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01-Frühausgabe Leipziger Tageblatt und Handelszeitung : 19.04.1910
- Titel
- 01-Frühausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1910-04-19
- Sprache
- Deutsch
- Vorlage
- SLUB Dresden
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id84535308X-19100419013
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id84535308X-1910041901
- OAI
- oai:de:slub-dresden:db:id-84535308X-1910041901
- Sammlungen
- Zeitungen
- Saxonica
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
-
Zeitung
Leipziger Tageblatt und Handelszeitung
-
Jahr
1910
-
Monat
1910-04
- Tag 1910-04-19
-
Monat
1910-04
-
Jahr
1910
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BezuqS-PrriS Or »»» P«e»r» direch «g«« lrtjer »»» kvedne-re k««l tielich tn« hau« ,edrachk:kv H inanatl., l.7v^k »i«t«litl>rl. Vai out«, Filiala, ». Niw aahmeirelle» adyebolt: 7S «muaU. k.r» ««Kitthrl. Lurch »t« Pak! Um«halb Dmitchland« „d d« d«»Ach«i Adlonie» vt««eliLhrl U.<- ^c. »«mtl. tüi- autlchl. Poftdestellgeld. Fern« in Belgien, T-nemart, den Dvnanltaatr», Italien, tiuremdura, !»led«land«, Noe» wegen, Oesterreich - Ungarn, Rußland, Schweden, Schwer« u. Spanten. In allen udrigen Staaten nur direkt durch die «elchän«l!elle da« Watt« «HSltltch. La» Leipzig« Tageblatt rrschaini 2 mal tlgllch. Sonn- ». Feiertag« nur morgen«, tldonneu «nt»Annavm« : «luguttusplatz 8, Kn uni«e» Trägern, Filialen, Spediteur« und Lunadmestelleu, (»wie PoftLmtern usd BriestrLgern. Ii»>»l»«ct«us.»r«i» »« Morgen» nllgad« 1v der »idendautgade k «d. Redaktion und Geschäft-Keller Iohanmtgasir v. -ernlvrech«! I4SS2, 146«. 14694. Morgen-Ausgabe. KipMerTMlilM Handelszeitung. AmtsSlatt Les Rates und des Nolizeiamtes der Ltadl Leipzig. Anzeiqrn-PreiS ikr Jnieraie au« Leipzig und Umgebung di« Kgeipaltene b0 wm breite Petitzeile L ch, di« 74 nun breite Reklamezeile I von auswärt« Ul- H, Reklamen l.2u I»s«ake von Beddrden >m amtlichen Leu »1« 74 mm breite PeNtzeU« 4i- 0^ «elchiilttanzeigen Mi» V advorlchriite» NN» i» d« vdendautaad« im Prelle erbühi. Rabatt nach Laril. iveilageaebübr L p. Tausend rxtl. Postgebühr. ssekerteiltr Uuirrtge sinnen nicht zurück- »«««gen werden, Für da« iLricheinen an deitimmtea Tagen und Plätzen wird keine Garantie übernommen. Ilnzergrn-Annahme: Kluguitu-platz tr, d« sämtlichen Filialen u. allen itlnnoncen- »rpeditionen de» In» >,nd liluilattde». Vanpr-Ktliale Grrlia: Karl Luticker. Her,»gl. V-gr. Hosbuch- handlung, Ilützowkiaße KT (Telephon VI, Rr. 4»-U). Haupt ZIliale Dre-den: keeltratze 4,1 (Telephon 4621). Nr. 107 vienstsg, -en lS. April ISIS. 104. Zshrgnng. Oss Dltzttgltr. * Der Senior der Leipziger theologischen Fakultät, Geh. Kirchenrat v. Hofmann, begeht heute sein SOjähriges Doktor-Jubiläum. lS. Lpzg. Ang.) , * Die Zweite Kammer erklärte am Montag eine Reihe von beanstandeten Wahlen, darunter die des ALg. Wappler-Leipzig, für gültig. (S. Landtagsber.) * Der Reichstag nahm am Montag die erste Lesung der Reichsversicherungsordnung vor. (S. Reichstagsber.) * Der Reichskanzler hat den Vorsitz im Ehrenausschuß für die Oftmarkenausstellung 1911 übernommen. * Die Wahlrechtskommission des preußi schen Herrenhauses führte die Beratung der Wahlrechtsvorlage heute bis zum 8 6 fort. * Im Ministerium des Auswärtigen in Paris wurde gestern unter dem Vorsitz des Ministers Pichon die internationale Konferenz zur Unterdrückung des Mädchenhandels und der Verbreitung obszöner Literatur eröffnet. lS. Dtschs. R.) * Wie uns aus Wiesbaden telegraphiert wird, wurde dort gestern vormittag in Gegenwart von etwa 600 Aerzten des In- und Auslandes der 27. Kon greß für innere Medizin unter dem Vorsitz des Professors Dr. Krauß- Berlin eröffnet. * In Ungarn hat sich wiederum eine große Feuersbrunst ereignet, bei der über 100 Häuser eingeäschert wurden. lS. Tages chronik.) Sie krsnMilchen Mahlen. Die vierjährige Eesetzgebungsperiode der französischen Kammer ist zu Ende gegangen. Am 24. April finden die Erneuerungswahlen statt. Der Wahlkampf hat mit einiger Leidenschaft eingesetzt: sowohl der gegenwärtige Minister präsident Briand als der verflossene Auslands minister Dclcaffe, deutschfeindlichen Angedenkens, haben bereits die Gefahren persönlicher An näherung an den souveränen Herrn Demos erprobt. Eine vierjährige Herrschaft der verbundenen Fraktionen liegt hinter uns, welche sich „Radi kale" und „Radikal-Sozialisten" benennen. Die letztere Bezeichnung ist etwas unklar: man soll nicht eine radikale Richtung unter den So zialisten, sondern eine sozialistische Färbung bürgerlich Radikaler verstehen, welche sich mit gemäßigteren Sozialisten zusammengeschlossen haben. Man konstruiere sich zur Vergleichung ein Zukunftsbild der deutschen Parteigeschichte: Die Verschmelzung der „Demokratischen Ver einigung" mit den Revisionisten der sozial demokratischen Fraktion. Indessen datiert die radikale Herrschaft in Frankreich nicht von 1906, sondern ist 4—7 Jahr älter. Aber die Ministerien Combes und Waldeck- Rousseau zählten noch Rechtsrepublikaner in ihren Reihen: das letztere hatte 1899 sogar den „Henker der Kommune", den Marquis v. Eallifet in sich ausgenommen. Aber die Wahlen von 1906 ergaben erst eine erdrückende Mehrheit der Radikalen und Radikalsozialisten gegen Unab hängige Sozialisten, Progressivsten und Konser vative, welche dem kurz zuvor gebildeten, rein radikalen Kabinet Sarrien-Elemenceau die Fort führung seiner Herrschaft gestattete. Der alte Sarrien trat ein halbes Jahr später zurück. Nicht aus politischen Gründen: sein persönlicher Ehrgeiz war dadurch befriedigt, daß er 7 Monate den Namen eines Minister präsidenten getragen hatte. Neidlos ließ er Clemenceau, der schon die Seele seines Kabinetts gewesen war, auch die verfassungsmäßige Ver antwortung für die Staatsleitung übernehmen. Vor 9 Monaten ist Clemenceau, man möchte sagen durch einen Zufall gestürzt. Man wird die jetzt abgelaufene Kammerperiodc unbedenk lich die Epoche Clemenceau benennen dürfen. Selten hat sich der alte Erfahrungssatz so paradigmatisch erfüllt, daß das Amt die Extreme abschleift. Die Furcht vor einer schlechten Zensur in der Geschichte verschafft der praktischen Logik des Menschen den Sieg über die Einseitigkeiten der Theorie und die Trugschlüsse der unkorrigierten Willensbestim mung. Wie beamtete Hochkonservative sich Schritt für Schritt von ihren amtslosen Partei genoffen zu entfernen pflegen, so meist viel auf fälliger noch in die Regierung berufene Ultra- Demokraten. Clemenceau ist sogar aus der radikalen Partei ausgetreten, weil sie ihm jetzt zu radikal erscheint; ihm, ihrem dreißigjährigen Oberhaupte, der einst der Aeußersten Aeußerster hieß! Sein Nachfolger Briand, vordem reiner Sozialist, wird heute von den Sozialisten bei seinen Wahlreden angepöbelt! Die intimeren Kenner Clemenceaus hatten etwas Aehnliches über seine spät erschlossene Ministerlaufbahn vorausgesagt. Aber sie haben über das Ziel hinausgeschoffen, wenn sie dem langjährigen Ministerstürzer die Fähigkeit zum Bekleiden ministerieller Aemter absprachen. Soweit er hinter den Erwartungen kritikloser Schwärmer zurückgeblieben ist, die die Eröffnung eines tausendjährigen Reiches einer großen, glücklichen Demokratie von ihm erhofft hatten, so hat er doch die Befürchtungen zuschanden gemacht, daß seine Ministerschaft das Grab seines politischen Ansehens werden würde. Es liegt ja so nahe, daß selbst hervor ragende Veranlagungen zu aufbauendem Schaffen durch die süße Gewohnheit des tendenziösen Kritisierens, des Räsonnierens und Opponierens allmählich verkümmert, ver- mürbt werden: Die Skepsis hat die Welt nicht erschaffen. Für Clemenceau ist der Fortbesitz staatsmännischer Eigenschaften durch dreijährige Bewährung sichergestellt. Seine Glanzleistungen waren nicht die Wahlmache von 1906, die seit dem zweiten Bonaparte jedem Routinier ge lingt, dem nicht ein ausgesprochenes Wider streben des Volksgeistes entgegensteht, sondern die psychologisch meisterhafte Beschwichtigung der Winzerbewegung von 1907 und die Be handlung der Marokkofrage. Wir Deutschen, die Leidtragenden seiner Erfolge, haben am allerwenigsten Veranlassung, dem Manne die persönliche Anerkennung zu versagen: die Größe des Gegenspielers mildert den Schmerz der Besiegung. Und wenn dem Aus landsminister Pichon das nächste Verdienst der ausgezeichneten Verschmelzung des suavitor in moäo mit dem tortiter in ro zukommt, so ent sprang doch die Auswahl dieses Ministers dem persönlichen Urteil des mit der Neubildung des Kabinetts Beauftragten, der ihm zugeflüsterte, mehr theatralische Kombinationen zurückwies. Angesichts der Erfolge ihrer Verwaltung, der Befestigung und Verstärkung ihrer Stellung im Völkerkonzert und der Erhaltung des in neren Friedens, trotz der gefahrdrohenden Maffenausstände darf die Republik zuversicht lich in den Wahlkampf hineingehen. 1906 mochten die Konservativen noch eine leise Hoff nung behaupten, die Ausschreitungen der Aus ständigen möchten ihnen zugute kommen. Die Hoffnung trog, und nunmehr haben in vier langen Jahren die Freunde der Ordnung sich an den Gedanken gewöhnt, daß auch die radikale Republik der Briand und Viviani Person und Eigentum gegen die Tyrannen der Straße zu schützen gewillt und befähigt ist. Zahlreiche Nachwahlen haben den bereits vor vier Jahren erwarteten „Ruck nach rechts" sehr unwahr scheinlich gemacht. Heute braucht kein Clemen ceau die Komödie einer Royalisten-Verschwörung neu cinstudieren zu lassen, die schon bei ihrer Aufführung abgelehnt wurde. Frankreichs Konservative hätten ja vollen Grund zu einer energischen Kraftentfaltung: aber nachdem sie die Kirchentrennung mit orientalischem Fatalis mus über sich haben ergehen lassen, glaubt kein Mensch mehr, daß selbst Enthüllungen von Korruption der Regierenden, wie die jüngsten, sie aufzurütteln vermögen. Auch die „Pro- gressisten", die in der jetzigen Entwicklung schon eine Rückschrittspartei darstellen, geben sich keinen hochgehenden Erwartungen hin. Der Hauptfeind des Ministeriums Briand scheint vielmehr dieses Mal links zu stehen, im Lager derjenigen Parteien und Bevölkerungs schichten, welche staatsmännische Kraft und Ent schlossenheit nicht für eine demokratische Tugend ansehen. Auch kann ein unparteiischer Beob achter den Abgeordneten der bisherigen Mehrheit, deren Wiederwahl doch zunächst in Frage steht, deren Nichtmiederwahl allerdings auch die Regierung in ihren Sturz mit hinein reißen würde, nicht jenes günstige Zeugnis er teilen, welches die Regierungsmänner verdient haben, deren Taten doch nicht Leistungen der Kammer gewesen sind. Allerdings ist die Jn- validitätsversicherung zu guter Letzt Gesetz ge worden, aber fast erst in der allerletzten Minute. Ueberhaupt haben die Mühlen des französischen Parlamentarismus abermals mit unglaublicher Langsamkeit gemahlen. Das Einkommensteuer gesetz dagegen ist wiederum Wrack geworden: Das demokratische Frankreich kann keine pro gressive Einkommensteuer zustande bringen, die ein uraltes Jnventarstück der rechtsrheinischen Monarchien ist! Zu diesem negativen Resultat der abgelaufenen Vierjahreszeit treten die positiven Sünden der bisherigen Mandats träger. Am meisten böses Blut hat die Diäten erhöhung auf 15 000 Franken gemacht. Man kann dem kleinen Manne Frankreichs nicht ganz unrecht geben, wenn er meint, daß der Unterhalt von 900 Abgeordneten in Kammer und Senat des Guten ein bißchen zu teuer sei. Eigentümlich machte es sich ferner, daß die Kammer in erster Lesung mit gewal tiger Mehrheit die Abschaffung der Todesstrafe beschloß, dann aber die einfache Vorlage 3 Jahre in der Kommission begrub und sie zuletzt mit starker Majorität in der Schlußberatung ab lehnte. Solche Unsicherheiten aber berechtigen uns, die anerkennenswerten Leistungen dieses Vierjahrs auf die Namen Clemenceau, Briand, Pichon zu überschreiben und die gewählten Ver treter der Nation von dem Lobe auszuschließen. Die große Wahrscheinlichkeit spricht indessen dafür, daß auch der Ansturm der alleräußersten Linken dirses Mal abgeschlagen wird, daß höchstens einige parlamentarische Greise er liegen werden, die die herrschende Fraktion nicht rechtzeitig ausgemerzt und durch frisches Blut ersetzt hat; daß jetzt die Links-Entwick lung der Republik Haltmacht und dem ernsten Wollen des Reformers Briand ein paar Jahre ungestörter Betätigung sichert. Fürst Bismarck hat freilich einmal eine neue Radikalisierung Frankreichs, ein Hinabrollen auf schiefer Ebene bis in den Sumpf des Anarchismus prophezeit. Vorläufig darf man annehmen, daß das fran zösische Volk seinen Pessimismus als ungerecht fertigt erweisen werde. Hat es doch schon Adolphe Thiers' drohende Alternative zu schanden gemacht: Die Republik wird konser vativ sein oder sie wird nicht sein! Oie verlicherungssmier üer ReichsoerkHerungsorünung in üer Debatte üer II. lsHMüien Stänüe- Kammer. In der Sitzung vom 14. April hat der Abgeord nete für Leipzig 1 Dr. Löbner beim Staatshaushalts etat zu den Kapiteln, bei denen Kosten durch die kommende Reichsversicherungsordnung zu erwarten stehen, unter lebhafter Zustimmung der zweiten Ständekammer erneut sich gegen die Versicherungs ämter und deren zu erwartende hohe Kosten ge wendet. Die Regierung hatte in der Deputation er klärt, daß sie zur möglichsten Vermeidung von Kosten für Beamte die Versicherungsämter an die unteren Verwaltungsstellen anzugliedern und die Versiche rungsämter im Nebenamte verwalten zu lassen beabsichtige. Abg. Dr. Löbner bemerkte dazu, es scheine, als ob die Gefahr bestehe, daß die Regierung die Bedeutung der Versicherungsämter unterschätze und speziell unterschätze die Arbeit, die den Der- sicherungsamtmännern bevorstchen werde. Ein solcher Versicherungsamtmann habe neben einer großen Ee- schästsgewandtheit, die ihm eigen sein müsse, unweiger lich mit großem sozialen Verständnis, mit großem Takt, großer Menschenkenntnis und großer Gesetzes kenntnis zu arbeiten. Je weniger Versicherungs ämter gegründet würden, desto mehr werde dieser Persicherungsamtmann in Anspruch genommen wer den, zumal in einem industriell so hochentwickelten Lande wie Sachsen. Für die Stellung der Versichc- rungsamtmänner, wenn sie geschaffen werde, sei er forderlich, daß ihr Träger mit Lust und Liebe arbeite, nicht zu jung sei und möglichst lange im Amte bleibe. Die Aufgaben, die ihm gestellt würden, seien über die Tätigkeit hinaus, die bis letzt die unteren Ver waltungsbehörden gehabt hätten, erweitert: Zu der bisherigen Tätigkeit der unteren Verwaltungsbehör den komme für ihn die Hinterbliebenenversichcrung. Die Versicherungsämtrr seien gedacht als Aufsichts behörde, als Bcschlußbehörde. als Spruchbehörde. Ihre Tätigkeit sei erschwert und kompliziert insofern, als eine Reihe von Beisitzern zugezogen werden, als im V e r h a n d l u n g s verfahren Sachen zu er ledigen seien, oie bisher im einfachen Verfügungs wege ihre Erledigung finden. Es sei wünschenswert, daß die Regierung sich äußere, wie sie sich die Gestaltung der Versicherung? ämter in Sachsen denke auf Grund de? Entwurfs des Bundesrates, wenn auch der Reichstag noch nicht gesprochen habe. Solche Angaben seien notwendig, um mit größerer Klarheit als bisher die Kosten der Aemter zu berechnen. Durch Anstellung ungeeigneter und nicht voll leistungsfähiger Versicherungsamt- männer könnten übrigens die Kosten sogar noch ge steigert werden zu Lasten der Versicherungsträger, die dadurch gegebenenfalls erhöhte Kosten für Hilfs personal und häufigere oder längere Beanspruchung der Beisitzer zu tragen haben. Die Kostenberechnung für die Versicherungsämter in der Reichsoersicherungs ordnung sei eine irreführende und lückenhafte. Es unterliege keinem Zweifel, daß die Kosten für die Versicherunqsträger höhere und voraussichtlich sehr erheblich höhere sein würden als seither. Vor kurzem habe man den Berufsgenossenschaften die seither vom Reiche geleisteten zinstreien Postvor schösse genommen und verwandelt in zinsfreie Kosten vorschüsse, welche die Berufsgenossenschaften zu leisten hätten. Es sei das geschehen, trotzdem die Berufs genossenschaften zum Teil, insbesondere soweit sie viele kleine und kleinste Betriebe hätten, tatsächlich an der Grenze ihrer Leistungsfähigkeit angekommen seien. Bezeugt werde dies durch die große Zahl von Anträgen auf zwangsweise Beitreibung der berufs genossenschaftlichen Beiträge bei solchen Berufsze- nossenschaften. Der Redner machte hierbei Mit teilung aus einer Anzahl Berufsgenossenschaften, bei denen bis zu 40 Proz. aller Betriebsunternchmer die Einleitung des Zwangsbeitreibungsversahrcns im Jahre 1908 erforderlich gemacht hatten, ja, bei denen, soweit es sich um Betriebe mit weniger als 20 000 <k Zahreslohnsumme gehandelt hat, keine weniger als 80 Proz. solcher kleinerer Betriebsunternehmer aus wies, die ein Zwangsbeitreibungsverfahren veran laßen. Die Leistungsfähigkeit der Dersicherungsträger ward mit Recht von Dr. Löbner als „eine er n st e M i t t e l st a n d s f r a ge" bezeichnet, die davor warnen müßte, kurzerhand, ohne daß man im ein zelnen die Sache finanziell begründet habe, und mit einer Berechnung, die als richtig nicht bezeichnet wer den könne, diesen Versicherungsträgcrn eine neue Last aufzuoürden. Und das auch noch um eines Er gebnisses willen, dessen Nutzen in keinem gesunden Verhältnisse zu dem Aufwand stehe, der sich nötig mache. Man brauche, um zu erreichen, was die ganze Reform wolle, wahrlich nicht Dersicherungsämter in der geplanten Weise zu schaffen. Einen Beweis der Sicherheit, mit der man bei den Berechnungen arbeite, gebe übrigens der Umstand, daß der erste Entwurf 800 Dersicherungsämter vorgesehen habe, der zweite Entwurf bereits 25 Proz. mehr: 1000 Aemter, und das alles trotz der obengeschilderten Erscheinungen bei Berufsgenossenschaften mit kleinen und kleineren Be trieben! Redner warf die Frage auf, wohin es führen solle, wenn durch soziale Belastung aller Art tatsächlich die kleineren Betriebsunternchmer unfähig gemacht würden, überhaupt aufzusteigen und vor- wärtszukommen. An unseren Grenzen sei bereits bemerkbar, daß sich Betriebsunternehmer zur Land flucht wenden, mit ihren Betrieben über die Grenze gehen, um frei zu werden von den Lasten verschiedener Art, welche man ihnen auferlegt habe und aufzu erlegen im Begriff stehe. Die Staatsrcgierung er klärte, daß sie sich angelegen sein lassen werde, soweit es noch möglich sei, dahin zu wirken: einerseits die Zuständigkeit der jetzigen Versicherungstrüger mög lichst wenig zu beschneiden, anderseits den Kostenaus wand, der durch die Neueinrichtung unter allen Um ständen notwendig werde, nicht allzugroß werden zu lassen. Wieviel die neuen Vcrsicherungsämter für Sachsen kosten würden, lasse sich noch nicht übersehen. Die Berechnung in der Begründung des Entwurfs be ziffere die Kosten für das Reich auf reichlich 0 Mil lionen. Danach würden auf Sachsen etwa 350 000 . ü entfallen, doch seien das nur rohe Schätzungen, die sich nicht übersehen ließen. (Vonseiten der Gegner der Vcrsicherungsämter werden die Kosten bekanntlich um das 3—6fache höher veranschlagt!) Der AerMtsy gegen üie ver- licherungsorünuny. o. Berlin, 17. April. (Erg. Bericht.) Für Montag ist die lsieichsversicherungsorsnnng auf die Tagesordnung des Reichstages gepetzt. Den letzten Tag vorher hatten sich die organisierten Aerzte gewählt, um ihr entschieden gegnerisches Votum für die bercrstehende Entscheiouno mit in die Wagschale zu legen. Im Kaisersaale des „Rl-cingold" versammel:.» sich um Mittag 491 Delegierte, die .',50 Vereine mit 23 710 Aerzten vertraten. Von Neichstagsmi:gliedrrn waren erschienen die Aerzie Mugdan und Arning, ferner Iuncl (Leipzig!, Lina, Roth, .siimp.ru und Götz v. Ohlenhuseir. An Stelle des durch Kranthen verhinderten Geh. Sanitätsrats Dr. Lö'oker (Bochum) leitete Geh. Sanitätsral Prof. Dr. Lent (Köln) als stellvertretender Vorsitzender oes Geschäf.saurschuss s des Aerztevereinsbundes die Versammlung, dr: von gewerkschaftlicher Gesinnung durchdrungen und von Oppositionsstimmung getragen war. Das Nef.rur laq in den Händen von Dr. Strefser (Leipzig). Dieser setzte sich in außerordentlich temperament voller Rede mit dem neuen Entwürfe zur Reichs, verjicherungsordnung auseinander und malmte, in allen Punkten an den Beschlüssen des Lübecker Aerzte- tages feitzuhalten. In einer den Delegierten »or liegenden Druckschrift waren im einzelnen den Para graphcn des Entwurfes Abänderungsvorschläge aegcnübergestellt. Dr. Streffcr (Leipzig) führte dazu noch u. a. folgendes aus: Nur mit Bedauern ist sestzustellen, daß auch der neue Entwurf sich nicht sreizumachen vermocht hat von dem ärgsten Mißtrauen gegen inen Stand, dessen Leistungen dazu nicht berechtigen W.nn es aber nicht anders jein kaum wollen wir dies Mißtrauen als einen Umstand betrachten, der auch uns jeglicherRücksichtenthebtund uns «r anlaßt, den Entwurf mit gleichem Mißtrauen zu prüfen, nicht darauf, wie er nach der Begründung Mel-
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