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01-Frühausgabe Leipziger Tageblatt und Handelszeitung : 21.02.1910
- Titel
- 01-Frühausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1910-02-21
- Sprache
- Deutsch
- Vorlage
- SLUB Dresden
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id84535308X-19100221012
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id84535308X-1910022101
- OAI
- oai:de:slub-dresden:db:id-84535308X-1910022101
- Sammlungen
- Zeitungen
- Saxonica
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
-
Zeitung
Leipziger Tageblatt und Handelszeitung
-
Jahr
1910
-
Monat
1910-02
- Tag 1910-02-21
-
Monat
1910-02
-
Jahr
1910
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Maats-, 21. Februar lSio. vermilchtes. Au» dem Pariser Tagebuch eine» Tibetaner». Der bekannte Reisende Iaecmes Bacot hatte wäh rend seine» letzten Besuches in Tibet einen Tibetaner mit nach Europa genommen, um von ihm die Sprache »eines Landes zu lernen. Er wählte sich einen seiner Führer, einen kühnen und klugen Mann, au», der während seine» Aufenthalte» tn der Fremde ein Tagebuch geführt hat, das jetzt tzm Bulletin du Comctä de l'Asie franxaise veröffentlich» Wird. Also beginnt der Tibetaner die Auszeichnung seiner Eindrücke: „Als in diesen Zeiten der große französische Mann namens Pa aus dem Lande Tseku kam, im Fahre de» Hammel», um das Paqul (Tibet) zu besuchen, sagte ich, Adjrup Gambe, Tibetaner von Patong, ohne Zögern: Erlaube, daß ich dir folge in Tibet, in China und in welchem Lande auch immer." Dem Tibetaner erscheint bekanntlich sein Vaterland als das „Dach der Welt": unser Reisender kommt sich denn auch, plötzlich in eine ganz andere Sphäre ver setzt, wie ein Mensch vor, der von einem Dach herunterfällt: die Eisenbahn, das Dampfschiff setzen ihn in Erstaunen, aber noch mehr wundert er sich über das Meer. Auf der Fahrt über den Ozean stirbt ein Passagier und wird ins Meer gesenkt. Das verursacht dem Verehrer des Dalai-Lama schwere Sorgen und Aengste. „Alle Menschen waren schwarz gekleidet", vertraut er seinem Tagebuch an. „sie sagten Gebet« und senkten den Leichnam ins Meer. Ich dachte einen ganzen Tag darüber nach, ob man mit mir, wenn ich sterben sollte, nach demselben Brauche verfahren würde. Da ich nun sehr litt in meinem Herzen, bemerkte das der große Mann und sprach zu mir: „Adjrup Eambo, trage nicht Leid in deinem Herzen. Wenn du krank werden solltest und sterben, so werde ich deinen Körper nicht ins Meer werfen, sondern ich werde ihn in einem Grabe von Stein aufbewahren und in dein Vaterland zurückbringen." Als ich diese Worte gehört hatte, war ich wieder froh." Als der Tibetaner in Marseille ankommt, ver wundert er sich am meisten über die vielen Zimmer und die Sauberkeit in dem großen Hotel, das sein Herr mit ihm aufsucht. „In den Zimmern sind Betten aufgestellt, die mit Seidenstoffen bedeckt sind. Auch die Seidenstoffe, die aus den Tischen lagen, waren ganz ohne Schmutz. . . . Bevor man sich zur Ruhe begibt, mutz man sich den Körper und die Hänoe waschen und den Staub von seinen Kleidern ent fernen. Wenn ich in mein Vaterland zurückkehren werde, wenn ich, verächtlicher Hund, erzählen werde, Latz auck ich nach diesem Brauche getan habe, dann werden sich alle Menschen ungläubig die Ohren zu halten." Und nicht minder unglaubhaft als die euro päische Reinlichkeit wird seinen Landsleuten, so meint er, seine Schilderung des Pariser Lebens er scheinen. Was für ungeahnte Wunder eröffnen sich ihm schon in einer modernen Hauseinrichtung! „In jedem Stockwerk gibt es kleine Räder, und wenn man sie nur ein Viertel herumdreht, dann geben sie Licht, Wasser, Wärme, alles, was man will. Da yat man weder Oel nötig, noch Feuer." Bei seinen Wande rungen in der Stadt besucht er den Zoologischen Garten, wo „die wilden Tiere und die Lebewesen des Weltalls vereinigt sind": er besucht auch das grotze Louvre-Magazin. Da er etwas Stoff kaufen will, so hat er sich klugerweise seine kleine chinesische Wage mitgebracht, um das Silbergeld zu wägen, das ihm herausgegeben wird, wie man das in Tibet beim Einkäufen so tut. Er ist höchlichst erstaunt, daß „alle Kaufleute, al» sie mich mit der Wage hantieren sahen, lachten und sich lustig machten". Sein Herr nimmt ihn auch auf da» Land mit, nach dem Schloß, das et in der Touraine besitzt. Hier macht der Tibetaner eine Beobachtung, die ihm viel zu denken gibt: Er bemerkt, daß die, die die Reichsten sind, dennoch nicht das Land beherrschen, und er notiert sich folgende staatsrechtliche Betrachtung: „In Frankreich sind die. die die Paläste bewohnen, die Untertanen ihrer Pächter geworden. Die Armen, di« die Macht erhielten und vom Volke gewählt wurden, beben den Reichen ihre Güter gelassen. Aber in Zukunft werden sie wünschen, sich ihrer zu bemäch tigen. Auch die Not des Lebens lernt der Tibetaner im fremden Lande kennen, und zwar erfährt er sie, wie so oft im Leben, von einer Frau, nämlich von einer bösen Köchin. „Diese Köchin hatte einen Schnurrbart: sie war schmutzig, schlecht und fürchtete nicht Gott. Sie gab mir meine Nahrung wie einem Hunde. Nach drei Monaten jagte sie der Herr aus dem Hause. Es kam eine neue, gute Köchin, und ich war sehr froh darüber." Von diesen persönlichen Er fahrungen wendet sich sein Interesse den Fran zösinnen überhaupt zu. Aber er ist von ihnen nicht entzückt, sondern bekennt: „Ich habe auch andere schlimme Frauen getroffen, aber ihre Ehemänner waren gut. Die Franzosen lieben dre Frauen sehr; sie griitzen sie tief, und wenn sie mit ihnen sprechen, zeigen sie lächelnde Gesichter, und ihre Stimme ist voll von Sütze. Wen» in Frankreich eine verhei- ratet« Frau Ehebruch begebt, dann tötet sie ihr Gatt« nicht, wie es in Tibet uno China ein tugendhafter Ehemann tun mutz, sondern er geht friedlich seinen Geschäften nach, während alle über ihn lachen, sich lustig machen und sagen, datz seine Stirn der der Ochsen ähnlich ist." Anekdoten vom „Mr. Speaker". Don dem sehr ehrenwerten John William Lowther, dem Speaker des englischen Unterhauses, den das Parlament jetzt wieder zum Präsidenten er koren hat, werden in englischen Blättern allerlei cbarakteristische Züge und amüsante Anekdoten er zählt. Denn bei aller Würde, die die Person des hoch, gewachsenen Mannes mit den so träumerisch blicken den und doch so scharf beobachtenden großen blauen Augen umgibt, bei der klugen Sicherheit und der weisen Unparteilichkeit, mit der der konservative Mr. Lowther sein verantwortungsvolle» Ehrenamt ver- Nr. S1. 104. Iahr-sn-. Leipziger Dsyedlstt sieht, ist er ein Mann von Humor, und mehr als einmal hat er durch seinen trockenen englischen Witz Freunde und Gegner im Parlamentshause in hei terem Lachen vereint. Er selbst freilich bleibt dabei stets ernst und gemessen und wahrt unerschrocken die Würde des Parlaments gegen alle Uebergrisfe, mögen sie von temperamentvollen jungen Mitgliedern aus geben oder vom Premierminister selbst. Noch heute erinnert man sich in den Wandelaüngen von West minster mit Vergnügen der Antwort, die Mr. Speaker einem leidenschaftlich entrüsteten liberalen Abgeord neten einst erteilte. Das ehrenwerte Mitglied war emoört über das starre Schweigen, mit dem der Mi nisterpräsident Asquith seine Interpellationen und Fragen beantwortete, und wandte sich schließlich an den Speaker: „Hat ein Mitglied dieses Hauses nicht das Recht, an den Herrn Minister Fragen zu stellen?" „Jawohl , erklang vom Präsidententische die würde voll entscheidende Antwort, und auf den Bänken der Liberalen erhob sich stürmischer Beifall. „Aber", so fuhr der Speaker trocken fort, „das bedeutet keines wegs. datz der Minister gezwungen ist, die Fragen auch zu beantworten." Erst vor wenigen Monden sah sich der Speaker genötigt, dem Schatzkanzler Lord George einen scharfen Verweis zu erteilen: ein andermal aber verteidigte er ihn gegen die störenden Zwischenrufe allzu temperamentvoller Abgeordneter. Einer der eifrigsten Zwischenrufer war ein junger Lord, der auf einer der hintersten Bänke seinen Platz innehatte. Llond George wurde über die fortwährenden Unter brechungen ärgerlich und er bemerkte schließlich in seiner Rede in höflicher Ironie: „Ich darf wohl an nehmen, daß dieses Argument selbst dem kolossalen Intellekt des edlen Lord.' verständlich sein wird." Sofort sprang der junge Lord auf und wandte sich an Mr. Lowther: „Darf der Minister aus meinen kolos salen Intellekt Bezug nehmen?" „Well", antwortete der Speaker gelassen, „ich meine, datz das nicht allein in Ordnung ist, sondern eher noch ein Kompliment darstellt als etwas anderes." Der funge Lord machte fortan keine Zwischenrufe mehr. Eines Tages wurde Mr. Lowther, dessen Amtsführung als Speaker die dankbare Anerkennung aller Parteien errunaen hat, von der Grafschaft Cumberland mit einem Ehrenge schenk ausgezeichnet: die Grafschaft stiftete ihm sein eigenes Porträt in Anerkennung seiner Verdienste um die Grafschaft und den Staat. „Ich hoffe, Sie werden die Aehnlickkeit des Gemäldes freundlich anerkennen", so äußerte sich der Ausgezeichnete auf der Versamm lung, in der ihm das Geschenk überreicht wurde, „ich habe mir heute morgen eigens meinen Bart schneiden lasten, um mich dem Bilde so ähnlich wie möglich zu machen." Der Zug der Aussätzigen. Eine erschütternde Szene aus dem abessinischen Leben schildert im Mailänder „Corriere della Sera" Arnaldo Cipolla, der gegenwärtig im Lande Meneliks weilt: „Im Laube der riesigen Sykomoren", schreibt er, „in deren Schatten tag» vorher ein großes Turnier stattgefunden hatte, girrten zahllose Turteltauben. Ich suchte, während ich vorüberritt, die blutigen Zei chen des gestrigen Kampfes, als plötzlich einer der Manner, die mir folgten, ausrief: „Da kommen, die Christus verworfen hat, da kommen die Aussätzigen, eilen wir rasch von dannen, fliehen wir!" Ich hielt mitten auf der Straße das Pferd an und drohte meinen Leuten, die sich von dem unbeschreiblichen Elend, das da herankam, durchaus entfernen wollten, mit der Peitsche. Es waren etwa fünfzig berittene Levrakranke, die von einem Häuptling, einem grauen voll aussehenden Menschen mit ganz zerfressenem Ge sicht, geführt wurden. Bettelnd ziehen sie so von einem Punkte des Reiches zum andern, überall ver flucht und verwünscht und mehr gefürchtet als die schlimmsten Katastrophen. Damit sie nur ihr Land verlassen, schenken die Ras jedem von ihnen ein Pferd; sie würden auch sonst gar nicht weiterkommen, da sie auf ihrem Wege nichts als Wüsteneien finden. Sie verschaffen sich ihren Lebensunterhalt einzig und allein durch den Ekel, den sie erregen. Wenn sich ihre vom Aussatz anqefrestenen entsetzlichen Gesichter im Umkreis der Dörfer zeigen, ergreifen die Eingeborenen voll Abscheu die Flucht und verhandeln dann nur aus weiter Ferne mit den unangenehmen Gästen: sie geben ihnen gern alles, was das Dorf an Lebens mitteln birgt, wenn sie sich nur bereit erklären, so fort wieder zu verschwinden. Der furchtbare Reiter zug machte in einiger Entfernung von mir halt. Sie chrien alle im Chor, und es hörte sich an, als ob ie, Mitleid heischend, laut schluchzten. Sie hatten, lamrt ich wüßte, wer sie wären, ihre zernagten Arm- tümpfe in die Luft gestreckt: von ihren Köpfen hatten ie die Kapuzen weggenommen, damit ich ihre zer- ressenen Gesichter sähe. „Weißer, Weißer", winselten ie, „habe Mitleid mit uns, du, der du nicht fliehst!" Die meisten waren auf den Pferden festgebunden. Ich befahl meinem Diener, ein paar Eeldmünzen für sie auf den Boden zu legen, worauf der kräftigste von ihnen vom Pferde stieg, um das Geld aufzunehmen.. Letzte Depeschen unü Fernsprechmelünngen. Zum Toüe ües Grafen Stolberg. Da» Beileid der kaiserlichen Familie. Berlin, 20. Februar. (Eigene Drahtmeldung.) Der Gräfin Udo zu Stolberg-Wernigerode sind fol gende Beileidstelegramme zugegangen: Auf das Schmerzlichste bewegt durch die Nach richt von dem Tode Ihres Gatten, den ich schon auf dem Wege der Besserung hoffte, spreche ich Ihnen aus, wie ich mit herzlichster und innigster Teilnahme Ihrer gedenke. Das Abscheiden Ihres Gatten ist ein sehr großer Verlust für mich und das Reich, nm das er sich autopferte. Seine hohen Verdienste und seine ehrwürdige und vornehme Persönlichkeit wird mir stets unvergeßlich sein. Sie aber möge Gott in Ihrem großen Schmerze trösten. Wilhelm, I. 0. Ties erschüttert von der Nachricht des Ablebens Ihres Mannes spreche ich Ihnen, liebe Gräfin, mein von Herzen kommendes Beileid aus. Gott stehe Ihnen bei, gebe Ihnen wie bisher Kraft in diesem große. Schmerz. Ich gedenke auch Ihrer armen Kinder beim Ableben des Vaters. Auguste Viktoria. Anläßlich des Hinscheidens Ihres Herrn Ge mahls sprechen Euerer Exzellenz die Kronprinzessin und ich unsere aufrichtigste und herzlichste Teil nahme aus. Wilhelm, Kronprinz. Die Traucrfeiern. "HP Berlin, 20. Februar. lEIgenc Drahlweldung.) Im Reichsragspräsidialgebäude sindet am Montag abend um 7 Uhr eine interne Trauerfeier für deu verstorbenen Neichstagsvräsidenten statt, bei der Hofprediger Ohly die Trauerrede halten wird. Am Dienstagnachmittag um 4 Uhr wird in der Drsifaltigkeitskirche eine öffentliche Trauer feier abgehalten, bei der Konsistorialrat Lahufen die Traurrpredigl hält. Nach Beendi gung dieser Feier sindet die U e b e r s ü h r u n g der Leiche des verstorbenen Präsidenten nach seinem Gute Dönhoff st ädt (Kreis Rastenburg) statt. Der Reichstag. O Berlin, 20. Februar. (Privattel.) Rach Mit teilungen von zuständiger Stelle wird in der morgigen Sitzung des Reichstages Vizepräsident Dr. Spahn nach einem Nachruf aus den verstorbenen Präsidenten Grafen zu Stolberg-Wernigerode dem Hause vorschlagen, sich zu vertagen. Am Dienstag findet keine Sitzung statt wegen der auf nachmittag 4 Uhr anberaumten öffentlichen Trauerfeier lichkeitinder Dreifaltigkeitskirche. Die durch das Ableben des Grafen zu Stolberg notwendig werdende Präsidentenwahl wird voraussichtlich in der Reichstagssitzung am Donnerstag vorgenommen wer den. Wahrscheinlich wird Graf Schwerin erster Präsident, vielleicht auch mit den Stimmen der Libe ralen, da diese Wahl nicht als parteipolitische Aktion betrachtet wird. * Wahlrechtsdemonstrationeu. k. Berlin. 20. Februar. (Prio.-Tel.) Der Frei sinnige W a h l r e ch t s a u s s ch u ß veranstaltete heute im Großen Saale der am Friedrichshain ge legenen Lipsschen Brauerei eine Wahlrcchtsprotest- versammlung, die von etwa 2500 Personen, zumeist Sozialdemokraten, besucht war. Die Versammlung war infolgedessen reich an stürmischen Zwischenrufen. Das Referat hielt der Reichstagsabg. Stadtrat Wiemer. Dieser kritisierte in längerer Rede die Wahlrechtsvorlage, gegen die ein Ansturm des ganzen deutschen Volkes erfolgen müße. Der jetzige Reichskanzler nehme lediglich die Interessen der Junker wahr, die seinen Vorgänger, den Fürsten von Bülow, gestürzt haben. Glücklicherweise sei es ja zunächst gelungen, den schlimmsten Bestimmungen in der Vorlage in der Kommission eine Niederlage zu bereiten. Jedenfalls werde die ganze Linke wie ein Mann zusammenjtehen und mit aller Energie be müht sein, dieses Scheusal von Wahlrecht ui die Wolfsschlucht zu werfen. (Stürmischer Beifall .) — Stadtverordneter Karl Goldschmidt, General sekretär der Hirsch-Dunckerschen Eewerkvereine, be merkte: Im äußersten Falle würden die Mitglieder der Hirsch-Dunckerschen Eewerkvereine in Gemein schaft mit den Sozialdemokraten zur Erzwingung des freien Wahlrechts sich am Generalstreik beteiligen. (Stürmischer Beifall.) Der Redner versicherte, daß die Hirsch-Dunckerschen Eewerkvereine gewillt seien, den Kanips für das freie Wahlrecht Schulter an Schulter mit der Sozialdemokratie zu führen und den Kampf nicht eher aufzugeben, bis der Sieg er fochten sei. (Stürmischer Beifall.) — Abg. D. Nau mann (mit stürmischem Beifall empfangen): Die alten Römer hatten unter ihren vielen Gottheiten einen Gott Janus, der zwei Gesichter hatte. Aehn- lich scheine es bet Herrn v. Bet h mann Hollweg zu sein. Dieser habe im Reichstage ein ganz anderes Gesicht als im preußischen Landtage. (Stürmische Heirerkeit und BeifallZ „Das demokratische Wahl, recht führe zur Verrohung und Verwilderung der Sitten", sagt der preußische Ministerpräsident. In Süddeutschland. wo das Reichstagswahlrecht auf die Landtage übertragen sei, habe man von einer Ver rohung und Verwilderung der Sitten noch nichts wahrgcnommen (Stürmischer Beifall.) In fast allen Kulturstaaten bestehe das demokratische Wahlrecht, nur nicht in Preußen und Rußland. Möge man bei zeiten den Geist der Zusammengehörigkeit, den Geist der Nationalität des deutschen Volkes fordern und ihm das natürlichste Recht, das freie Wahlrecht, nicht versagen. (Stürmischer Beifall.) Schließlich ge langte eine Erklärung zur Annabme, ein Teil der Versammelten stimmte dagegen. Es heißt in dieser Erklärung: „Die Versammlung erhebt schärfsten Protest gegen die Wahlrechtsoorlage der preußischen Regierung. Die Vorlage schafft nur Ungleichheiten und Vorrechte. Sie enthält durch un gerechte Privilegierung einzelner Berufsschichten eine beleidigende Zurücksetzung der werktätigen Bevölke rung, sie verkümmert durch Verweigerung der ge heimen Stimmenabgabe die Wahlfreihrit breiter Be- völkerungsschrchten und verhindert die gerechte Per teilung der Mandate und damit die im Interesse des Staalswohls notwendige Verstärkung des politischen Einflusses der arbeitenden und schaffenden Bürger in Stadt und Land. Die Versammlung verlangt die glatte Ablehnung dieser Vorlage und fordert eine gründliche Reform, gleiches Recht und geheime Wahl." oj. Breslau, 20. Februar. (Priv.-Tel.) Im Ear en- etablissement „Letzter Heller" fand heute eine von etwa 12 000 Personen besuchte sozialdemokratische Ver sammlung statt, in der eine Resolution gegen die Wahlrechtsvorlage angenommen wurde. Auf dem Rückwege der Masten zur Stadt kam es mehrfach zu Zusammenstößen mit der Polizei. Ver letzungen sind aber nicht vorgekommen. Verstärkung der türkischen Marine. H Konstantinopel, 20. Februar. (Eigene Draht meldung.) Gestern fand ein Mi nister rat statt, der sich mit der Frage einer Verstärkung der Marine gemäß den Vorschlägen des Flottenvereins beschäftigte. Nach einer Meldung der „Sabah" be willigte der Ministerrat den ungefähr 410 000 Pfund betragenden Kaufpreis für die auf deutschen Werften lieserungsfertig befindlichen vier Tor pedoboots Zerstörer. Dieser Beschluß hängt, wie „Ikdam" mittcilt, mit den Ereignissen in Griechenland zusammen, deren mögliche Ein wirkungen auf das Gleichgewicht am Balkan der Ministerrat erörterte. Zum Ausstand in Indien. Allahabad, 20. Februar. (Eigene Drahlmcl- dung.) Die in das Aufstandsgebiet im Va sallenstaate Bast ar entsandten Polizeitruppen sind in die im Mittelpunkt dieses Gebietes liegende Stadt Iagdalpur ohne Kampf eingerückt, trotz dem sie von einer dreifachen Kette von Aufständischen umzingelt war. Eine 225 Mann starke Abteilung regulärer Truppen mit einem Maschinengewehr ist nach Iagdalpur unterwegs. Die Proklamation der Verfassung Bosniens. d) Sarajewo, 20. Februar. (Eig. Drahtmeldung) Heute mittag erfolgte durch den Landeschef im Lc.n- desregierungspalais inmitten einer glänzenden Festversammlung die feierlicbe Proklamation der Verfassung. Die Stadt ist festlich ge schmückt. Die Proklamation wurde gleichzeitig im ganzen Lande bekanntgegeben. Attentat auf den ägyptischen Ministerpräsidenten. ** Kairo, 20. Februar. (Eigene Drahtmeldung.) Ministerpräsident Butros Pascha ist heute in der Nähe des Ministeriums durch einen von einem Studenten abgegebenen Schuß schwer verwundet worden. Der Student wurde verhaftet. ** Kairo, 20. Februar. (Eigene Drahtmeldung.) Der verwundete Ministerpräsident Butros Pascha wurde in das Krankenhaus gebracht, wo man fest stellte, daß er von fünf Kugeln getroffen wurde. Zwei Geschosse haben ihn gestreift, während drei in den Körper eingedrungen sind und zurzeit entfernt werden. Die Wunden sind schwer, jedoch, wie man hofft, nicht lebensgefährlich. Der Mörder, ein nationalistischer Mohammedaner, ist Apotheker und in Kairo ansässig. Dav Ultimatum Frankreichs an Marokko. Tanger, 20. Februar. (Meldung der „Aaence Havas.") Gestern ist ein Abgesandter mit einem Ultimatum Frankreichs von hier nach Fez abgegangen. Sultan Muley Hafid wird in dem Ultimatum, das ihm vom französischen Konsul über reicht werden wird, aufgefordert, die in Paris ab geschlossenen Abmamungen binnen 48 Stunden zu ratifizieren. Der französische Gesandte hat die Entschließung seiner Regierung El Gebbas und dem diplomatischen Korps mitgeteilt. * Da» Wrack des „General Chanzy". H Mahon (Menorca), 20. Februar. (Eig. Draht meldung.) Das Wrack des „General Chanzy" ist auf dem Meeresgründe gesichtet worden. Der Schiffsrumpf istinmehrereTeilezerborsten, ein Teil de» Hinterdecks, das Steuerruder und Ueber- reste der Maschine, sind sechs Meter unter der Meeres oberfläche sichtbar. TrnL und Berta, de» Leidztger Tagedlatte» s. Pol» In». W. »utschdach in Lkipzi». Chefredakteur: Sldolf Schiedt. verantwortlich« Redakteure: Für Politik D». St. Günther, lakale und sächfit»« Angelenenheiien, Togeschrontk und Bernnschtes W. ». Vnttlar, da» Feuilleton W. Behreud, Musik <L Segnitz, Sport und GerichtSsaal I. Haarseld. Für die Handuözeitung St. Kirchrath. Für den Inseratenteil Han» HSckmann. Sämllich in Leipzig. Zuschriften sind nicht persönlich zu adressieren, sondern an den Berlag, die Redaktion oder die Geschäftsstelle des Leipziger TagetlaUeS zu richten. Die vorliegende Nummer umfaßt ir Seiten. Die epodZewückevde ^eu-^rdaZe der KrvkL ttenkdl k? Lsür öickrick-X^esbLlden iü (Le SvÜsriiAe LdürpkwL der tLsmpaßner« dududricu Deuttddand» uad Irankrcidrs.
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