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56 LEIPZIGER MONATSCHRIFT FÜR TEXTIL INDUSTRIE. No. 2. J/eues über Wollschmelzen in der Streichgarn- und Kammgarnspinnerei. [Nachdruck verboten | 1 Originalbeitrag von Prof. Dr. Kapff, Direktor der Preußischen Höheren Fachschule für Textilindustrie in Aachen.) Wollschmelzen (Spicköle, Spinnöle etc.) sind entweder als öle oder Olsäuren, wie z. B. Olivenöl und Olein, im Handel, oder als Mischungen, Emulsionen dieser öle mit Wasser. Daß die Wollschmelzen als Emul sionen im Handel sind, kommt daher, daß in den Spinnereien fast allgemein die Öle als Emulsion auf die Wolle gebracht wer den, um auf diese Weise eine möglichst gleichmäßige Verteilung des Öles auf der Wolle zu erzielen, denn auf andere Weise ist dies eben kaum möglich. Von einer gleich mäßigen Fettung der ganzen Wollpartie hängt aber die gute Verspinnbarkeit, gutes Rendement und gleichmäßiges Garn ab. Je besser die Emulsion und je besser die Ver teilung derselben auf der Wolle ist, desto weniger Emulsion bezw. öl braucht man für eine gute Verspinnung, denn bei schlech ter Emulsion und schlechter Verteilung wird nur ein Teil der Wolle gefettet, der andere nicht oder ungenügend und man muß daher mehr öl bezw. Emulsion anwenden, wenn man einen guten Krempel- und Spinnprozeß erzielen will. Von einer guten Emulsion, d. h. einer möglichst feinen Verteilung des Öles im Wasser hängt also sowohl der Verbrauch an Emulsion, wie der Spinnprozeß ab. Außerdem ist natürlich die Art des Öles von größter Wichtigkeit. Denn die Art des Öles ist nicht nur auf den Spinnprozeß von Einfluß, sondern auch auf die weitere Ver arbeitung der Garne, auf den Ausfall der Farbe, der Appretur, der Weichheit, des Ge ruches der Ware usw. Das zum Fetten der Wolle zu verwen dende öl muß daher folgende Eigenschaften haben: Es muß sich leicht emulsionieren lassen und haltbare Emulsionen geben, um eine mög lichst gleichmäßige Fettung der Wolle und Sparsamkeit im Verbrauch zu gewährleisten. Es darf nicht klebrig sein und nicht klebrig werden, damit sich die Kratzenbe schläge der Krempeln nicht frühzeitig voll setzen, kein schlechtes Rendement und. un gleiches Garn erzielt wird und die Garne später glatt von den Spulen ablaufen. Es darf die Kratzen nicht angreifen und kein Rosten verursachen. Es muß sich leicht und vollständig aus waschen lassen, damit gleichmäßige und und nicht abschmutzende Färbungen, guter Griff und gute Appretur der Ware erhalten werden. Es darf der fertigen Ware keinen schlech ten Geruch verleihen, wie dies trotz guter Wäsche und Färbung häufig der Fall ist. Man ersieht zunächst aus diesen Anfor derungen, daß zur Beurteilung einer Woll schmelze eine ganze Reihe längere Zeit dauernder Beobachtungen und ein Verfolgen der gefetteten Wolle bis zur fertigen Ware notwendig ist. Denn eine Schmelze kann in der Spinnerei sehr gut sein, beim späte ren Waschen, Färben und Appretieren aber die größten Mißstände verursachen. In Fabriken, wo Spinnerei, Weberei, Fär berei und Appretur vereinigt sind, lassen sich derartige Versuche mit Schmelzmitteln verhältnismäßig leicht und ohne Gefahr durchführen, man braucht ja nur eine Probe partie zu behandeln und diese bis zur Fer tigstellung der Ware zu verfolgen. Fabri ken, welche auf Fortschritt Anspruch machen und nicht immer beim Alten stehen bleiben wollen, müssen dies ja auch tun. Für Spin nereien, die nicht wissen, was später mit ihren Garnen geschehen wird, liegt die Sache schon schwieriger. Der Spinner wird ohne hin schon häufig genug für schlechtes Ver halten der Ware in Wäsche und Farbe ver antwortlich gemacht, auch wenn er mit tadel loser Schmelze arbeitet und völlig schuld los ist. Große Verluste aber kann er durch Schadenersatz erleiden, wenn seine Schmelze nicht einwandfrei war, d. h. in irgend einer Weise den oben genannten, Bedingungen nicht entspricht. Er wird deshalb begreiflicher weise nur dann von seinem altbewährten Schmelzmittel zu gunsten eines neuen und billigeren abweichen, wenn er vorher die nötige Sicherheit hat. Aus diesem Grunde kaufen sich die Spinner meist die erfahrungsgemäß zum Fetten der Wolle geeigneten öle unter bestimmten Rein heitsgarantien und bereiten sich daraus die Emulsionen selbst. Dadurch schützen sich die Spinner vor etwaigen Schadenersatzan sprüchen wegen angeblich schlecht auswasch baren Garnen. Beim Kauf von Emulsionen, deren Zusammensetzung nicht bekannt ge geben und gewährleistet ist, haben sie einen solchen Schutz nicht. Der Spinner bereitet sich seine Emul sion meist dadurch, daß er, das öl und Wasser unter Hinzufügung von etwas Soda oder Ammoniak (Salmiakgeist) mischt. Es ent steht dadurch, je nach Menge der zugesetz ten Soda oder des Ammoniaks, mehr oder weniger Seife und in dieser Seifen lösung emulsioniert sich das 01. Diese Emulsionen sind aber nicht haltbar und werden deshalb immer erst kurz vor dem Gebrauch zube reitet. Denn das öl ist in ihnen nicht sehr fein, sondern in verhältnismäßig großen Par tikeln verteilt, die alle rasch nach oben Steigen und eine auf dem WaSser schwim mende Ölschicht bilden. Die grobe Vertei lung des Öles im Wasser bedingt auch, daß das Öl gleichsam als Flecken auf der Wolle sitzt, anstatt sie gleichmäßig zu überziehen. Je gleichmäßiger aber jede Wollfaser ge fettet ist, desto besser und gleichmäßiger ist der Spinnprozeß und das Garn. Durch Vermehrung der Seife, sei es daß man Seifen wasser verwendet, oder mehr Soda oder Am moniak zusetzt, erhält man zwar haltbarere Emulsionen, aber die Seife gibt beim Ver dunsten der Schmelze auf der Krempel eine lästige, den Spinnprozeß hindernde Kruste. Aber auch diese Emulsionen sind nicht so haltbar, daß man sie in den Handel bringen könnte. Zu diesem Zwecke werden meist noch schleimige Körper zugesetzt, wie Kar- raghen-Moos und andere Pflanzenschleime. Doch auch diese Stoffe haben in noch stär kerem Maße als die Seife den Mißstand der Krusten- und Schmierenbildung. Außerdem neigen diese Stoffe sehr leicht zum Faulen und können dadurch zu sehr übelriechenden Schmelzen Veranlassung geben. Solche Zu sätze verfeinern auch nicht die Ölverteilung, sondern sie hindern lediglich durch ihre schleimige Beschaffenheit die Ölpartikel am raschen Aufsteigen, am Bilden einer zu sammenhängenden Ölschicht. Das Ideal einer Spinn - Emulsion wäre also eine ähnlich der Milch haltbare, die Ole in feinster Verteilung enthaltende Mischung mit Wasser, jedoch ohne solche Stoffe, welche feste oder halbfeste Krusten oder Ablage rungen auf der Krempel hinterlassen. Solche Emulsionen lassen sich nun nach dem neuen, den Chemischen Werken Hansa in He melingen bei Bremen patentierten sog. „Duron-Verfahren“ erhalten. Dieses Ver fahren wurde im Mai v. Js. (1906) auf dem I internationalen Kongreß für angewandte Chemie in Rom von dem technischen Direk- | tor der genannten Fabrik, Herrn Kösters, unter Vorzeigung einer großen Anzahl von Proben erläutert und besteht in der Ver wendung von Stearinsäureamiden und -ani- liden. Diese Fettkörper können nach einem stimmten Verfahren mit Wasser zu einer pastenartigen Masse aufgequollen werden und diese Masse, wiederum mit öl und Wasser verkocht, gibt jene feinsten Emul sionen von einer bis jetzt nicht entfernt er reichten Haltbarkeit. Solche, 10, 20 und 30 Prozent verschiedener öle enthaltende Emulsionen habe ich schon monatelang da stehen gehabt,ohne daß eineTrennung eingetre ten wäre. Sämtliche Ole und Fette, einschließ lich der Mineralöle, jedoch mit Ausnahme der Olsäure, können auf diese einfache Weise emulsioniert werden. Man kann dies auf folgende Weise sehr augenfällig demonstrieren: Läßt man von beiden Emulsionen Tropfen auf ein Stückchen Wolltuch fallen, so erweitert sich der Tropfen der Duron-Emulsion gleichmäßig kreisförmig, während der Tropfen der ge wöhnlichen Emulsion sofort sich in einen inneren aus öl bestehenden Kern und einen äußeren aus dem Wasser bestehenden und weiter auslaufenden Rand scheidet. Dieselbe Erscheinung tritt natürlich beim Schmelzen der Wolle auf. Die Duron-Emul sion überzieht dasWollhaar mit einer dünnen, gleichmäßigen Fettemulsin, während die ge wöhnlichen Emulsionen ihr öl an einzelnen Stellen ablagern. Der Spinner vermag also mit dieser Emulsionsmasse und mit beliebigen ölen sich auf Vorrat haltbare Emulsionen herzu stellen und zwar durch einfaches Zusammen kochen der einzelnen Bestandteile, oder er kann die fertige Emulsion mit den von ihm gewünschten Ölen beziehen, denn die Fabrik ■ hat kein Interesse daran, welche Ole von