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Leipziger Tageblatt und Handelszeitung : 04.02.1910
- Erscheinungsdatum
- 1910-02-04
- Sprache
- Deutsch
- Vorlage
- SLUB Dresden
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id84535308X-191002042
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id84535308X-19100204
- OAI
- oai:de:slub-dresden:db:id-84535308X-19100204
- Sammlungen
- Saxonica
- LDP: Zeitungen
- Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
-
Zeitung
Leipziger Tageblatt und Handelszeitung
-
Jahr
1910
-
Monat
1910-02
- Tag 1910-02-04
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Monat
1910-02
-
Jahr
1910
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3. Beilage Freitag, 4. Februar 1S1V. Leipziger Tageblatt. Nr. 34, 1V4. Jahrgang. Derrtschev Reichstag. 29. Sitzung. Berlin, 3. Februar. (Privattelegramm.) Stimmungsbild. Es scheint fast, als ob man dem Sozialdemokraten Noske etwas zuviel Ehre antue; denn die ersten Redner des heutigen Tages be schäftigen sich fast ausschließlich mit seiner Person. „Herr Noske sagte, Herr Noske meinte", aber was er gesagt und gemeint batte, findet nirgends Hegenliebe, am wenigsten beiLattinann (Wirtsch. Pgg.j und bei dem Untcrstaatssekretär v. Lindequist, der sich ebenfalls ge zwungen fühlt, die Ausführungen des Genoßen Noske einer Abweisung für wer: zu halten. Darum kristallisieren sie die einzelnen Wünsche, die dem Sprecher noch am Herzen liegen. Besonders ein Moment ist in den letzten Tagen noch hinzugekommen: der angekündigte Rücktritt des Gouverneurs v. Schuckmann. Man will sich der Anerkennung seine: Verdienste nicht entziehen, doch knüpft der Abg. Storz (D. Vpt.) ein kleines Fragezeichen daran. Ihm scheinen doch einige Differenzen zwischen der Zentralleitung und der Verwaltung der Kolonie cnistanden zu sein. Und dann kommt Noske an die Reihe. Er batte am Dienstag eine gewaltige Abrechnung angrkündigt, aber er ist heute merkwürdig zahm. Zwar spricht er in seinem ihm eigenen Volksversammlungston uno verschmäht auch scharfe Ausdrucke, wie „grobe Ungehörigkeit" und ähnliches nicht, doch hat er sich schon so weit durchgerungen, daß er sich nicht allen Forderungen verschließt, wenn er auch dem Gcsamtetat ab lehnend gcgennbersteht. Vorher hatte noch S ch w a r z e - Lippstadt (Ztr.) gesprochen und dabei das Marmorvorkommen in Südost erwähnt. Das gefällt Goller (Frs Vpt.) gar nicht, ebensowenig Noskes Mei nung, daß die an kolonialen Unternehmungen beteiligten Parlamentarier im Reichstage Zurückhaltung üben möchten. Erzberger (Ztr.) ist ganz damit einverstanden, um dann ans Zwistigkeiten zwischen der katholischen Schule und der Simultanschnlc in Samoa sprechen zu kommen. Wenn man ves Genossen Worte heute vergleicht mit ldem Stand punkt, den die Sozialdemokratie noch 1906 cinnahm, so muß man dem Staatssekretär Dcrnburg recht geben, der eine gewaltige Wandlung der Anschauungen konstatieren zu können glaubt. Wenn es allerdings gelte, so meint er, die Zeche zu bezahlen, wo sei dann die Sozialdemo kratie? Erzbergcr gegenüber legt er in knappen Worten den Sachver halt in den Missionsverhältnissen der samoanischen Kolonie <dar. Das Vorgehen der Regierung wurde durch den lebhaften Beifall der Mehr heit allseitig für berechtigt erklärt, nur das Zentrum ist etwas „ein geschnappt". Herr Lcdebour geht wieder mächtig ins Zeug gegen die „kapitalistische Politik des Herrn Dernburg". Sein pathetischer Vortrag vermag nicht in das „Bourgeoisgehirn" des Dr. Arning (Natl.) zu dringen, wie dieser selbst launig erklärt. Dagegen begrüßt er vie Einmütigkeit des Reichstages mit großer Freude. Mit der Er klärung des Staatssekretärs über die Missionsschule in Samoa ist Erz berger sZtr.s noch immer nicht zufrieden und es bedarf erst der Zu sicherung Dernburgs, daß die Regicrungsschule in der Kolonie sowohl e:ne katholische, als auch evangelische Abteilung erhalten wird, »m das Gemüt des Nimmersatten Zentrumsmanncs einigermaßen zu be- friedigen. Nachdem der Etat für Südwestasrika genehmigt ist, wird auch der für Ostasrika schnell erledigt . . . Von dort geht es nach Togo und dann, da der Staatssekretär noch einen kleinen Nach tragsetat hierfür ankündigt, über Neuguinea nach S a m o a. Nach einigen Redegesechten hin und her findet auch dieser Etat die Zustim mung des Hauses Zum Etat des R e i ch s k o l o n i a l a m t s legt die Bndgetkom- mission, wie von Treuenfcls sKons.s berichtet, eine Resolution zur Errichtung eines Denkmals für die Südwestasrika-Gefallenen vor, die einstimmig angenommen wird. Damit ist der ganze Kolonialetat er- ledigt. Die endlosen Debatten bedeuten im ganzen ein Vertrauens votum für Herrn Dernburg. Auch der Etat des R c i ch s m i l i t är ger i ch t s findet die Zustimmung des Hauses. Sitzungsbericht. Am Bundesratstische: Staatssekretär D c r n b n r g, v. L i n d c. Erster Vizepräsident Dr. Spahn eröffnet die Sitzung um IsH llöi^ EzngttüUlaen ist ein Gesetzentwurf betreffend Regelung der Handelsbeziehungen mit den Vereinigten St-aaktn von Nordamerika. Die nachgesuchte Erteilung der Genehmigung zur Strafverfolgung des Abg. G e r st c n b c r g e r wegen Beleidi gung beantragt die Geschästsordnnngskcmmiision zu versagen. Auf Antrag des Abg. Erzberger lZtr.s, der ausführt, daß in diesem Falle die Respektierung der Immunität den Abg. Gerstenbergcr geradezu vogelfrei machen würde, da er Kläger sei und Beklagte durch Erhebung der Widerklage lediglich die Erledigung des Prozesses hinziehen wolle, wird jedoch die Genehmigung erteilt. Gegen die Genehmigung stimmen nur Freisinige, Polen und Sozialdemokraten. Darauf seht das Haus die Lpezialberatung des Etats für die Schutzgebiete ISL« fort. Die allgemeine Debatte über die Verhältnisse in den Schutz gebieten wird wieder ausgenommen. Abg. Lattmann (Wirtsch. Vgg.): Die sozialdemokratischen Klagen und Anklagen gegen unsere Kolonialpolitik ruhen doch auf sehr schwachen Füßen. Die Maschinengewehre müßten die Sozialdemokraten gerade rm Interesse der Humanität in den Kolonien ebenso freudig begrüßen wie den Bau der Eisenbahnen. Die Tätigkeit der Missionen wird durch aus anzucrkenncn sein, wenn nach dem Grundsatz oin et lubora dergestalt gebandelt wird, daß nach beiden Richtungen gleichmäßig energisch ge- arbeitet wird. Gerechtigkeit und Strenge müssen für die Be handlung der Eingeborenen maßgebend sein. Erfreulicherweise hat der Staatssekretär in seiner großen Londoner Rede dieselbe Anschauung vertreten. Der briefliche Verkehr gewisser weißer Mädchen mir Togo- und K a m er u n n e g e r n ist schon früher verurteilt worden. Die ganze deutsche Presse müßte dieses Sichhinwersen an die schwarze Rasse aufs schärfste brandmarken. Nach einer Notiz der „Frankfurter Zeitung" ist einem Neger, der in der Truppe bei Hageubcck sich vor dem Kaiser produzieren durfte, das Allgemeine Ehrenzeichen verliehen und vom Landrat feierlich übergeben werden. In weiten Kreisen der kleinen Beamtenschaft hat diese Ver leihung Mißstimmung erregt. Daß das Verhältnis zwischen den Weißen und dem Gouverneur in Deutsch-Ostafrika ein besseres geworden ist. ist ein Verdienst des Unterstaatssekretärs v. Lindeauist. Auch tu Südwest scheinen sich dank der Tätigkeit des neuen Gouverneurs v. Schuckmann die Verhältnisse in dieser Beziehung günstiger gestaltet zu haben. Sehr bedauerlich wäre es, wenn Schuck- man nn seinen Posten sollte anfgebcn müssen. Ge wünscht wird die Schaffung eines R e a l k r c d i t i n st i t u l s für Farmer bzw. der Ausbau der bestehenden Genossenschaftsbank durch staatliche Mittel. Kiantschan soll ja auch eine Hypothekenbank be- kommen. (Beifall.) Untcrstaatssekretär. Dr. v. Lindeguist: Es ist mehrfach die Frage der Kleinsiedelungen zur Sprache gebracht worden. Wenn man in dem letzten Jahresbericht von D e u t s ch - S ü d w est a f r i k c Nachsicht, findet man, daß 1908 nicht weniger als 66 neueKleinsiedel ungen entstanden sind (Hört, hört!), und zwar ohne Unterstützung der Regierung. Danach ist das Urteil, das so vielfach über diese Klein- siedelungcn gesällt ist, zum mindesten verfrüht gewesen. Die Größe der Kleinsiedelungen beträgt nach dem Bericht 5—6 Hektar. Die Kleinsiede lungen, die 1906 angelegt sind, waren im Verhältnis dazu erheblich größer, nämlich 10—12 Hektar Ackerland und daneben, was meistens ganz übersehen wirb. 30 000 Hektar Weideland. In erheblichem Umfange ist auch von Kleinsiedlern Tabak angcbaut worden. Der Nachfrage konnte nicht genügt werden. Es besteht jedenfalls die Möglichkeit, in »och größerem Umfange Tabak anznbauen. Für einen Zentner wurden 150—170 .il bezahlt. Als wir die großen Länderstrecken für die Re gierung in die Hand bekamen war es nur natürlich, daß das Gouverne ment Bedacht darauf nahm, gesunde Strecken zu reservieren und für die Kleinsiedelungen aufzuteilen. Herausgelockt oder von Deutsch- land berbeigezogen ist aber kein einziger von den Ansiedlern. Es wäre im höchsten Grade wünschenswert, daß in einem Lande wie Süd westafrika nicht Lebensmittel wie Gemüse, namentlich auch Obst, sämtlich vom Auslände bezogen werden, und daß das Futter für Pserde und Kamele nicht in so großer Menge vom Ausland herangeschafst werden muß. Man kann nach so kurzer Zeit über die wirtschaftlichen und lano- wirtschaftlichen Unternehmungen ein endgültiges Urteil nicht abgeben. Bei der 19,16 vom Reichstage bewilligten Summe von 500 000 K wurde vom Reichstag ausdrücklich verlangt, daß diese Mittel hauptsächlich zu konzentrierten Siedelunqen verwandt werden. Jedenfalls ist ein Urteil über Kleinsiedelungen verfrüht. Das letzte Wort darüber ist noch nichi gesprochen. (Beifall.) Abg. Schwarze-Lippstadt sZtr.s äußert sich ebenfalls über die Frage der Kleinsiedelungen sowie über Marmorfnndc in Südwestafrika, ist aber im Zusammenhänge auf der .Iournalistentribünc nicht zu verstehen. Abg. Storz (Dtsch. Vpt.): Daß der Abg. Goller, wie der Abg. Lütt mann es behauptet hat, sich wegwerfend über die Missionen ge- äußert hällc, muß ich aufs entschiedenste ablehnen', er hat im Gegenteil noch besonders die V e r d i e n ste der katholischen Mission hcrvorgehobcn. Gewinne aus dem Bergbau sind an und für sich für Südwestasrika kein Gewinn', die Zukunft dieier Kolonie wird immer nur auf dem landwirt- jchaftlichen Gebiete zu suchen sein. Ob Groß- oder Kleinsiedelungen, darüber zu reden l>at beute wohl wenig praktischen Zweck. Alles muß getan werden, um die Viehseuchen zu bekämpfen. Die Wasserversorgunu macht Fortschritte, und das hilft dazu, auch den Betrieb in den Teilen der Kalohari in Angriff zu nehmen. Das Svstem der Einfuhrscheine tritt hirsichtlich des .Hafers, den die Kolonie bedarf, sehr zum Schaden der deutschen Steuerzahler in Erscheinung. Für S ü d w c st a k r i k a ist es durchaus notwendig daß es seinen Bedarf an Nabrungs- Mitteln selbst produziert, denn nur dann kann cs sich im Falle eines Krieges bei abgescknittener Zufuhr halten. (Beifall.) Abg. Noske sSoz.): Der Abg. von Liebcrt hält es für notwendig, daß auch Parlamentarier Aufsichtsratsstellen in kolonialen Unter nehmungen bekleiden wie er. Es fällt mir nicht ein, den Reichstags- abgcordneten zu unterstellen, daß sie auch nur auf den Gedanken kommen könnten, sich dadurch Profit zu verschaffen. Aber es ist nicht zu ver meiden, daß gegen ihren Willen ihr Urteil eine gewisse Trübung erfährt Ich bcdaure, daß ich keine Gelegenheit gehabt habe, die Schutzgebiete kennen zu lernen. Was man jetzt als Kleinsiedelungen ansieht, ist etwas ganz anderes als früher: es sind dies jetzt recht große Betriebe und es gehören dazu beträchtliche Mittel. Gewiß besteht eine Möglichkeit des Tabakbaues in Südwestafrika, aber cs ist gesagt worden, daß die Neger einen solchen Tabak nicht haben wollen Der Staatssekretär hat sich am Dienstag seine Polemik mit mir etwas leicht gemacht. Der Hinweis auf das Schießen mit Pralinees ist ein etwas billiger Witz. Karl der Große hat an einem Tage 5000 Sachsen nicdcrhauen lassen. Ich kann nicht finden, daß wir Veranlassung haben, uns hierüber und über die Negerschlächtcreien zu freuen. Die koloniale Entwickelung hätte sich auch ohne solche Greuel durchführen lassen. Un richtig ist, daß die Sozialdemokraten Mittel zlir Förderung der Baum wollzucht verweigert haben. Tie Ablehnung des Etats im ganzen be deutet nicht, daß wir alles, was im Etat steht, ablchnen: das weiß der Staatssekretär ganz genau. Von einer Krise in unserer Hal- t u n g zur Kolonialrrage ist leine Rede. Wir haben uns von der Stellung zur Kolonialpolitik nicht drücken wollen: wir nehmen mit ge wohnter Schärfe die Stellung gegen die Mißstände aus diesem Gebiete, namentlich gegen die Belastung des Volkes und gegen kapitalistische Be reicherung! (Beifall bei den Soz.) Abg. Dr. Goller sFrs. Vpt.s: Abg. Schwarze Lippstadt hat die Marmorfrage in Südwestafrika mit den Haaren herbei gezogen. Vizepräsident Dr. Spahn: Diese Kritik steht Ihnen nicht zu! Es ist nicht Sache des Reichstags, für oder gegen die ErwerbSgescll- schastcn Stellung zu nehmen, namentlich unter Anführung unrichtiger Zahlen. In dieselbe Kerbe hat Abg. Noske gehauen. Abg. Erzbergcr lZtr.s: Ich verstehe nicht, weshalb wir uns mit solchen Fragen wie die Marmorsrage nicht befassen sollten. Es war gerade das Verdienst des Abg. Lasker, vor gewissen Gründungen zu warnen. Dasselbe ist auch geschehen in der Denkschrift in bezug auf gewisse Diamantensucher. Im übrigen habe ich Abg. Schwarze nicht verstanden, obwohl ich ihm sehr aufmerksam zugehört habe. (Heiterkeit.! Es ist Sache des einzelnen Abgeordneten, wieweit er sich an solchen Unternehmungen beteiligen will. Gegenüber Stolz bemerke im, daß verschiedene Abgeordnete seine früheren Ausführungen so ausgefaßt haben, als ob er für das Bergregal der Deutschen Kolonialgesellsckmft cingetreten ist. Die Diamantenfragc halte ich nicht für eine juristische, sondern in erster Linie für eine politische Frage. Abg. Goller hat sich gewiß nicht wegwerfend über die Missionen geäußert, aber ein Entgegenkommen gegen die Missionen klang aus seiner Rede nicht heraus. Das Prinzip der Staatsschule läßt sich in den Kolonien nicht durchführen. Ein katholischer Bischof würde seine Pflicht verletzen, wenn er für die katholische Schule nicht cinträte. (Zwischenruf, links.) Was dem Bischof vorgeworfcn wird, ist falsch. Er hat auch der Errich- .Jung einer Staatsschule in Samoa keine Hindernisse in den Weg legen wollen: er wünscht nur Freiheit für seine Schule, er hat lediglich-;ein gutes Recht ausgeübt. (Beifall im Zentrum.) Staatssekretär Dernburg: Abg. Noske hat sich verletzt gefühlt durch meine Bemerkung, daß sich bei den Sozialdemokraten eine Wandlung in ihren kolonialen Anschauungen vollzogen habe. Tatsächlich ist eine solche aber cingetreten. Während 1906 noch alles abgelehnt wurde, hat Abg. Noske doch anerkennende Worte gesprochen, die beweisen, daß eine Aenderung eingetreten ist. (Zuruf Noske: Weil die Kolonial- Verwaltung sich geändert hat!) Also geben Sie es doch zu, daß Sie sich geändert haben. Der Abg. Noske sagt, wir können nicht den ganzen Etat annehmcn wegen einer oder zweier Positionen, die wir billigen; das nennt man Plato nischeLicbefürdieKolonien, damit kommt man nicht weiter. Ich würde mich freuen, wenn die Sozialdemokratie durch die Resolution Albrecht und Genossen feststellen würde, was sic gegen die Kolonien hat, aber 100 000 -K verlangte für eine Förderung der Baumwollkultur. Sie würden die Regierung und das ganze Haus auf ihrer Seite finden. Was Samoa anbetrifft, so kann der Bischof der Regierung nicht verbieten, eine Simultanschnlc einzurichten, sie ist eingerichtet durch den Gouverneur, nachdem er diese Absicht den Missionen vorher zur .Kenntnis gebracht hatte. Trotzdem hat der Bischof von der Kanzel herab den Besuch der Regierungsschule ver boten und bei Zuwiderhandlungen mit Exkommunikation gedroht. Das geht über die Lehrfreiheit und Parität hinaus. Mit solchem Zwang soll man nicht eine Einrichtung des Staates bekämpfen, unter dessen Flagge man Schutz genießt. Damit fördert man den Frie den in der Kolonie nicht. (Beifall.) Abg. Lcdebour (Soz.): Als wir uns der Mißbilligung des Lüderitz- buchter Telegramms anschlossen, habe ich ausdrücklich betont, daß sich in unserer Gesamthaltung zur Kolonialpolitik keinerlei Wand lung vollzogen hat. Man muß auch dem schärfsten Gegner gegenüber Gerechtigkeit walten lassen. Der Staatssekretär sollte es bleiben lassen, mit seiner Kenntnis der deutschen Geschichte zu brillieren. Solche Geschichtsklitterungen L In Karlchen Miesnik sollte er hier nicht Vor bringen. Gegen die Beteiligung von Abgeordneten an den Kolonial unter nehmungen kann niemand etwas ein wenden, solange solche Mitglieder sich nicht in die Budget kommission enksenden lassen. Wenn aber ein solches Mitglied, das an einer Südkamcruner Firma beteiligt ist, jegliches Taktgefühl vermissen läßt und sofort in der Budgetkommission eine Gehalts erhöhung für den Gouverneur beantragt, dann sagen solche Leute: da haben wir einen famosen Griff getan. Gegen solches Verfahren erheben wir energischsten Protest. Ein von uns im vorigen Jahre ein gebrachter. vom Hause angenommener Antrag verlangte, daß den Ein geborenenstämmen soviel Land zugeteilt würbe, daß sie sich ans demselben bei ihrer gewohnten Wir t s ch aftsweise ihren Lebensunterhalt erwerben können. Dieser Antrag ist von dem Bundesrat abaelcbnt worden indem ausaefübrt wird, daß den Eingeborenen eine Zuweisung von Land bei Mangel an Vieh doch nichts nützen würde. Das ist ein Hohn nicht nur für die Ein- aeborenen, sondern auch für den Reichstag: es soll also bei der brutalen Ausbeutungssrciheit des Großkapitals bleiben. Die Missionsberichte eraeben. daß die Eingeborenen vielfach von allen Subsistenzmitteln entblößt sind und dem Hungertote vreisgegeben werden: in Windhuk, wo viel Militär liegt, scheint das ganze Volk durch ansteckende Krank heiten verseucht zu sein, der sittliche Zu stand ist trostlos. Diese letztere Angabe fehlt übrigens in den uns zrracstellten, vielleicht frisierten Berichten. Das sind die Früchte der deutschen Kulturarbeit. Wie der Konaostaat für die Wirksamkeit des eben verstorbenen Königs Leopold, so ist Südwestafrika geradezu ein grauenhaftes Schulbeispiel für das WirkenDernburgs zugunsten des Großkapitalismus. Daß wir Sozialdemokraten nach wie vor alles aufbieten werden, solche Kolonialpolitik zu bekämpfen, das wird auch den Staatssekretär Dernburg nicht verwundern können. (Bei fall bei den Sozialdemokraten.) Aba. Dr. Arning (Natl.): Aus diesen pathetischen Ausführungen kann ich nur annehmen, daß wir unsere ganze Kolonialverwaltung einpacken müßte ns. Dem. was der Abg. Erzberger betreffs der deutschen Kolonialaescllschaft für Südwestasrika ausgcführt hat. trete ich in allen Punkten bei. In der Entwickelung der Baumwollproduk tion bat vor zwei Jabren der Abg. Ledebour eine ganz andere, der Sache viel aünstiaere Auffassung namens seiner Fraktion vertreten, al? der Abg. Noske heute. Wie die Sckädlinae der Baumwolle bekämpft werden müssen, können wir absolut nicht erfahren, wenn wir nicht end- lick anfongen, Baumwolle zu bauen. Abg. Schwarze-Lippstadt: Ich habe gar nicht vor Unternehmungen zur Ervlorierung der Marmorfunde gewarnt, sondern nur vor Ucbcr- stürzungen auf diesem Gebiet, ich habe verlangt, daß zunächst eine gründliche Untersuchung über die' Mächtigkeit des Vorkommens an Ort und Stelle veranstaltet wird. Abg. Storz (D. Vpt.) kommt nochmals aus das Verhallen des katholischen Bischofs auf Samoa zurück. Unsere Kolonien könnten nur geschädigt werden, wenn man dort im Namen der Konsequenz Intoleranz übe. Abg. Erzberger (Ztr.): Der Bischof ist seit 1865 in Samoa; dieses ist aber erst seit etwa 1900 deutsches Schutzgebiet. Sollte der Bisams wegen der deiitschen Cchutzhohcit feine Sprache aufgebeu? Die Schule ist auch keine Simultanschu!e. sondern eine religionslose Schule. Das große Verdienst des Bischofs um die Verhinderung eines blutigen Ausstandes ist unbestritten. Alle Teile sollten doch dasselbe Interesse an einem guten gegenseitigen Verhältnis haben. Staatssekretär Dernburg: Diesen Wunsch teile ich durchaus. Aber hier liegt die Sache einigermaße'. eigentümlich. Es liegt mir ein Bericht des Gouverneurs vom 10. Mai 1909 vor, nach dem die Ein- geborenenfchulc sür 40 Schüler aller Konfessionen im Monat vorher eröffnet war. Der Bischof hat noch demselben Bericht den Katholiten den Besuch der Schule untersagt. Trotzdem für die katholischen Kinder ein katholischer Lehrer zu gelassen war (Hört, hört!h hat er das Verbot aufrechterhaltcn. (Erneutes Hort, hört!) Nachdem wir die Vermittlung des Domkapitulars in Köln anaerusen haben, bat sich der Bischof aus den kanonischen Standpunkt zurückgezogen. Auch eine spätere Vermittlung hat nichts gefruchtet. Er hat erklärt, daß in Schnlsrageit Rom zu entscheiden habe. Der Gouverneur sagi iu dem Bericht: Ich habe getan, was ich vom Standpunkt der Gleichberechtigung beider Kirchen tun konnte. Ich hab: sowohl den Katholiken wie den Protestanten freigestellt, die Schule zu besuchen. Da ein Schulzwang nicht besteht, konnte ich die Katholiken gar nickt zwingen, ihre Kinder in die ReaierungSschule zu schicken. Ich habe nicht feindlich gegen die Missionen gehandelt. Ohne die Verdienste des Bischofs verkleinern zu wollen, glaube ich, cS wäre besser, wir hätten einen deutschen Bischof. Wenn die Herren sich ans den intransigenten Standpunkt stellen, habe ich meinerseits unter allen Umständen die Autorität der Verwaltung auf Samoa ausreclUcrhaltcn. (Lebhaftes Sehr richtig!) Ich bin gerne bereit, wenn jemand mit seinem Gewissen in Konflikt kommt, ihm entaeaenzukommen. aber es muß in diesem Falle von der katholischen Mission Entgegen- kommen geübt werden. (Beifall.! Abg. Dr. Müller-Meiningen (Frs. Vpt.): Wir sind dem Staats- sckrctör kür seine Erklärungen sehr dankbar. Wir stehen nach wie vor auf dem Standpunkt, daß die Kirche hier nicht hineinzusprcchen hat. Es bandelt sich nm eine französische Mission. (Lebhafte Zurufe aus dem Zentrum: Nein, nein!) Der Staatssekretär hat ausdrücklich unter strichen, daß der Bischof nicht einmal der deutschen Sprache mächtig ist. Es erscheint »us unerhört, daß ein fremd- ländischer Bischof den deutschen Staatsangehörigen mit Kirchen strafe droht, weil sie deutsche staatliche Einrichtungen benutzen. Wir können dem Herrn Staatssekretär nur unsere Anerkennung aus sprechen. daß or die Rechte des Staates mit aller Energie gegenüber den kirchlichen Anmaßungen verteidigt hat. (Beifall links.) Abg. Erzbergcr (Ztr.): Es ist durchaus unzutreffend, von einer französischen Mission zu sprechen. Abg. Dove (Frs. Vgg.s: Wir stehen alle hinter dem Abg. Müller- Mcininaen. Es handelt sich nicht um die Frage, ob cs ein französischer Bischof ist oder nicht, sondern darum, ob überhaupt ein Bischof in die Staatsschule hincinzusehen hat. (Lebhaftes Sehr richtig! links.) Wir unterstützen den Staatssekretär durchaus und hoffen, denselben Kamps unter alle» Breitengrade» zu führen, den Kampf für die Unabhängig- leit und Selbständigkeit der Schule. Damit schließt die allgemeine Debatte. Es wird darauf zunächst der Etat für Südwestasrika im einzelnen durchweg nach den Vorschlägen der Budgekkommission ohne weitere Debatte bewilligt. Zu diesem Etat hat die Kommission zwei Resolutionen beantragt: den Reichskanzler zu ersuchen, N uiivcrMlich Lic erforderlichen Anordnungen zu treffen, wodurch den Gemeinden in Südwestasrika genügend Land auch für die zukünftige-Entwickelung derselben Vorbehalten bleibt; 2) eine Gemciiidestciierordnung über die Grundsätze, betreffend die Erhebung von G c m c i n d c a b g a b e n in Südwestasrika, zu erlassen. Beide Resolutionen werden vom Hause angenommen. Zum Etat für Deutsch-Ostafrika bemerkt Mg. Dr. Arendt (Rpt.): Die Streitigkeiten zwischen dem Gouver neur von Ncchcnberg und dortigen Weihen sind in der Zwischenzeit ge schlichtet, die Gegensätze haben sich in der Kolonie überhaupt mehr aus geglichen. Immerhin bestehen in Ostasrika noch immer Klagen über das Verhalten des Gouvernements, namentlich glaubt man immer an eine Zurücksetzung der Deutschen gegenüber den Farbigen. 2 800000 .((, die nir den Wegebau zur Vermeidung des Bahnbaues verausgabt werden, sind einfach fortgeworfen, denn der Weg bringt gar keinen Nutzen. In der ostafrikanischen W a h r u n g s sra g c ist leider alles beim alten ge blieben. Die Leidtragenden sind die armen Neger gewesen. Die Ein- führnng der deutschen Währung würde sowohl der Kolonie, wie dem Reiche zugute kommen. Die Ostafrikanischc Bank ist eine Notenbank und dient dem Krcditbedürfnis in keiner Weise. (Beifall rechts.) Abg. Werner (Refpt.): Ich habe schon früher die Einführung der deutschen Neichswährung in Ostasrika empfohlen. Staatssekretär Dernburg: Ostasrika ist ein so großes Gebiet, daß sich der Gouverneur nicht mit allem befassen kann. Was die Währungs frage betrifft, könnten wir ja die deutsche Währung leicht einführen, wenn wir reinen Tisch hätten, aber seit Jahren haben sich die Einge borenen an die jetzt dort bestehende Währung gewöhnt. Die Tätigkeit der Bank entspricht den örtlichen Verhältnissen in Ostafrika. Der Etat wird bewilligt. Es folgt der Etat für Kamerun, dieser passiert ohne Debatte, ebenso der Etat sür Togo und Neu-Guinea. Beim Etat für Samoa erklärt Dr. Arning (Natl.): Der Kernpunkt des Streites in Samoa liegt nicht in der Persönlichkeit des Bischofs, sondern in der prinzipiellen Auffassung des gesamten Vorganges. Wir pflichten dem Staatssekretär durchaus bei, wenn er die Rcgierungs- nutorität rücksichtslos gewahrt wissen will. (Beifall links.) Abg. Kopsch (Frs. Vpt.): Der Abg. Erzberger bat unrecht, wenn er behauptet, dieier Streit stehe mit dem deutschen Kulturkampf in Zu sammenhang. Jeder Angriff der Staatsgewalt in die inneren Ange- legenheiten der Religionsgemeinschaften ist zurückzuwciscn, anderseits auch-sind Hebelgriffe der Kirche in Angelegenheiten der Gemeinde und des Staates zu vermeiden. Wir stehen bei solchem Streit stets auf scitcn der Regierung. (Lebhaftes Bravo! links.) Abg. Erzberger (Ztr.): Der Kulturkampf, der die deutschen Orden aushob, hat verhindert, daß wir deutsche Missionare hatten, wie schon Windthorst wiederholt betont hat. Uns wäre es auch lieber gewesen, wir hätten nur deutsche Missionen draußen. Die Tatsache, daß ein katkw- Uscher Lehrer bei der Regicrungsschule angestellt ist. beweist noch nickt, daß dort katholischer Unterricht erteilt wird; dieser muß der Kirche über lassen bleiben. (Beifall im Zentrum, Widerspruch.) Aus der sehr aus führlichen Erwiderung des Bischofs geht deutlich hervor, daß er nicht an einen Kamps, an einen Krieg mit dem Gouvernement denkt. (Lachen links. Sehr richtig! im Zentrum, Unruhe.) Er legt nur dar, wie nach seiner Auffassung katholische Eltern das Erziebungsproblem ihrer Kin- der anzuschen haben. Der Bischof muß die Freiheit haben, sie als Katho- liken zu erziehen. (Lachen links, Beifall im Zentrum.) Wenn nach seiner Meinung das katholische Gewissen beschwert wird, so ist das vollauf berechtigt. (Sehr richtig! im Zentrum, Lachen links.) Wir haben aber den Wunsch, daß sich beide Teile friedlich vergleichen. (Bravo! im Zentrum, Lachen links.) Fernipr. 7063, empfiehlt Meßmer^ vorMOltch t« Geschmack, billig tm vtebrauch Las Pjunb b«n Nit. S.6O an, 100 ttr. «b Sä Pfg. »»7»«>
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