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01-Frühausgabe Leipziger Tageblatt und Handelszeitung : 19.04.1910
- Titel
- 01-Frühausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1910-04-19
- Sprache
- Deutsch
- Vorlage
- SLUB Dresden
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id84535308X-19100419013
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id84535308X-1910041901
- OAI
- oai:de:slub-dresden:db:id-84535308X-1910041901
- Sammlungen
- Zeitungen
- Saxonica
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
-
Zeitung
Leipziger Tageblatt und Handelszeitung
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Jahr
1910
-
Monat
1910-04
- Tag 1910-04-19
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Monat
1910-04
-
Jahr
1910
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leicht gemeint sei» komtte, so»der» darauf, wie «r i» der praktischen Durchführung wirken wird. (Bravo!) Wir können das matzgedende Urteil darüber für uns in Anspruch nehme» aus Grund unserer Beschästigung mit der Frage und unserer Erfahrungen am eigenen Leibe. Wenn der Entwur Gesetz würde, würden die 13^ Millionen Personen, di« heute der Kranken rassenbehandlung unterliegen, um mindestens die Hälfte vermehrt und so weitere Gruppen der Be völkerung aus dem freien Wettbewerb ausgeschaltet werden. Die Zulassung jeden Arztes zur kassenärztlichen Tätigkeit, sofern er sich auf die vereinbarten Be. dingungen verpflichtet, muh die Regel sein (freie Aerztewahl); Ausnahmen hiervon dürfen nur in besonderen Fällen eintreten. Die Entscheidung, ob solche Ausnahmesälle oorliegen, soll eine unparteiische Instanz, die Spruchkammer des Oberversicherungs amtes, treffen. Als besonderer Fall wäre anzusehen, wenn einer Krankenkasse wegen Ueberspannung der ärztlichen Forderungen der Abschluß eines allgemeinen Lertrags nicht zugemutet werden könnte; die bishe.ige Erfahrung gibt freilich keinen Anlah zu solchen Be fürchtungen. Auch den Aerzten soll das Recht gegeben werden, den Ausfchluh eines Arztes zu beantragen. Damit soll keine Waffe gegeben werden, gegen Standesgenossen vorzugehen, die etwa aus politischen, konfessionellen, gesellschaftlichen oder anderen Gründen mißliebig erscheinen; einzig und allein ein Versteh gegen dir Standes- und Berufspflicht soll dazu be rechtigen. Die im Entwürfe der verbündeten Regierungen vorgesehene Einrichtung von zwei Vertragsaus- fchüssen, eines für allgemein« und eines für besondere Aerzteverträqe, ist ein für allemal abzutehnen. Viel leicht noch niemals ist von der Gesetzgebung das ckiricis et iivpbra so rücksichtslos ausgesprochen. (Leb haftes Bravo! und Heiterkeit.) Die beiden Aus schüsse können sich unterbieten, wobei nicht nur an die Honorarforderung zu denken ist. Es brauch: im Be reiche eines Oberversicherungsamtes nur vier Acrzte zu geben, die sich dazu herbeilassen, dann sorgt für alles andere liebevoll das Gesetz. Da könnten unsere Feinde wahrlich frohlocken' Die Wahlen der Arztvertreter in die Dertrags- ansschiisse soll nach dem Entwurf durch die für den Bezirk zuständige Standesoertretung erfolgen, wenn die in die Liste eingetragenen Aerzte es ein. stimmig beantragen; nach unseren Borschlägen soll es genügen, wenn zwei Drittel der eingetragenen Aerzte es beantragen. Wenn einmal im Rahmen der Derficherungsord- nung ein Reichsarztrccht geschaffen werden soll, können wir nicht zugeben, wie der Entwurf es will, dah die Behörde nach Belieben wieder davon abgehen können. Das können wir nicht Behörden in die Hand geben, die sich unser Vertrauen bisher nur in sehr bescheidenem Mähe zu erwerben verstanden haben. (Bravo! und Händeklatschen.) Die Aerzte sind bereit, wenn es sein muh auch im bittersten Kampfe, ihr Lebensrecht sich zn erstreiken. (Be- geisterte«; Bravo!. Händeklatschen und Trampeln.) Ferner sind zu fordern eine obligatorisch-paritätische Einigungskommission als erste Instanz und eine obligatorisch-paritätische Schiedskammer als zwei e Instanz. Wir haben der Ausdehnung der Kranken kasse au? weitere Schichten der Bevölkerung zu- gestimmt; aber es darf nicht Raubbau mit unserer Kraft getrieben werden, daher muh für alle der Krankenverficherungspslicht unterworfenen Stände der Grundsatz statuiert werden, dah die Versicherung nur eintritt, solange das jährliche Einkommen dieser Person 2000 .kt nicht übersteigt. Der Kurierzwang ist zu verwerfen. Rtit einem flammenden Appell zur Einigkeit schloß der Referent. Ihm dankte nicht endenwollcnder Beifall. Trotzdem erhob sich Widerspruch gegen die Enbloc« annahme einer inzwischen eingebrachten Ent schließung. Es wurde daher die Diskussion er öffnet, in der alsbald Dr. Deckhaus und Dr. Sauberg (Bochum) gegen die freie Arztwahl auf traten. Der erstere erinnerte daran, daß die ober, schlesischen Knappfchaftsärzte, dann die Bochumer und endlich di? Saarbrücker gemahnt hätten, die freie Äerztcwahl nicht ins Gesetz hineinzubringen. Sau berg erklärte u. a.: „Wir handeln nur in Wahrung unserer Interessen", worauf sich ungeheure Heiterkeit und ironische Zustimmung geltend machte. Dr. Rot h- maler (Ouerfurt) suchte den Widerspruch zu ent kräften. indem er die Verhältnisse unter den Mans- felder Knappschaftsärzten darlegte und die Hoffnung aussprach, dah, wo wirklich „besondere" Verhältnisse vornegen und bewiesen werden könnten, die Orgaur- sation auch nicht aus freie Aerztcwahi hindrängen würde. Es sprachen noch u. a. Dr. Magen, der Redakteur der Zeitschrift des Aerztevereinsbundes, und Dr. Berghaus (München). In der Abstimmung wurde die Entschließung an genommen mit allen gegen drei Stimmen, hinter denen nur etwa 200 Mitglieder standen. Die Ent schließung ist sehr lang. Da sie aber von der erregten Stimmung der organisierten Aerzte ein Bild gibt, sei ein größeres Stück abgedruckt: „Der am 17. April in Vertin versammelte außer ordentliche Deutsche Aerztetag stellt fest, dah der dem Reichstage vorgelegte Entwurf einer Reichsversiche rungsordnung in seinen Bestimmungen über die Ordnung des kassenärztlichen Dienstes die seit langen Jahren immer wieder einmütig erhobenen Foroe- rungen der im Deutschen Aerztevereinsbunde orga nisierten 2 1 000 Aerzte unberücksichtigt läht. Er erkennt in der geplanten Errichiung getrennter Ver- trogsausschinse für jedes kassenärztliche Snstem die Gefahr, dahin die Einigkeit der Aerzte- schaft Bresche gelegt, die ärztliche Organi sation ausgeschaltet und vernichtet wird, und so die Aerzte wehrlos gemacht und der un beschränkten Herrschaft der Kassenvorstände aus geliefert werden. Eine Ordnung der Arztsrage, de selbstsüchtigen Sonderbündlern ihre Fürsorge zu wendet und sogar Wortbrüchige den vom Staate eingerichteten Ehrengerichten entzieht dafür aber das jedem freien Berufe Anstehende Koalitions recht beseitigt, lehnt der Aerztetag ent schieden ab. Eine solche Ordnung ist nicht ge eignet, den von allen Seiten und nicht zuletzt von der deutschen Aerztefchaft im Interesse aller sozialen Fürkorgeeinrichtungen als unbedingt notwendig er kannten Frieden zwischen Aerzten und Kranken kassen herbeizusühren, sondern nur allzu sehr dazu angetan, den Krieg zwischen Kasten und Aerzten zu verschärfen und zu verewigen, und dazu noch Kampf und Streit der Aerzte untereinander zu entfachen. Immer und immer wieder hat der Deutsche Aerzte. tag seine mahvollen und gut durchführbaren Forde rungen einmütig ausgestellt. Sie sind ein untrenn bares Ganze und müssen es bleiben. Immer und immer wieder hat der Deutsche Aerztetag gezeigt, wie leicht man durch ihre Erfüllung im Rahmen des Gesetzes eine glückliche Lösung der Kastenarztfrage und dauernden Frieden zwischen Aerzten und Bcrsiche- rungsträgern herbeiführen kann. Er will auch bis in die letzte Stunde an dem Versuche einer friedlichen Regelung festhalten und beauftragt deshalb seinen Eeschäftsausschuh, dem Reichstage sofort die von ihm als unbedingt notwendig erkannten Abänderungen des Entwurfes mit Begründung zur Berücksichtigung zu unterbreiten, und er erwartet, dah die Gesetz gebung, nachdem sie den Aerztestand mit seinen De- rufsnotwendigkeiten seit Begrnn der sozialen Gesetz gebung als unbeachtlich beiseite gelösten hat, nunmehr endlich seinen Forderungen die gesetzliche An- erkennung verschafft. Der Deutsche Aerztevercinsbund erklärt nochmals feierlich, daß er jedem Versuche, die Einigkeit der Aerzte zu untergraben, ihre Koalitionsfreiheit anzu tasten und Schutzmahregeln für Schädlinge des Standes zu treffen, den äuhersten Widerstand entgegensetzen wird Leiden dann Sozial versicherung und Versicherte Not, fällt allein der Ge setzgebung die Verantwortung dafür zu " So ruft heute in der Stunde der Not und Gefahr der Deuttche Aerztetag von neuem die Aerztefchaft aus, in festem Zusammenschluß die Waffen der Selbsthilfe beieitzuhalten, und er beauftragt seine wirtschaftliche Abteilung, den LeipzigerVerband, diejenigen Maßnahmen schleunigst zu ergreifen und durchzu führen. die dem ärztlichen Stande di? Freiheit seiner Bcrufsübnng ailf jeden Fall zu gewährleisten und die ihm gebührende Stellung den Krankenkasten gebest, über zu sichern geeignet sind." Dem Reichstage werden die Wünsche der Aerzte- versammlung alsbald übermittelt werden. Deutsches Reich. Leipzig, 19. April. * In der Frage der Schiffahrtsabgaben war eine Meinungsverschiedenheit zwischen Württemberg und Baden über die Neckarkanalisierung entstanden, Unter Mitwirkung des Reichskanzlers ist aller eine Einigung zustande gekommen; zu diesem Zwecke waren auch die Minister von Pischek und von Vod- man in Berlin. Nach den jetzigen Dispositionen wird sich der Bundesrat in der letzten April woche noch einmal mit den Schiffahrtsabgabenaesetz be fassen. Es soll nunmehr nicht ausgeschlossen sein, daß die dem ursprünglichen Entwurf gegnerischen Staaten Sachsen (?), Vaden und Hessen oen Ein- spruch fallen lassen, dah mithin ein einmütiges Botum erzielt wird. * Uebcr die Erkrankung des reformerischen Reichs» tagvabgeordneten Zimmermann waren irrtümliche Meldungen verbreitet worden. Der Abg. Zimmer mann stellt dagegen in der von ihm herausgegebenen „Deutschen Reform" fest, dah er seit Donnersrag wieder in Berlin weilt und an den Arbeiten des Reichstages teilnimmt, wenn er auch als Rekon valeszent sich noch einige Schonung auferlegen müsse. Von einer Mandatsniederlegung sei keine Rede. * Zur Frage der Reform des Religionsunterrichts in der Volksschule nahm eine am Sonntag in Wurzen tagende öffentliche Versammlung des dortigen Zweig vereins des Evangelischen Bundes Stellung. Sre war von ca. 350 Personen besucht. Als Referent war Pfarrer Liz. theol. R i e t s ch e l - Sachsendorf ge wonnen worden. In zweistündiger Rede behandelte dieser in eingehender Weise das Thema: „Warum müssen wir an der konfessionellen Schule festhalten?" An der Hand reichen Materials suchte Referent nach zuweisen, daß einer Reform des sächsischen Schul wesens nach den Beschlüsten der Vertreter des Sächsi schen Lehrervereins in Dresden, die eine zwangs mäßige Einführung des konfessionslosen Religions unterrichts forderten, niemals zugestimmt werden dürfe. Zu der vorgesehenen Debatte meldeten sich un erwarteterweise keine Redner. Offenbar lag das mit daran, dah in den Wurzener Tageszeitungen den Lebattereünern nur 15 Minuten Redezeit zugesichert worden war. * Bergarbciteroersammlungen. Am Sonntag fanden im Zwickauer und im Oelsnitz-Lugauer Stein kohlenrevier vier stark besuchte Bergarbeiterversamm lungen statt, in denen Resolutionen angeiwmmen wurden, die sich gegen die Verschlechterungen im neuen Statut der Knappfchaftspensionskaste wenden und die Forderungen der Bergarbeiter zum Ausdruck bringen. Referent in den beiden Zwickauer Versamm lungen war der Vorsitzende des Deutschen Berg- arbeiterverbarrdes, Reichstagsabgcordneter Sachse. * Staatssekretär Delbrück leidet an rheuma tischen Schmerzen in einem Juh und hütet auf ärztlichen Rat das Zimmer. Es ist indes begründete Aussicht vorhanden, dah die Krankheit, die nur leichter Natur ist, in einigen Tagen behoben ist. Der Staatssekretär konnte daher am Montag auch die Einführung der Reichsversicherungsordnung im Reichstage nicht vornehmen. * Der Bundesrat hat in seiner Montags-Sitzung dem Entwurf eines Gesetzes über die Errichtung eines Kolonial- und Konsulargerichtshofes Zu stimmung erteilt. * Neuer Gesandter i» Lissabon. Wie die „Nordd. ANg. Ztg." meldet, ist zum deutschen Gesandten in Lissabon der bisherige Gesandte in Santiago in Chile Irhr. von und zuBodman in Aussicht ge- nommen. * Konferenz zur Bekämpfung des Mädchenhandels. Bei der am Montag in Paris eröffneten internationalen Konferenz zur Bekämpfung des Mädchenhandels und der Pornographie wird Deutschland durch den Geh. Legationsrat Dr. Lentze vom Auswärtigen Amt, Geh. Regierung»- rat Dr. Joel vom Reichsjuskizamt und Legations rat o. M u t i u s von der Pariser deutschen Botschaft vertreten sein. - - — * Zeppelin und da» Reich. Der Zevpelinwerft sind erneut von zwei grohen Auslandsstaaten Aufträge auf Lieferung von Kriegsluftschiffen zugegangen. Bisher hat die Zeppelinwerft eine Entscheidung noch nicht getrosten. Eine Zusage ist jedoch nicht ausgeschlosse n, da das Deutsche Reich zur Abnahme weiterer Zeppelinluftschiffe wenig Nei gung zeigt. — Wir hoffen stark, daß mit Hilfe des Reiches eine derartige Zusage nicht zur Wirklich keit wird. * Die Beschleunigung der Wahlp.üsungen erstrebt ein Antrag, den die Wahlprüfungskommission des Reichstages angenommen hat. Der Antrag lautet. Der Reichstag wolle beschließen, die Geschäfts ordnung für den Reichstag wie folgt abzuändern: An Stelle de» Absätze« 2 de« 8 5 treten folgende Bestimmungen: „Die Kommission wird in jeder Legislaturperiode für die Dauer der. s-elben gewählt: sie ist befugt, ihre Geschäfte auch während der Zeit, in welcher der Reichstag nicht versammelt ist, zu bearbeiten. Ihr steht das Recht zu die Anstellung von Ermittelungenselb. ständig zu beschließen; im übrigen sind für sie die Paragraphen 26, 27, 29 bis 31 der Geschäfts ordnung maßgebend." Der Antrag soll dem bisherigen Mißstand ein Ende macken, daß die Mahlprüsungen ?um Teil erst am Schluss« der Legislaturperiode erledigt werden. » Die Situation der Generalaussperrung im deut schen Baugewerbe wird von offizieller Seite der Ar beitnehmer wie folgt dargestellt: Bis Sonnabend abend sind im Deutschen Reiche rund 175000 Ar beiterausgesperrt. Da auch die Hilfsarbeiter ufw. zu feiern gezwungen sind, beträgt die Gesamt zahl der a u s g e s p e r r t e n Arbeiter rund 250 000. Die Zahl dürfte sich in den nächsten 10 Tagen um weitere 200 000 vermehren. — Der Verband der Arbeitgeber des deutschen Baugewerbes wird die erste offizielle Zusammenzählung der Ausgesperrten erst Ende dieser Woche vornehmen. * Vo.bercitungen zur nächsten Reichstagswahl. An die freisinnige Parteileitung in Halle gelangte die Mitteilung daß die Konservativen im Wahl kreise Torgau — Liebenwerda beschloßen haben, bei der nächsten Reichstagswahl den natio - nallibcralen Vertreter nickt wiederzuwählen, da sie nach den letzten Vorgängen einen eigenen Kan didaten aufstellen werden. — Der nationalliberale Vertreter des Wahlkreises, Abg. Wilde, wurde 1907 in der Stichwahl gegen den Sozialdemokraten gewählt. Vei der Hauptwahl wurden 10 268 natio nalliberale, 4311 freisinnige und 6868 sozialdemo kratische Stemmen abgegeben. ' Der Verband der deutschen gemeinnützigen und unparteiischen Rechtsauskunftsstellen, der sich zur Aufgabe gestellt hat, den minderbemittelten Bevölke- rungstlassen Nechtsberatung und Rechtshilfe unent geltlich zuteil werden zu laßen, hat den Bericht über seine 2. Hauptversammlung rm Druck erscheinen lasten. Der Bericht erweckt weiteres Intereste durch die von sachverständiger Sette gehaltenen Vorträge über „Die Reform der Arbeiterversicherung", „Die Rechtsauskunftsstellen als Einrichtung der modernen Wohlfahrtspflege" und „Die Ausdehnung des Rechts schutzes aus die prozessuale Vertretung". Der Be richt ist zum Selbstkostenpreise von 1,50 portofrei von dem Vorsitzenden des Verbandes, Oberbürger meister Kaiser, Rixdors bei Berlin, Rathaus, zv. beziehen. tluslsnü. Oeltcrrrlür-Ungsrn. * Roosevelt i» Pest. Expräsident Roosevelt ist am Sonntagabend in Pest eingetrofscn und von dem Vertreter des Ministerpräsidenten, dem Ober stadthauptmann und sämtlichen Mitgliedern des Munizipalausfchustes empfangen worden. Dor dem Bahnhof hatte sich eine riesige Menschenmenge an gesammelt, die ihn mit stürmischen Hurra- und Eljen- rufen begrüßte. — Roosevelt machte am Montag vormittag bei dem Erzherzog Josef und dem Mi nisterpräsidenten Grafen Khuen Besuche. Mittags erschien er im Parlament, wo die ungarische Gruppe der interparlamentarischen Konferenz eine Sitzung ab hielt. Graf Albert Apponyi überreichte ihm namens der Gruppe eine Adresse. Roosevelt nahm sodann an einem Dejeuner beim Erzherzog Josef teift Frankreich. * PoNtN in der Kirche. Monseigneur Germain, Erzbftchof von Toulouse, hat am Sonntag auf allen Kanzeln seines Kirchensprengels einen Hirtenbrief verlesen lasten, der sich mit den Wahlen zur Kammer beschäftigt. Der Kirchenfürst verwahrt sich ausdrücklich dagegen, Politik zu machen, die Wiederaufrichtung der Monarchie in dieser oder jener Form und den Sturz der Republik zu betreiben. Sein einziges Bestreben sei auf Wahrung der kirch lichen und religiösen Interesten gerichtet, nichtsdesto weniger aber spricht Germain in einem fort von so- lag iion aloigsnrßo AkonnsnivnLakI! Paul Lacombe. Von Eugen Segnitz. Zu den französischen Tonsetzern, die in ihrem Schaffen eine mehr gemäßigte Richtung einhalten und im Wirken der deutschen Meister Bach, Haydn, Mozart, Beethoven, Schumann und Wagner das Heil der Kunst erblicken, gehört PaulLacombe, besten Werke in Deutschland noch nicht hinreichende Würdi gung gefunden haben. Am 11. Juli 1837 in Carcassonne sur Aude in Südsrankreich, dem französischen Rothenburg, als Sohn eines Tuchsallrikanten geboren, bewies Lacombe schon frühzeitig hervorragende musikalische Anlagen, deren Ausbildung die äußeren Verhältnisse anfänglich freilich entgegen zu jein schienen. Dena cs stellte sich aus Familieninteresten die unabwend bare Notwendigkeit heraus, daß Lacombe das väter liche Geschäft wciterführe, ähnlich vielleicht wie einst Zelter, der als Maurer- und Chormeister in ein und derselben Person fungierte. So konnte es dahin kommen, daß Lacombe von guten Freunden und ge treuen Nachbarn als Amateurkomponist hingestellt ward, obwohl feine Werke sich in Frankreich allmäh lich immer mehr Terrain «rollerten und der Künstler manche Ehrungen (als Ritter der Ehrenlegion ufw.) erfuhr. Jedenfalls aber ist Lacombe eine auffallende Erscheinung unter den bedeutenden französischen Komponisten schon deshalb, weil er seine engere Heimat niemals auf längere Zeit verließ. Um musikalisch auf dem lausenden zu bleiben und sich mit allen neuen Erscheinungen seiner Kunst vertraut zu machen, unternahm Lacombe von Zett zu Zeit größere Reisen, deren Ziel Paris, Berlin, Leipzig, München und Bayreuth bildete. Die musikalische Grundlage verdankte er einem ehemaligen Schüler des Pariser Konservatoriums, namens Teysseyre, der aus Gesundheitsrücksichten das südliche Frankreich besuchte. Unter besten Anleitung studierte Lacombe besonders die musiktheoretischen Werke Cherubinis. Nachdem in solcher strengen Schule sein Talent heran gereift war, wandte sich unser Künstler, vom kleinen Klaviergenre und der Kammermusik ausgehend, auch der Orchesterkomposition zu, und empfing hierbei von G. Bizet, der ihm fürs Leben in treuer Freundsckaft verbunden blieb, eine kurze Zeitlang viele förderliche Anregung und Belehrung. Lacombe gehörte zu den Gründern der „Soci<Zt6 nationale de musique" (187!) und ist ihr trotz allen Wandlungen, welche die Musik innerhalb der verflossenen SO Jahre durchmachte, immer treu geblieben. Im Jahre 1901 wurde La combe Mitglied der Akademie der schönen Künste in Paris, im folgenden auch Ritter der Ehrenlegion. Dem gesamten Schassen Lacombes ist Boden ständigkeit in höchstem Maße zu eigen. Die uralte, in der unmittelbaren Nähe der Völkergrenze ge legene, von wunderlich gezackten, mit Wachttürmen versehenen Mauern nmgebene Stadt Carcassonne hat es ihm nun einmal angetan — ui toujcvii-s <x>ns?rvö rnon ckoinioilv e-ck j'öspsvtz biov z- raonmr", bekannte Lacombe bei Gelegenheit einmal. In seinen größeren und kleineren Werken finden sich häufig heimatliche Motive, aus dem echten Volksgesange entlehnte und mit besonderem künstlerischen Geschick verarbeitete Themata baskiscken Ursprungs und Ge präges, die im Fünf- und Sicbenvierteltart eine sehr eigenartige, aber doch völlig ungezwungene Wirkung hervorbringen. Auch in vielen anderen Kompo sitionen bedient sich Lacombe in freiester Wirkung dieser Rhythmen ohne Anlehnung an volkslieder artige Vorlagen. Nach dieser Seite hin tragen seine Merke einen gewissen Zug an sich, der sie mit manchen Produkten der Ncurussen entfernt verwandt er scheinen läßt. Paul Lacombe ist ein arbeitsfroher Künstler, dem neue Ideen, neue Pläne zwanglos aufgehen, der aber mit der Ausführung des einmal konzipierten Werkes sehr langsam und bedächtig vorgcht und gar manche von ihnen lieber im Schreibtisch zurückbehält, als daß es etwa nicht ohne jedwelcke Furcht und Tadel vor der Welt bestehen möchte. Kräftige Erfindung, un mittelbar freie und natürliche Gefühlsäußerung machen die erfreuliche Signatur seines Wesens aus. Eine tiefinnerliche Fröhlichkeit belebt auch viele von Lacombes Werken und macht sie dem Hörer vom ersten Augenblick an sympathisch. Aber es fehlt ihnen andernteils auch nicht an mannigfachen melancholischen Momenten, die ja dem südländischen Empfinden durchaus nicht fremd sind, sondern vielmehr ein bestimmtes und ausnehmend charakteristisches Kennzeichen des Ge» sühlslebens danlellen. Ties tritt u. a in Lacombes Kammermußk hervor, Z. B. in der A Moll-Sonate für Klavier und Violine. Im ersten Satze ist viel Bewegung, aber sie steht unter dem Eindrücke ver haltener Resignation, die nur zuweilen sich in leiden schaftlichem Ausbruche Luft macht. Das folgende schöne Adagio vergegenwärtigt mit seiner stillen Eextenmelodte die Auslösung des vorangegangenen Schmerzes, und im „Intermezzo" bereitet sich sachte jener Frohmut vor, der im Finale das liebens- würdige, viel ursprüngliches Talent bezeugende Opus abschlleßt. Auch in der F-Moll-Klavier-Violinsonate (Opus 17) durchschreiten wir, hier und da wohl leise Mendelssohns Schatten folgend, einen ähnlichen Stimmungskreis. Lacombe hat sich mit Vorliebe der Kammermusik zugewandt. Eines neuen Streichquartetts seiner Arbeit konnte ich leider nicht habhaft werden, lernte dafür aber die beiden Klaviertrios um so höher schätzen. Zwischen jenem in E-Dur (Opus l2) und dem anderen in E-Dur (Opus 90) liegen genau 30 Jahre. Wie das erste, 1867 entstandene Trio beweist, wurde schon damals Lacombes Sinn für die Kombination verschiedener Metra rege: im zweiten Satze wechseln hier z. V. 24 und '/« in pikanter, aber gänzlich freier Weise miteinander ab, was diescnfalls einem sein pointierten Witz gleichkommt. Das ganze Trio ist voller Licht und Lebensfreude, anscheinend recht auf des Daseins Sonnenseite konzipiert, im Vollbesitze männlicher Kraft ausgeführt, und beweist u. a. auch, wie tief sein Schöpfer in jüngeren Jahren bereits sich mit dem Wesen der Kammermusik ver traut gemacht hatte, wiewohl er, im zweiten (E-Dur-)Trio sich keineswegs gesonnen zeigt, die üblichen vier Sätze strikte einzuhalten, wenn er in einem fünften Satze etwa noch mehr zu sagen hat, was unbedingt zur Sache gehört. Auch auf dem Felde der großen, sinfonischen Form betätigte sich Lacombe mit schönem Erfolge. Seine B-Dur-Sinfonie (Opus 30) ward 1879 preisgekrönt und steht unter dem Einflüsse von Mendelssohn und Schumann. Sie zeichnet sich durch ebenso sichere, als elegante Faktur aus, wird aber von ihrer Nach folgerin, jener in D-Dur (Opus 36), bedeutend über- troffen durch viel originelleren Gedankeninhalt und plastischere Formung der Themen. In die Ent stehungszeit dieser zwei Werke fällt noch ein drittes, eine Pastoralsuite für Orchester (Es-Dur, Opus 81), die wiederum des Autors besondere Freude an der musikalischen Miniatur dokumentiert und ländliche Stimmungen mit Sicherheit fixiert. In zwei Sätzen, Aubade und Marchcrustique, macht sich Lacombes Humor wieder auf gewinnendste Weise geltend. Heimatluft weht uns aus den Blättern der Partitur einer Rhapsodie über Lieder des Pays d'Oc (Opus 128) entgegen. Es ist interessant, zu beob achten, wie geschickt der Tonsetzer hier die allerliebsten Themen seiner heimatlichen Musik in freier Ouver türenform zusammenfaßt und sich zu eigen macht, ohne ihnen den besonders gewinnenden natürlichen Hauch zu nehmen. Die Beschäftigung mit Sebastian Vachs Werken mußte Lacombe notwendigerweise zur Suite hin- sühren. Es liegen bis jetzt vier Klaviersutten vor (in A-Moll Opus 15, Cis-Moll Opus 64. D-Moll Opus 81 und A-Moll Opus 52). Dem inhaltlichen Werte nach bewegen sich diese vier sehr bedeutenden Kompositionen in merkbar aufsteigender Linie. Kräftige, individuelle Erfindung und lebhaftes Ge fühl für die Schönheit der musikalischen Form ver einigen sich darin mit ausgezeichneter Kenntnis des Pianofortes und seiner zahlreichen, oft bis ins Feinste ausgedachten Klangesfekte. Zudem bilden sie alle sehr dankbare Aufgaben für den fertigen Pianisten und sind durch eigenartige Mischung von älteren und neueren Elementen nach Form und In- halt außerordentlich anziehend. In ihrer originellen Art dürfen sie wohl einen der bevorzugtesten Plätze in der modernen französischen Klavierliteratur bean spruchen. Auch auf dem Gebiete der höheren Pianofotte- studie tat sich Lacombe hervor. Seine Sechs Etüden des Opus 33 bilden gleichsam die Einleitung zu oen komplizierteren Vier Etüden Opus 109, die als Dor- tragsetiiden zugleich instruktiven Zweck haben und nach jeder Seite hin den höchsten Anforderungen Genüge tun. Hierher gehört auch die sehr hübsche A-Dur-Tokkatina (Opus 85), welche der vorzugs weisen Ausbildung der linken Hand dienen will. An Lacombes Vorliebe für Schnmannsche Klavierpoesie erinnern die Pages improvisöes (Opus 79), reizende Genrestücke feinster Art, in deren Gesellschaft die Zwei Romanzen (Opus 126) recht wobl Hineinpasten. Lacombe liebt es, seine immer vornehmen Gedanken in die Form des eigentümlich stilisierten Tanzes zu kleiden. Er zeigt das in den Feuilles volantes (Opus 112), in den Mazurken (Opus 114) und in der Walzersuite (Opus 120) — Stücke bester und natür lichster Hausmusik, nicht gar schwer ausführbar, immer aber interessant, persönlich und von lieblichem Klangreiz erfüllt. Auch die aus früherer Zeit stammenden vierhändigcn Walzer (Opus 25) sind kn ihrer Art zart empfunden und empfehlen sich durch Eleganz der Darstellung. Schon oben wurde wieder holt bemerkt, daß Lacombe mit ausgesprochener Dor-
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