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02-Abendausgabe Leipziger Tageblatt und Handelszeitung : 09.05.1910
- Titel
- 02-Abendausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1910-05-09
- Sprache
- Deutsch
- Vorlage
- SLUB Dresden
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id84535308X-19100509027
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id84535308X-1910050902
- OAI
- oai:de:slub-dresden:db:id-84535308X-1910050902
- Sammlungen
- Zeitungen
- Saxonica
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
-
Zeitung
Leipziger Tageblatt und Handelszeitung
-
Jahr
1910
-
Monat
1910-05
- Tag 1910-05-09
-
Monat
1910-05
-
Jahr
1910
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Bezug«.Prei» *r L«iv,ia »»» «or»N, Lurch »>8« lrtgrr un» Sv«dii«ure >«»> täglich ms Hau« gebracht: SO ch mouatl., R.7v^U vuN«I,»brl. Bei unser» Nilial« ». Ln. aadmellcllrn adgebolt: 7L mrmatt., > oierteliädrl. Durch die »ok: innerbald Drullchland« und der deutsch« Kolonien viertel,äbrl 8.14 mouall. autlchl. PoftdeftellaelL. sserner >n Belgien, Dänemark, den Donaustaate», Italien, Luremburg, Niederlande, Star» wegen, Oesterreich-Ungar», Siubland, kchweden, Schwei« u. Spanien. In alle» übrigen Ltaaten nur direkt durch di« SeschLtttllelle de« Blatte« erhältlich. Da« Üe>p»>ger Dagedlatt erschein, Smit läglich. Sonn- u. grinn«« nur morgen«. Ldonne.i eni-Annaom«: Augustusplatz S, bei unteren Drägern, Ml-leu, Spediteur« und Annahmestellen, Imme Postämter» und Bries träger». sttaielverkaustpret« der Morgen, luägade lO der «dendau«gabe » ch, Sirdaktlon und Geschäftsstelle: Johaniiiogasse 8. Senilvrecher: I46VL I46t». l««St. Abend-Ausgabe. MpMerTagMalt Handelszeitnng. Amtsblatt Les Aales und des Nokizeiomtes der Ztadt Leipzig. Anzeigen-Preis tstr Inserate aus i.'eip,ig und Umgebung die Sgeivaltene bl) mm breit« Petit-eil, L> ch, die 74 mm breit« BeNamegeile l «on auswärts M Reklamen l.M Inserate von Bebbrden -m amtlichen Leit die 74 mm breit« Petit,eil« 40 «eschästsan,eigen MI« P Lbvorschrlsle» an» t» der Abendausgabe im Preise erbot,i. Rabatt nach Laris. Beilagegebühr L p. Lausend exkl. Postgebühr. Iesterteilte Au,träge können nicht zurück gezogen werbe». Für das Erscheinen an bestimmten Lagen und Plätzen wird keine Äaranti« übernommen. Anzeigen-Annahme: August utzplatz 8, d«i sämtlichen Filial« u. allen Annoncen- Erpetitionen des In» und Aaslandet. Vaupt-Filiale Berlin: <»rl Liincker, Herrogl. Bahr. Hosbuch- baudlimg, Lützowstiahe 10. <Le-ephan VÖ Rr. 400ll). Hauvk-Ftliale Dre-drn: Eeeitratze s. l lTelevbon 4621). Ar. l27. Montag, »en s. Mni isio. 104. Zshrgsng. plllitilche Nachrichten. Der Schluß des Landtags. ?. Dresden, 9. Mai. lPriv.-Tel.) Der Schluh des Landtags wird, wie nunmehr endgültig fest steht, bestimmt am 13. Mai erfolgen. Um vollkom men mit den Arbeiten aufzuräumen, wird die Erste Kammer noch am Freitag, früh i/zg Uhr, eine Sitzung abhalten, in der die Beamten petitionen zur Erledigung kommen sollen. Referent darüber ist Oberbürgermeister Dr. Beut ler- Dresden. Der auf 10 Uhr vormittags angesetzte Gottesdienst wird erst um 12 Uhr stattfinden, ebenso ist die feierliche Verabschiedung des Land tags im Residenzschloß um eine Stunde ver schoben worden, findet also erst um 2 Uhr nach mittags statt. Auch das übliche Landtagsessen im Residenzschloß wird erst um 7 oder 8 Uhr abends statt finden. Die Wahlen zu den spanischen Tortes. Madrid, 9. Mai. sTel.) Heute früh lagen aus 32 Provinzen die Ergebnisse der Kammerwahlen vor; gewählt wurden 99 Liberale, 35 Konserva tive, 35 Republikaner, 1 Sozialist und 6 Karlisten. Ns- üem Toüe König Lüusrüs. Am englischen Hofe. London, 9. Mai. (Tel.) Das Königspaar, die Königin-Witwe, sowie die übrigen Mit glieder der königlichen Familie wohnten gestern einem Eottesdienst in der Kapelle des Bucking- hampalastes bei, zu welchem auch die Häupter der mit der königlichen Familie befreundeten Aristo kraten sich eingefunden hatten. Abnahme der Totenmaske König Eduards. London, 9. Mai. (Tel.) Königin-Witwe Alexandra, die sehr leidend aussehen soll, wohnte gestern der Abnahme der Totenmaske bei, was dem Bildhauer Bruce übertragen wurde. Die Mask« gelang vorzüglich. Sie soll dem Denkmal, oas im Westminster errichtet wird, als Vorlage dienen. Die Trauer am deutschen Kaiserhose. Berlin, 9. Mai. (Tel.) Kaiser Wilhelm, der gestern von Potsdam hier wieder eingetrofsen war, begab sich um 3 Uhr nachmittags im Auto mobil nach der englischen Botschaft und stattete dem Botschafter einen längeren Kondolenz besuch ab, der fast 1H Stunde dauerte. Von dort fuhr der Monarch zum Reichskanzler von Bethmann Hollweg. Wie verlautet, hat der Kaiser nicht nur seiner schmerzlichen Ergriffenheit über den Tod König Eduards Ausdruck gegeben, sondern auch seine Bereitwilligkeit ausgedrückt, dem toten Oheim persönlich die letzte Ehre zu erweisen. Ob jedoch eine Teilnahme Kaiser Wil helms am Leichenbegängnis in London erfolgt, hängt noch von den definitiven Bestimmungen üder die zeremoniellen Feierlichkeiten, sowie van den Dispo sitionen ab, die der englische Hof hierüber treffen wird. Berlin, 9. Mai. (Tel.) Der königliche Hof legte gestern für König Eduard Trauer auf vier Wochen an. Die Trauer an anderen deutschen Höfen. München, 9. Mai. (Tel.) Der Prinzregent ordnete für den König Eduard eine Hoftrauer von drei Wochen an. Koburg, 9. Mai. (Priv.-Tel.) Das Herzogs paar brach seine Auslandsreise ab und reiste heute zur Beisetzung nach London. Das Beileid des Auslandes. Brüssel, 9. Mai. (Tel.) König Albert wird sich zur Teilnahme an der B e i s e tz u n g des Königs Eduard und zu den Thronbesteigungsseierlichleiren nach London begeben. Der belgiAe Hof hat vier Wochen Trauer angelegt. In der Weltaus stellung bleibt die englische und die kanadische Ab teilung am Beisetzungstage geschlossen. London, 9. Mai. (Tel.) Die Königin-Mutter Emma vonHolland ist gestern als erstes Mit glied eines europäischen Herrscherhauses zu den Lon doner Trauerfeierlichkeiten hier erngetroffen. Madrid, 9. Mai. (Tel.) Hier wird angenommen, daß König Alfons oder Jnfant Carlos an der Spitze einer Spezialmrssion nach London zum Begräbnis geht. Die Totenfeier, die hier statt findet, wird ähnlich sein wie bei dem Tode der Königin Viktoria. Konstantinopel, 9. Mai. (Tel.) Gemäß einem Irade des Sultans begibt sich eine Spezialkommisnon, bestehend aus dem Thronfolger, dem Außen minister und zwei Funktionären, nach zwei Tagen nach London, um dem Leichenbegängnis des Königs von England im Namen des Sultans beizuwohnen. Berlin, 9. Mai. (Tel.) Ueber die Frage, ob Expräsident Roosevelt, wie allgemein angenommen wird, als Vertreter der Ver einigten Staaten an den Trauerfeierlichkeiten in London teilnehmen wird, ist auf der hiesigen amerikanischen Botschaft noch nichts bekannt. Man hält dies jedoch für sehr wahrscheinlich. Erkrankung der Erbprinzessin von Holland. Brüssel, 9. Mai. (Tel.) Aus dem Haag kommt die Nachricht, daß die Tochter der Königin Wilhel mine, Prinzessin Juliana, die vor kurzem erst ihr erstes Lebensjahr vollendete, plötzlich erkrankt sei. Prinzgemahl Heinrich, der eine Reise nach Stockholm antreten wollte, hat wegen der Er krankung seiner Tochter die Reise verschoben. Eine offizielle Bestätigung der Nachricht steht noch aus. Die Stichwahlen in Frankreich. Von den gestern vorgenommenen Stichwahlen sind bisher 226 Resultate bekannt. Es fehlen noch die zwei Resultate aus Korsika und eins aus Senegal. Es wurden gewählt: 49 unifizierte Sozialisten, 8 un abhängige Sozialisten, 102 Radikale und Radikal soziale, 18 Linksrepublikaner, 8 Republikaner, 21 Pro- gressisten, 10 Liberale, 2 unabhängige Republikaner, 2 Nationalisten und 2 Konservative. Zu diesen 222 Resultaten kommen noch 4 Wahlbezirke, in denen die Wahl noch nicht proklamiert werden konnte, da die Resultate noch nicht vollständig eingegangen waren. Nach der Haupt- und Stichwahl stellen sich die Siege und Verluste der einzelnen Parteien wie folgt: die Radikalen und Radikalsozialen verlieren 28, die un abhängigen Sozialisten 8 und die Konservativen 5 Sitze. Die Linksliberalen gewinnen 8, die Liberalen und Progrestisten 7 und die unifizierten Sozialisten 20 Sitze. Im einzelnen wird folgendes drahtlich ge meldet: Paris, 9. Mai. (Tel.) Die neue Kammer, die 597 Deputierte zählt, wird nach einer offiziösen Zusammenstellung aus 264 Radikalen und Sozialistisch-Radikalen, 70 Republikanern der Linken, 25 unabhängigen Sozialisten, 77 ge einigten Sozialisten, 66 gemäßigten Republikanern (Progressisten), 69 Konservativen und 16 National liberalen bestehen. Die Parteirichtung mehrerer Ge wählter scheint noch nicht festzustehen. Paris, 9. Mai. (Tel.) Der Kammerpräsident Brisson wurde in Marseille mit 6681 Stim men gegen Brion, der 5236 Stimmen erhielt, wie dergewählt. Pari», 9. Mai. (Tel.) Auf den Äoulevards herrschte gestern wegen der Wahlen große Erregung, große Menschenansammlungen stehen vor den Transparenten der Blätter, die die Wahlresul tate anzeigen. Unter den gewählten Mitgliedern der Regierungsparteien befinden sich Jules Siegfried, Befürworter der Erhöhung des Depu tiertengehalts auf 15 000 Fr., Simond und de Lanessan. Unter den gewählten Mitgliedern der Oppositionspartei befinden sich Caste - lin, Joseph Menard, Chauviere, Ehesquiere, Delory, der frühere Bürgermeister von Marseille, Chanot, Brindeau und der Abbe Lemire. Der Vizepräsident der Kammer Dubiefist in der Stich wahl unterlegen. Iaures ist in Albi mit 6445 Stimmen gegen Falguerettes gewählt, der 5843 Stimmen erhielt. Unter den Gewählten be finden sich ferner: Leroy-Beaulieu, Laserre, de Ramel, der ehemalige Polizeipräfekt Andrieux, Comte de Gontaut-Diron, General Pedoya und Joseph Re i nach. Zn den Stichwahlen unterlagen Euieysse, Allard, Mulac, Alexandre Blanc, Marcel Habert, General Iacguey, Lagasse, Gonjat, Chaumie Merle, Senac, Kerara-Varet, Paul Constans, Bonide Castellane. — Vor der „Action Franchise" kam es zu ZusammenstLßen mit der Polizei, die vie r- zig Personen verhaftete; es wurde keine Verhaftung aufrechterhalten. Kundgebung vor dem Standbild der Jungfrau von Orleans. Paris, 9. Mai. (Tel.) Vor dem Standbild der Jungfrau von Orleans ist es gestern zu stürmi schen Kundgebungen gekommen. Eine große Anzahl Royalist en und royalistische Studenten be gaben sich in feierlichem Zuge nach dem Standbild der Jungfrau von Orleans, wo sie prachtvolle Blumen arrangements niederlegten. Andere Studenten störten jedoch die Feier, und es kam zu einem Hand gemenge. Polizei mußte einschreiten und die Menge zerstreuen. Einige Ruhestörer wurden fest- genommen. Das veränderte Programm für Roosevelts Berliner Besuch. Es war ziemlich selbstverständlich, daß der Tod Eduards VII. und die damit eingetretene Hoftrauer auch eine Aenderung des Programms, das für den Berliner Besuch Roosevelts festgesetzt war, zur Folge haben muhten, und eine solche Aenderung ist denn auch vom Kaiser, von Roosevelt und von dem ameri kanischen Botschafter Hill gemeinsam beschlossen worden. Das „B. T." teilt darüber mit: Es wurde beschlossen, daß Roosevelt nicht als Gast des Kaisers, sondern als East seiner Landsleute in Berlin weilen und daß ein deutscher offizieller Empfang unterbleiben solle. Der Kaiser wird Roose velt, der Dienstag um 9 Uhr 8 Min. vormittags in Nn SjSrnlons Sshre. H. Von Paul Zschorlich. Ehristiania, 4. Mai. Sie haben ihn begraben wie einen König. Ja, es mag Könige geben, denen solche Ehren nicht zuteil ge worden sind, denen nicht ein ganzes Volk so einmütig, so innerlich berührt gehuldigt haben mag. Was Menschen tun und ersinnen können, um Liebe und Verehrung auszudrücken, ist an Björnsons Grabe ge schehen. Nicht daß der Königssalut auf besonderen Befehl des norwegischen Königs abgefeuert wurde, als das Kriegsschiff „Norge" in den Hafen einlief, nicht daß König und Königin den Trauerfeierlich keiten in der Kirche und im Rationaltheater beiwohn ten, war das eigentlich Große dieses Begräbnisses. Ueber alle offizielle Vornehmheit hinaus war es eine Angelegenheit aller, eine nationale Feier im besten Sinne, die ohne eitles Gepräge dennoch pompös wirkte, die bei aller Schlichtheit der Großartigkeit nicht entbehrte. Die Zahl und die Schönheit der Kränze waren überwältigend. Und eine rührende Gruppe in dem riesigen Trauerkondukt, der sich wohl über einen Kilo meter erstreckt haben mag, bildeten die Studenten und Studentinnen, die es übernommen hatten, diese Lasten an Laub und Blumen hinter dem Sarge her zutragen. In der mit schwarzem Flor und riesigen Drape rien geschmückten Dreifaltigkeitskirche ging der eigent liche Trauerakt vor sich. Kriegs ergreifender Trauer marsch eröffnete die Feier. Eine wehmütige, weiche, aber auch mächtig sich aufbäumende Musik von ausge sprochen nationalem Charakter. Dann sprach der Pfarrer Lunde. Er hatte keine leichte Aufgabe, muhte vieles verschweigen, was er sicher wußte. Denn Björnson hat in den achtziger Jahren kein Hehl daraus gemacht, daß ihm alles Kirchliche fremd und fremder geworden. Der Begriff der Hölle war es ja, der ihn mehr und mehr vom Christentum abdrängte. Sein freiheitlicher Geist vertrug derlei Vorstellungen nicht. Der Pfarrer faßte sich kurz. Und das war das Beste. Er sprach ohne Salbung, aber auch ohne ialsches Pathos. Ein Mann, der seine Pflicht erfüllt. Dann aber trat Frithiof Nansen an den Sarg, Björnsons guter Freund. Und sein rauhes Organ machte alle Herzen weich. Dieser blonde Recke, ein Sinnbild Irriger Kraft, blieb auch im Frack noch der robuste Seefahrer, als den ihn die Welt kennt. Das ist kein Mann der Lamentationen. Um so er schütternder war der Eindruck, als selbst dieser Mann weich wurde und mit bebenden Tönen vom Freunde sprach. Da saßen die wetterfesten Gestalten der -torihingsmiinner, die der rauhe Norden nach der Hauptstadt entsendet, und kämpften mit den Tränen. Derbe, vierschrötige Bauern unter ihnen, die das Weinen längst verlernt zu haben meinten. Denn zu oll den Ergreifenden, was Nansen sagte, kam das Bewußtsein: Diese Feier ist einer der historischen Momente in der Geschichte des norwegischen Volkes, sie ist eine der feierlichsten Begebenheiten im Jahr hundert. Nach Nansen sprach Verner van Heiden st am, der Schwede. Ein wenig theatralisch, mit berechneter Gebärde. Nach den herzlichen und gleichsam impro visierten Worten Nansens kam der Verstand zu Worte, der die treue Anhänglichkeit Schwedens zum osten tativen Ausdruck brachte. Björnson hat manches Mal im Gegensatz zu Schweden gestanden. Und als er seinen Frieden mit ihm machte, blieb drüben wohl etwas Mißtrauen wach. Heidenstam war der be rufene Sprecher in dieser Sache, da er einerseits ein angesehener Repräsentant seines Volkes, anderseits ein naher Freund Björnsons war. Was er an dieser Stelle sprach, bekam fast einen offiziellen Anstrich, und es wird in beiden Völkern, in Schweden wie in Norwegen, nachwirken. Wird vielleicht ein wenig dazu beitragen, die Gegensätze überbrücken zu helfen, die zwischen den beiden Nationen bestehen und emp funden werden. Nach der bedeutsamen Rede Heidenstams wurden die Kränze der Korporationen niedergelegt. Und dann sang der alte, siebzigjährige Thorwald Lam mers das innige Abschredslied, das Jacob D. Bull gedichtet hat. Mehr als Worte ausdrücken können, sagt Musik. Aller Augen wurden feucht, als dieser greise Sänger mit seinem selten frischen und klangvollen Organ Björnson das Grablied sang. Der alte Lam mers, der in früheren Jahren zu den bedeutendsten Konzertsängern des Nordens gehörte, ließ sich noch einmal hören! Der Greis sang den Greis in den Todesschlaf. Das war rührend in all seiner natür lichen Einfachheit. Wie viel Inbrunst legte dieser Alte in sein Lred! Wie tief griff er allen ans Herz, die seinem Vortrag lauschten! In diesem würdigen Gesang endete und gipfelte die Totenfeier. Kein Ge bet wurde gesprochen außer einem Vaterunser, keine Zeremonien veranstaltet, kein Choral gesungen. Das alles war so fern allem Orthodoxen, so losgebunden von starrer Tradition. Ein einfacher, weher Gesang, eine einzelne herrliche Stimme, die im Namen Tau sender erklang: so endete die Feier. * Als der Sarg aus dem Dunkel der Kirche hinaus getragen wurde, grüßte ihn die strahlende Sonne. Es war gegen 3 Uhr am Nachmittag. Um diese Zeit hatten die meisten die Möglichkeit, der Bestattung beizuwohnen. Und so wogte denn ein Meer von Menschen in den Straßen Ehristianias. Die Polizei hatte leichte Arbeit. Der Ernst der Stunde war im Bewußtsein des Volkes, das sich selber Zurückhaltung auferlegte. Durch ein Spalier des Schweigens wurde der Sarg zum Friedhof getragen. Alle entblößten die Häupter, als er, noch immer mit den norwegischen Nationalfarben geschmückt, vorüberkam. Das Volk grüßte seinen geistigen Führer. Kaum daß ein Laut auf der Straße zu hören war. Aber vielen standen die Tränen in den Augen. Und draußen auf dem Friedhof, wo die Studenten am Grabe sangen, gab es eine letzte, höchste Ehrung, die einem Gelöbnis gleichkam. Da standen zwei tausend Schulkinder Spalier. Und jedes dieser Kin der hatte ein norwegisches Fähnchen in der Hand. Allen diesen lieben kleinen Kindern hatte der Lehrer in der Schule von Björnson erzählt, von dem großen Dichter und von dem edlen Menschen. Sie mögen nicht alles begrifsen haben, was ihnen da gesagt wurde, aber das eine wußten ste alle: daß der größte Mann in ihrem kleinen Lande gestorben war und daß er segensreich wie kein anderer in ihm gewirkt hatte. Und so senkten sie denn die Fähnchen oder salutierten, als der Sarg an ihnen vorüberzog. Und Tränchen kamen in viele Augen, ohne daß sie wohl recht wußten, warum. Es war ein wunderschöner Gedanke, den letzten Gruß an den ewig lungen Björnson, der stets mit der Jugend gefühlt und stets für sie gekämpft hatte, den Kindern anzuvertrauen. Diese ganze jüngste Generation, die da mit der Flagge in der Hand stand, erschien wie ein sicheres Unter pfand der nationalen Treue. In ihr wird die Er innerung an diese festliche Parade nie schwinden, und sie wird sich nach Jahr und Tag der großen Stunde erinnern, da sie Blörnson das Ehrengeleite gab. So ist sein Raine fest und sicher im nationalen Unter grund verankert, aus dem Norwegens weitere Ent wickelung sprießen wird. Die Zeremonie am Grabe selber war kurz und einfach. Der Geistliche warf drei Schaufeln Erde mit den üblichen Worten ins Grab hinab, während die Studenten sangen. Dann trat die Witwe heran, um dem Heimgegangenen die gleiche Ehre zu erweisen. Aber die Kräfte verließen sie. Biörn, der Sohn, sprang hinzu, die Mutter zu stützen. Und beide, Arm in Arm, standen weinend und fassungslos am offenen Grab, umfaßten mit einem letzten, langen Blick den Sarg in der Tiefe, in bestem Innern ihr Teuerstes geborgen lag. Leider gelang cs einem Menschen, diese Szene kinematographisch aufzunehmen. So kommt der Schmerz auf die Gasse, und das Volk kann die schmerzhaften Zuckungen im Gesicht zweier auf gewühlter Menschen anstarren, wenn es seinen Obolus dafür entrichtet. Derlei allzu geschäftliche Gefühl losigkeiten sollten polizeilich verboten werden. Bei uns sowohl wie in Norwegen. Björnson ruht in der Nähe Ibsens. Doch immer hin in einem gewissen Abstand. Ganz so, wie es im Leben ja auch war. Seine Grabstätte liegt, an einen Hügel angelehnt, ganz frei, und man darf wohl hoffen, daß dort nach einiger Zeit ein imposantes Denkmal erstehen wird. Heute ist ein wahrer Blu menteppich darum ausgebreitct. Betrübend empfand ich es, daß Ibsens Grabmal am Bestattungslage Björnsons keinerlei Blumen schmuck aufzuweisen hatte. Das war entschieden ein Versäumnis. Gleichviel, wie die beiden Männer mit einander gestanden haben, gleichviel, ob ihre Ver söhnung nach jahrelanger, gegenseitiger Abkehr echt oder erkünstelt war, im Bewußtsein aller Literatur kundigen gehören sie zusammen, und darum sollte man stets des anderen gedenken, wenn man den einen ehrt. Ibsens Grabstätte besteht nur aus einem ragen den Obelisken und einer Steinplatte. Auf der vor deren Seite dieses Obelisken sieht man einen Hammer quer eingegraben. Eine zunächst unverständliche Symbolik, die auf sein Bergmannsgedicht Bezug nimmt und daran erinnern soll, daß der Dichter, dem Bergmann gleich, die Schächte des Menschenlebens auf geklopft habe. Eine nicht ganz glückliche Symbolik insofern, als wir mit dem Hammer viel weniger den Begriff des Schürfens und Oesfnens, als vielmehr den des Zertrümmerns („Wie man mit dem Hammer philosophiert") verbinden. So sind sich im Tode Björnson und Ibsen noch einmal nähergerückt, die sich im Leben zeitweise so weit voneinander entfernten. Nicht eng beieinander liegen sie, aber doch so, daß der Blick des Besuchers sie beide umfasten kann. Abends im Nationaltheater ein erlesenes Publi kum. Die Feier währte nur eine Stunde. Eine Szene aus Björnsons „Bergliot" wurde deklamiert, und ein prächtiger Bariton sang ein wehmütiges Lied des norwegischen Komponisten Neupert. An Stelle der Trauermusik von Berlioz hätte man lieber Erica gehört. Welch ein mächtiges Stück haben wir Deutschen doch in der Trauermusik, die Wagner zum Tode Siegfrieds geschrieben hat! Wohl keine Nation hat dergleichen auszuweijen. Aber alles, was die Feier im Nationaltheater bot, war schließlich nur kunstvolle Vorbereitung für das Schlußoild, das sich plötzlich vor dem Publikum ent faltete: Björnsons hellbestrahlte, überlebensgroße Büste hob sich blendend ab von einer riesigen Deko ration in den Nationalfarben. Das blaue Kreuz, das Norwegen im Wappen führt, kam dieser Deko ration trefflich zustatten; da, wo die beiden mächtigen Kreuzlinien sich schnitten, bildete Björnsons Kopf eine harmonische Zentrale. Als der schwarze Vor hang. der bis dahcn die Szene bedeckt hatte, zurück geschlagen wurde und das Publikum der imponieren den Büste in die Augen sah. da erhob sich unwillkür lich das ganze Haus wie ein Mann und stand minuten lang stumm und ergriffen da. Mit diesem unoer- geßuchen Eindruck schloß die Reihe der Feierlichkeiten, die man in Christiania dem großen Dichter und Führer zu Ehren erdacht hatte. Wie einen König haben sie ihn gefeiert. Als ich heute nacht durch die Straßen Ehristianias ging, befand ich mich plötzlich inmitten einer Deko ration, die ich noch gar nicht gesehen hatte. Wie? Was soll denn diefe Ausschmückung post kostrrm? Beim Licht einer Straßenlaterne wird mir's klar. Das ist kein norwegisches Trauerwappen, was da angeheftet wird. Das ist das amerikanische Sternen banner. Am Dienstag um 2 Uhr begrub man Björn son. Am Mittwoch um 12 Uhr trifft Roosevelt hier ein. Es ist bewegte Zeit in Christiania. Kaum ist der Tote im Grab, da appelliert schon der Lebende an die öffentliche Aufmerksamkeit. Aber ich glaube nicht, daß die Trauer von heute morgen in Freude Umschlägen wird. Norwegisches Naturell ist zäher und treuer. Der Lebende freilich hat recht. Und wenn er ein Amerikaner ist, ganz besonders. An äußeren Ehrun gen wird es Herrn Roosevelt gewiß nicht fehlen. Aber mit dem Herzen ist Norwegen bei seinem Björnson Die Macht dieses Mannes geht über das Grab hinaus.
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