter, der der Lehmann mit einem schildernden Dichter zu vergleichen. Das Reich der Llse-Lehmann-Kunst ist die Wirk lichkeit. Doch nicht die Oberfläche. Es ist der Schoß der Welt, zu dem Faust dringt, als er di« Mütter der Erde sucht; und ihre echte Realistik ist wie die Dich tung Ibsens, der Künstlerin unbewußt, mit dem Kosmischen verbunden. Denn der wahre Lebensqucll kommt von der Ewigkeit und rinnt zur Ewigkeit. In ihrer irdischen Menschlichkeit, die von keinem meta physischen Drang gefälscht wird, ist die Lehmann ein Gesäß des Göttlichen, des Genies. Es ist mehr als zwanzig Jahre her. Da war Else Lehmann, blutjung aus der Provinz entlassen, eine Art Lustspielsoubrette am alten Wallner-Theater. Es gab damals schon Ahnungsvolle, die von ihrer über aus lebhaften und schlanken Anmut (ja: schlank...!), von ihrem quirlenden, herzinnigen Lachen den Ein druck einer Einzelheit empfingen, und von uns jungen Leuten war gar mancher nicht bloß in das Decolletö ihrer französischen Dämchenrollen verliebt. Eine ganz andere Munterkeit, als dis Schablonenschwänke und Schablonennaiven kredenzten, setzte sich hier eigentüm lich durch. Ihr lachendes Herz war es, das dann in der Kampfvorstellung der Freien Bühne, in der Fliederlaube, so Freund als Feind des Hauptmann- schen Dramas in rätselhaften Bann schlug. Das Bauernblut der Lehmann blühte in der Helene Krause voll Kraft und Lieblichkeit. Dann flatterte sie (im September 1890) als „Haubenlerche" zum Deutschen Theater in der Schumannstraße. Auch da wieder war es die proletarische Gesundheit der Fa- brikslene, die den dekadenten Zeitgenossen seltsam fremd und vertraut schien, wie eine aus der Ver schüttung befreite eigene Jugend. . . . Die Bahn zu den großen Zielen ihrer Natur wurde der Künstlerin an den Bühnen geöfsnct, die Dr. Brahm dem Dienste Ibsens und der Jungdeutschen widmete. Wechsel seitig war das Fördern und die Hilfe. Nur auf dem Erdboden, der heute der Stil und das Ensemble des Lessing-Theaters ist, konnte diese Schauspielerin ge deihen; nur mit seinen geistverwandten Künstlern konnte das Theater Otto Brahms zum Athenäum Henrik Ibsens werden. Die Jahre des Schaffens letzten an die große Künstlerin nicht Ringe an. Jede neue Schöpfung war Verjüngung, war künstlerische Neugeburt: und wieder brach ein Frühling an, als Else Lehmann zum ersten Male die Mutterstimme aus ihrem Herzen rief — sie, die mütterlichste der Frauen. Es wäre schwierig und vor allem undankbar, eine Gestaltung der Else Lehmann kritisch zu analysieren. Die Künstlerin, die nie Bestandteile mit Berechnung aneinanderfügt, die au» ihrer Fülle immer ein Ganzes schöpft, ist solchem Bemühen entrückt. Sic ist. wie da« Leben, eine unteilbare Einheit. Was sic schafft, ist nickt ein farbiger Abglanz des Lebens, ist das Leben selbst.
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