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01-Frühausgabe Leipziger Tageblatt und Handelszeitung : 19.02.1910
- Titel
- 01-Frühausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1910-02-19
- Sprache
- Deutsch
- Vorlage
- SLUB Dresden
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id84535308X-19100219010
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id84535308X-1910021901
- OAI
- oai:de:slub-dresden:db:id-84535308X-1910021901
- Sammlungen
- Zeitungen
- Saxonica
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
-
Zeitung
Leipziger Tageblatt und Handelszeitung
-
Jahr
1910
-
Monat
1910-02
- Tag 1910-02-19
-
Monat
1910-02
-
Jahr
1910
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Amtsölatt -es Rates und -cs Nolizeiamtes Ser Zladt Leipzig. Anzeigen-PrnS Mr Inserate an« Leipstg und Umgebung in« Sgelpalten« SV ww breite Petit,eile 2S die 74 ww breite Reklame-etle I von autwärt« iX) llieNamen 1.26 Inserate von Bebbeden 'M amtlichen Teil di« 74 ww brrite Petit,eil« 46 »eschästSnn^igen mit P'Ltzvorschristen und in der Abendausgabe im Oreste erhobt. Nadatt nach Tarif. Beilagegebüdr 5 p. Tausend «xkl. Postgebühr. Fefterteilte «ultrstae können nicht zurück- gerogea werden, Für da« Erscheinen an bestimmten Lagen und Plätzen wird keine Garantie übernommen. An,eigen-Annahme: vugustutplatz 8, bei sämtlichen Filialen u. allen Annoncen» Expeditionen de« In» und Antlande«. Haupt-Filiale Berlin: Carl Luncker, Herivgl. Bahr Hofbuch» Handlung, Uützowstiatze 16, (Telephon VI, Nr. 4OIl). Haupt-Filiale Dresden: Seenraß« 4, l (Telephon 4621). Nr. 4S. Sonnadenü» üen 19. /edruar lSlO. 104. Zshr-an-. Oss Wichtigste. * Tin freiwillig in den Tod gegange- nesLiebespaar wurde gestern nachmittag in der Nähe der Raschwitzer Brücke aus der Pleiße gelandet. (S. Aus Leipzig.) * Die beiden sächsischen Kammern erledigten am Freitag einig« Etat- und Rechenschafts sachen. (S. Landtagsber.) * Der Reichstag begann am Freitag die zweite Lesung des Etats des Reichsamts des Innern. (E. Reichtasber.) * In namentlicher Abstimmung lehnte der Reichstag am Freitag den Zusatzantrag der Sozialdemokraten zum Toleranzantrag des Zentrums mit 239 gegen 89 Stimmen ab. — Des weiteren wurde der Zentrumsantrag selbst in namentlicher Abstimmung mit 160 gegen 150 Stimmen bei acht Stimmenthaltungen abge lehnt. * Die 38. Hauptversammlung des deut schen Landwirtschaftsrats erreichte am Freitag ihr Ende. Den ersten Teil der Freitags sitzung wohnte in Vertretung des Kaisers der deutsche Kronprinz bei. (S. d. des. Art.) * Die englische parlamentarische Situation hat durch die Haltung der Iren und der Arbeiterpartei eine Verschärfung erfahren. (S. Ausl.) * Auf Kreta hat ein schweres Erdbeben stattgefunden, das großen Schaden anrichtete. <S. Tageschronik.) Vie Müerung kür Selgslsnü. Gewisse Alarmbläser der öffentlichen Meinung glauben ein neues dankbares Objekt für ihre Fan faren gefunden zu haben und nützen es bereits kräftig aus, obgleich das Abflauen des lange Zeit die Sensationsbedürfnisse bestreitenden Unter- sccbootlärms sie etwas zur Vorsicht und gewissen haften Prüfung mahnen sollte. Jetzt ist es die Forderung von 1636 000 -4t für den Bau einer neuen Schutzmauer an der Südwestseite von Helgo land, die der preußische Staatshaushalt bringt, und vor allen Dingen die Begründung dieser Forderung, durch die der neue Alarm in der Presse erzeugt wird, der sicher im Parlament seinen Widerhall finden wird. Die betreffende Stelle im Etat lautet: „Die Felseninsel Helgoland bröckelt auf der gan zen Südwestseite fortgesetzt stark ab, so daß auf ein zelnen Stellen außer den militärischen Befestigun gen auch bei weiterem Fortschreiten des Abbruches der Bestand der Insel gefährdet wird. Große Fels massen sind im letzten Jahre auf der Strecke von der Südspitze bis zu der 1908 preußischerseits er richteten Mauer am Blockhorn abgestürzt. Hier muß der Felsen gegen die Angriffe der See bald ge schützt werden. Zu diesem Zweck soll, wie dies schon beim Blockhorn mit gutem Erfolg geschehen ist, eine Schutzmauer erbaut werden. Aehnuche Maßnahmen werden in absehbarer Zeit auch nördlich vom Block born bis zur Nordspitze hinaus erforderlich werden. Die Kosten der Ausführung dieser Arbeiten sollen je zur Hälfte von Preußen und dem Reich getragen werden. Bis jetzt sind sie auf 1636 000 veran schlagt worden. Auf Preußen entfallen demnach 818 000 Hiervon sind zur Inangriffnahme der äußerst dringlichen Arbeiten für 1910 als erste Rate 250 000 ,« bereitzustellen." Die Tatsache, auf die der Etat an dieser Stelle hinweist, ist allerdings nichts weniger als erfreulich; sie kennzeichnet dieses Felseneiland, an dessen für Deutschland notwendige Erwerbung sich für das deutsche Volk unerfreuliche Erinnerun gen knüpfen, als stark im Zerfall begriffen, so stark, daß sogar von einer Bedrohung des Bestandes der ganzen Insel gesprochen wird. Angesichts einer sol chen amtlichen Erklärung ist eine gewisse Be unruhigung im Volke wohl erklärlich, und die ver schiedentlich geäußerten Zweifel an dem Wert eines so vermorschten Felsens für uns sind begreiflich. Der so entstandenen und klug ausgenutzten Er regung ist folgendes zu erwidern: Zunächst dürfte sich ergeben, daß das amtliche Schriftstück an verschiedenen Stellen mit etwas zu starken Ausdrücken arbeitet, wodurch ein viel düste rer wirkender Eindruck erzielt wird, als vielleicht beabsichtigt wurde. Eigentlich Neues und Ueber- raschendes aber berichtet der Etat über Helgoland nicht; denn daß die Insel auf der Südwestseite un ausgesetzt vom Meere angegriffen und schrittweise zerstört wird, war schon längst bekannt. Es ist dies nicht allein ihr Schicksal; sie teilt es mit allen Felseninseln, besonders wenn das Felsmaterial kein zähe», widerstandsfähiges ist. Erst vor wenigen Tagen konnte man in den Zeitungen lesen, daß auf der Insel Wight gewaltige Felseinstürze und Erd rutsche stattgefunden hätten, die viele tausend Ton nen betrügen, auch unter der zerstörenden Einwir kung des Meeres. Es ist also nichts auf Helgoland geschehen, was dort nicht schon seit Menschengedenken geschah, und was nicht an anderen Orten ebenfalls geschieht. Helgoland hat bekanntlich die Gestalt eines stumpfwinkligen Dreiecks, dessen Siidwestseite be sonders den heftigen Stürmen und der Brandung ausgesetzt ist, während die beiden anderen Seiten fast nur durch starke Gezeitenströmungen zu leiden haben. Die Zerstörungen auf der Südwestseite sind schon von altersher bekannt, und es ist früher wenig oder nichts geschehen, ihnen ein Ziel zu setzen. Das Fels massiv der Insel besteht aus Buntsandstein und Zech stein, dessen Härte zwischen 3 und 4 der Mohsschen Skala liegt, also eine nur geringe Widerstandskraft aufweist und ein schiefriges Gefüge von Platten in einer Stärke von 30 bis 50 Zentimeter zeigt. Die Dichtigkeit des Gesteins, seine Druck- und Zugfestig keit ist keine bedeutende, seine Porosität ziemlich groß. Mit Feuchtigkeit gesättigte Felsstücke, die 25mal einer Kälte von 11,5 Grad Celsius ausgesetzt waren und dann wieder aufgetaut wurden, zerfielen. Es ist ganz natürlich, daß unter solchen Verhält nissen die Brandung an der Südwestseite große Ver heerungen anrichten muß. Sie unterwäscht den Felsen; die über der so entstandenen Höhlung liegen den Platten stürzen allmählich nach, es bilden sich Felstore, Pfeiler mit Brücken, Buchten sdie sogen. Slapps), und wird der Arbeit der Brandung nicht Einhalt geboten, so schreitet die Zerstörung allerdings in bedrohlicher Weise fort und aefäbrdet den Be stand der Insel. Um dieser Gefahr vorzubeugen, wurde 1908 von Preußen die Schutzmauer am Block horn errichtet, die aus Beton mit äußerer Eranitver- kleidung hergestellt wurde und sich infolge ihrer äußerst praktischen Konstruktion sehr gut bewährt hat. Nachdem auf diese Weise gute Ergebnisse erzielt wor den sind, gilt es, so schnell als möglich die ganze Süd westküste zu schützen, damit nach Möglichkeit einer weiteren Zerstörung derselben vorgebeugt wird. Daß dieses Ziel erreichbar ist, darüber besteht nach den bisher mit der Schutzmauer gemachten Erfahrungen kein Zweifel mehr; es kann höchstens die Frage auf geworfen werden, ob Helgoland diese Aufwendungen auch wert ist, und ob es richtig war, die Insel mit starken Befestigungen zu versehen, oder ob man nicht besser getan hätte, sie einfach nach dem Rate des Ab geordneten Erzberger wegzusprengen. Solange die Insel englischer Besitz war, erwies sie sich als ein Pfahl im Fleische Deutschlands. Von der Insel als Stützpunkt konnte England auf die be quemste Weise die für das deutsche Wirtschaftsleben so außerordentlich wichtige Elbmündung vollständig beherrschen, und es ist nicht zuviel behauptet, daß ohne den Besitz Helgolands Deutschland kaum seine Kriegs flotte in angemessener Weise entwickeln konnte, da ein britisches Helgoland es einer deutschen Kriegs flotte fast unmöglich gemacht hätte, von der Elbmün dung aus die offene See zu gewinnen. Die jetzt gesicherte Verbindung zwischen Kiel und Wilhelms haven wäre unerreichbar gewesen. Schon aus diesem Grunde mußte Helgoland an Deutschland fallen, mochte es kosten, was es wollte. Aber auch ein un befestigtes Helgoland nützte uns nichts, da es jedem Handstreich zum Opfer gefallen und die alte Gefahr wieder aufgelebt wäre. Die Insel mußte stark be festigt werden, um der deutschen Flotte als kräftiger Stützpunkt dienen zu können, und die von mancher Seite gerügte Anlegung eines Hafens an den beiden geschützteren Jnselküsten ist im Interesse der See verteidigung nur mit Freuden zu begrüßen; denn es wird hierdurch für die wichtigen Küstcnverteidiaunas- mittel eine sichere, wünschenswerte Zufluchtsstelle ge schaffen. Da im Falle eines Krieges die ganze Helgo länder Bucht ein wichtiges Operationsfeld für Tor pedoboote und Unterseeboote wird, sind diese Hafen anlagen notwendig. Nun ist aber vielfach die Ansicht vertreten, daß die morschen Gesteine der Insel die Erschütterung durch ein heftiges Geschützfeuer gar nicht ertragen könnten, sondern einfach zusammenstürzen würden. Wäre das der Fall, dann würde allerdings die ganze Insel besser weggesprengt werden. Aber die Annahme trifft in keiner Weise zu. wie durch Proben, die gemacht wur den, nachgewiesen ist. Nur der äußere Felsen von Helgoland ist morsch; in einer Tiefe von etwa 2,50 Meter stößt man auf völlig gesunden Fels. Um nun festzustellen, ob der Fels, der beiläufig eine Masse von 20 Millionen Kubikmeter darstellt, unter der Erschütterung durch Eeschützfeuer leide, wurde in der Nähe des Leucht- rurmes eine Beobachtungsstation eingerichtet, die mit zwei Straßburger Horizontalpendcln ousgcstattet wurde. Diese Instrumente registrierten zwar jedes Erdbeben und alle sonstigen Einflüsse atmosphärischer Herkunft, blieben aber gegen Schußwirkungen un empfindlich. Da stellte 1907 Prof. Dr. Wiechert, Di rektor des geophnsikalischen Instituts in Göttingen, in einem Raume unter dem Panzerturm in der Nahe des Helgoländer Signalmastes einen äußerst sein ge arbeiteten Seismoaravbcn auf. der die Wirkung eine» Stoßes fünfzigtausendfach vergrößerte. Dann wurde aus einem 600 Meter entfernten kleinkalibrigen Ge schütz ein Schuß abgefeuert. Es erfolgte ein Ausschlag des Lichtpunktes um einen halben Millimeter, eine Erscheinung, die sich nach Sekunde in geringerem Maße wiederholte. Wenige Sekunden später wurde der Schuß gehört, also kam der Schall später als die Erdwelle, sowohl die direkte als die vom Fclsabhang reflektierte. Der Ausschlag des Apparates bekundete, daß durch den Schuß eine Dodenverschiebung um ein hunderttausendstel Millimeter stattgefunden habe, und daß auch eine zehnmal stärkere Entladung nur eine Verschiebung um ein zehntausendstel Millimeter her vorzubringen vermöchte. Diese genaue Beobachtung beweist, daß Helgoland seine Befestigungen tragen kann und beim Schießen nicht geschädigt wird. Gegen über der Annahme aber, Helgoland könne durch Be schießung vernichtet werden, erklärte Staatssekretär Admiral v. Tirpitz am 9. Januar 1908 in der Kom mission: „Wenn eine ganze feindliche Flotte ihre ge samte Munition auf den Felsen von Helgoland ver schießen wollte, so hätte das nur eine minimale Wir kung für die Insel, für die Flotte hingegen die Wir kung, daß ihre Geschütze außerordentlich gelitten hätten." Wenn es an sich also auch bedauerlich ist, daß wir gezwungen sind, große Aufwendungen zur Erhaltung der Insel zu machen, so ist doch gewiß, daß die Be deutung Helgolands, besonders in Kriegszeiten, diese Aufwendungen als durchaus berechtigt erscheinen lassen, und daß bei rechtzeitigem Schutz der Insel keine Gefahr besteht, die Summen für eine verlorene Sache ausgegeben zu haben. Der Leimiger Ssuptbshnhok unü ük kleichseilenbshngemelnlchakt. Man schreibt uns: Leipzig steht am Vorabend eines großen Auf schwunges seines Verkehrs. Dieser Aufschwung muß kommen, denn wirtschaftliche Notwendigkeiten setzen sich durch, auch wenn einseitige egoistische Interessen sie hemmen wollten. Leipzig ist der gegebene Ver kehrsmittelpunkt Mitteldeutschlands. Dazu wird es ohne weiteres durch seine geographische Lage im Her zen Deutschlands und am Anfang der großen norddeutschen Tiefebene. Wenn es heute als Verkehrszentrum noch nicht den ihm gebührenden Rang einnimmt, so ist daran in der Hauptsache die vom Reichsstandpunkte tief zu beklagende und dem Reichsausländer unverständliche Verkehrspolitik ein zelner deutscher Bundesstaaten schuld. Wer -iese Politik aufmerksam und offenen Auges verfolgt, sieht sich manchmal Maßnahmen der bundesstaatlichen Eisenbahnverwaltungen gegenüber, die begründeten Zweifel an die Reichseinheit, die unbedingte Wirk samkeit der Reichsverfassung und an die Möglichkeit einer ungehinderten großzügigen Verkehrsentwicklung Deutschlands auskommcn lassen müssen. Die trotzdem erzielten günstigen Erfolge beweisen nichts zugunsten der Eisenbahnverwaltungen, sondern vielmehr nur, daß die Verhältnisse stärker waren als sie, jedenfalls aber nicht, daß wir auch ohne ihre kurzsichtige Ver kehrspolitik keinen größeren Verkehrsausschwung ge nommen hätten. Schon im Jahre 1833 wies der geniale Volkswirt Friedrich List in seiner epochemachenden Schrift „Ucber ein Sächsisches Eisenbahnsystem als Grund lage eines allgemeinen deutschen Eisen bahnsystems" auf dieses hin und Leipzig darin eine hervorragende Stelle an. Daß Leipzig als solches in der Vergangenheit nicht eine verständnisvolle und genügende Förderung erfahren hat, lag zunächst daran, daß ursprünglich die beteiligten Eisenbahn verwaltungen Privatbahnen waren, die die mit der Schaffung eines Zentralbahnhoses verbundenen Kosten scheuten. Als dann später an ihre Stelle der Staatsbahnbetrieb getreten war, konnte insbesondere die preußische Staatseisenbahnverwaltung an der Schaffung eines alle Linien umfassenden Hauptbahn hofes in Leipzig vom Standpunkte ihrer preußischen Verkehrspolitik mit dem Zuschnitt des Verkehrs auf Berlin als Verkchrsmittelpunkt und mit der Absicht, den Verkehr möglichst den eigenen Linien zu erhalten und zuzuführen, kein oder nur geringes Interesse haben. Wenn nun jetzt tatsächlich ein die preußischen und sächsischen Linien bedienender Hauptbahnhof gebaut wird, den uns kurzsichtige bundesstaatliche Verkehrs politik fast gefährlich lange vorenthalten hat, so ist damit indessen noch nicht für Leipzig alles Erreichbare erreicht. Leipzig wird erst dann als Verkehrszentrum Mitteldeutschlands sich voll entwickeln können, wenn einmal die Reichseisenbahngemeinschaft verwirklicht worden ist. Alle Gründe sprechen für diese, und keiner im wohlverstandenen Reichsinteressc dagegen. Wenn der konservative Abgeordnete Dr. Hähncl im Sächsi schen Landtage am 30. November 1909 anläßlich der Beratung des Sächsischen Staatshaushaltes die Pro paganda für die Reichseisenbahngcmeinschaft als Schwärmerei bezeichnet hat. so läßt diese Auffassung recht wenig Verständnis erkennen für eine praktische deutsche Verkehrspolitik, die sich obendrein mit den wirtschaftlichen Interessen der Bundesstaaten deckt. Die Aeußerung Dr. Hähnels ist um so bedauerlicher, als sie in derselben Sitzung erfolgte, in der kurz zu vor der sächsische Finanzminister erklärt hatte, daß Sachsen durch seinen Anschluß an den weit enger bc grenzten Deutschen Staatsbahnwagcnverband sGütcr- wagengemeinschaftl vom 1. April 1910 an infolge Wegfalles der sächsischen Wagenkontrolle und wegen der sonstigen betrieblichen Vereinfachungen allein an Personal rund 300 000 «E Ersparnisse mache. Ein sichtsvolle Beurteiler vertreten denn auch eine ganz andere Auffassung. So sprach sich am 15./16. Dezem der 1909 der Ausschuß des Deutschen Handelstages für den Ausbau der Vereinheitlichung des deutschen Eisenbahnwesens aus, und am 21. Januar 1910 wurde im Reichstage erklärt, daß die Kompetenz des Reichs eisenbahnamtes gestärkt werden muffe, damit das Reich endlich zu einer großzügigen Eisenbahnpolitik komme. Allerdings läßt sich nicht verkennen, daß die Reichs- eisenbahngemeinschaft auch die Eisenbahnhoheitsrechte der Bundesstaaten absorbiert und daß damit gleich zeitig auch ein gut Teil ihrer Selbstverwaltung schwindet. Dies würde aber die Bundesstaaten finanziell außerordentlich entlasten. Es wäre sicher interessant, einmal statistisch die Mehr ausgaben nachzuweisen, die den deutschen Reichsbürgern durch Dezentralisation der verschie denen Verwaltungen im allgemeinen und durch die der Eisenbahnverwaltungen insbesondere entstehen. Es würden sich in Ansehung der letzteren ganz bedeu tende Ersparnisse erzielen lassen, wie ja schon die oben erwähnten 300 000 -E Ersparnisse der sächsischen Staatseisenbahnverwaltung ahnen lassen. Es sei nur erinnert an die bessere Ausnutzung der Betriebs mittel, die nicht nach kurzer Fahrt bereits an der Grenze Haltmachen müssen' an das Wegfällen der Erenzbahnhöfe der verschiedenen Verwaltungen mit ihrem kostspieligen Apparat, an die Verminderung des gesamten Derwaltungsaufwandes durch die Ver einfachung bzw. Abschaffung der bundesstaatlichen Oberbehörden usw. Die völlige Reichseisenbahn- gemeinschaft ist nur eine Frage der Zeit, das ist sicher. Bismarck bereits hat sie angestrebt, aber wieder fallen lassen müssen. Unsere ganze heutige wirtschaftliche und politische Entwicklung, das Anwachsen des Geld bedürfnisses des Reiches und die begrenzte Steuer kraft der Bundesstaaten drängen darauf hin. Das deutsche Volk wird sich auf die Dauer nicht weitere Steuern, insbesondere nicht Verkehrssteuern, aufdrän gen lassen, sondern verlangt durchgreifende wirtschaft liche Reformen und wirtschaftliche Ersparnisse, aus denen der steigende Geldbedarf des Reiches gedeckt werden kann. Ein markantes Denkmal des Beginnes einer besse ren Zeit, der Neubelebung des Reichsgedankens könnte nun der in der Entstehung begriffene Leipziger Hauptbahnhof werden. Wohl werden sich die präch tigen Formen seines Empfangsgebäudes wie aus einem Guß zeigen, al« herrliches Monumentalwerk voll schöner äußerlicher Harmonie. Leider ist diese Harmonie aber nur äußerlich. Der neue Hauptbahn Hof wird nämlich eine völlig getrennt verwaltete schwarz-weiße und eine ebensolche weiß-grüne Hälfte besitzen mit einem preußischen und einem sächsischen Bahnhofsvorstand. Bei Meinungsverschiedenheiten der beiden Vorstände soll ein von beiden Verwaltun gen zu besoldender sächsischer Beamter den Ausschlag geben. Die Grenze wird mitten durch das Empfangs gebäude gehen und zwischen den projektierten 13 preußischen und ebensoviel sächsischen Geleisen ver laufen. Der neue Hauptbahnhof Leipzig steht also unter wenig günstigen Auspizien für die Rcichseisenbahn Gemeinschaft, er bietet aber zugleich ein sehr typisches Bild für die wirtschaftlich unhaltbare Stellung unserer bundesstaatlichen Eisenbahnverwaltungen, denn statt eines einzigen Dahnhofsleiters müssen deren drei an gestellt und bezahlt werden. Diese Perspektive macht es aber allen beteiligten Kreisen Leipzigs gebieterisch zur Pflicht, rechtzeitig und systematisch auf eine bessere Berücksichtigung Leipzigs im Verkehr mit Eröffnung seines Hauptbahnhofes hinzuwirken und insbesondere eine völlige Umgestaltung des Durchgangsverkehrs nach reichseinheitlichen Plänen zu fordern. Ls ist bis jetzt nicht anzunehmen, daß die preußische Eisenbahn Verwaltung freiwillig Entgegenkommen zeigen und Leipzig als Zentralpunkt des mitteldeutschen Verkehrs aufnchmen wird. Wenn es z^ B. wahr ist, daß sic die von ihr geplante elektrische Schnellbahn Halle -Leip zig nur als Pendelbahn zwischen den beiden Städten ausbauen will, um den Klagen Leipzigs wegen Be nachteiligung zugunsten Halles zu begegnen, so wirb jeder unbefangene Beurteiler zugeben müssen, daß mit diesem Pendelverkehr allein Leipzig nicht gedient sein kann. Als es sicb um die Einigung Deutschlands unter preußischer Leitung handelte, hiess es verheißungsvoll: Preußen müsse in Deutschland mora lische Eroberungen machen. Hat Preußen diesen Wechsel auf die Zukunft wirklich cingelöst? Deutsches Reich. Leipzig, 19. Februar. * In der Donnerstag-Sitzung des Bundesrats wurden noch angenommen der Entwurf einer Er gänzung des Besoldungsgesetzes und die Vor lagen betreffend die Prägung von 40 Millionen Dreimark-und Einmarkstücken und 5 Millionen Zehnpfennigstücken, ferner die Vorlage betreffend Aenderung der Zuckersteuerausführungsbestimmungen. * Provisorische Parlamentspräsidenten. Im Reichs tag und im preußischen Abgeordnetenhaus hat man in letzter Zeit die Notwendigkeit von provisorischen Präsidenten für die erkrankten ersten Präsidenten besprochen. Man hat vorgeschlagen, die Konserva tiven zu ersuchen, für den Grafen Stolberg und Herrn v. Kröcher provisorische Ersatzmänner zu ernennen. Im Abgeordnetenhaus wird allerdings ein Ersatz kaum notwendig sein, da Herr v. Kröcher bereits Anfang April wieder von der Riviera zurück kehren wird. Graf Stolberg dürfte jedoch bis zur voraussichtlichen Vertagung der Session die Präsidial geschäfte nicht wieder übernehmen. Die Amtsgcschäfte werden also monatelang von den beiden Vizepräsi denten noch zu führen sein. Die Konservativen sind der Frage eines Notpräsidenten auch nähergetreten, doch find Geschäftsordnungsbedenkcn laut geworden. Diesem gegenüber ist daran zu erinnern, daß der Reichstag schon früher in der Person des Aba. Büsing einen dritten Vizepräsidenten zur Zeit der Zolltarif
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