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01-Frühausgabe Leipziger Tageblatt und Handelszeitung : 19.04.1910
- Titel
- 01-Frühausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1910-04-19
- Sprache
- Deutsch
- Vorlage
- SLUB Dresden
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id84535308X-19100419013
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id84535308X-1910041901
- OAI
- oai:de:slub-dresden:db:id-84535308X-1910041901
- Sammlungen
- Zeitungen
- Saxonica
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
-
Zeitung
Leipziger Tageblatt und Handelszeitung
-
Jahr
1910
-
Monat
1910-04
- Tag 1910-04-19
-
Monat
1910-04
-
Jahr
1910
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veulMer Seichsiag. SttmmrmgsbUü. KL. Eitzuag. T. verli«, 18. April. (Prioattelegramm.j Einem Tote« galten die erste« ernsten Worte des Grasen «Schwerin-Löwitz- er gedachte mit ehrrn- oen Worten des verstorbenen Abgeordneten Grafen Oriola. Zum zweiten erfuhr man von einer Er- tranlung; Staatssetretär Delbrück, der sonst wie das Leben aussieht, ist unoäßlich und kann die Reichs- versichcrungsordnung nicht etnsühren. Statt dessen sieht man Caspar vom Reichsamt des Innern und andere Räte. Auf der Tribüne hatten sich einige Aerzte eingefunden, die von der Aerzteverjammlung des «sonntags in Berlin geblieben waren. Zentrum, konservative und Nationalliberale folgten sich in der Rednerreihe. Wenn man ihre Stimmen beachtet, lieht es besser mit der Vorlage aus, als man sie sich angesichts der lebhaften öffentlichen Kritik gedacht Haden möge. Bekanntlich lieben die Parteien es gar nicht, sich in oer ersten Lesung zu binden. Sie Zucken sich jo vorsichtig wie möglich aus. Wenn man das beachtet, war, was Spahn namens des Zen trums jagte, doch recht günstig für das Schicksal der Vorlage. Er scheint dem ganzen Aufbau mit den lokalen und zentralen Instanzen zuzustimmen und zu glauben, daß die Verteuerung durch bessere Er mittlung und durch die Entlastung der jetzt mit den betreffenden Geschäften betrauten Behörden auf gehoben wird. Für die Verteilung der Lasten der Krankenversicherung schien ihm das alte Verhältnis, Zwcidrittel Arbeiter und Eindrittel Arbeitgeber besser zu sein, als die vorgeschlagene Teilung halb und halb. Seine sowie auch des nachfolgenden Abg. schickert (Kons.) Rede waren zum Teil eine In haltsangabe des Entwurfes^ man führte noch einmal oie Bestimmungen auf, und dabei griff der eine dies, der andere jenes, zuweilen auch jeder das gleiche heraus. Der Konservative ging offen gegen einen Wunsch des Aerztetages an: die freie Arztwahl. porn-Reuß (Natl.) äußerte sich freundlicher als der Sprecher der Konservativen über den Entwurf. Er stimmte der Ausdehnung der Versicherung aus Hausarbeiter, Gewerbetreibende und Landarbeiter zu und fand den Wunsch, Personen mit einem Jahres einkommen von mehr als 2000 aus der Verjichc- rungsmöglichkeit herausgehoben zu sehen, nicht für berechtigt, nmentlich nicht im Jntcrcijc der kleinen Gewerbetreibenden. Im übrigen wollte er sich durch Besassung mit den Spezialwünschen der Aerzte und Apotheker nicht die Finger verhrennen. Mugdan lBpt.l, selbst Arzt, zerpflückte die Vorlage, wollte aber doch retten, was zu retten sei. Dann aber kam Molken buhr (Soz.) mit einer etwa 1t/2stündigen Rede, in der scharfe Kritik mit der Miene des alten Fachmannes vorgebracht wurde. So schloß die Be ratung der Reichsversicherungsordnung trocken, wie sie begonnen hatte: ein Regierungsvertreter ergriff heute noch nicht das Wort. Sitzungsbericht. Am Bundesratstische Bundesbevollmächtigte und Kommissare. Der Präsident Graf Schwerin-Löwitz eröffnet die Sitzung um Uhr mit folgenden Worten: Bevor wir in die Tagesordnung eintreten, habe ich leider dem Hause abermals eine schmerzliche Mitteilung zu machen. (Die Anwesenden erheben sich.) Der dem Hause seit 1803 angehörige Graf Oriola ist, nachdem er vor wenigen Tagen hier unmittelbar vor den Türen des Reichstagsgebäudes einen Straßen- bahnunfall erlitten hat, gestern in aller Frühe an einem Schlaganfall verstorben. Graf Oriola hat sich hier im Hause namentlich immer die Fürsorge für die alten Kriegsveteranen angelegen sern lassen. Er hat dadurch in hohem Matze die Liebe und Dankbar keit aller dieser alten Kriegsteilnehmer erworben, aber er hat auch nicht nur durch seine persönliche Liebenswürdigkeit, sondern durch sein überall hervor tretendes starkes Nationalaefühl und durch seine Liebe zum Vaterlande die Liebe und Verehrung aller Kollegen hier erworben. Sie haben sich zum Gedächt nis des Verstorbenen von Ihren Plätzen erhoben, ich stelle dies hiermit fest. Ich habe mir hereits gestattet, den Angehörigen die TeiInahine des Hauses auszusprechen. Hierauf tritt das Haus in die erste Lesung der Reichsversicherungsordnung ein. Präsident Graf Schwerin-Löwitz: Der Staats sekretär des Reichsamts des Innern hat mir mittetlen lassen, daß er durch Krank heit verhindert sei, die Einführung des Ge setzes selbst vornehmen zu können, er hoffe indessen, wenn sich sein Gesundheitszustand bessert, noch wäh rend der Beratung der Vorlage hier erscheinen und dann die erwünschte Auskunft erteilen zu können. Abg. Spahn (Ztr.): Für unsere Sozialgesetzgebung hat von jeher ein Bedürfnis bestanden; als man an die Lösung des Problems herantrat, fehlte es an einem Vorbilde im Inland und im Ausland. Bereits in der kaiserlichen Botschaft von 1878 wurde hervor gehoben, wie wichtig die Fürsorge für die arbeitenden Klassen sei, und die älteren Mitglieder des Hauses erinnern sich an die Debatten, die wir darüber im alten Reichstage geführt haben. Durch das neue Ge setz soll der Kreis der Personen, denen diese Fürsorge zuteil werden soll, noch weiter gezogen wer den, er wird sich über eine jetzt in Betracht kommende Personenzahl von 30 Millionen noch auf weitere 6—7 Millionen ausdehnen. Namens meiner Freunde kan« ich erklären, datz wir vorbehaltlich der Einzel heiten dem Grundgedanken der Vorlage sym pathisch gegenüberstehen. Die Versicherungs amt er sollen die Befugnis haben, ihre Tätigkeit über alle die Versicherung selbst betreffenden Angelegen heiten zu erstrecken. (Sehr richtig! im Zentrum.) Dan« aber müssen wir auch verlangen, datz an der Spitze Beamte mit eingehender Kennt nis der Versicherungsangelegen heiten stehen. In der Kommission wird eingehend darüber zu sprechen fern. (Zustimmung.) Der Entwurf hebt die Gemeindekrankenkassen, ebenso die Baukrankenkassen auf. Er lätzt bestehen die Orts krankenkassen und vergrößert diese. An Stelle der Gemeindekrankenkassen treten Landkrankenkassen. Er läßt weiter bestehen in etwas beschränktem Maße die Betriebskrankenkassen, Jnnungskrankenkassen und Knappschaftskassen. Eine wichtige Aenderung ist, baß künftighin Arbeitgeber und Arbeit nehmer die Hälfte der Beiträge zu zahlen haben, während bisher die Arbeitgeber em Drittel, die Arbeiter zwei Drittel zu zahlen hatten. Es wird dadurch ermöglicht, daß fortan ein Arbeitgeber den Vorsitz führt. Ich für meine Person hätte doch gewünscht, daß nach dieser Richtung das alte Verhältnis aufrechterhalten wäre, nachdem nun einmal der bisherige Zustand wesentliche Unzuträglichkeiten nicht mit sich geführt hat. Durch Beschluß des Bundesrats kann die Ver sicherung ausgedehnt werden auf Gewcrbtreibendc und andere Unternehmer; sobald oics aber nicht ge schieht, soll es nach wie vor bei der freiwilligen Ver sicherung bleiben. Sache der Kommission wird es sein, zu prüfen, ob nicht für sämtliche An gestellte eine ernheitltche Regelung möglich ist, um die Sicherstellung derselben herbei zuführen. (Zustimmung.) Bei Ausdehnung der Ler- sicherungspslicht auf das Gesinde, die nicht ständigen Arbeiter uild die Heimarbeiter gewinnt auch die Arztfrage ein viel ernsteres Gesicht als bisher. Ob die Vorlage eine befriedigende Lösung der Arztsrage bringt, ist zweifelhaft. Der Entwurf geht davon aus, daß der Kranke nur behandelt werden soll von einem Arzt, der in einem Vertragsverhältnis zur Krankenkasse steht. Die Hinterbliebenen versicherung lehnt sich an die Invalidenversiche rung an. Aufgefallen ist mir, daß der Entwurf nicht die Bestimmung trifft, daß das Gesetz in dieser Be ziehung bis zum 1. Januar 1910 rückwirkende Kraft haben soll. Die Witwen- und Waisenrente soll nur für die Hinterbliebenen ehemaliger Invaliden versicherter gelten. Der verstorbene Ernährer mutz zur Zeit seines Todes invalidenberechiigt gewesen sein, die Witwe mutz Invalide sein, die Kinder er halten eine Rente dis zum 15. Jahre. Uneheliche Kinder sind beim Tode der versicherten Mutter, auch wenn der Vater noch lebt, aur Waisenrente berechtigt, dagegen haben eheliche Kinder, deren Vater noch lebt, in der Regel keinen Anspruch auf Waisen bezüge. Die Mittel werden ähnlich denen der In validen- und Altersrenten aufgebracht. Mit allen diesen Fragen, insbesondere auch mit der Frage der Zuständigkeit des Reichsversicherungsamtes, wird sich die Kommission eingehend zu beschäftigen haben. Dieses Gesetz ist eine der bedeutsamsten Aufgaben, die jemals dem deutschen Reichstag gestellt worden sind. (Lebhafter Beifall.) Abg. Schickert (Dkons.): Nachdem im Zollrarifgesetz das Versprechen der Einführung der Witwen- und Waisenversicherung gegeben worden ist, sind wir be reit, ernstlich an der Einlösung dieses Versprechens mitzuarbeiten. Trotz der Wahrscheinlichkeit, daß die erforderliche Mehrbelastung neue Unzufriedenheit erwecken wird, müssen wir unserseits das mög lichste tun, die Angelegenheit zur Er ledigung zu bringen. Wir stimmen deshalb der Einsetzung einer Kommission zu. Gegen die Kon struktion der 'Reichsversicherungsordnung ist der Vor wurf der Unübersichtlichkeit erhoben worden; hier wird sich die Praxis aber schon zu helfen wissen. Anderseits sind die klare Ausdruckswcise und der logische Aufbau des Entwurfs anzuerkennen. Wich tiger sind die sachlichen Veränderungen, die der Ent wurf bringt. Hier begrüßen wir mit Genug tuung, daß der Plan der Verschmelzung der drei Versicherungszweige auf gegeben ist. Neu einbezogen werden sollen in die Versicherung 7 Millionen landwirtschaftlicher Arbeiter, was eine Mehrbelastung von etva 80 Millionen bedeutet. Ob die Haus- und Wandergewerbctreibenden und die städtischen Dienstboten ebenfalls der Landkrankenkasse zuzuweisen sind, darüber wird die Kommission ihr Urteil abzugeben haben. Hinsichtlich der Hal bierung der Krankenkassenbeiträge und der anderweiten Verteilung der Sitze in den Krankenkassenvorständen sind die Beteiligten be kanntlich verschiedener Meinung. Ein uner freuliches Kapitel Ist die Arztfrage. Gegen die obligatorische EinsU-rung der freien Arztwahl steht der Widerstand der Krankenkassen, die nicht in die Rolle untergeordneter Hilfsorgano zurückgedrängt werden wollen. Die Frage wird in der Kommission gründlich zu prüfen sein. Dasselbe gilt von der in H 405 vorgesehenen Bestimmung, die den Apothekern gewisse Verpflichtungen gegenüber den Krankenkassen auferlegt. Die Hinterbliebenenrente ist mit Rücksicht auf die Finanzlage nur mäßig aus gefallen; aus dem gleichen Grunde hauptsächlich ist von einer Herabsetzung des Berechtigungsaliers für die Altersrente abgesehen worden. Verschiedene meiner Freunde wünschen dringend die Ausdehnung der Invalidenversicherungspflicht auf die Haus gewerbetreibenden. Erwünscht wäre es auch, die freiwillige Versicherung auszudehnen namentlich auf kleinere gewerbliche Existenzen. Was die Un fallversicherung betrifft, so ziehen wir den Wert der Bestimmung, die das Rechtsmittel des Rekurses an das Reichsversichcrungsamt durch das der Revision ersetzt und damit das Reichsversicherungsamt ent lasten will, in Zweifel. Von Laienbeisitzern sollte eventuell ganz abgesehen werden. Haben wir sonach gegen den Entwurf nicht unwesentliche Be denken, so wird er hoffentlich doch in der Kom mission so gestaltet werden können, daß wir unsere Zustimmung aussprechen und damit zum Wohle der minderbemittelten Klassen der deutschen Bevölkerung beitragen können. (Beifall rechts.) Aba. Horn-Neuß (Ntl.): Daß ein Entwurf von diesem Riesenumfang nicht ohne weiteres durchweg auf Beifall stoßen kann, ist wohl von vornherein klar gewesen. Immerhin hat mich gewundert, datz das Werk, dessen Zustandekommen von so vielen Seiten so ungestüm seit langem gefordert ist, eine so starke Kritik erfahren hat. An Stelle der Verschmelzung der drei Versicherungszweige bringt er eine Zu sammenfassung der drei Gesetze und Ausdehnung des Wirkungskreises der Kranken- und Invalidenversiche rung in Verbindung mit Reformen im einzelnen. Für die Ausdehnung des Versicherungsbereiches kommen zunächst die landwirtschaftlichen Arbei ter in Betracht. Hier hat sich einiger Widerstand bemerkbar gemacht. Andrerseits ist aber dieser Zweig der Krankenversicherung in einzelnen Staaten bereits landesgesetzlich geregelt, so in Schwarzburg- Sondershausen. Was dort möglich war, muß jetzt auch anderswo möglich sein. Ob der Wegfall des Krankengeldes bei Gewährung der Invaliden- oder llnfalljahresrente angängig ist, erscheint zweifelhaft. Den Ausschluß aller Personen mit über 2000 Mark Einkommen von der Dersicherungspflicht halten wir nicht für sozial. Die schwersten Bedenken haben wir dagegen, daß alle neuen Versicherungspslichtigen den L a n d k r a n k c n k a s - sen zugewiesen werden sollen. Hier mutz Vorsorge getroffen werden, datz nicht von vornherein finanzielle Schwierigkeiten für diese Kassen entstehen. Dis Be triebskrankenkassen wünschen mir in mög lichst weitem Umfange aufrecht erhalten zu sehen. In den Ortskrankenkassen haben die Sozialdemokra ten schon jetzt die Oberhand. Mit den Betriebs- und Innungskrankenkassen würde es ebenso kommen. Des wegen ist auch der Vorschlag des Entwurfs, der auf eine Verschiebung der Gewalten innerhalb der Krankenkassenvorstände abzielt, durch Halbierung, sehr zu begrüßen. Aus weiten Kreisen der Kassenangestellten ertönt die Klage, daß sie der Will kür der Mehrheit der Krankenkassen preisgegeben seien. Der Entwurf sieht aber deswegen eine Dienst ordnung vor, welche die Rechts- und Dienstverhältnisse der Angestellten regelt. Daß ein unwürdiges Abhängigkeitsverhältnis der Aerzte in Wirklichkeit besteht, ist nicht zu leugnen. Eine große Anzahl ist heute auf die Kronkcnkassenpraxis angewiesen. Auf der anderen Seite behaupten die Krankenkassen, daß die freie Aerztewahl ihnen sehr erhebliche Mehrkosten verursache und die Kontrolle erschwere. Der Entwurf steht beide Systeme vor. Da gegen hat sich auf beiden Seiten ein Sturm der Ent rüstung erhoben. Wir bitten die beteiligten Faktoren, Entgegenkommen zu zeigen und nicht die Lösung der Aufgabe zu erschweren oder unmöglich zu machen. Die Apotheken sollen nach dem Gesetz ver pflichtet werden, alle diejenigen Artikel, für die Hand verkaufspreise bestehen, auch zu diesen Preisen an die Krankenkassen zu verkaufen, wenn sie gegen Rezept entnommen werden. Die Einführung des abgekürzten Verfahrens für die Einziehung der Krankenrente wird eine große Kostenersparnis herbeiführen. Die Gestal tung des Reservefonds bei der Unfallversicherung ent spricht der Resolution des Reichstages. Mit der Ord nung der Hinterblieben en bezüge sind wir einverstanden, bedauern aber, datz es nicht mög lich ist, sie günstiger zu gestalten. Auch wir wünschen, daß das Gesetz für Witwen und Waisen der Arbeiter rückwirkende Kraft erhalte. Durch die vor- zeschlagene Organisation sollen drei Zweige der Ver- lcherung einanoer genähert werden. Diesen Gesichts- runkt kann man nur billigen. Die Aufsichtsämter ollen den unteren Verwaltungsbehörden fortan an gegliedert werden. Das Reichsversicherungsamt soll dadurch entlastet werden, datz es nur noch Revisions instanz sein soll. Das Gesetz enthält eine große An zahl von Ausnahmen zugunsten der oberen und obersten Behörden in den Einzelstaaten. Es wird zu erwägen sein, ob nicht im Interesse der Reichscinheit hier Verbesserungen eintreten können. (Beifall bei den Nationalliberalen.) Abg. Mugdan (Fortschr. Vpt ): Der frühere Staatssekretär Graf Posadowsky hat einmal gesag:, daß zur Vereinfachung der Arbeitergesetzgebung ein Mann gehöre, der fast die Eigenschaft eines Diktators besitzen müsse. Ich glaube nicht, daß bei dem vor liegendem Gesetzentwurf ein Diktator Pate gestanden hat. Er hätte nicht davor zurück schrecken müssen. Verbrauchtes zu zerstören, und auch wohlerworbene Reckte zu stören, wenn damit der All gemeinheit genützt wird. Die Einbeziehung so vieler Kreise in die Versicherung ist gewiß ein Fortschritt, namentlich die Einbeziehung der Hausgewerbetrei benden. Ein Fortschritt ist auch die Einbeziehung der Dienstboten. Die Einbeziehung der landwirtschaft lichen Arbeiter in die Krankenversicherung bestand schon in Württemberg, Sachsen, in den thüringischen Staaten, sogar in einigen preußischen Kreisen. Die Arbeitgeber und Arbeitnehmer sind außerordentlich damit zufrieden. Es war also nichts natürlicher, als daß das Reich dieselbe Einrichtung einführte. Der Entwurf schlägt Landkrcunkenkassen vor. Diese sind für meine Freunde natürlich una a - ne hm bar, denn sie nehmen den landwirtschaft lichen Arbeitern jede Spur der Selbstverwaltung. In den landwirtschaftlichen Kassen macht der Kreisaus schuß die Statuten und bestellt den Vorstand. Die Bestimmungen über die Bemessung des Kranken geldes sind unglaublich kleinlich. Der Arbeiter kann auch gegen seinen Willen ins Kranken haus gebracht und ihm das Krankengeld entzogen werden. Warum gehen die Landarbeiter in die Stadt? Weil sie das bange Gefühl haben, daß es ihnen nicht möglich ist, jemals aus ihrer recht losen Lage auf dem Lande herauszukom- nren. Hier macht man noch Bestimmungen, die dem Landarbeiter zu Eemiite führen, daß er für einen Arbeiter zweiter Klasse gelten und danach behandelt werden soll. Dieses Gesetz wird die Landflucht noch steigern. Was nun die Vereinfachung be trifft, so wird in der Begründung gesagt, lebensfähig seien eigentlich nur die Krankenkassen, die 1000 Mit glieder hätten. Aber der Entwurf hat nichts gegen den Fortbestand der Betriebstrankenkasscn mit 250 und weniger Mitgliedern. Also nicht Vereinfachung, sondern Fortbestand der Zersplitterung. Nach dem Entwurf werden nach wie vor in der Stadt Personen sein, die bei jedem Stellenwechsel in eine andere Kasse gehören. Den Bestimmungen, die jetzt für jag. Ersatzkasfen in dem Entwurf vorgeschlagen sind, die aber schließlich auf die Erdrosselung der freien Hilfs kassen herauslaufen, vermögen wir nicht beizustim men^ ebensowenig der Halbierung der Vertrüge, und den nerven Vorschlägen bzw. der Vorstandswahl. Die Bestimmungen, die das Ver hältnis der Krankenkassen zu den Kassenärzten regeln sollen, halten wir für unbrauchbar. Diese Be stimmungen sind so kompliziert, daß ich, der ich mich doch seit 20 Jahren damit beschäftige, sie noch nicht verstanden habe. (Hört! hört!) Der Entwurf würde den Krieg zwischen den Kassen und Aerzten ver ewigen. Es mügcn einheitliche Vertragsaus- schüsse eingerichtet w-erden, die mit Unterstützung der Einigungsausschüsse Frieden schassen und garan tieren können. Tritt dne Bevormundung der Aerzte durch die Behörden hier schon kratz hervor, so geschieh! das noch krasser in dem ominösen 8 405, der sich gegen die Apotheker richtet und eminent politischen Bei geschmack hat. Eine Ueberschätzung der Mitwirkung der Behörden scheint mir auch die vorgeschlagens Vermehrung der Behörden in Gestalt der Der- sicherungsämter. Die Wünsche auf Verschmelzung aller Versicherungszweige sind zusammengeschrumpfr auf den Wunsch nach gemeinsamem Unterbau. Auch dieser ist nicht zu finden deswegen, weil der Gegen stand der Krankenversicherung viel zu verschieden ist von der Hinterbliebenen« und Invalidenversicherung. Ich muß hier den oft erhobenen Vorwurf wieder holen, daß es eigentlich unverständlich ist, datz die deutschen Regierungen fast insgesamt vernach lässigt haben, Kenntnis der sozialpoli tischen Gesetzgebung auf den Universitäten den Studierenden zu vermitteln. Dadurch ist gerade in den Kreisen der Juristen und Verwaltungs beamten eine Kenntnis unserer Sozialgesetzgebung nicht vorhanden. Woher sollen also die Ver- sicherungsamtmänncr sie haben? Wenn die Verfasser des Entwurfs sich einmal näher mit der sozialen Hygiene beschäftigt Hütten, so wären manche Bestimmungen der Vorlage nicht möglich gewesen. In der Begründung wird den Arbeiterfrauen ein Loblied gesungen und die Erweiterung ihres Wirkungskreises für notwendig erklärt. Während sie aber jetzt in den Vorständen nicht nur der Kranken kassen, sondern auch der Invalidenanstalten sitzen dürfen, gesteht man ihnen ausdrücklich dieses Recht für die Versicherungsämter und Obervcrsicherungs ämter nicht zu. Eine ehrenamtliche Tätigkeit wird heutzutage schon eher als eine Strafe empfunden. Wenn nun nach den Bestimmungen des Entwurfs ein Vorsitzender ein ehrenamtlich tätiges Mitglied wegen Fehlens mit 150 -4t Strafe belegen darf, wird dies zur Freudigkeit, ein solches Ehrenamt zu übernehmen, sicherlich nicht beitragen. Die Berussgenossen- schaften haben ihre P f l i ch t e n in der erwarteten Weise erfüllt. Ohne die Arbeiterberufsgenossen schaften würde die Unfallversicherung nicht so weit ge kommen sein, wie sie jetzt ist. Ich persönlich meine, es wäre zweckmäßig gewesen, die Arbeiter von An fang an bei Feststellung der ersten Entschädigung teil nehmen zu lassen. Die Erfahrung hat gezeigt, daß sie durchaus ihre Pflicht tun. Ich persönlich bin auch der Ueberzeugung, daß es von Vorteil ist, wenn das Reichsversicherungsamt aufhört, die letzte Instanz zu sein, wenn es nicht mehr wie bisher den ganzen Tat bestand durcharbeiten muß, sondern sich darauf be schränkt, die Nechtscinheit zu üchern. Geradezu lächerlich müssen die Bestimmungen über die Kontrolle wirken. Das Tollste aber ist, daß Strafen verhängt werden können, sowohl vom Versichc- rungsaint, als auch von der Lajjdesversicherungs- behörde. Ich verstehe nicht, daß man in unserer Zeit die Beamtenschaft wegen solcher Quisquilien noch vermehren will. Die H i n t e r b l i e b e n e n v er st ck c r u n q enttäuscht aufs höch ste. In den Zeitungen hat man von Pscnnigreuten für Witwen gesprochen. Mir erscheint auch höchst zweifelhaft, ob cs sich wirklich lohnt, wegen ihr einen solchen Ver- ücherungsappnrat aufzuvauen, wie sie ihn erfordert. Daß die Kodifikation nicht gelungen ist, liegt daran, daß die Verfasser vor eine Aufgabe gestellt waren, die zu lösen unmöglich ist. Die Vereinheitlichung der Versicherung kann nicht auf einmal, sondern nur in einer gewissen Anzahl von Jahren erreicht werden. Theoretisch ist das Werk vielleicht von Vie aus ttüknorel bereitete Ks?-8e!ke (veutsckes keickspatent blr. 112456 un6 122354) Kat sick mit 6er grössten Lcknelliglceit über die ganre Welt verbreitet und vird vegen ikrer vorrüglicken Wirkung aut die 8ckönkeit und Oesundkeit 6er klaut von Millionen täglick benutzt, iVlrm Kat eben rasck gesunden, dass von den diskergebräucklicken Zeisen voll- ständig ab veiclit un6 einen veit grosseren Wert besitzt als diese. Hine Wasckung mit I-L^-Seite bereitet in- stille der eigenartigen k<onsistcn7. und Weiektieit des Zeli.mmes ein ganz besonderer, Wolilbeliagen. preis per Stück 80 pkx. kd«^»l.on,,-8«ike per Stück 54.1.—, eiexanter Kiuckon t 4 8tück 54. 3.80. veberrll ockLltlicd.
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