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Im Struüel üer Grotzltsüt. Roman vonE. Krickeberg. 101 (Nachdruck verboten.) Am andern Ende des Zimmers redete man eben lebhaft auf Steinrücker ein, er möchte spielen und singen. Aber er sträubte sich, war ordentlich beleidigt, daß man ihm zumutete, jetzt nach Tisch und bei dieser vorgerückten Stimmung seine Kunst zu profanieren. „O, er singt?" fragre Olympia mit aufleuchtenden Augen und nahm rasch wieder Platz. „Ach, bitten Sie ihn auch, er möchte es tun." „Das würde keinen Zweck haben! Aber seien Sie unbesorgt, er ziert sich nur erst ein bißchen." „Er hat etwas Weibliches, o'est oo pas? Aber er ist ein schöner Mann." „Das kann ich nicht finden", sagte Hans ehrlich und etwas pikiert, „obwohl ich mir denken kann, daß er anziehend auf Sie wirkt. Er ist das gerade Gegen teil von Ihnen." „Das ist ja Unsinn, was Sie da reden. — Darf man nicht einen Mann hübsch finden?" „Das würde ich Ihnen ganz und gar nicht ver denken, wenn ich derjenige wäre." Sie lachte lustig auf, neigte das Köpfchen seitwärts und sah ihm schelmisch, aber aufmerksam ins Gesicht, dann sagte sie: „Ihnen würde gar kein Gefallen geschehen, wenn eine Artistin sich mit ihrer Liebe an Sie hängen wollte. . . Sie sind viel zu schwerblütig für so etwas." „O, bitte!" protestierte er lebhaft, „ich könnte viel leicht Beweise erbringen, daß . . ." „Lieber Gott, die würden mir gar nichts sagen! Aus Langeweile und Uebermut tut man manches. Sie lachen mit mir, aber Ihre Augen lachen nicht mit, das wissen Sie wahrscheinlich gar nicht." Steinrücker war aufgestanden, um zum Klavier zu gehen. Miß Atlantas Bitten hatten den Ausschlag gegeben. Er möchte aber nicht solch „elegisches Zeug", sondern etwas Lustiges singen, gab sie ihm mit auf den Weg. „Nicht singen in diesem Tabaksrauch und der Hitze!" warnte Dornbach. „Das ist Gift für deinen empfindlichen Hals." „Bitte, Heinz, bevormunde mich nicht immer wie einen kleinen Jungen." Er spielte zuerst ungarische Tänze von Brahms, Operettenmelodien von Strauß und Offenbach, was hineinpaßte in die fröhliche Stimmung. Dann erscholl von verschiedenen Seiten die Mahnung: „Singen — Singen!" Olympia saß still da und blickte mit großen, träu merisch verzückten Augen vor sich hin. „Wenn er doch singen möchte", sagte sie leise, mit einem schweren Atemzug. „Ich liebe Musik und Gesang so sehr! — Einmal gab es eine Zeit, da war mein heißester Wunsch, Opernsängerin zu werden! Ich hatte schon Jahr und Tag fleißig studiert, da starb Papa und ein schlimmes Nervenfieber warf mich auf das Kranken lager — danach war die Stimme fort." Sie hatte diesen harten Schicksalsschlag noch nicht völlig verwunden, wie ein Aufschluchzen klang's aus ihrer Stimme! Ihre Mutter, die die ganze Zeit über unruhigen Blickes herübergesehen hatte, kam mit ihrem schwerfälligen Gang zu ihrer Tochter. „Wollen wir jetzt nicht lieber gehen, oru petäts?" fragte sie. „Es regt dich immer so auf, singen zu hören." Aber Olympia schüttelte nur mit fast heftiger Bewegung den Kopf. Und Steinrücker sang. Er hatte einen ein schmeichelnd weichen, vollen und reinen Bariton, und wenn er der Frau Musika huldigte, schien sein Wesen Flügel zu gewinnen, die ihn zu idealen Höhen em portrugen. Alles Blasierte und Gezierte fiel ab von ihm, selbst jetzt, da er von Wein und Leidenschaft halb berauscht war, gab er sich mit voller Seele seiner Kunst hin, und die Macht seines Könnens riß dann auch den mit, der ihm sonst nicht sympathisch gegen überstand. Nach einem leichten flotten Präludium setzte er zum Spielmannsliede ein: „Bin ein fahrender Gesell, kenne keine Sorgen: Labt mich heut der Felsenquell, tut es Rheinwein morgen. Bin ein Ritter Lobesam, reit auf Schusters Rappen, Führ den lockern Zeisighahn und den Spruch im Wappen: Lustig Blut und froher Sinn, hin ist hin — hin ist hin!" Beim Refrain fielen alle mit ein, nur Olympia nicht. Sie saß da wie verzaubert, den Blick in weite Ferne gerichtet, während um ihren Mund ein eigen tümlich herb-schmerzlicher Zug spielte. „Wein' dir nicht die Aeuglein trüb, Mägdelein voll Trauer! Fahrender Gesellen Lieb ist von kurzer Dauer: Fahrender Gesellen Lieb endet vor den Toren, Wein' dir nicht die Aeuglein trüb, hast nicht viel verloren." Es zuckte in Olympias Gesicht. Ein höhnisches, verächtliches Lächeln ging darüber hin und zu Hans gewandt sagte sie leise mit heißem, trockenem Ton: „Es gibt Leute, deren Liebe noch nicht einmal bis zum Tor anhält und gehören doch nicht zu uns fahren den Gesellen! Monsieur de Steinrücker wird das wohl wissen." Es lag etwas wie Anklage oder Schmerz in ihrer Stimme, das Hans naheging. Dies kleine zarte Ge schöpf, das Soltei als ein ganz tolles, übermütiges Ding bezeichnet hatte, schien doch schon recht trübe Erfahrungen in seinem Leben gemacht zu haben. Es kam ihm vor, wie ein eingefangenes Vögelchen. Das schmettert sein Liedchen lustig und keck — wir meinen aus Freude und lauter Glückseligkeit, und vielleicht singt gerade der Schmerz aus ihm. Hans faßte nach der Hand Olympias und nahm sie mit sanftem Druck in die seine, wie man die Hand eines Kindes hält, das sich im Finstern fürchtet: und jetzt ließ sie sie ihm. Atlanta hatte sich auf die Lehne eines Diwans ge setzt, sie wippte mit den Beinen und schwang ein Dessertmesjer als Taktstock. Als das Lied zu Ende war, sprang Steinrücker auf und verlangte einen Lohn von Atlanta, sie solle ihm die Rose von ihrem Busen schenken. Sie lachte ihn aus, er möge nur erst noch weiter singen, dasselbe Genre, das behage ihr geraoe. Und während man hin und her stritt, und Soltei meinte, Steinrücker litte wohl am Größenwahn, solche Phantasiehonorare verlange ja nicht einmal der erste lyrische Tenor der Königlichen Oper, trat die Mutter Olympias von neuem zu ihrer Tochter und sagte dies mal bestimmter: „Wir wollen gehen." „Nur noch ein Lied!" bat sie, und Steinrücker saß auch schon wieder am Klavier: aber jetzt gehörte er nicht mehr der Frau Musika an, sondern allein noch dem „Star" des Wintergartens. „Das schwarzbraune Bier, das trink' ich so gern, Und die schwarzbraunen Mädel, die küß ich so gern, Heidi, heidu, das läßt mir keine Ruh!" Da stand Olympia auf: „Komm, Mama!" Hans hielt sie nicht zurück, ihm selber behagte die Fidelitas nicht mehr. Er bediente zuerst die Damen, schnallte dann seinen Säbel um. nahm seine Mütze und schickte sich an, sie zu begleiten. Die andern merk ten kaum, daß sie gingen. Der Pförtner an der Haustür rief eine Droschke herbei. Olympia und ihre Mutter stiegen ein: aber als Hans sich zu ihnen setzen wollte, um seiner Ritter pflicht bis zur Wohnungstür der Damen zu genügen, wehrte Olympia entschieden ab. „Wozu? Wir sind ja zwei und fürchten uns nicht." Hans protestierte natürlich lebhaft. Olympia ginge so elegisch gestimmt von dem anfangs so fröh lichen Abend fort, das dürfte er nicht leiden, er müßte noch versuchen, sie wieder aufzuheitern. — Da lachte Olympia in ihrer alten, übermütigen Weise. Er wolle nur noch weiter in seiner unglücklichen Liebe ge tröstet sein, aber wenn sie das gleich das erste Mal allzu ausgiebig täte, bedürfte er ihrer in Zukunft wahrscheinlich nicht mehr, und das würde ihr sehr leid tun, denn sie möchte ihn gern Wiedersehen. Und er mochte vorbringen, was er wollte, sie nahm ihn einmal nicht mit. Wenn er ihr einen Gefallen tun wollte, sollte er bald einmal nach dem Winter garten kommen, wenn sie austräte, und ihr auch ein paar Blumen werfen lassen, damit die Hundemiß sich ärgere. Sie lachte wie ein Kobold und gab ihm einen Klaps mit dem Fächer. ,,^u rsvoir! — Allons, Kutscher!" und der Droschkengaul setzte sich in seinen traditionellen Trab. Hans schlug den Weg nach seiner Wohnung ein, und während er durch die stillen Straßen schritt, mußte er denken: Es würde mir wirklich leid tun, wenn die Kleine sich in diesen unangenehmen Menschen, den Steinrücker, vergafft hätte. Siebentes Kapitel. In Berlin sollte mit großem offiziellen Gepränge ein neues Denkmal eingeweiht werden. Zwar befand sich die kaiserliche Familie auf Reisen, aber ein Prinz war mit der Vertretung der Majestäten betraut wor den, und da zufällig auch ein fremder Souverän an wesend war und an dem Festakt teilnehmen würde, .TI"- ' > standen ganz besondere Feierlichkeiten auf dem Pro gramm. Die Szenerie war, wie immer bei solchen öffent lichen Anläßen zu sein pflegt: die Feststraße bot mit ihren Fahnenmasten, Wimpeln und Girlanden ein buntes, lustiges Bild. Flaggen wehten von den Dächern der Häuser, Teppiche lagen aus den Fenstern, und als Abschluß und Gipfelpunkt der ganzen Aus schmückung präsentierte sich der Festplatz selber mit seinem purpurnen Kaiserzelt, den rot ausgeschlagenen Tribünen, den Palmen- und Lorbeerhainen und der reichlichen Verwendung von dreifarbigem Fahnentuch Hans von Orthmanns Regiment sollte die Ehren wache stellen. Seine und Solteis Kompanien mar schierten mit klingendem Spiel dem Festplatz zu und nahmen die vorgeschriebene Aufstellung. Wagen auf Wagen in blitzblanker Gala rollten mit den geladenen Gästen heran. Immer dichter wurden die Menschen mauern zu beiden Seiten der Straße. Die Schutz leute zu Fuß hatten ihre liebe Not, die von hinten vordrängende Menschenmenge in den vorgeschriebenen Grenzen zu halten und fürwitzig ausbrechende Indi viduen zur Räson zu bringen, während die berittenen Kollegen Massenvordrängelungsversuche erfolgreich zu rückwiesen oder zu keinem ersichtlichen Zweck eifrig hin und her galoppierten. Die Kolonne der Straßen kehrer rückte mit Karren voll gelbem Kies heran und warf ihn schippenweise über die Straße. Mit unend lich wichtigen Mienen schritten Herren in Frack und Uniform dem Denkmalsplatz zu, dessen Mittelpunkt das verschleierte Bild einnahm. Geheimnisvoll und gigantisch ragte es unter den verhüllenden Falten empor. Man erkannte eine menschliche Figur unter dem Tuch, aber eine Figur, deren Kopf merkwürdig und grotesk in einer scharfen Spitze endete, die sich nüchtern und prätentiös in die sonnige Luft reckte. Das gab im Verein mit den neu gierig unter dem Saum des Schleiers heroorlugenden bronzenen Stiefelspitzen, die in gar keiner Ver bindung mit etwas zu ihnen Gehörigem zu stehen schienen, dem würdevollen Aufbau etwas ungewollt Komisches. Wenn der Wind das Tuch fester an die steifen Glieder des Kriegers unter ihm preßte, schien der das Schwert in seiner Hand drohend zu schütteln. Um das Purpurzelt der hohen Herrschaften sam melte sich allmählich ein Damenflor in lichten Fest gewändern. Herren vom Komitee eilten geschäftig hin und her, ordnend, Begrüßungen austeilend, Gäste empfangend. Fast zuletzt, kurz vor dem Eintreffen der prinz- lichen Gäste, kam ein elegantes russisches Dreigespann mit Kutscher und Diener auf dem Bock dahergerollt. Hans von Orthmanns Blick folgte bewundernd den schönen Pferden, darüber beachtete er die Insassen des Wagens nicht. Erst als sie am Festplatz ausstiegen, erkannte er, daß es Fräulein Vomberg und ihre Tante waren. (Fortsetzung folgt.) (Auf Wunsch wird der Anfang dieses Romans neu hinzutretenden Abonnenten kostenlos nachgeliefert.) kragen Zie 065S8 lkH!iMMtLiiZIMM8kIiiMii, lMM-lMM- III»! M-kM-Ü., öüWN. E2IS eatscdeicket. — Oontineatsl-Hneumstic »tekt seit Hadron «n cker Lpitre cker Heiken ksdrilcstioa unck bietet bei »nge- eoessenew Preis ckss Lest« vom Leslen. gepr., empfiehlt sich Reudnitzer Straße 12, V. I. l e,4s,7 Automobilisten von Huk, velcbes cker ru- verlLssigste unck im Qedrsuck billigste pneumstic ist. 8ie vercken staunen, velcd grosse IVledrdeit »leb kür cken l.ebei'lleeken, Waiden, IMe? entfernt in einer halben Minute schmerzlos und ohne Narben Ecke Thomasring u. Barsußg. 15. Telephon 350. »»44« llooI.-1-Liikor enorme Auswahl, solange der Vorrat reicht, zu folgenden Preisen: »4«, KO om breit 68 per Meter 67 - - 85 . . 90 « - 110 - . 110 - - 150 - - 130 . . 200 . - 200 - . 250 - - .I»8.8kkiiler,Vi»Or.k1. Continental pneumstle Lokirwfabrik keirkrÄMi i/L Speck »es. 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