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01-Frühausgabe Leipziger Tageblatt und Handelszeitung : 13.05.1910
- Titel
- 01-Frühausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1910-05-13
- Sprache
- Deutsch
- Vorlage
- SLUB Dresden
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id84535308X-19100513010
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id84535308X-1910051301
- OAI
- oai:de:slub-dresden:db:id-84535308X-1910051301
- Sammlungen
- Zeitungen
- Saxonica
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
-
Zeitung
Leipziger Tageblatt und Handelszeitung
-
Jahr
1910
-
Monat
1910-05
- Tag 1910-05-13
-
Monat
1910-05
-
Jahr
1910
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BezugS-PreiS »br L«ipji, «»» «srortt durch uuter, träger und Spediteur« 2«al ttglich In« Hau« gebracht: SO monatl., 2.70 »ierlrliLbrl. Bei un,ern Filialen u. An» aahmesleUrn adqebolt: 7S H aumatO, AFS viertrlttbrl. Durch bi« Pokt tim«rbald Druilchland« und der driwche» Kolonien dierteliädri. S.SO monatl. lFO autlckl. Poftdtftellaeld. Ferner in Belgien, TLnemark, den Donauslaaten, Jlalieu, Uuremburg, Niederlande, Nor wegen. Oesterreich-Ungarn, Rußland, Schweden, Schweig u. Spanien. In allen übrigen Staaten nur direkt durch di« Beichllttl'.elle °«i «lalle» erhältlich. Da« Leipgige, Tageblatt erlchein, 2 mal täglich. Sonn- ». Feirrtag« nur morgen«. Llvonneiuenl-lilnnabine i Auguitu.platz 8, bei unleren Trägern, Filialen, Spediteuren und Annahmestellen, sowie Postämter» und Bri ei träger». Iin>«l»«rka»t«vrei» »er Morgen» lulgad» 10 der tl.dcndau«gabe S -b. Redaktion und Geschäftsstelle: JohanniSgasse 8. Sernlprecher: I488L 14888. I4SS4. Morgen-Ausgabe. KMgerTllgMÄ Handelszeitnng. Amtsblatt Lss Rates und des Rolizeiamtes der Ltadt Leipzig. Änzeigen-Preis >2r Inserate aa« l!eip«i, und Umgebung di« Sgeipalten« SO l»m breit« PetttM« 2S di« 74 uu» breit« bietlamegeU« l »mt aalwärt« 80 NeNamen OW ^gs, Inserate v»n Behörden nn amtlichen Test di« 74 oom breit« Vetitgest« 40 Eeschtltiangeigen mit P atzoorlchriftr» »ich t» de« Abendauigab« im Preli« erhöht. Nabalt nach tans. «eilagegebsthr ü Ft ». Tausend exN. Postgebühr. Festerteilt« Austrän« tännen nicht »»riick- ,e,ogea werden. Für da« Hrschrinrn an bestimmten Tagen und Plätzen wird teiu» Saranti« übernommen. Anzeigen- Snnahmel Augnstulplatz 8, bei sämtlichen Filiale» ». allen «nnoncen- itrpedstionen de» Ja- uud Autlande«. Haiipt-Siltak« Berlin: »art Luucker, Herioql. Vahr. Hofbach« Handlung, Lützowstrahe IL (Teiephan V l, Nr. 4M8). Haupt-Siliale Dreldear Seestraße e, 1 lTelephon 4021). Nr. 131. 104. Jahrgang Milsg, »en lS. Mol lS>0 Das Wichtigste. * Eine Abordnung der englischen Arbeiter partei, die gegenwärtig zum Studium der Arbeitsverhältnisse in Deutschland weilt, trifft heute inLeipzig ein. * Die Erste und die Zweite Kammer des Landtags hielten am Donnerstag je zwei Sitzungen, in denen sie den nicht unbedeutenden Rest des Arbeitsstoffes erledigten. Eine Eini gung zwischen den beiden Kammern konnte nicht er zielt werden über den Antrag Roth auf Neuregelung des Beamtenrechts, ferner über den Antrag Günther auf Revision des Forst- und Feldstrafgesetzes, sowie über eine Petition des Deutschen Schulvereins, Orts gruppe Leipzig, betr. Aufnahme von Frauen in die Schulvorstände. (S. a. Landtagsbericht.) * Am Donnerstag wurde in der Berliner Universität die Ehrenpromotion Roose velts vollzogen. (S. d. bes. Art.) * Die türkische Flotte unternimmt eine Fahrt nach dem türkischen Archipel. * Aeber Süddeutschland sind Unwetter niedergegangen, die großen Schaden anocrichtet haben. * Die Mailänder Sternwarte teilt jetzt mit, daß der dortige Astronom Isidor Baroni die Länge des Kometenschweifes auf 20 Grad — 40 Monddurchmessern berechnet habe. Wenn diese Rechnung richtig ist, wird der Schwanz des Kometen die Erde passieren. Prinzip oller Taktik? Die Lage der preußischen Wahlreform ist noch durchaus ungeklärt. Zwar bleiben die Zentrumsstimmen vorläufig noch bei ihrem „unannehmbar", und es ist sogar wahrscheinlich, daß das Zentrum nicht auf die Drittelung in den Urwahlbezirken verzichten wird, aber bei der Unberechenbarkeit der nach rein taktischen Gesichtspunkten orientierten Zentrumspolitik ist es unmöglich, damit fest zu rechnen. Die Kon servativen wären anscheinend wohl geneigt, diese sogenannten Zugeständnisse an die Mittel parteien zu akzeptieren, wenn ihnen die An nahme nicht die Zentrumsfreundschaft auf kürzere oder längere Zeit kosten könnte, und außer dem wissen die Herren nicht, ob ihnen ohne das Zentrum die Bildung einer neuen Majorität mit Hilfe der Freikonservativen und National liberalen gelingen werde. Der Freikonservativen freilich sind sie sicher, denn auf deren Vermitt lung ist ja die Modifikation der Vorlage im Herrenhaus zurückzuführen, aber die National liberalen machen ihnen Pein. Tatsächlich hängt das Schicksal der Wahlreform heute von der Stellung der Nationalliberalen ab, und die Unsicherheit in der Beurteilung der Situation wird wesentlich davon bedingt, daß man nicht weiß, was die nationalliberale Landtags fraktion beschließen wird. Wir haben schon früher der verschiedenen Versuche gedacht, die gemacht worden sind, um die Nationalliberalen für die Majorität zu ge winnen. Eine besonders interessante politische Kalkulation macht Freiherr v. Zedlitz und Neu- kirch, der bekannte Führer der preußischen Frei konservativen im „Tag" auf, wo er sagt: Ein Scheitern das vorliegenden Reformplanes würde nur die sichere Aussicht auf notgedrungene Aenderungen des preußischen Wahlrechts er öffnen. Daß die Anhänger des Dreiklaffen wahlrechts sich alsdann in einer ungleich un günstigeren Lage befinden würden als jetzt, liege auf der Hand. Wohl gemerkt, argumentiert Freiherr v. Zedlitz so, um die Notwendigkeit der Annahme der Vorlage zu beweisen. Wir erlauben uns freilich, dieses Argument als solches mit Dank zu akzeptieren und zu folgern: dann muß man die Vorlage eben scheitern lassen. Uebrigens sei hier gleich bemerkt, daß Freiherr v. Zedlitz die öffentliche Stimmabgabe, nachdem sie von allen drei Fraktionen der Gesetzgebung preisgegeben sei, als morsch bezeichnet und für endgültig erledigt hält« Nun deduziert der freikonservative Führer weiter: Die Konservativen befänden sich jetzt in einer ähnlichen Lage, wie im Früh jahr vorigen Jahres. Sie hätten damals den Block gesprengt und sich dem Zentrum zuge wandt in der Ueberzeugung, daß mit den Liberalen die Reichsreform nicht zu machen sei. Wenn jetzt das Zentrum versage, sei der ein zuschlagende W:g ebenso gegeben, zumal zwischen den Konservativen und dem Zentrum keinerlei bindend» Abrede bestehen solle. Hier muß gleich ein Einwand erhoben werden, nämlich, daß doch ein großer Unterschied zwischen der Reichsfinanzreformkrise und der preußischen Wahlreformkrise besteht. Damals waren die Konservativen froh, die ihnen höchst unbehaglichen Blockfesseln sprengen und nebenbei den Kanzler erledigen zu können, sie gingen mit Vergnügen zu den ihnen wesensverwandten Zentrumsleuten über. Heute müßten sie diese Union, die ernsthafte Neigung ihnen diktiert, aufgeben, um zu den von ihnen wirklich nicht geliebten Liberalen überzugehen. Aber Freiherr v. Zedlitz tut so, als sei er seiner Sache, der Bildung der neuen Majorität, sehr sicher, denn er schreibt: Es wäre „eine geradezu beleidigende Unterstellung", den Nationalliberalen einen so absoluten Mangel an positivem Verständnis zuzutrauen, daß sie die von dem Herrenhaus ihnen gebotene günstige Lage ungenutzt vorüber gehen lasten könnten. Sie würden sich dadurch aus der Reihe derjenigen politischen Richtungen, auf die man für eine positive Politik rechnen könne, selbst ausscheiden. Das ist der alte Trick, mit dem man seit einem halben Jahrhundert den Liberalen das Verharren auf wirklich liberalen Forderungen zu verleiden sucht. Es ist derselbe Trick, dem die Liberalen den Vorwurf der Un zuverlässigkeit und am letzten Ende dieMinderung ihres Ansehens und ihres Anhangs im Volke verdanken. Es handelt sich diesmal doch um zu ernste Dinge, als daß man die Situation mit so kleinen Mittelchen entwirren könnte. Ob die Freikonseroativen die Nationalliberalen für positive oder für nichtpofitive Politiker halten, ist ganz gleichgültig. Die Herren Freikonservativen können je nachdem auch anders, das haben sie oft genug be wiesen. Es handelt sich überhaupt nicht darum, was andere Leute über die Haltung der Nationalliberalen denken, es handelt sich darum, was die Nationalliberalen selbst denken und wollen. Die Frage tst klar vorgezeichnet: Sollen auch diesmal wieder, in dieser ernsten Stunde, die kleinlichsten taktischen Rücksichten, die Freude an der sogenannten Ausschaltung des Zentrums die Partei bestimmen, oder soll sie endlich offen erklären: Wir machen diese Wahlreform nicht mit, weil sie unfern liberalen Forderungen nicht entspricht. Wir sind bereit, an einer Wahlreform mitzuarbeiten, die dem Volke die geheime und die direkte Wahl bringt, und von dieser Bedingungen gehen wir nicht ab. Die Lage ist viel ernster für die Partei, als die Führer es zu sehen scheinen. Schon haben sich die Jungliberalen, schon hat sich der Bauern bund gegen die Vorlage erklärt. Schon hat ein halbvergessener Magdeburger Parteitag den preußischen Nationalliberalen Richtlinien gegeben, die in schönster Disharmonie mit der Vorlage stehen. Und wir können hinzufügen, daß die Wählerschaft ganz gewiß nicht geschlossen hinter der Landtagsfraktion stehen würde, wenn diese sich der Majorität für die Vorlage an schließen sollte. Was uns Nichtpreußen aber das Recht gibt, hier unsere warnende Stimme zu erheben/ das ist die unbestreitbare Tat sache, daß der Entschluß der Nationalliberalen in der Wahlreform ausschlaggebend sein wird für den Ausfall der Reichstagswahlen des Jahres 1911. Das Einschwenken der preußischen Nationalliberalen in die Reihe der Majorität würde für die Reichstagsfraktion ruinös werden. Darüber kann sich kein Politiker im unklaren sein, jedenfalls keiner, der direkte Fühlung mit den Wählern hat. Die Partei würde nicht nur den Gegnern die besten Waffen in die Hände spielen, sie würde auch in sich gespalten in den Kampf ziehen, man weiß nicht einmal, ob an allen Stellen auch nur der äußere Zusammenhang sich wahren ließe und muß sogar auf das Schlimmste, auf eine Sprengung, gefaßt sein. Unter solchen Verhältnissen existiert wohl ein Recht auch der Nichtpreußen, in diese Dinge hineinzuredcn, denn wie eine in sich selbst uneinige Partei einen Wahl kampf führen und in ihm siegen soll, das ist das Geheimnis der Taktiker, die aus lauter taktischen Erwägungen vergessen, daß schließlich doch die Abgeordneten vom Volke gewählt werden. Solche Rücksichten beiseite zu schieben, kann sich nur das Zentrum leisten, das seine Anhänger von dem konfessionellen Bafid um schlungen weiß, das übrigens in Vertretung seiner konfessionellen Ansprüche nie schwankt, und dem die Politik Nebensache, nur ein Mittel zum Zweck ist. Wer heute noch mit den alten Kartcllideen hausieren gehen möchte, hält Mumien für lebende Wesen. Raalevelt in ller Berliner UnioerMt. Am Donnerstaamittag um 11^/- Uhr begann die Feierlichkeit zu Ehren Roosevelts in der Aula der Friedrich-Wilhelm-Universität zu Berlin. Zu Seiten des Katheders nahmen Senat und Lehrkörper der Universität Platz, davor die ge ladenen Gäste sowie die Studentenschaft. Unter den Gästen befanden sich der Reichskanzler, der Kultus minister, der amerikanische Botschafter, die Witwe des Botschafters Freiherrn Speck von Sternburg, der Reichstagspräsident von Schwerin-Löwitz, Staats minister von Studt, Oberbürgermeister Kirschner, Bürgermeister Reicke und andere. Während des Ge sanges des akademischen Gesangschores „Heil Kolom- bia, glücklich Land" wurde Roosevelt vom ältesten Dekan eingeführt, worauf er bei den Professoren Platz nahm. Gegen Schluß der Hymne betraten, ge- sührt vom Rektor Geh. Rat Erich Schmidt, der gestickten Purpurmantel mit Degen trug, die Majestä ten und die sämtlichen Fürstlichkeiten die Aula. Nach einer Begrüßungsansprache des Rektors an die kaiserlichen Gäste und Roosevelt, den großen Staatsmann, den der Kaiser am Mittwoch einen ausgezeichneten Amerikaner und seinen Freund genannt, der auf seinem Triumphzuge durch Europa hier angehalten habe, um das Katheder zu besteigen, trat Roosevelt vor und hielt vom Katheder nach einer Verneigung zu den Majestäten und Professoren die bereits mitgeteilte Rede. Er sprach im wesent lichen frei mit ein wenig belegter Stimme in eng lischer Sprache. Sein Vortrag wurde mehrfach von Beifall und Heiterkeit unterbrochen. Seine Sprechweise war langsam, deutlich und scharf pointiert mit lebhaften Gesten. Stürmischer Beifall mit Tram peln und Händeklatschen lohnten ihn. Nunmehr hielt der Dekan der philosophi schen Fakultät eine Ansprache an Roosevelt, von Humor getragen. Die Fakultät ehre in Roosevelt den geschichtlichen und naturwissenschaftlichen Sinn. Er sei Demokrat vom reinsten Wasser und doch habe sein leuchtendes Auge gezeigt, daß er unseren Kaiser liebe und verehre. Dor allem ehre die Fakultät in Roosevelt den Willen zur Wahrheit, den der Doktor eid betone. Zn lateinischer Sprache vollzog'der Dekan dann die Promotion Roosevelts zum vootor xbiiosopiüas bonoris erniM. Der Rektor brachte ein dreifaches Hoch auf die Majestäten aus. Nach Absingen der Nationalhymne trug der Chor das „Star spangled banner" vor. Die Ovationen für die Majestäten und für Roosevelt setzten sich draußen fort. * Das Ehrenpromotionsdiplom, das dem Expräsidenten Roosevelt in der Aula der Berliner Universität überreicht wurde, widmet Worte höchster Auszeichnung dem Mann, der von Ahnen stammend, die an der Rheinmündung wohnten. Er sei auf amerikanischen und deutschen Schulen gebildet, dann eine Zierde der Harvard-Universität geworden und habe nicht nur die Länder und die Tierwelt seines Vaterlandes, ein energischer Hirte und ein kühner Jäger, wissenschaftlich zugleich und anmutig beschrie ben, sondern auch die Einrichtungen und die reinen Sitten als ein unbescholtener Richter und guter Bür ger zum Nutzen für die Mitwelt ausgezeichnet darge- siellt. Ferner gelte die Auszeichnung dem Reiter führer, der tapfer den Feind angriff und dem Mann, der mit noch höherer Tapferkeit gegen Mißstände im Staatsfinanz vorging. Die philosophische Fakultät preist Roosevelt als den Gerechten, der standhaft bei seinem Vorsatz bleibe und der die Wahrheit ebenso wie die Wissenschaft liebe. Ein Geschenk des Kaisers für Roosevelt. Am Mittwochabend während des Essens in der amerikanischen Botschaft erschien dort, wie das „Berl. Tgbl." erfährt, ein Adjutant des Kaisers mit vier sehr umfangreichen Aquarellen, die von dem Maler Knötel herrühren. Jedes der Bilder ist ungefähr 2 Fuß hoch und 4 Fug breit. Die Bilder stellen die Entwicklung der Uniformen, Fahnen und Standarden bei den verschiedenen Waffengattungen der preußi schen Armee seit der Zeit des Großen Kurfürsten bis zum heutigen Tage dar. Allen vier Aquarellen ist in der Handschrift des Kaisers und in englischer Sprache eine kurze Erläuterung beigefügt. Darunter steht: Wilhelm II., Döweritz, den 11. Mai 1910. * Staatssekretär v. Schoen gab am Donnerstag ein Frühstück in einem kleinen Kreise, zu dem auch Roosevelt und der amerikanische Botschafter Hill mit ihren Familien geladen waren. Drolliges aus Sem Slrakrecht. Bei dem lebhaften allgemeinen Intereste, dem die Reform unseres Strafrechts und Strafprozesses be gegnet, ist es vielleicht nicht verfehlt, auch vor einem größeren Kreise als der Zunft der Kriminalisten aus ein paar Kuriositäten hinzuwcisen, die unsere geltende Strafgesetzgebung, richtiger vielleicht engherzige Buch stabenauslegung gezeitigt hat. - Schenkt ein Dieb von tausend gestohlenen Mark stücken eift einziges seiner Geliebten und erzählt ihr dabei, wie schlau er zu dem Gelds kam, so ist das Mädel wegen Hehlerei strafbar. Stiehlt er dagegen «inen Tauscndmarkschein, wechselt ihn um und schenkt der Donna seines Herzens, die ganz genau weiß, wo Bartel den Most geholt, von dem eingewechselten Gelbe 999 ^4t,' also fast seine ganze Beute, so geht die holde Jungfrau völlig ^straffrei aus. Und warum ? Unser sehr beschütztes Reichsgericht hält daran fest, daß wegen Hehlerei (StGB. 8 259) nur strafbar ist, wer die gestohlene oder Unterschlagene Sache selber mit Kenntnis ihrer strafbaren Erwerbsari an sich brachte Ein anderes Kreuz für den Gerechtigkeitsfanatiker sind die sog. Prozeßlügen. Vor Gericht, nimmt unser oberster Gerichtshof an, kann jede Partei lügen, soviel sie Lust hat, ohne sich eines Betruges im Sinne von StGB, ß 263 schuldig zu machen. Mag der Richter gefälligst prüfen, ob er angeschwindelt wird. Mag sich der Gegner wehren! Und die praktische Folge? Der sog. „Armen rechtler". Unter völlig aus der Luft gegriffenen Be hauptungen wird ein Kapitalist verklagt. Nun hat er, zumal wenn die Klage auf mehr als 600 -tt lautet, zunächst das Vergnügen, sich einen Anwalt zu nehmen. Notabene: ihm auch Vorschuß zu zahlen, den er nie wiederkriegt! Und nur, um dem dreisten Schwindler, dem Armenrechtler, den Mund zu stopfen, wird nichr selten vergleichsweise eine Abfindung bezahlt. Bloß, um den Kerl mit seinen Prozeßlügen loszuwerdcn. Betreffen Prozeßlügen zumeist nur Zivilprozesse, so wird auch das Strafverfahren in einem Falle leb haft davon berührt: Legt sich ein vielfach rückfälliger Berufsgauner einen falschen Namen bei oder gibi ir auch nur einen falschen Geburtsort an, um den straf schärfenden Rückfallsbestimmungen zu entgehen, so ge lingt es ihm zuweilen, anstatt der verdienten Zuch:- haüsstrafe vor der Strafkammer nur eine ganz gering fügige Gefängnisstrafe vor dem Schöffengericht zu er reichen. Denn der auf Grund der fingierten Per sonalien herbeigezogene Strafregisterauszug weist keine Vorstrafen auf. Nun enthält unsere Strafvrozeßordnung insofern eine Lücke, als sie in solchem Falle nicht die Wieder aufnahme des Verfahrens zuungunsten des Ver urteilten zuläßt. Auch die Strafbarkeit vom Gesichts punkte der sog. intellektuellen Urkundenfälschung (StGB. 8 271: d. h. der Täter bewirkt eine falsche Beurkundung nicht unmittelbar, sondern durch Täuschung eines gutgläubigen Beamten) ist in diesem Falle bestritten und wird z. B. vom Reichsgericht verneint, vom Strafsenate des sächsischen Ober landesgerichts aber bejaht. Das Reicksgericht ist aber dabei auf eine wahr haft „geniale" Idee verfallen: Vor Gericht darf zwar der Strolch schwindeln, soviel er will: Angabe eines falschen Namens zu gerichtlichem Protokoll ist also nicht strafbar: aber mit dem Gefanaenenjournale — ja, Bauer, das ist was anderes! Wer sich auch zum Einträge ins Eefangenenjournal den falschen Namen beileget, soll sich nach reichsgerichtlicher Ansicht schließ lich doch noch der intellektuellen Urkundenfälschung schuldig machen! Und dieses Ergebnis ist für den Praktiker geradezu absurd: denn sicher ist kein Zweifel, daß der pseudonyme, unter falschem Namen bereits abgeurteilte Delinquent gerade in diesem letzten Stadium seines Schwindels, der notwendigen Folge seines bisherigen Verhaltens vor Gericht, sich der Strafbarkeit seines Tuns am allerwenigsten be wußt ist. Aber wenn auch, um oberrichterlicher Weisheit zu folgen, der Angeklagte vor dem Richter ungestraft lügen darf, soviel ihm beliebt, so hat er sich vielleicht doch des Kapitaldelikts schuldig gemacht, bei seiner Festnahme auch dem gestrengen Herrn Hilfsnacht- wächtcr einen falschen Namen anzugcben. Und diese Untat wird gerochen! So wird denn der gemein gefährlichen falschen Namensführung unseres Rück- fal'.sschwindlers wahrhaftig doch noch eine Sühne, freilich nur die lächerlich minimale einer mit ge ringer Geld- und Haftstrafe bedrohten Uebertretuog (StGB. 8 360, Ziffer 8). Notabene: Auch diese nur, wenn zur Zeit der Ermittlung des wahren Namens nicht bereits Verjährung der Strafverfolgung ein getreten ist, die bei Uebertretungen schon in drei Monaten erfolgt (StGB. 8 67, Absatz 3). „Der Angeklagte wird wegen Mordes und Straßenraubes zum Tode und fünf Jahren Zuchthaus verurteilt. Auch werden ihm die bürgerlichen Ehren rechte auf die Dauer von zehn Jahren aberkannt." Lieber Gott, fragt der Laie nach solchem Schwur gerichtsurteil nickt so ganz tnit Unrecht: was hat der arme Teufel nun zuerst zu verbüßen? Beiläufig: Außerdem wird die Zeitdauer des Ehrverlustes erst von dem Tage an berechnet, an dem die Freiheits strafe, neben der jene Aberkennung ausgesprochen wurde, verbüßt worden ist (StGB. 8 36). Da die Todesstrafe in den Bestimmungen über die Bildung einer Gesamtstrafe (StGB. 8 74 ff.) nicht erwähnt ist, schreckt eins pedantische Gericktspraxis aus lauter Revisionsscheu — die nun einmal leider Gottes auf das geistige Weiterarbeiten unserer Straf justiz so lähmend wirkt — vor dem „Wagnis" zurück, Freiheitsstrafen in der Todesstrafe als der unver gleichlich schwersten Strafart kurzweg untergehen zu lasten. Ein Glück, daß die Strafvollstreckungsbehörde weniger ängstlich ist und den armen Sünder nach Rechtskraft baldigst um einen Kopf kürzer macht, ohne sich den Teufel darum zu scheren, wieviel Zuchthaus der Delinquent von Rechts wegen extra noch abzu sitzen hätte. Daß die kasuistische Unterscheidung nach äußer lichen Merkmalen, die einen Diebstahl zu einem schweren stempeln (StGB. 8 243 Ziffer 1—7), ihre Mängel hat, zuweilen auch zu geradezu komischen Konsequenzen führt, ist längst anerkannt. Erbricht Monsieur Langfinger in einem Gebäude eine Kasteite und stiehlt daraus einen blauen Lappen, so begeht er das Verbrechen eines schweren Diebstahls Ist der Kerl aber so frech, die ganze Kastelte auch noch mit ihrem weiteren Inhalte mitgehen zu heißen, io liegt nur das Vergehen eines einfachen Dieb stahls vor! Klettert weiter, wie kürzlich in der Praxis der Leipziger Iugendsirafkammer, ein Sckulmädel über Nachbars Zaun, um sich dort einen Ball im Werte von ganzen zehn deutschen Reichspfennigen zu holen („Nein, nicht bloß, um einmal damit zu spielen; be halten wollte ich ihn!" — so mußte das Unglückswurm fast mit ehrlicher Entrüstung ertra noch versichern und damit ahnungslos die Möglichkeit eines Freispruchs abschneiden), so gilt dies dem Strafgesetzbuch al» Verbrechen. Und diese Unterscheidung ist gar nicht so bedeutungslos, denn leider nur bei Vergeben und Uebertretungen kennt das Gesetz bei Jugendlichen die Zulässigkeit der Strafe eines Verweises (F S7 Ziffer 4) Dies, soweit die Behandlung für Laienkreise Ver ständnis verspricht, nur ein paar Mängel unseres
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