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Ang.) * Die Erste Kammer trat am Freitag dem Antrag der Zweiten Kammer auf Veröffentlichung einer Landtags statt st ik bei und er ledigte dann einige Petitionen. (S. Landtagsbericht.) * Die Zweite Kammer beschäftigte sich am Freitag mit kleinen Eisenbahnangelegenheiten. (S. Landtagsbcricht.) * Der Reichstag setzte am Freitag die e r st c L c s u n g der I u st i z» ge setze fort. (S. ReichStagsbericht.) * Der Briefwechsel zwischen dem Statthalter von Elsaß- Lothringen, dem Grafen Wedel, und dem Straßburger Bischof Dr. Fritzen ist jetzt amtlich veröffentlicht worden. (S. d. bes. Art.) * Die englischen Parlamentswahlen baben ihren Anfang genommen. Neben Chamberlain wurden zwei Unionisten gewählt. (S. Ausl.) * Die Lage im Northumberlander Streikgcbiet droht eine Verschärfung zu erfahren. (S. AuSl.) * Die spanische Regierung hat über 70 Offiziere die sich an den Demonstrationen in Madrid beteiligt haben, bestraft bzm. zur Disposition gestellt. (S. AuSl.) Gin Volksvertreter. In dem Orte Freckenhorst hat der Neichstagsabgeordnete Sittart aus Aachen eine Rede gehalten, in welcher er sich mit der Tatsache be schäftigte, daß ver Herzog von Arcnberg das Mandat für den Wahlkreis Lüdinghausen-Waarendorf-Bcckum angenommen hat. Herr Sittart ist ganz außer sich über die Herablassung des fürstlichen Kollegen und gab seiner Verzückung, wie man liest, den folgenden Ausdruck: „Für mich als einfachen Volksschullehrer war es gewiß sehr er strebenswert, auf den höchsten Ehrenposten b.rufen zu -meiden, den daS deutsche Volk zu vergeben hat. Weniger jedoch für den Herzog, der keine Sorge um das tägliche Brot kennt uns in der gesellschaft lichen Welt auf der höchsten Spitze der NangstufeivZter steht. Wenn, dieser Mann herabstemt von seinem Schlosse, um nicht als Führer, sondern als schlichter Soldat in Ne.h und c-sticd für die Lache ocs Zentrums, für die Rechte der katholichsen Kirche zu kämpfen, so muß das von jedem anerkannt werden. Wir haben uns seinerzeit in der Fraktion gefragt: wird der Mann auch die Wahl annehmen? Wird er sich freiwillig all den oorauszuschendeu Mißdeutungen im Streite der Meinungen, der schonungslosen Kritik der Gegner aussetzen, er, der sich bislang einer ungestörten Freiheit erfreute? Er hat es getan, obwohl gerade zu jener Zeit das Zentrum die bestgehaßte, von der königlichen Staatsregierung mit Eifer bekämpfte Partei war. . . . Namens der Zcntrumsfraktion, namens der ganzen Partei muß ich Ihnen, meinen Wählern, den herzlichsten Tank dafür abstattcn, daß Sie uns diesen Mann nach Berlin geschickt haben, dessen Name bei der Abstimmung unendlich viel schwerer wiegt, als mein Name, und der Name macht viel. Wenn zum Beispiel dieser Mann, der auf den Höhen des Lebens steht, für eine Förderung der Interessen der Arbeiter, der Handwerker und so weiter eintritt, so interessieren sich dafür der Reichskanzler, die Staatssekretäre nnd die ganze Negierung weit mehr, als wenn irgend ein anderer das tut." „Genugtuung", so sagte Herr Sittart weiter, „wird es Ihnen auch bereiten, zu hören, daß ich schon wiederholt beobachtet habe, wie der Herzog des Nachmittags seine Tasse Kaffee in Gesellschaft von Arbeiter sekretären und Kleinhandwerkern trank und sich eingehend nach den Sonderwünschen dieser Stände erkundigte. Das war für mich ein um so erhebenderes Bild, als in einer anderen Partei, die ich nicht nennen will, Grafen und Barone ihre Fraktionskollegen aus niederen Ständen in einer Weife von oben herab zu behandeln pflegen, daß es selbst den Kellnern im Lokale auffällt." Vor mehr als einem Jahrhundert schrieb Bürger: „Der Großen Hochmut wird sich geben, wenn eure Kriecherei sich gibt." Goethe er klärte, die Nobilitierung habe ihm keinerlei Eindruck gemacht, und er fuhr zwei jungen Prinzen mit den keineswegs korrekten Worten in die blonden Haare: „Nun, Ihr Semmelköpfe, was macht Ihr?" Schiller rief: „Der Mensch ist frei geschaffen, ist frei und wär' er in Ketten ge boren." Heinrich Heine nannte die Deutschen — unsere Eigenliebe Hot es ihm schwer verübelt — ein Volk von Lakaien, und fast mit denselben Worten hatte der kernfeste Jmmermann schon vor ihm gesagt: „In Deutschland gedeihen die Lakaien am besten." Alle diese Männer haben für den Volksschullehrer und Reichstagsabgeordneten Sittart vergebens gelebt. Er hat es verstanden, sich die Sinnesart der Untertänigkeit in einer Unberührtheit zu erhalten, die im Anfang des zwanzigsten Jahr- Hunderts verblüffen muß. Die Vorstellung, daß er seine Ueberzeugungen an di« Jugend weitergibt, hat fast etwas Tragisches, und die Vorstellung, daß er als Volksbote wirkt, hat sicher etwas Komisches. Seine Rede ist ein kulturgeschichtliches Dokument, das nicht übersehen werden darf. So sieht es in den Köpfen mancher Deutschen aus, und dieser Mann ist nicht der Schlechtesten einer: das Vertrauen seiner Volksgenossen hat ihn zu einer Ehrenstelle berufen. Di« Gegner des allgemeinen Wahlrechtes könnten freilich dies« Berufung als ein Argument gegen das verhaßte System verwenden. Wir sprechen immer von der Notwendigkeit eines starken Parlaments, aber daS Parlament besteht auS einzelnen Men schen, und wenn diese Menschen Typen vom Schlage des Herrn Sittart sind, so kann man sich nicht wundern, daß die Regierung der Volksver tretung gegenüber leichtes Spiel hat. Herr Sittart wird der Partei vermutlich bald fürchterlich werden; wir zum mindesten können uns nicht denken, daß das Zentrum gar nicht fühlen sollte, daß Herr Sittart die Lachmuskeln anregt. Der Herzog von Arenberg wird gleichfalls über die Ausführungen seines Getreuen nicht sehr begeistert sein. Fontane erzählt in seinen Lebenserinnerungen, daß ein preußischer Junker einem bürgerlichen Schriftsteller, der sehr exaltiert für die Rechte des Adels einzutreten pflegte, einmal gesagt habe: „Sie meinen «» sicher gut. Sie wollen unS glorifizieren, aber Sie ridikulisieren uns." Diese Empfindung wird wohl auch der Herzog haben, wenn er nachmittags „von seinem Schlosse herabsteigt", um in Gesellschaft von Kleinhandwerkern seine Tasse Kaffee zu trinken. Ver mutlich wird er Herrn Sittart bei all«r Anerkennung seiner Gesinnung den gnädigen Rat erteilen, in Zukunft von seinen rednerischen Gaben einen diskreteren Gebrauch zu machen. Endlich hat es das onkant iccrriblo der Partei verstanden, im Vorbeigehen auch noch „den Reichskanzler, die Staatssekretäre und die ganze Regierung" durch die Bemerkung zu in sultieren, daß sie sich, wenn der Herzog von Arenberg eine Sache ver tritt, für diese weit mehr interessieren, als wenn der Abgeordnete Müller es tut. Auf die objektive Berechtigung dieser Insinuation wollen wir nicht eingehen. Schließlich hat Herr Sittart, der die Kunst, sich zwischen alle denkbaren Stühle zu setzen, mit Meisterschaft handhabt, noch einen Partherpfcil gegen die befreundete sund verbündetes Partei der Kon servativen entsandt. Die Rede ist «in Rekord, auf welchen der Mann stolz sein kann. Ob das deutsche Volk Grund dazu hat, auf den Redner stolz zu sein, diese Frage wollen wir den Lesern zur individuellen Be antwortung überlassen. wach kontra Rhernbaben. Die Erörterungen über Sein oder Nichtsein der Schiffabrtsabgaben haben in den letzten Wochen nnd Tagen an Schärfe beständig zuge- noinmen, jo daß vie Aussichl auf Berständigung in weite Ferne geiückt scheint, wenn sich Preußen nicht aus leine Pflichten gegen den ReichS- gedanken besinnt vno endlich Einkehr Hali. Alle Aussichten deuten indes daraus bin, daß die preußstche Negierung auch das letzte Mittel nicht unversucht lassen wird, um ihre Ansicht durchzudrücken. Mit einer Geflissentlichkert, die einer besseren Sache wert wäre, beeilte sich der preußische Finanzminister von Nheinbaben un Abgeordnetenhaus« gleich am ersten Tage der Session zu versichern, man wolle „mit aller Energie" auf die Einjührung der SchiffahrlSabgaben hindrängen. Dieser Mangel >ever Bereitwilligkeit zum Entgegenkommen muß natür lich in Sachsen, Baden, Hessen und in den ihüringischen Staaten stärkste Verstimmung auSlöie«, um ,o mehr, als im vorigen Sommer auch die preußische Negierung sich zur Nachgiebigkeit bequemte. Damals hatte der Bundes,at, also auch Preußen, vie Erbschaftssteuer zur Sanierung der Reichsfinanzen vorgeschlage»; aber damals mühte sich_ Herr von Nheinhaben nicht so eifrig um die Beseitigung aller Hemm nisse. Er wie die anderen Finanzmimster steten um, weil die preußischen Agrarier Interessen- und Machtpo'.itik ärgster Art trieben. Diesmal bleibt Herr von Nhembaben fest, und er kann eö leichten Herzens, denn die preußischen Agrarier wollen die Schiffahrts abgaben. Damals erlitt die Autorität der Regierung eine schwere Ein buße durch die Schuld der Agrarier, diesmal droht eine bedenkliche Minderung der ReichSsreudigkeit, wenn die Agrarier daS Feld behaupten. Als vor wenigen Tagen Staatssekretär Delbrück die Passionät des Bundesrats in der mecklenburgischen Berfassungsangelegenheit aus die rücksichtsvolle Schonung der föderativen Grundsätze zurücksührte, fand er billigende Zustimmung. Wenn aber jetzt Sachsen, Baren und Hessen für sich die gleiche Rücksicht heischen, die den mecklenburgischen Staaten mit Neckt zugebilligt wurde, dann darf man sich nicht über die eben geübte Beweisführung binwegietzen. Es war deshalb ein meisterhafter Zug des Wirk!. Geh. Rats Wach- Leipzig, das ganze Problem, das bisher vornehmlich aus dem Gesichts kreise wirtschaftlicher Zweckmäßigkeit betrachtet wurde, in der sächsstchen Ersten Kammer einmal lediglich von der staatsrechtlichen ober, noch präziser ausgedrückt, von der „reichsfreundlichen" Seite aus anzufassen und kritisch zu würdigen. Mit der ihm eigenen Klarheit stellte ec als unerschütterliche Prämisse fest, daß die von Preußen erstrebte Einführung von Sckifsahrtsabgaben eine Aenderung ver Reichsverfassung bedinge. Daß dabei mit feinstem Spott der „Schriftsteller Herr Max Peters" wegen der Unzulänglichkeit seiner ZnterpretationSkünste zugunsten Preußens abgetan wurde, war nur die heitere Ergänzung der ernsten Fixierung jener Prämisse. Dann aber wurde dem berüchtigten tz 19 beS preußischen Wasserstraßengesetzes, ver eben die Einführung der Schiffahrts abgaben verlangt, vom juristischen Standpunkte aus ver Todesstoß ver letzt: Weil der Inhalt dieses Paragraphen eine Aenderung der Reichs» veriassung voraussetze, sei er verfassungswidrig, also schlechthin nichtig Diesem niederschmetternden Urteil aus dem Munde eines der ersten NechtSgelehrten deS ganzen Reiches wird sich auch die preußische Negie rung nicht entziehen können, wenn anders sie die ganze Angelegenheit nicht auf eine Machtirage hinausspielen will. Und damit kam Wach zu einer weiteren, glänzenden Steigerung in seiner Nebe: Wirkliche Reichösreunvl'chkeit dokumentiert sich nur durch strengste Befolgung deS Grundsatzes: Einer für alle, alle für einen, nicht aber reS Prinzips: Ausbeutung des einen durch den andern. Diese scharfe Charalterisierung deS kalten Eigennutzes einer bestimmten wirtschaft lichen Gruppe in Preußen wird dorr allerdings schwerlich die Stimmung der Verlöhnlichkeir, die Wach selbst wünscht, fördern. In Preußen wird man vielmehr Wachs Worte als eine regelrechte Kriegserklärung be werten. DaS kann uns jedoch nicht hindern, diese lapidare Fundamentierung deS Standpunktes der sächsischen Negierung aufs lebhafteste zu begrüßen. Nicht die Schuld der Gegner der Schiffahrts abgaben ist es, daß sich ein scheinbar so unversöhnlicher Gegensatz heraus- gebildet hat; lediglich vie Art der Befürwortung Vieser aus recht durch sichtigen Znieressengründen gesorverten Abgaben und die mit ver mehrtem Eifer angestellten Äerluche, mit falschen, ver RcichSfreudig- leit und dem NeichSgedanken höchst abträglichen Machtmitteln ven LieblingSgedanken der preußischen Agrarier „siegreich durchzuführen", baben diese unschöne Gereiztheit erzeugt. Sie wird aber sofort schwinden, wenn Preußen dre Worte Wachs nicht als KrieaSfanfare, sondern als eindringliche Mahnung zur Selbstbesinnung, zur Beachtung seiner höheren, seiner NrichSpflichten aussaßt und danach handelt. Statthalter and Bischof. Die amtliche Straßburger Korrespondenz veröffentlicht soeben den Schriftwechsel zwischen dem lästerlichen Statthalter Gra fen v. Wedel und dem Straßburger Bischof Dr. Fritzen, und »war die Schreiben des Statthalters vom 9. und 12. Januar und die Schreiben des Bischofs vom 10. nnd 13. Januar. Das erste, inhalt lich wichtigste Schreiben des Statthalters vom 9. Januar hat folgenden Wortlaut: Euer bischöfliche Gnaden haben dem Herrn Staatssekretär auf sein den Anschluß der elsaß-lothringisHen Elementarlehrer an den Deutschen Lehrerverein betreffendes schreiben vom 1. dieses MonatS unter dem 1. dieses Monats eine Antwort zugeben lassen. Dieselbe enthält allgemeine Ausführungen über das Verhältnis nicht nur der katholischen Lehrer, sondern auch der katholischen Beam t e n überhaupt zu den katholischen Kirchenbehördcn. Da ich diese auf alle katholischen Inhaber eines öffentlichen Amtes sich erstreckenden Ausführungen als zutreffend nicht anzu erkennen vermag, ;che ich mich als oberster Ehef der Landes verwaltung veranlaßt, meinerseits Euer Gnaden folgendes zu er klären: Nach den Ausführungen des in Elsaß Lothringen gellenden S t a a t s k i r ch e n r c ch t s erstreckt sich die amtliche Befugnis der geistlichen Behörde ausschließlich auf die Ange legenheiten, die dem religiösen und kirchlichen Gebiete an gehören. Mit diesem Grundsatz aber vermag ich die von Euer Gna den an jeden einzelnen katholischen Lehrer gerichtete Mitteilung, die sich als eine in Ausübung des bischöflichen Amtes erfolgte Kundgebung kennzeichnet, nicht in Einklang zu bringen. Ich muß gegen die Beanspruchung einer solchen Befugmis um so ernster Verwahrung cinlegen, weil ihre Anerkennung die katholischen Beamten des Landes bei der Ausübung ihrer dienstlichen Pflichten und staatsbürgerlichen Rechte nur zu leicht in Gewissens konflikte treiben könnte. Ter Anschluß der elsaß-lothringischen Lehrer an den Deutschen Lehrervercin ist weder eine religiöse noch eine kirchliche A n g c I c geuhci t. Es handelt sich dabei um Fragen, die die Be rufstätigkeit und die Standesintercssen der Lehrer schaft als solcher betreffen. Eine derartige Angelegenheit aber fällt in das Gebiet der Staatshoheit. Die elsaß-lothringische Regierung batte keinen Anlaß, den Beitritt der Lehrer des Landes zum Deutschen Lehrerverein zu beanstanden, was ja auch in keinem Bundesstaate geschehen ist. Es ist nicht meines Amtes, für den Deut schen Lehrerverein einzutreten. Die Behauptung aber, daß er Be strebungen gegen die katholische Religion verfolge, ist nach meiner Kenntnis unzutreffend, wie sich denn auch unter seinen wert über 100 000 Mitgliedern viele Tausende katholische Lehrer befind m. Im übrigen wird das Wesen der Schule nicht durch die Beichlüsie eines irgendwie gearteten Lehrervercins bestimmt, sondern cS ist der staatlichen Gewalt Vorbehalten, die Angelegenheiten des Unterrichtes im Verein mit den verfassungsgemäß berufe nen Faktoren zu regeln. Die grundsätzliche Auffassung, auf der die Ausführungen des dortseitigen Schreibens beruhen, müßten meines Erachtens zu unhaltbaren Zu ständen führen. ES würden die kirchlichen Behörden da? Recht hcrleiten können, Lehrern und Beamten nicht nur in außerdienstlichen, sondern ancn in dienstlichen Angelegenheiten, sofern nur ein mittubares oder vermeintliches kirchliches Interesse geltend gemacht werden könnte, Verhaltungsmaßregeln zu erteilen, was ein direkter Eingriff in die dem Staate zustehendeDisziplin über seine Be amten sein würde. Ich kann bei dieser Gelegenheit mein lebhaftes Bedauern darüber nicht unterdrücken, daß Euer Gnaden sich bewogen gefunden haben, als Mittel zur Einwirkung auf die katholischen Lehrer sich eines Artikels des „Schulfreund" zu bedienen, besten schroffe Ausfälle gegen die dem Anschluß an den Deutschen Lehreroerein ge neigten elsaß-lothringischen Lehrer als eine Verunglimpfung der letzteren und als eine Schädigung ihres Ansehens sich varstcllen. Wie Euer Gnaden sich versichert halten dürfen, daß die Re gierung cs stets als ihre Pflicht erachten wird, die durch das geltende Staatskirchenrccht gewährleisteten Rechte und Befugnisse der kirchlichen Behörden, nicht nur uneingeschränkt anzuerkennen, sondern auch voll zu unterstützen, ebenso darf ich erwarten, daß die letzteren es sorgfältig vermeiden werden, die Grenzen zu über schreiten, die jenes Staatskirchenrccht zwischen der Kompetenz der staatlichen und kirchlichen Behörden gezogen hat. Dem erwünschten ungetrübten Frieden zwischen staatlicher und kirchlicher Obrigkeit wird dadurch sicher am besten gedient sein. Graf v. Wedel. In seiner Antwort vom 10. Januar hält der Bischof Dr. Fritzen seinen Standpunkt aufrecht. In der am 12. Januar ergangenen Replik des kaiserlichen Statthalters auf das Schreiben des Bischofs vom 10. Januar äußert sich der Statthalter wie folgt: „Mit Ew. Gnaden bin ich durchaus der Ansicht, daß etwaige gegensätzliche Auffassungen auf staatlicher und kirchlicher Seite durch beiderseitigen guten Willen und freund liches Entgegen kom men in den einzelnen Fällen auf eine beide Teile zufriedenstellende Weise gelöst werden können, und wird die Negierung dazu stets gern die .Hand bieten. An ihrem in meinem letzten Schreiben entwickelten, auf Gesetze und Staatskirchenrccht ge stützten Standpunkt aber muß die Regierung nicht nur un bedingt fcsthalten, sondern wird denselben gegebenen falls auch mit aller Entschiedenheit vertreten. Ich vermag daher nach wie vor nicht an zu erkenn en, daß Ew. Gnaden Kundgebung an die katholischen Lehrer in einer An gelegenheit, die deren Berufstätigkeit und Standesiutcresscn betraf, die zwischen der staatlichen und kirchlichen Gewalt gezogenen Grenzen gewahrt haben. Bei Lage der Verhältnisse erachte ich es für ge boten, daß auch der zwischen Euer Gnaden und mir gepflogene Schriftwechsel der Oeffentlichteit übergeben werde, und glaube ich, mich der stillschweigenden Zustimmung Ew. Gnaden versichert halten zu dürfen, daß die Publikation auch des dortigen Schreibens vom 10. Januar am 14. Januar erfolgt. Graf v. Wedel." Tie Antwort des Bischofs Dr. Fritzen schließt mit folgen der Versicherung: „Es ist keineswegs in Abrede gestellt worden, daß die Negierung auch nach den durch das Gesetz betreffend das Unterrichtswescn vom 24. Februar 1908 durchgeführten Aenderungcn von der Absicht be seelt ist, den religiösen Unterricht in der Volksschule zu wahren Ich darf jedoch bemerken, daß die sichere Gewähr für die Erteilung des rechtgläubigen religiösen Unterrichts, für die Erziehung zum christlichen Leben, die das katholische Volk auf Grund der bestehenden Gesetzgebung von der Schule zu fordern berechtigt ist, in erster Linie in der gläubigen Ueberzeugung der Lehrer liegt. Ich begrüße mit lebhafter Genugtuung die mit meiner An sicht übereinstimmende Aeußerung Ew. Exzellenz, daß etwaige gegen- faßliche Auffassungen auf staatlicher und kirchlicher Seite durch beiderseitigen guten Willen und freundliches Entgegen kommen in den einzelnen Fällen auf eine beide Teile zufrieden stellende Weise gelöst werden können, und die Regierung dazu stets gern ihre Hand biete. Wenn es dann weiter heißt: „An ihrem in dem oben erwähnten Schreiben entwickelten, auf Gesetze und Staats kirchenrecht gestützten Standpunkt aber muß die Regierung nicht nur unbedingt sesthaltcn, sondern sie wird denselben gegebenenfalls auch mit aller Entschiedenheit vertreten", so dürfte auch mir nicht ver- übelt werden können, wenn ich an dem bereits in meinen Zuschriften vom 4. und 10. d. M. zur Genüge darge legten Standpunkt fe st halten muß. Ich kann nicht an- erkennen, daß ich durch dieDarnungandiekatholischen Lehrer, bei der ich nur die religiöse Seite der Frage im Auge hatte, die Grenzen der bischöflichen Gewalt über schritten hab«. Nach diesem beiderseitigen, wiederholten Mei nungsaustausch«, der bei der Verschiedenheit unserer Gesichtspunklc schwerlich zu einem andern Ergebnis in der Theorie führen wird, hege ich trotzdem die Hoffnung, daß in der Praxis, wie eS für die Ver- gangenheit der Fall war, so auch in Zukunft mtserem Land« der Segen