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Leipziger Tageblatt und Handelszeitung : 14.01.1910
- Erscheinungsdatum
- 1910-01-14
- Sprache
- Deutsch
- Vorlage
- SLUB Dresden
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id84535308X-191001142
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id84535308X-19100114
- OAI
- oai:de:slub-dresden:db:id-84535308X-19100114
- Sammlungen
- Saxonica
- LDP: Zeitungen
- Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
-
Zeitung
Leipziger Tageblatt und Handelszeitung
-
Jahr
1910
-
Monat
1910-01
- Tag 1910-01-14
-
Monat
1910-01
-
Jahr
1910
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Bezugt.Prki» für Lechz,, und «nrnrt« dnmh unter« Träger und kpedttenr« tu« Hnut nedrachtr SV mnnatl., ».?» uierteljährt. v«t unlern »Male» u. Nunab«,Kellen »baehelt» 7» » monatt. K.KL »leEMd». Turch die V»Kr lnnerdald Deui»chlanl>« und der doetlchen nolonien vierleljähr». N.»0 monatl. I.ÄS uk au«llt>I. 'Postdestellgeld. »ernrr >n Belgien, Dänemark, den Donaustaaten, Italien, Lurrmdurg, Niederlande, dier» meaen. Oeklerreich Ungarn, Nntlan», Schweden, Schwei, «. Spanien. In alle« udri-en Staaten nur direkt durch di» SeichLIt,stelle de« Blatte« erchtttluh. Da« Leipziger Tageblatt erscheint wöchent lich 7 mal und zwar morgen». stldonnement-Annabm«: Nugustnsplatz 8, bei unseren Trägern, Filialen, Spediteuren und Annahmestellen, tonne Postämtern und Briefträgern. Die einzelne Stummer kostet 10 H. ktedaktton und Srschäftäfteller Johannirgasie 8. Fernsprecher > I4SVL 146!«, 14894. aMer Tageblatt Handelszeitung. Ämtsblalt des Nates und des Nolizeiamtes der Ltadt Leipzig. Anzeige«-Preis Mr Inserate an« Lechei, »ad Umgebung di» Snelpaltrn« PetitzeUr 2ü stnnnzielle Anzeigen 80^, SieNamen l »»» eutwär» UV Reklame» I.2V »om Auiland Svch, finanz. Anzeigen 754^ Reklamen 1.50 ^k. Inserate ».Behörden ,m amtlichen Teil 4V Beilagegebühr 5 p. Tausend exkl. Post gebühr. Belchälloanzrigrn an beaorzugter Stelle im Preise erhöht. Rabatt nach Tori Fest erteilt« Austräg« können nicht zurück gezogen werden. Für da« Erscheinen an bestimmten Tagen und Plätzen wird keine Saranti« übernommen. Antigen-Annahme: ilugustusplatz 8, bei sämtlichen Filialen u. allen Annoncea- itrpedittonen de« In» und Aullande«. Haupt-Filiale Berlin: Sarl Luncker, Herzogi. Bohr Hofbuch handlung, Lützowstiatze 10. (Telephon VI, Str. 4MÄ). Haupt-Filial« Dresden: See strotze 4,1 (Telephon 4621), Nr. 13 Freitag 14. Januar 1910. 104. Jahrgang. Das wichtigst-. * Die Erste Kammer des sächsischen Landtags nahm am Donnerstag die allgemeine Vorberatung des Etats für 1910 vor. Im Verlaufe der Debatte äußerte sich Wirkl. Geh. Rat Dr. Wach- Leipzig sehr scharf gegen die Schiffahrtsabgaben. (S. Landtagsbericht.) * Finanzminister Dr. v. Rüger kündigte am Donnerstag in der Ersten Kammer einen Nachtragsetat von 7 Millionen Mark für Eisenbahnzwecke an. (S. LandtagSbcricht.) * Der Reichstag beendete am Donnerstag die Besprechung der Interpellationen wegen der Kattowiher Maßregelungen Dann begründete der neue Staatssekretär des Reichsjustizamts, Dr. Lisco, die I u sti zv or l a g e n. (S. Neichstagsbericht.) * Der Bundesrat hat sich mit der Ueberweisung des Entwurfs eines ArbeitSkammergesehes an die zuständigen Ausschüsse einverstanden erklärt. * In der Budgetkommission des Reichstags wurden am Donnerstag die Eisenbahnforderungen für Ostafrika angenommen. Dann ging man zum Etat für Südwestafrika über. * Die Abstimmung über den deutsch-portugiesischen Handelsvertrag in der Kommission wurde auf nächsten Donnerstag vertagt. (S. DtschS. R.) * Die von einem Pariser Blatte ausgegangenen Meldungen über Differenzen zwischen deutschen Instrukteuren und tür kischen Offizieren stellen sich als vollkommen erfunden heraus. (S. AuSl.) * Bei einer Jlottcndebatte im kanadischen Parlament wuroe in bemerkenswerter Weise auf die .deutsche Gefahr" hingewiesen. (S. AuSl.) Enr Gnadengeschenk des Reiches. Jever politisch wertvolle Besitz muß erworben sein. Erworben; wenn es nicht anders geht, erobert. Die Sprache deutet dies selbst an, indem sie die Wendung von den politischen .Errungenschaften" ein- geführt hat. Wenn eine Verfassung oktroyiert wird, so Haftel ihr diese Herkunft für ihre ganze Dauer an. Zum Beweise brauchen wir nur auf die preußische Verfassung hinzudeuten. Schon aus diesem G'unde muß man wünschen, daß Mecklenburg seine Verfassung«- lämpfe allein und ohne Hilfe, ohne Drohung von feiten des Reiches erledigt. Wenn Italien das stolze Wort sprach: „O'ltulia iai-L cka so"! warum sollte dann Mecklenburg eS nicht nachsprechen? Daß es dem Obotriten - Staate noch immer nicht gelungen ist, sich in die Reihe der konstitutionell regierten Gebilde zu stellen, ist beschämend. Beickämend für daS ganze Land. Niemand wird glauben, daß es unmöglich wäre, die Verfassung in Mecklenburg von oben her durchzusetzen, wenn die Regierenden wirklich mit ganzem Herzen bei der Sache wären und mit voller Energie ihren Willen zur Geltung brächten. Wir bezweifeln aber, daß die Großherzöge von den Segnungen des Verfassungsstaates tief genug durchdrungen sind, um sich restlos mit der volkSiümlichen Forderung zu identifizieren. Beschämend ist auch die Kurzsichtigkeit und Eigennützigkeit der Ritter schaft, die sich doch sagen sollte, daß der Aufschub, den sie ru erreichen vermag, immerhin nur noch kurz sein kann. Beschämend endlich ist es, daß das mecklenburgische Volk sich die Verweigerung der Verfassung mit ziemlich unerschüttertem Gleichmut gefallen läßt. Denn wir wollen uns doch nicht darüber täuschen, daß der Widerstand der Ritteischaft bald gebrochen wäre, wenn wirklich daS ganze Ländchen von einem Schrei der Empörung wiverhalUe, und wenn Symptome sich zeigten, die in dem Sinne ausgelegt werden könnten, daß der Mecklen burger .lieber tot, als Sklav" sein wolle. Es ist aber nicht zu leugnen, daß die Mafien von dem Gegenstände wenig erregt werden und ihm wohl nur eine formale Bedeutung zumeffen. Die Sozialdemokratie hat ja durck ihre Agitation und ihre Belehrung stark dahin gewirkt, daß da» Volk die Regierungsform als etwas Unwesentliches ansieht, dessen Ver änderung den Kern der Dinge unberührt lasse. Nun wird gefordert, daß das Reich eingreifen solle. Der Gedanke liegt nahe und die mecklenburgischen Regierungen haben mit ihm gespielt, indessen ließ sich voraussehen, daß sie doch davor zurückschrrcken würden, das Eingreifen des Reiches geradezu zu erbitten. Wir können nicht leugnen, daß uns eia solches Eingreifen — so sehr wir die Beseitigung des abnormen und unästhetisch wirkenden mecklenburgische» Zustande» wünschen — doch äußerst bedenklich scheinen würde. Es wäre mit ihm ein Präzedenzfall geschaffen, der jedem Bundesstaat überaus unbequem werden könnte. Mit dem Tage, an dem daS Reich einem Bundesstaate eine Verfassung oktroyiert hat, wäre« sämtliche Souveräne mediatisiert. Gegen diese Schlußfolgerung läßt sich theoretisch gewiß nichts einwenden, wenn man auch natürlich sage» kann, daß schwerlich sobald wieder eine Eventualität eintrete« werd«, bei der da» Reich seine Suprematie aaS- üben könne. Die Zukunft läßt sich nicht übersehen wie ei» ebene» Gelände, da- sich dem Blick de» Geueralstab-chef» auf dem Feldherrn- Hügel willig darbietet. E» können in jedem Augenblick völlig und un vermutet Konstellationen auftretr«, die wiederum ein Eingreifen de» Reiche« möglich oder wünschenswert erscheine« lassen. Wer also die Frage, ob das Reich m Mecklenburg intervenieren soll, beantworten will, der muß sich eigentlich erst über die Vorfrage klar werden, ob er den Einheitsstaat Deutschland, das heißt die Ver nichtung der jetzt bestellenden Verfassung, wünsche. DaS Problem spitzt sich also schließlich dahin zu, ob man, um Mecklen burg eine Verfassung zu gewähren, die Verfassung des Deutschen Reiches zerstören soll. Diese Fassung des Problems ist gewiß überscharf, inso fern sie auf ihren letzien Ausdruck gebracht ist, indessen theoretisch liegen die Dinge so und nicht anders. Eine andere Frage ist eS natürlich, ob eS nicht mögl ch sein würde, der grof herzoglichen Aktion eine gewisse Unterstützung zu gewähren und den beiden regierenden Herren im Kampf gegen die Ritteruhast den Nacken zu stärken. Es fragt sich nur, ob riese Neigung beim Bundesrat und beim Präsirium überhaupt vorhanden ist und ob man nicht vielleicht die staaisrechtlicbe Idylle Mecklenburgs ganz anmutig sinket und sie mit dein gerührtem Lächeln betrachtet, das wir für pietätvoll gepflegte Erinnerungen unserer Kindheit haben, wenn unser Beistand uns darüber belehrt hat, daß die Zustände, die unS einst so liebenswert erschienen, heute nickt mehr haltbar sind. Wir haben mit Mecklenburg sehr lange Geduld gehabt. Bereits im Jahre 1875 ist ein erstes Exzitatorium an die mecklenburgischen Regierungen ergangen. Ten Stachel haben diese Negierungen augen scheinlich nicht gefühlt, denn sonst hätten sie nicht mehr als ein Menschen alter den Sta'uöquo für völlig befriedigend erklärt. Jetzt ist in das Bollwerk Bresche gelegt, der Zustand als unbefriedigend anerkannt, und riese Bresche wird sich mit jedem Tage vergrößern. Das Reick» wird sich nicht kinnrischen, aber der Geist der Zeit wird eS tun. „Ueberall dringt Bildung durck», schließt auch in Mecklenburg," so könnte man den berühmten Knüttelvers vom Pessimistischen ins Opiimittische variieren. Und es ist besser, wenn die Mecklenburger das Werk allein eisten und sich über sein Gelingen freuen können, als wenn daS Reich hnen die Gabe gleichsam mit der Nute ausnötigt. Äur Neuorganisation -er sächsischen Staatseisenbahiiveru-altnng. In zahlreichen Tageszeitungen sind in den letzten Tagen die Aen- derungen in der Organisation der sächsischen Staatscijenbahnverwaltung bckanntgcaebcn worden, die am 1. Januar 1910 einäetreten sind. Sie werden als erheblich bezeichnet, das Schreibwerk soll vereinfacht, eine raschere Abwicklung des Geschäftsverkehrs mit dem Publikuin herbeige führt werden. Das ist gewiß allenthalben anerkennenswert, auch daß die Zuständigkeit der unteren Organe in gewisser Beziehung erweitert werden soll. Und doch wird aufrecht zu erhalten sein, was der Abge ordnete Dr. Niethammer am 8. Dezember 1909 bei Begründung des nationalliberalcn Antrages auf Vereinfachung der Verwaltung der sächsischen Staatseisenbahnen durch Verminderung der Instanzen und Erhöhung ihrer Verantwortung in der zweiten Ständekammer anführte, daß nämlich dieses Resultat jahrelanger Erwägungen und Beratungen auch nicht annähernd den Erwartungen entspreche, die seine Parteifreunde an ihre früheren Anregungen geknüpft hätten. Denn die jetzigen Ver änderungen bedeuten doch eben wieder nicht mehr als ein Flickwerk, ein Flickwerk an dem schon so oft mit kleineren oder größeren Veränderungen verbesserten alten Organismus. Hier liegt der große Gegensatz der Auffassung: die Negierung glaubt, daß die jetzige Organisation der Staatsbahnen im großen und ganzen richtig ist, daß sie sich nicht nur durch 4 Jahrzehnte hindurch bewährt hat sondern daß sie auch die einzig brauchbare Grundlage für die weitere Verwaltung der Bahnen bilden kann, daß nur hier und dort mit gewissen Verbesserungen den veränder ten Verhältnissen Rechnung zu tragen ist. Ganz anders der Antrag Dr. Niethammer. Er verkennt nicht die guten Seiten der jetzigen Verwaltung, vor allem in den unteren Organen, aber er vertritt die Ansicht, daß nur eine vollkommene Umge staltung unserer Verwaltung die Möglichkeit bietet, die Eisenbahn den Erfordernissen des Verkehrs gerecht werden zu lassen. Nicht Mittelchcn, die im einzelnen Wohl manches verbessern mögen, son dern eine totale Neuorganisation in großen und klaren Zügen, die all die leinen Vorteile von selbst mit sich bringt, die aber vor allem freie Bahn chafft für eine den rcwid sich steigernden Verkebrsverhältnissen ent- prechende Entwicklung. Darum ging die Forderung des Niethammerschen Antrages dahin: „die Verwaltung der sächsischen Staatsbahnen baldigst durch Verminderung der Instanzen und Erhöhung ihrer Verantwor tung zu vereinfachen, damit den Ansprüchen, die der Bekehr in einem Lande von der industriellen Bedeutung Sachsens zu stellen berechtigt ist, besser und in mehr kaufmännischer Weise genügt werden kann." Auch im kaufmännischen Leben entwickeln sich die Dinge all mählich, und die Behandlung muß ihnen von Stufe zu Stufe gerecht zu werden suchen. Wo aber die Verhältnisse infolge der besonderen Ent wicklung der Dinge aus dem Rahmen des Gewohnten heraustvachsen, da klammert sich der Kaufmann nicht an das Hergebrachte, er sucht nicht, die Bedürfnisse in seine nun einmal angenommene Organisation hineinzupressen, sondern er wirft über Bord, was nicht mehr zu halten ist, immer und in allem von dem Bestreben erfüllt, sich den Bedürf nissen des praktischen Lebens anzupassen. Daß das nicht ohne Rlfiko zu machen ist, daß man da mitunter mit kühnem Mut in Neues hin einspringen muß, ist selbstverständlich, aber ohne Wagen gibt es auch kein Gewinnen. Es ist Sache der Intelligenz der leitenden Persönlich keiten, mit richtigem Augenmaß das Rechte zu treffen. Schon ,n dein vom nationalliberalen Abgeordneten Kellner am 2. Mai 1902 für die Finanzdeputation der Zweiten Kammer erstatteten Bericht Nr. 284 über den Etat der Staatseisenbahnen auf die Finanzperiode 1902/08 ist auf Seite 41 darauf hingewiesen worden, daß nach Meinung der De putation dem Einzelbeamten in seinem Wirkungskreise eine größere Selbständigkeit zu gewähren und dementsprechend auch eine größere persönliche Verantwortung auszuerlegen sei. Die Regierung hat 7 Jahre gebraucht, ehe sie dieser Anregung die Verordnung vom 16. November 1909 folgen ließ. Dabei ist eS eigen tümlich, daß diese Veränderungen, über denen wie gesagt 7 Jahre be raten worden ist, dann derartig eilten, daß sie dem gerade tagenden Landtag nicht zur Aeußerung vorgelegt werden konnten, sondern ohne Rücksicht auf ihn schon nach 1Z4 Monaten in Wirksamkeit gesetzt werden mußten. Die Veränderungen, soweit die Organisation in Frage kommt, be- schränken sich darauf, die Bauinspektionen, oder wie sie nunmehr beißen sollen, die Bauämter für gewisse Funktionen, bezüglich deren sie bis jetzt den BetriebSdirektionen unterstellt waren, der General direktion direkt zu unterstellen. DaS fördert, wie auch schon von Dr. Niethammer hervorgehoben worden ist, die Uebersichtlichkeit und Klarheit der Organisation keineswegs, denn die Bauämter sollen in Zukunft den Betriebsdirektionen auch insoweit unterstellt bleiben, als dies im Betriebs- und Verkehrsinteresse geboten ist. DaS wird vor- anssichtlich in recht großem Umfange der Fall sein, und damit haben wir neben der fehlenden Einheitlichkeit schon wieder die Unklarheit. Die Betriebsdirektionen, deren es in Sachsen 6 gibt, sind, soviel hier zu übersehen ist, eine eigenartige sächsische Institution. Preußen hatte früher — bis 1895 — Betriebsämter, die in mancherlei Be ziehungen mit den Betriebsdircktivncn hätten verglichen werden können. Sie waren zu teuer und wurden durch Inspektionen ersetzt. Und damit wurde eine größere Klarheit und Einfachheit der Aus führungsorgane geschaffen. Auch bei uns stören die Betriebsdirektionen nur die Einheitlichkeit und Klarheit der Organisation, und deshalb hat Dr. Niethammer ihren Ersatz durch selbständige Betriebs- und Verkehrs inspektionen vorgcschlagen, und damit jedenfalls gleichzeitig auch beabsichtigt, die mit diesen Aemtern verbundene hohe Verantwortlichkeit denjenigen Personen zuzuweisen, die, über das ganze Land verstreut, in ständiger Fühlung mit dem Betriebe nicht nur die berufensten sind, diese Verantwortung zu tragen, sondern auch aus dieser Tätigkeit heraus dann eine Fülle neuer Anregungen für den Betrieb bringen können und werden. Die sächsische Negierung vertritt in ihrer 1906 über die Bahnver waltung gegebenen Denkschrift den Standpunkt, daß es durchaus nicht richtig sei, die Einrichtungen eines anderen Bundesstaates schlechthin zu übernehmen. Dr. Niethammer bat bei Begründung seines Antrages sich richtigerweise diesem Standpunkt angcschlossen. Deshalb erstrebt der Antrag Dr. Niethammer nicht die Errichtung eines Eisenbahnministeriums in Sachsen nach dem Vorbilde des zehn mal so großen Preußens. Er verlangt aber selbständige Betriebs- insvektionen wie in Rrenßen und die Beibehaltung selbständiger Bau- insvektionen wie in Bauern, während er die Vereinigung der Bau inspektionen mit den Betricbsinspektionen wie in Preußen, und der Betriebsinspektionen mit den Nerkehrsinspektionen wie in Bayern nicht übernehmen will. So glaubt er den sächsischen Verhältnissen durch llebcrnahme dessen, was von den erwähnten Einrichtungen der andern Bundesstaaten für uns brauchbar ist, und durch Aushebung der organi satorisch störenden und praktisch unwirksamen Eisenbahndirektionen ge recht zu werden. Von besonderer Wichtigkeit sind aber die Aenderungen, die der Antrag Niethammer bezüglich der obersten Leitung der Eisenbahn be- zweckt. Es soll nicht in Abrede gestellt werden, daß die Verordnung vom 16. November 1909 die Zuständigkeit der Generaldirektion in mancher Beziebung erweitert, daß sie in dieser Hinsicht den Forderungen des Antrages Dr. Niethammer entaegenkommt. Aber wenn in 8 2 der Verordnung vom 16. November 1909 allein 21 Punkte ausaezäblt sind, in denen sich das Finanzministerium die Entscheidung vorbehält, und wenn es dann ferner noch heißt: „Außerdem ist das Finanzministerium von allen außergewöhn lichen Vorkommnissen und Maßnahmen ungesäumt und womöglich so zeitig in Kenntnis zu setzen, daß es seinen Einfluß noch zur Gel- tung bringen kann . . . ko geht daraus klar hervor, daß wir es nicht mit einer Oberaufsicht durch das Finanzministerium, sondern mit einer Oberleitung oder rich tiger gesagt: mit der eigentlichen Leitung der Staatsbahnen durch das Finanzministerium zu tun haben. Wir haben also zwei Leitungsinstanzen: Finanzministeriuin und Generaldircktion und in gewisser Beziehung noch die Betriebsdirek- tirnen. Das ist aber entschieden zuviel und zu zersplittert. Wenn nach dem Antrag Niethammer die Generaldircktion mit einer Llbteilung des Finanzministeriums vereinigt werden würde, so würde das »richt nur eine wesentliche Vereinfachung des ganzen Verwaltungsmcä>anismus bedeuten, sondern geradezu erst die Möglichkeit für eine den Bedürf nissen entsprechende einheitliche Leitung Herstellen. Hierbei würde auch die langjährige Forderung der zweiten Ständekammer, daß di- mit der Leitung der Staatsbahn beauftragten Personen die Angelegenheiten der Bahn rn der Kammer selbst vertreten sollen, ihre selbstverständliche Er füllung finden. Von alledem sagt der eingangs erwähnte Zeitungsartikel kein Wort. Als ob der Antrag Niethammer mit seinen weittragenden Absichten gar nicht existierte. Es läßt sich wohl schon heute sagen, daß die Bewegung, die schon seit Jabren aus der Mitte der Nationalliberalen angestrcbt und durch den Antrag Niethammer jetzt so energisch in Gang ge bracht worden ist, nicht im Sande verlaufen wird, wie es der Fall wäre, wenn die Verordnung vom 16. November daS Endresultat bilden würde. Ost- nnd Kndrvestafvika in -er Nn-get-Noiirinijsion. Die Verhandlung über den NachtragSetat für die Schutzgebiete wurde ain Donnerstag fortgesetzt und führte zur fast einstimmigen Annahme der osl- afrikanischen Forderung von 2 Millionen Mark zur Fortführung der Usambarababn bis Moschi und zum Ausbau des Hakens in Tanga, sowie i»n ordentlichen Etat 6l200 ./L für den Lazarett-Betrieb und zur An schaffung wissenschaftlicher Fachschriften. Nur die Sozialdemokraten stimmten dagegen. Im Laufe der heutigen Aussprache gab der Wortführer der freisinnigen FraktionSgemeinschaft die Erklärung ab, daß seine Freunde auf dem Standpunkte ständen, bei Sicherstellung der Rentabilität Kolonial-Bahnbauten zu genehmigen. Wolle man das Ziel, die Beseitigung der Zuschüsse für die Kolonien, erreichen, so müsse mau die Kolo- ulen wirtschaftlich heben und dazu gehören auch Bahnbauten; aber sie müßten aus Kolonialeinnabmen gedeckt werden. Das scheine hier anch bei ungünstiger Entwicklung der Fall zu sein. Einen breiten Raum in der Erörterung nahm die Frage der Besiede- lungssähigkeit des Landes ein. Man war im Zweifel, ob die gestrige Darlegung des Unterstaatssekretärs von Lindcquist über die Ergebnisse seiner Reiien ein „Enconragirren" bedeuten solle. Es wurde die Frage gestellt, ob Herr Dernburg jetzt geneigt sei, von seiner bisherigen Politik abzugehen, nach der Oßafrika das Land der Plantagen mit schwarzen Arbeitern sei. DaS Zentrum sieht, wie ihr Vertreter in der Kommission erklärte, keinen Grund zu Aenderungen der bisherigen Politik in Ostafrika. Mit Kleinsiedelungen solle man sehr vorsichtig sein, um nicht ein weißes Proletariat zu züchten. Staat?» sekretär Dernburg führte in Erwiderung hieraus anS: Ein Staat, der encoura- giere, übernehme die Garantie für das Fortkommen der Ansiedler, und das sei nicht Sache d,s Staates. Aber Bahn- und Straßenbauten müssen unter Schonung deS ReichSsäckelS gemacht werden, »oenn die Möglichkeit einer Koloni sation da sei. Ob ter Versuch dann glücke, sei eine andere Frage. Er wiederhole, daß uater 15000 Mark Kapital nicht» zn mache« sei. Er sei ein Gegner der Beihilfen. Draußen sei schwerer fortiulommen als zu Hause. Die Stärkung deS deutschen Elements sei natürlich wünschenswert, aber der Staat dürfe sie — und müsse eS freilich auch — nur durch Anlegung der Verkehrswege und sonstige öffentliche Einrichtungen wie in der Heimat unter- stützt«. Der Unlerstaatssekretär babe von Kleinsiedlungen nickt gesprochen, und er babe nur von der Wahrscheinlichkeit der BesiedlungSiähigkeit ge- sprachen. Ein endgültiges Ergebnis in sanitärer wie wirtschaftlicher Hinsicht könne erst die Erfahrung bringen. Der Staatssekretär erklärt, er habe sich ebensowenig gedreht, wie Gouvernrnr von Reckenberg; er bleibe bei der eben entwickelten Ansicht, die er stet» gehabt babe. Der freisinnige Redner fügte seiner vorbin schon erwähnte« Erklärung über den Bahnbau hin- zu, e» sei fraglich, ob Kaffee und Tabak den Erwartungen entsprechen werde; dagegen böte Sisal, vielleicht Baumwolle, wobl auch Viehzucht gute Aussichten. Durch Beihilfen künstlich Ansiedler zu züchten, würde ialsch sein; für öffentliche Ein richtungen müsse der Staat eintrrten, wenn dieEntwicklung dir» bedinge und erlaube. Der Wortführer der Sozialdemokraten land in den Erklärungen des Staatssekretär» geradezu ein Abraten von der Auswanderung, da er ja aeäußcct hab«, energische Leute kämen auch zn Haust vorwärt»; demnach sollten kie besser bierbleiben. Tas deutsche Volk hält der sozialdemokratische Redner sür durchaus siedlung-unfähig; eine deutsche Bevölkerung in Afrika müsse aussterben, da die
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