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01-Frühausgabe Leipziger Tageblatt und Handelszeitung : 07.05.1910
- Titel
- 01-Frühausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1910-05-07
- Sprache
- Deutsch
- Vorlage
- SLUB Dresden
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id84535308X-19100507018
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id84535308X-1910050701
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-84535308X-1910050701
- Sammlungen
- Zeitungen
- Saxonica
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
-
Zeitung
Leipziger Tageblatt und Handelszeitung
-
Jahr
1910
-
Monat
1910-05
- Tag 1910-05-07
-
Monat
1910-05
-
Jahr
1910
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Dss Wlchtiglte. * Die Direktoren der beiden Ständekam mern treten heute zusammen, um zu erörtern, ob bei der Geschäftslage des Landtages der Sessions- schluß noch vor Pfingsten möglich sei. (S. Landtagsber.) * Die Erste Kammer erledigte am Freitag eine große Anzahl von Etatkapiteln und mehrere Petitionen. sS. Landtagsber.) * Die Zweite Kammer lehnte am Freitag den Antrag Günther auf jährliche Berufung des Landtags mit 49 gegen 37 Stimmen ab. Weiter erledigte sie das Etatkapitel landwirtschaft liche und Gewerbeschulen, nahm die Anträge Dr. Schanz und Nitzschke auf staatliche Beihilfe zur Errichtung einer Zentrale für Sub missionswesen an. * Der Reichstag lehnte in zweiter Lesung die A u s g a be kl e i n e r A k t i e n in den Konsular- gerichtsbezirken und in Kiautschau ab, ge nehmigte in dritter Lesung das Ausführungs gesetz zur Berner Uebereinkunft und den Entwurf zur Entlastung Les Reichsgerichts. (S. Reichstagsber.) * Im preußischen Abgeordnetenhause wurden am Freitag die Anträge auf Aenderung der Geschäftsordnung gegen die Stimmen der Linken angenommen. (S. d. bes. Art.) "König Lüuarü von Gnglsnü M heule lischt 12 Uhr 25 Minuten ge Vor den. * Die Trauerfeier für den verstorbenen Geh. Rat Prof. Dr. Heinrich Lurschmann findet am Montag in der Pauliner-Kirche statt. sS. t,. vej. Art) * Bei der Beratung der Ge s ch ä f t s o r d n u n g s- reformvorlage des österreichischen Abgeord netenhauses verlangte der Sprecher der Deutschen die Festlegung der deutschen Verhand lungssprache. sS. Ausl.) * Durch die Haltung einer großen Anzahl Offi ziere, die durch den Militärrat zur Entfernung aus dem Heere verurteilt wurden, drohen in Grie chenland neue Verwicklungen. (S. Ausl.) * Roosevelt wurde zum Ehrendoktor der Universität Christiania ernannt. (S. Ausl.) Die deutsche Murine im Zeichen der Dreadnoughts. War anläßlich des drohenden Konfliktes zwischen Oesterreich und Serbien unsere Armee auch in erster Linie der Faktor, der zur Beilegung dieses Zwischen falles so erheblich beitrug, so ist doch, dank der ziel bewußten Flottenpolitik des letzten Jahrzehntes, auch unsere.Flotte derartig angewachsen, daß jeder Staat sie wohl oder übel in seine politischen Berechnungen einstellen muß. Im Ausbau unserer Flotte hat gerade das letzte Jahr große Fortschritte gebracht: noch vor seinem Ende konnten die ersten Linienschiffe größten Deplacements ihre Probefahrten beenden, und damit sind in der deutschen Marine zum ersten Male die neuen, mächtigen Schiffe vertreten, die durch Eng lands Vorgehen die übrigen Seemächte, wenn sie als solche überhaupt noch mitzählen wollten, ebenfalls zu bauen sich gezwungen sahen. Zwei dieser Schiffe, die ein Deplacement von je 18 500 Tonnen aufweisen, sind fertiggestellt worden, drei gleichartige Schiffe siird im letzten Jahre vom Stapel gelaufen, und zwei sind bereits im Ausbau und werden voraussichtlich noch in diesem Jahre in den Verband der Hochseeflotte ein gestellt werden können. Der russisch-japanische See- krieg hatte bewiesen, daß im Krieg das schwer ge panzerte und stark armierte Linienschisf den Aus schlag gibt. England war die erste Seemacht, oie hieraus die weiteren Folgerungen zog und das Deplacement seiner Linienschiffe auf 20 000 Tonnen, also um zirka 25 Prozent, steigerte. Deutschland hatte sich bisher mit einer Steigerung des Tonnengehaltes zurückgehalten, weil hiermit auch eine Vergrößerung des Kaiser-Wilhelm-Kanals, die mit sehr hoben Kosten verbunden ist, notwenoig wurde. Nunmehr waren auch wir gezwungen, dem Beispiele Englands zu folgen und gleichwertige Linienschiffe zu bauen. * Bei Amerika, Frankreich, Italien, Oesterreich, Japan, ja sogar bei den südamerikanischen Republiken sehen wir die gleiche Entwicklung. Damit droht aber eine völlige Machtverschiebung in den Stärkeoerhält- nissen der einzelnen Seemächte zueinander einzu treten. Je größer die einzelnen Schiffe werden, desto höhere Kosten sind für ihre Erbauung nötig, und da mit ist die Zahl von Schiffen größten Deplacements, also die Zahl von Linienschiffen und Panzerkreuzern, die die finanzielle Lage eines Staates zu erbauen ge stattet, erheblich herabgesetzt worden. Die deutsche Regierung befindet sich dem Parlamente gegenüber in einer sehr günstigen Position: das letzte, noch jetzt gültige Flottengesetz vom Jahre 1900 sieht den Bau von insgesamt 38 Linienschiffen vor. Das normale Deplacement dieser Schiffsgattung betrug zu jener Zeit 10—12 000 Tonnen; die Schiffe der Kaiser klasse, die aus jener Periode stammen, haben eine Wasserverdrängung von 10 000 Tonnen. Wenn jetzt Linienschiffe von beinahe doppelter Größe und mehr fachem Eefechtswert erbaut werden, so bedeutet das eine große Verstärkung unserer Seemacht, um so mehr, als bei den Panzerkreuzern und Torpedobooten eine analoge Entwicklung vor sich gegangen ist. England hat uns somit gezwungen, innerhalb des Rahmens unseres Flottengesetzes von 1900, d. h. ohne die Zahl der Schiffe zu erhöhen, die Kampfkraft unserer Flotte ganz erheblich zu steigern. Dadurch aber wird es für England immer schwerer, den treo stsvclsrck, nämlich dauernd eine Flotte zu besitzen, die den beiden nächststärksten Flotten ebenbürdig ist, aufrechtzuerhalten. Bis zum Jahre 1912 wird Deutschland 10 Linien schiffe von 18 500—20 000 Tonnen Wasserver drängung besitzen („Nassau", „Westfalen", „Rhein land", „Posen", „Ostfriesland", „Helgoland", „Ersatz Fritjofs", „Hildebrand", „Heimdall"), während Eng land, das jetzt schon über 7 Schiffe dieser Gattung verfügt, deren 14 verwendungsbereit haben wird. Das Stärkeverhältnis bei den Panzerkreuzern stellt sich freilich für uns erheblich ungünstiger, ein Moment, das in Anbetracht des großen Gefechts wertes dieser Schiffsgattung volle Berücksichtigung verdient. Amerika wird Ende 1912 8 Schiffe besitzen, von denen 4 ein Deplacement von über 20 000 Tonn-n und 2 voraussichtlich sogar von mehr als 25 000 Tonnen besitzen werden. Im ganzen betrug in den Jahren 1908 und 1909 das Deplacement sämtlicher für Deutschlands Marine vom Stapel gelaufener Kriegsschiffe 106 335 Tonnen, während bei England sich diese Zahl auf 166 580 Tonnen belief. Auf die Bautätigkeit und die Vergrößerung unserer Marine in dem letzten Jahre können wir mit froher Genugtuung zurückblicken und der Zukunft, ge stützt auf eine starke Flotte und die erste Armee >>er Welt, mit Ruhe und Zuversicht entgegensehen. Jedes Kriegsschiff, das vom Stapel läuft, ist eine weitere Versicherungsprämie für die Aufrechterhal tung des Friedens. Daß wir keine Angriffspoli.ik treiben, noch treiben wollen, ist von deutscher Seite dem Ausland schon ost beteuert worden, vielleicht öfter, als es mit dem Stolze und dem Selbstbewußt sein einer Großmacht in Einklang zu bringen ist. Wer sich durch eine vierzigjährige Friedensperiode davon nicht überzeugen läßt, der wird auch für alle Versicherungen taub sein, weil er es nicht glauben will. Dann aber muß sich das Ausland mit der Tatsache abfinden, daß die Zeiten, wo die deutsche Seemacht eine puantits war, vorbei sind. Es sind erst 6 Jahre her, als in einer auslän dischen Fachzertung die Frage aufgeworfen und ernst haft erörtert wurde, ob es nicht bester sei, die deutsche Flotte, solange sie noch in den Kinderschuhen stecke, zu vernichten. Jetzt dürfte dieses Ziel wohl nicht mehr so leicht durchführbar sein, wie vor einem halben Jahrzehnt. Der Gedanke der dem Flottengesetz zugrunde lag, nämlich eine Flotte zu schaffen, so stark, daß für jede Seemacht ein Seekring gegen uns mit einem erheb lichen Risiko verbunden wäre, ist in dem letzten Jahre seiner Verwirklichung ganz erheblich näher gekommen. Zur Erkrankung König Lünarüs. Halbamtlich wird in London zugegeben, daß man gehofft hatte, eine schleunige Besserung werde es möglich machen, die Verschlimmerung, sie in dem seit längerer Zeit nicht befriedigenden Gesundheits zustand des Königs in den letzten Tagen ein getreten war, dem Publikum zur Vermeidung un nötiger Beunruhigurg geheim zu halten, daß diese Hoffnung sich aber leider nicht erfüllt hat. Der Zustand des Königs, der im 69. Lebensjahre steht und seit der Blinddarmentzündung, die ihn im Krönungsjahre 1002 an den Rand des Grabes brachte, nie wieder in den Vollbesitz seiner körper lichen Kräfte gelangt ist, muß als sehr ernst be trachtet werden Um den Patienten vor dem Straßen lärm zu schützen, sind die Wege in der Nähe des Schlaffes mit dicker Torfstreu belegt worden. Das Krankenzimmer des Königs liegt im ersten Stock an der Nordwestecke des Schlosses mit dem Blick auf den Park. Wie mit einem Zauberschlag isi der Streit der englischen Parteien verstummt und mit banger Sorge blickt die Nation nach der Krankenstube des Königs. Man hatte ge hofft, daß ein Luftwechsel die drohende Indisposition verscheuchen werde, und so hatte sich der König über Sonntag nach dem Landschloß Sandringham begeben. Dort aber war es sehr kalt und regnerisch. Der König hatte außerdem die Unvorsichtigkeit begangen aus dem Gottesdienst zu Fuß nach Hause zu gehen, und so stellte sich am Montag bei der Rückkehr nach London eine starke Erkältung ein. Am Dienstag und Mittwoch war er noch imstande, Audienzen zu erteilen, aber im Laufe des Mittwochnachmittags verschlimmerte sich dann sein Befinden. * Ueber das Befinden des Königs sind weiter folgende telegraphische Meldungen ein gelaufen: London, 6. Mai. (Tel.) Die genaue Untersuchung des Königs durch die Aerzte zeigte, daß sich die Bronchien nicht in einem besseren Zustand befanden, sondern etwas ernster affektiert erschienen; dies hat zu den Worten des Bulletins geführt: „Ernste Besorgnisse." Eine große Menschenmenge hat sich vor den Gittern des Schloßhofes angesammelt. Auch der Erzbischof von Canterbury langte im Schlosse an und sprach den Prinzen von Wales un mittelbar nach der Ausgabe des Bulletins. London, 6. Mai. (Tel.) Die Aerzte des Königs erachteten einen Besuch im Krankenzimmer in den nächsten Stunden nach der Veröffentlichung des Bulletins nicht für erforderlich; es verbleiben jedoch einige Aerzte im Schlöffe. Daß aber trotzdem die Lage des Königs sehr besorgniserregend ist, kennzeichnet folgende Depesche des „B. L." aus Paris, vom 6. Mai nachmittags: Nach einer eben hier eingetroffenen Londoner Privatdepesche zeigte sich die königliche Familie heute nachmittag stark beängstigt. Das Fieber des Kranken will nicht weichen. Die Atemnot war heute morgen für Augenblicke äußerst bedenk lich. Der König, des Ernstes seiner Lage sich voll bewußt, verständigte sich, da ihm das Sprechen derzeit untersagt ist, durch Zettelchen mit seinen nächsten Angehörigen. Die Teilnahme der englischen Bevölkerung. London, 6. Mai. (Telegr.) Der Andrang der Besucher zum Schloß, die sich zum Zeichen ihrer Teilnahme einschreiben wollen, ist so stark, daß es nötig wurde, ein Tor, das Tor der Botschafter genannt, in der Buckingham-Palace-Straße zu öffnen und dort ein zweites Register für die Besucher anzulegen. London, 6. Mai. (Telegr.) Der Erzbischof von Canterbury hat an alle Bischöfe in England und Wales eine Botschaft gerichtet, in der Gebete für den König in ferner schweren Krankheit angeordnet werden. Kaiser Wilhelm. Berlin, 6. Mai. (Telegr.) Der Kaiser hat be fohlen. daß ihm über das Befinden des Königs Eduard durch die Kaiserliche Botschaft in London fortlaufend Bericht erstattet wird. Bei der hiesigen englischen Botschaft ließ der Kaiser heute vormittag Erkundigungen einziehen. Di« Stimmung in Paris. 0 Paris, 6. Mai. (Privattel.) Der „Gaulois" schreibt zur Erkrankung des Königs Eduard: „Wir möchten heute noch nicht der unabsehbaren Folgen gedenken, die der Verlust eines so treuen und ehrlichen Freundes Frankreichs in dem Augen blicke nach sich ziehen würde, da England eine der schwersten Krisen seiner Geschichte durchmacht." Auch andere Pariser Blätter befassen sich mit der Möglichkeit des Eintritts der Katastrophe. Politik unü Schule. I. In einer Versammlung des Nationalliberalen Vereins zu Großbothen hielt der bekannte Geheime Hofrat Professor Dr. W. Ostwald am 4. d. M. einen äußerst interessanten Vortrag über Politik und Schule und führte dabei etwa folgendes aus: Unter Politik verstehen wir die öffentliche Tätigkeit für die Regierung eines Landes. Diese Tätigkeit, die in früheren Jahrhunderten von ein zelnen Personen ausgeübt wurde, ist nach und nach rn die Hände der Allgemeinheit Lbergegangcn, und zwar terls in guter, teils in weniger guter Form. Früher hatten wir absolute, jetzt konstitutionelle Monarchien; wir haben jetzt neben dem leitenden Oberhaupt noch eine Volksvertretung, und diese hat wieder verschiedene Rechte. Je mehr die politische Tätigkeit in weitere Kreise bineingegangen ist. um so mehr hat auch jeder die Pflicht, sich über den Inhalt dieser Tätigkeit Klarheit zu verschaffen. Diese politische Entwickelung ist in Deutschland noch nicht alt; es gibt deshalb auch noch gewisse Kreise, in denen die politische Tätigkeit wie etwas betrachtet wird, das vom Gesetz erlaubt ist, das man aber im übrigen so wenig wie möglich in den Vorder gründ treten lagen soll. Es ist eine Tatsache, daß die Menschheit vorwärts kommt, sie geht im allgemeinen nicht rückwärts, obwohl man zuweilen behauptet, die Menschheit werde durch die gegen wärtig bestehenden Erwerbs- und Lebcnsverhältnisse frühzeitig krank. Das ist jedoch nicht wahr. Wir Menschen bleiben gesünder und werden langlebiger. Die Welt schreitet fort und die verschiedenen Auf astungen der Menschen beschränken sich nur daraus, estzustellen, ob dieser Fortschritt schnell oder nicht chnell genug ist. Je älter der Mensch ist. desto chwerer lernt er. desto schwerer gewöhnt er sich an neue Verhältnisse, neue Sitten. Die neuen Dinge werden nicht für die Alren, sondern für die jungen Geschlechter gemacht. Wir können die Welt nicht für uns. sondern müssen sie für unseren Nachwuchs ein zurichten versuchen. Die Tiere schreiten nicht vor wärts, sie sind heute noch «echt anders als sic vor taufend Jahren gewesen sind. Die Menschen unter scheiden sich daher von diesen dadurch, daß sie eben fortschreiten. Es gibt unter den Menschen eine große Menge, die nur dahin streben, das Gegenwärtige zu erhalten. Besonders ältere Leute wollen von einer Aenderung des Bestehenden nichts wissen. Dasselbe gilt für die, die durch die Beibehaltung der gegen wärtigen Zustände Vorteile ziehen. Die menschlichen Zustände sind bekanntlich nicht immer perecht einge richtet, jeder hat mit gewißen Ungerechtigkeiten, aber auch mit gewißen Vorzügen zu rechnen. Die poli tische Bewegung unter den Menschen ist deshalb immer darauf gerichtet, vorhandene Ungerechtigkeiten nach Möglichkeit auszugleichen und dabei bilden sich in der Regel zwei Gruppen, und zwar: 1) Menschen, denen es gut geht, und 2) Menschen, denen es nicht gut geht. Die ersteren sind tonserva ?, sie sind dafür, alles Gegenwärtige zu erhalten, das sind die älteren Herren, die jede Aenderung scheuen, aber auch ängstliche Leute gehören dazu, die meinen, es könnte schlechter werden als es ist, und schließlich kommen dazu noch die, die das Bewußtsein haben, daß sie einen recht großen Teil an der Tafel des Lebens einnehmen und bei einer Aenderung der be- stehendenZustände einen Teil einbüßcn würden. Diesen gegenüber stehen die, die an der Tafel des Lebens zu schmal weggekommen sind, sie erscheinen als Be nachteiligte. Es stehen neben solchen Menschen auch die jüngeren Leute, die das Bewußtsein haben, die Welt, die gebaut wird, ist die, in der wir leben müßen, und so betrachten sie es für ihre Pflicht, so tatkräftig als möglich für den Fortschritt einzutreten. Dann sind auf dieser Seite auch noch die Idealisten zu finden. Man ist gewöhnt, diese Menschen mit einem gewißen Lächeln zu betrachten, als wären es solche, die in den Wolken herumfahren und es zu nichts bringen. Es geschieht ihnen damit zumeist doch un recht. Das Bestreben der Idealisten richtet sich in der Regel aus die Beseitigung bestehender Mängel. Sie sind deshalb zu den fortschrittlich gesinnten Menschen zu rechnen. Das sind ungefähr die großen Linien, die sich bei der politischen Betätigung ziehen laßen; das Resultat hängt von dem Verhältnis der Kräfte ab, mit denen die einzelnen Menschen arbeiten. Wie wir in der Physik lernen, werden die Kräfte beein flußt von dem Gesetz der Trägheit. Die Kräfte des Fortschritts werden gehemmt durch die der Trägheit. Die hemmenden Umstände sind meist schon so stark, daß die treibenden Kräfte nur einen kleinen Teil ihrer Kräfte entfalten können, um im Kampf den trägen Elementen wirksam begegnen zu können. Was hat nun die Schule damit zu tun? Die Schule ist dazu da, daßunsereKindermöglichst wirksame Menschen werden. Unsere Kinder sollen mehr leisten als nur. Referent hat sich seit etwa 6 Jahren aktiv mit der Schulfrage beschäftigt und ist erstaunt, daß die Schule nicht mehr rm Mittelpunkt aller Par teien steht. Wenn uns daran liegt, die Welt vor wärts zu bringen, die Ungerechtigkeiten verschwinden zu laßen, so tonnen wir nichts Wirksameres tun, als unsere Kinder so zu erziehen, daß sie das ausführen können, was wir nicht imstande sind. Es müßte jede politische Partei die Schule fortschrittlich gestalten helfen. Jeder denke an seine Schulzeit zurück und vergleiche, was er von dem Gelernten brauchen kann; es ist höchstens ein Drittel. Der Schluß ist der, daß die zwei Drittel, die wir nicht brauchen, aus der Schule entfernt werden müssen. Dadurch werden Kinder und Lehrer nur glücklicher gemacht, beide aber sparen Kräfte und so können unsere Kinder weitergebracht werden, als sie jetzt kommen. Es ist noch ein großer Teil in unserem Schul wesen, der zwar geschichtlich mit der Schule verbunden ist, aber aus dem Unterricht entfernt werden muß. Das ist der konfessionelle Religionsunter richt. Mit der eigentlichen Aufgabe der Schule — Sorge für die geistige und körperliche Erziehung des Kindes — hat der konfessionelle Religionsunterricht nichts zu tun. Die amerikanischen Schulen haben keinen konfessionellen Religionsunterricht. In den Reihen der Lehrer besteht die Bestrebung, den Religionsunterricht umzugestalten, ja bis zu der Forderung, daß man den Religionsunterricht von den wissenschaftlich technischen Fächern vollständig trennt. Sie alle haben jedenfalls von den Zwickauer Thesen gehört, die mäßig fortschrittlich sind. Die Zahl der fortschrittlich gesinnten Lehrer ist weit größer als die Zahl der konfessionellen Volksschul lehrer. Diesem kämpfenden Teile kann man gar nicht genug Respekt aussvrechcn, müßen sie durch dielen Kampf doch auch viele Unannehmlichkeiten auf sich nehmen. Aus den oorgegangenen Darlegungen ist zu folgern, daß für jede Partei, die fortschritt lich gesinnt sein will, die Schulfrage die erste Frage im Programm sein muß. Der neue Landtag wird das neue Schulgesetz be arbeiten. Es ist zu wünschen, daß diese Arbeit von allen Parteien genügend begiffen wird. Deutsches Reich. Leipzig, 7 Mai * Neuorganisation der Landesbrandverficherunge» anstatt. Für den Fall der Verabschiedung des zur Zeit dem Landtage vorliegenden Entwurfs eines Gesetzes über die Landesbrandversicherungsanstalt werden mit dem für den 1. Januar 1911 in Aussicht genommenen Inkrafttreten des Gesetzes die Wahlen der ständischen Mitglieder des zurzeit bestehende» Plenums der Branoversicherungskammer hinfällig werden, und es werden dafür die von dem Landtage zu ernennenden Mitglieder der neu vorgesehenen Derwaltungsausschüsse der Landesbrandversicherungs anstalt sür die Zelt vom 1. Januar 1911 an noch aus dem gegenwärtigen Landtage zu wählen sein. Dem Landtage, und zwar zunächst der Ersten Kammer, ist daher ein kgl. Dekret (Nr. 35, datiert vom 2. d. M l zugegangen. das den Kammern anheimstcllt, diese Wahlen vorzunehmen. * Wahlprüsung. Die zweite Abteilung der Zwei ten Kammer beantragt, die Kammer wolle beschließen: die Wahl des Abgeordneten Linke (Soz.) im 6. länd lichen Wahlkreise für gültig zu erklären. — Bei der Hauptwahl hatten in diesem Wahlkreise erhalten der konservative Kandidat Forster (der frühere Abgeord- nete) 2556, der vationalliberale Kandidat Schäfer 3146 und der sozialdemokratische Kandidat Link«
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