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Leipziger Tageblatt und Handelszeitung : 14.01.1910
- Erscheinungsdatum
- 1910-01-14
- Sprache
- Deutsch
- Vorlage
- SLUB Dresden
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id84535308X-191001142
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id84535308X-19100114
- OAI
- oai:de:slub-dresden:db:id-84535308X-19100114
- Sammlungen
- Saxonica
- LDP: Zeitungen
- Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
-
Zeitung
Leipziger Tageblatt und Handelszeitung
-
Jahr
1910
-
Monat
1910-01
- Tag 1910-01-14
-
Monat
1910-01
-
Jahr
1910
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L. Beilage Freitag, 14. Januar 1S1V. Leipziger Tageblatt. Nr. 1L. 1V4. Jahrgang. Mußestunden. Pension Gvns Waldersee LLj Roman von G. von StokmauL ^Nachdruck verbot«!».) Er «eiste sich über seinen Teller, schob ein Stückchen Fleisch mit der Gvbel hia und her, und antwortete nicht gleich. Dann sagte er zögernd: »Mir ist so, als hätte ich di« Dame schon einmal irgendwo gesehen. Ihr Gesicht erscheint mir jedenfalls vertrauter als ihr Name, den Sie wieder- hclt schon nannten, und den ich vielleicht nicht richtig verstand. Sprachen Sie denn von ihr alS^von einer erst zn erwartenden Pensionärin? Ihren Aenßerungen nach glaubte ich eher annchmen zu dürfen, das? sie bereits hier gewesen un!d vor meiner Ankunft wieder abgereist sei." Erika nickte. „Sie verstanden ganz recht, Herr von Oberhof. Daß Fräulein Krapp so schnell wiederkehren würde, hat niemand geahnt. Sir selbst wohl am allerwenigsten." »Und was führt sie zum zweiten Male in diese Pension?" »Di« Gräfin Berwick, als deren Begleiterin sie reist. Ihre jüngeren Pflegebefohlenen hat sie wieder abgegeben." »Hm — wissen Sie, wie lange sie bleibt?" „Die Gräfin hat das Zimmer auf vierzehn Tage genommen." Oberhof folgte Erika gleich darauf in den Garten hinaus, wo ein Teil der Gesellschaft bereits lustwandelte. Dort sah er sich aufmerksam um und sagte dann: „Wo ist eigentlich unser scharmanter Gras heute?" »In Geschäften in Frankfurt. Nach einem Telegramm, das seine Dtutter vorhin erhielt, kommt er erst morgen gegen Abend zurück." „So?" Das klang etwas gsoehnt. „Na, der junge Mann amüsiert sich natürlich, und Doktor Lehmann kann einmal ungehindert an seine geliebte Frau Spätzle herankommen, die er sonst nur ans der Ferne an beten darf. Das Feld ist frei." Erika lachte. „Ja, frei ist es wohl, Herr von Oberhof, aber der Doktor hat es plötzlich ebenfalls geräumt. Er ist fort." „Für immer?" „Nein, wie es scheint, nur für kurze Zeit, aber niemand weiß, wo er ist". «WaS sagte denn die schöne Witwe zu seinem Verschwinden?" Es bekümmert sie wenig. Sie widmet sich ganz Madame Boruvicw, auf höheren Auftrag wahrscheinlich. Uebrigens hat Lehmann meiner Tante gegenüber die gebotene Rücksicht gewahrt. Friedrich war be-' auftragt, sein unerwartetes Ausbleiben zu entschuldigen." »Und hat es natürlich in tadelloser Form getan." »Allerdings." »Ein famoser Mensch und ein erstklassiger Diener. Wäre er hier nicht so ganz an seinem Platz, hätte ich Lust, ihn auszumieten." Erika, die neben ihrem Begleiter an der Hecke stand, beide Arme auf di« grüne Brüstung lehnte und auf die tiefer gelegene Straße hinab- sah, wandte sich mit einem schalkhaften Lächeln ihm zu:' „Die Gefahr ist nicht groß, Herr von Oberhof: zu Ihnen aufs Land käme Friedrich doch nimmermehr! Da wäre es ihm viel zu einsam und langweilig. Er lebt seit Jahren im Mittelpunkt des Verkehrs und will naturgemäß darin bleiben." „Ganz wie Sie, Fräulein Erika!" „Doch nicht; ich bin auf dem Lande aufgewachsen und kenne seine Vorzüge ebensogut wie seine Nachteile!." „Aber Sie haben sich des stillen Landlebens entwöhnt, würden die stete Anregung und Abwechselung auf die Dauer vermissen." „Wenn ich nichts zu tun hätte, — gewiß. Arbeit, das heißt, ein großer Wirkungskreis, ist für mich die erste Lebens- und Glücks bedingung." „Sie sind also ei« ganz modernes Mädchen." „Und Sie ein ganz moderner Landwirt. Das weiß ich aus dem Wenigen, das Sie über Ihre Tätigkeit bisher erwähnten." „So interessieren Sie sich für die Landwirtschaft?" „Brennend, besonders für den Umschwung in derselben, die Fort schritte uns Verbesserungen der Neuzeit: Das Arbeitsfeld eines Groß grundbesitzers ist heutzutage ein so reiches, vielseitiges." Er nickte. „Und das einer Gutsfrau auch." „Aber anders als früher." „Ganz anders, nämlich weiter und größer, oder beschränkter, je nachdem. In meiner Nachbarschaft gibt es Damen, die ungemein tätig und tüchtig sind, und andere wiederum, die in ihrem Landhaus nur einen Stadthaushalt führen und sich allenfalls für den Garten inter essieren, von dem großen Wirtschaftsbetrieb aber kaum eine Ahnung haben." Erika wandte sich langsam dem Hause zu. „Die Armen", sagte sie, „ich bedaure sic aufrichtig. Wie leer und öde muß ihr Leben sein." „Sie wollen es nicht anders, Fräulein von Schacht. Sie leben eben nur für die Familie, für Geselligkeit und Unterhaltung, für Mode uns allerlei Kleinkram. Das genügt ihnen vollkommen." Sir schüttelte den Kopf. „Nicht allen. Mitunter möchten sie sich in der Wirtschaft betätigen, möchten teilnehmen an den Interessen des Mannes, aber sie dürfen es nicht." „Weshalb nicht?" „Weil die Herren der Frau keinen vollen Einblick gestatten, sie nicht belehren und dazu erziehen wollen. — Ich habe in dieser Beziehung zu Hause lehreiche Studien gemacht." „Meinen Sie wirklich? — Einer intelligenten, lebhaft empfinden den Gattin gegenüber denke ich mir diese Aufgabe lohnend und schön." „Aber Theorie und Praxis sind zweierlei, nicht wahr?" meinte sic neckend. „In Wirklichkeit haben Sic persönlich auf diese Aufgabe doch lieber verzichtet." „Wieso?" meinte er erstaunt. „Nun, weil Sie ein alter Jung geselle und Weiberfeind sind, der vom Heiraten überhaupt nichts wissen will." Ein seltsames Lächeln flog um seinen glattrasierten, feingeschnittenen Mund. — „It is navür tao lata Io wonä!" sagte er trocken. „Sie kennen doch das trostreiche englische Sprichwort. Fräulein von Schacht?" „Allerdings, aber leider trifft es nicht immer zu. Man kann manches bessern, aber nicht alles nachholen. Für das Beste ist cs mit unter zu spät." „Auch für mich?" „Auch für Sic!" „Sic meinen, ich sei schon zu alt?" „Für eine Vernunftehe nicht, für eine Liebesheirat gewiß." „Dann kann ich es ja mit der ersteren versuchen." Sic wurde etwas befangen. „Ich fürchte, Herr von Oberhof, der Versuch mißlingt. Eine Vernunftehc wird Sie nicht befriedigen. Sie geben Ihre kostbare Freiheit hin —" „Und tauschen dafür nur ein« Gesellschafterin und Pflegerin ein, die sich für ihre alten Tage versorgen will, — das wollten Sie doch sagen, nicht wahr? Nun, mir scheint, der Tausch ist gar nicht so übel. Vielleicht findet sich in nächster Zeit irgendwie und irgendwo eine ver trauenswürdige Vierzigerin, welche Lust verspürt, Frau von Oberhof zu werden. Dann können wir die Sache ja einmal miteinander über legen, aber weshalb streben Sie so energisch dem Hause zu?" „Weil meine Zeit um ist, ich habe noch zu tun. Die anderem sind schon fast alle hineingegangen." Er hielt sie durch em« Bewegm»- zurück. „Einen Augenblick noch. Fräulein Erika, Sie müssen mir einen Gefallen erweisen, nämlich Fra:, Spätzle für einig« Zeit vo» Madame Boruview Hinweglocken. Ich spreche in bestimmter Absicht. Der Graf und ich empfinden wenig Sym- pathie füreinander, ja, ich glaube, er hält mich absichtlich von sein.r Mutter fern, aber die alte Dame gefällt mir, und heute, wo wir un gestört sind, möchte ich mich einmal eingehend mit ihr unterhalten. Sic verstehen meinen Wunsch, nicht wahr?" Sic lächelte. „Vvllkommen. Ja, ich möchte sagen, ich teile Ihre Gefühl«. Näadame Boruview zieht mich an, Graf Edendorf stößt mich al-. Wenn wir die alte Dame allein hier hätten, würde ich so viel wie möglich um sie sein, ihr alles Denkba e zuliebe tun, und ihr unbeküm mert zeigen, wie sehr ich sie verehre, trotz ihrer kleinen und großen Eigentümlichkeiten." „Im Grunde sind Sie ihr auch viel lieber als tue kleine Stutt garterin", meinte «r. „Ihr Gesicht strahlt immer, wenn sie mit Ihnen redet. — Vielleicht werden Sie doch noch einmal ihre Schwiegertochter." Erika sah ihn mit ehrlichem Entsetzen an. „Ich?", sagte sie ganz verständnislos, „aber dann müßte ich ja ihren Sohn heiraten." „Freilich, mein Gott, wäre denn das so schlimm? Ich weiß, Sic können ihn vorläufig nicht leiden, und Ihre eisige Zurückhaltung legt seiner lebhaften Bewunderung für Ihre stolze Schönheit Schranken an . aber das alles kann sich mit der Zeit ja ändern. Die Liebe gefällt sich oft in wunderlichen Verkleidungen, sieht ans wie Widerspruch und Ab neigung und wandelt sich in zärtliche Leidenschaft. Er ist ein hübscher, vornehmer, eleganter junger Mann, wenn auch nicht gerade mein Ge schmack." „Und ich verabscheue ihn und alle jungen Männer von vornherein, das wissen Sie doch genau!" „Trotzdem können Sie noch «inmal Gräfin Ulli Edendorf werden." „Nie, niemals, nm keinen Preis." „Man soll nichts verredeu, Fräulein von Schacht!" Sie war ernstlich böse. „Sie wollen mich necken, Herr von Ober- Huf", sagte sie ernst, „aber Sie quälen mich einfach nur. Lassen wir dieses unerquickliche Thema, und kommen Si- gleich mit in den Salon. Frau Lotti Spätzle ist leicht entfernt, und wenn Sie Madame Boruview eine Partie Salta anbietcn, bleiben Sic mit ihr ganz ungestört." „Wenn ich mit meiner schwachen Kunst ihr nur genüge." „Das werden Sie schon. Die alte Dame sah Ihnen neulich mir Interesse zu, als Sie mit Frau Konsul Moibach spielten, und wenn sic währens des Spieles auch zuerst nicht spricht, findet sich doch später die Unterhaltung vvn selbst." Diese Voraussetzung traf auch wirklich zu. Während die übrige Gesellschaft lachte und plauderte, Frau Lotti von einer Gruppe zur anderen flatterte, und die Gräfin Berwick sich mit Professor Schwan-.- bcll über die Personalgcschichte vornchmer englischer Geschlechter unter hielt, die Baronin ein und aus ging und Fräulein Krapp unsichtbar blieb, saßen Herr von Oberhof und Madame Boruview friedlich zusammen, neigten sich über das Saltabrett und schoben nach weiser Berechnung die Sonnen, Monde und Sterne hin und her. Der alte Herr besaß sonst in hohem Grade die Gabe, sich zu konzentrieren, und auch heute war er zu erst im Vorteil, aber je länger die Partie währte, um so unruhiger und zerstreuter wurde er, und schließlich erreichte seine Nervosität einen solchen Grad, daß cr eine zu lebhafte Bewegung machte und mit dem kranken, in der Binde ruhenden Arm heftig gegen das Svltobrett stieß Dadurch gerieten die Steine in Verwirrung, fielen zum Teil herab, und ließen sich nicht wiederfinden. (Fortsetzung folgt.) * * * (Auf Wunsch wird der h.nfang dieses Rvmans neu binzutrerendca Abonnenten kostenlos nachgeliefert.) Gerichtrsaal. Neich-gericht. js. Leipzig, 12. Januar. Gewerbs- »nd gewohnheitsmäßiger Wucher. Vom Landgericht Hamburg ist am 25. Mai v. I. der Kaufmann Johann Rudolf Mohr wegen gewerbs- und gewohnheitsmäßigen Wuchers zu einem Jahre Gefängnis und 500 .L Geldstrafe verurteilt worden. Wegen ge werbs- und gewohnheitsmäßiger Beihilfe wurden verurteilt Kaufmann Bein in Berlin zu 9 Monaten und 400 .kl, Kaufmann Krupli- witz in Berlin zu 6 Monaten und 300 F. Mohr betrieb gewerbs mäßig die Beleihung von Offizierswechscln, die er durch sein Giro kurv fähig machte. Dafür ließ er sich ein Damnum von 15 Prozent ans 3 Monate zahlen und außerdem noch eine Provision von 5 Prozent. Das ergab in der Regel einen Zinsfuß von 60—70 Prozent, namentlich wenn er noch statt barem Geloe Zigarren lieferte. Diese hatten für ihn einen Wert von 66 .kl pro Tausend, während er sie für 100 in Rechnung stellte. Innerhalb der letzten vier Jahre hat er Offiziers wechsel in Höhe von 194 945 .X. umgcsetzt. Das Gericht hat in allen Fällen, die der Aburteilung unterlagen, die Tatbcstandsmerkmale des verschleierten Wuchers fcstgestellt. Die Mitangeklagten haben dazu Beihilfe geleistet. — Die Revision der drei Angeklagten hatte Er folg. Das Reichsgericht hob das gesamte Urteil auf, verwies die Sache, soweit Mohr in Frage kommt, an das Landgericht zurück uns stellte bezüglich der beiden Mitangeklagten das Verfahren als unzulässig ein, so daß sie von Strafe und Kosten befreit werden. Materiell unterlag das Urteil keinem Bedenken. Zur Aufhebung führ ten lediglich prozessuale Beschwerden. Erbschleicherei. Wegen Urkundenfälschung in acht Fällen ist am 13. November v. I. vom Landgericht Lübeck die Haushälterin Antonie Jansen zu einer längeren Strafe verurteilt worden. Sie war seit 1895 bei dem unverheirateten Weinagenten Karl Klausen in Lübeck in Stellung. Sie genoß dessen volles Vertrauen und erhielt häufig Briefe und Karten von ihm, wenn er abwesend war. Sie stand dem ganzen HauSwesen vor und war mit seinen Verhältnissen vollständig vertraut. Klausen wurde, an einem unheilbaren Leiden dahinsiechend, von ihr gepflegt bis zu seinem im Februar 1909 erfolgten Tode. Sie will gehofft haben, daß Klausen ihr sein ganzes Mobiliar hinterlassen werde. Im Testamente wurde ihr aber nur ein Teil desselben zuge sprochen. Dem Testamentsvollstrecker gegenüber sprach sie wiederholt ihre Enttäuschung aus. Jener meinte darauf, wenn sich etwa noch Schriftstücke fänden, aus denen die Absicht des Erblassers, sie noch weiter zu bedenken, hervorgehe, so könne ihre Hoffnung sich erfüllen. Nunmehr fertigte sie, indem sie die Handschrift Klausens nachahmte, acht Schriftstücke an, in denen ihr aller Hausrat und noch vieles andere — insgesamt im Werte von etwa 25 000 — vermacht wurde. Diese Schriftstücke ließ sie bei der Inventaraufnahme finden. — Auf die Revision der Angeklagten hob heute das Reichsgericht das Urteil auf und verwies die Sache an daS Landgericht zurück. Die Annahme vou acht Einzelhandlungen erwies sich nicht als haltbar. Maßgebend ist nicht die Anfertigung, sondern das Gebrauchmachen von der falschen Urkunde. , Königlicher Landgericht. * Leipzig, 13. Ian »ar. K«tzel»e1fter Mltz Wolf gegen Dr. Arthur Pleißner. Wie wir seinerzeit berichteten, war Dr. Pleißner wegen Beleidtgnng de« Kapellmeister- Wolf, den er in rtaer Unterredung mit dem Journalisten Steinthal einen Schnitten genannt hatte, vom Schöffengerichte z« einer Geldstrafe von 300 verurteilt worden, «ährend Wolf von der von Dr. Pleißner gegen ibn wegrn Beleidig«»« erhobene» Widerklage freigesproche» ward«. Segen da« Urteil der erste» Instanz halte» beide Prozeß Parteien Berufung eingelegt, und io kam den, d« Angelegenheit heut« vor der fünften Strafkammer de« Landgericht zar Verhandlung. vom Vorsitzenden angebabnte Vergleich-Verhandlungen hatieu kein«, Erfolg, Dr. Pleißner erklärt« sich allerding« bereit, den iakriminierteu Ausdruck, der ihm in seiner Erregang berau«gefahren sei, zurückzunehmen und eft« Bnß« von 100 zum Vesten eine« vo» Wolf anzngebeadrn wohltätigen Zmckei» «u zahle«, fall« Wolf feine Bernfnng znrückziehea werde. Dazn konnte sich der Privatklüger nicht verstehen, und so mußte die Verhandlung durch- geführt werden. Da« Ergebnis war, daß Dr. Pleißner zu einer Geldstrafe von 150 Mark und Kapellmeister Wolf zu einer Geldstrafe von 50 Mark verurteilt wurde. Unter Ausschluß der Oeffentlichkeit wurde gegen den 25jährigen Zi- garrcnmacher Karl August Bertling aus Klein-Crostitz verhandelt, der des Verbrechens im Sinne des 8 176 Ziffer 3 angeklagt war. Auf Grund der Zeugenvernehmung, die die Schuld des Angeklagten klar er wies, wurde Bertling zu einem Jahre und sechs Monaten Gefängnis verurteilt, die bürgerlichen Ehrenrechte wurden ihm auf die Dauer von drei Jahren aberkannt. Da mit Rücksicht auf die Höhe der Strafe und auf die persönlichen Verhältnisse Bertlings der Verdacht vorlag, daß er sich durch die Flucht der Strafverbüßung entziehen werde, so wurde er nach Verkündung des Urteils in Haft abgeführt. Aönrgliches Schöffengericht. * Leipzig, 13. Januar. Gewalttätige Leute. Auf der Anklagebank saßen oer 22jährige Gelegen- leitsarbeiter Emil Franz Knaak von hier, der 23jädrige Arbeiter Leovold Oskar «rausch an- Leipzig-Neustadt, der 22jäbrige Dackdecker Eduard Paul Löwe aus Schönefeld, der 21jährige Geschirrführer Franz Otto Paul Büttner ron vier, der im gleiche» Alter stellende Maurer Carl Rößler aus Paunsdorf, der 22 jährige Handelsmann Oskar Schulpig aus Leipug-Nenitadt und ter 25 Jahre alle Gei 1 ästsführer HanS Max Seissert auS Plagwip. Alle sieben Angeklagte sind schon wegen allerlei Rohheitsdelikten bestraft. Der Angeklagte Knaak wurde gefesselt vorgesührt, er verbüßt gegenwärtig eine längere GeiängniSstrafe in oer Anstalt Hoheneck. Seissert sitzt in Unterjuchungshalt. Ain Abend deS 6. September kamen Knaak, Krausck, r'öwe und Büttner in Begleitung einiger Mädchen die Zolli'ofeistiaste in BolkmarSdorf entlang, wo ihnen der Fleisckergeielle B. und dessen Freund, der Flei'chergrselle F. begeg neten. Die dessen Ftei'chergeiellen wurden von den vier genannten Angeklagten otme jede Veranlassung beim Vorübergehen angerempelt; al« V. sich diese Rüpeleien verbat, fiele» sie Angeklagten über ihn der uns schlugen rücksichtslos aui ilm ein, so daß B. an der Stirn und aus der Nase blutete. Sein Begleiter F. wollte einen Schutzmann herbeirusen, die Angreifer stürzten sich nun aber auf ihn und mißhandelten ibn ebenfalls in der rohesten Weise, jo daß F. bewußtlos zusammenstürzte. Nach ihren Heldentaten sind die Angeklagten dann auSgeriffen, sie konnten erst nach einiger Zeit ermittelt werden. Und »war bei einer anderen Gelegenheit am Abend deS lS. Oktober. Damals kamen Knaak, Rößler »nd Schulpig in ein Kinematogravhentheoter in der Hosmeisterstraße und da sie keine Eintrittskarten entnadmen, so wurden sie von dem Geschäftsführer M. hinauSgewiejen, als sich berauSstellle, daß ihre Behauptung, sie seien Artisten, nicht der Wahrheit ent- sprach. Sie kamen der Aufforderung hinauSzugehen nicht nach, sondern machten einen solchen Spektakel, daß die Vorstellung abgebrochen und Polizei- liche Hilfe herbeigerusen werden mußte. Den Schutzleuten haben die Eindringlinge hartnäckigen Widerstaad entgegengesetzt, Knaak hat den Schutzmann Ku., der ibn abführen wollte, an den Leib getreten, Rößler hat dem Schutzmann B. mehrere Schläge an den Kopf verletzt und Schulpig Hal sich gegen den Schutzmann L. zur Wehre gelebt und ans ihn eingeichimpst. Den Schutzleuten blieb schließlich nicht« andere- übrig, alS einen Handwagen herbeischafsen zu lassen, ans dem Schulpig zur Wache transportiert wurde, während Knaak und Rößler sich bequemten »« Fuß zu gehen. Einige Tage vor diesem tumultuarischen Auftritte haben Knaak, Schulpig und Seissert sich in zwei Gastwirtschaften auf dem Brühl so unmanierlich benommen, daß sie vou dru Wirten binauSgrwieseo werden mußten, sie baben sich aber zum Fortgehen erst dann bequemt, nachdem st« großen Lärm verübt hatten und mit Gewaltmaßregeln gegen ste vorgeganqen wurde. Nachkur haben sie noch in einem kleinen Lafä für 80 ij Kuchen gegessen, aber zur Be- zahlung hat sich keiner verstehe» wolle». Da- Schöffengericht verurteilte nach dem Antrag« des AmtSanwaltS, Ler empfindlich« Strafen beantragte, den An- geklagte« Knaak zu 10 Monat«, Grsäogni- uud 6 Wochen Haft; «rausch und Büttner zu je 2 Monaten Gefängnis, Läw« za ü Woche» Gefängai«, Rößler zu 4 Monate» Gefängnis »ad 14 Tagen Hast, Schulpig zu 4 Monaten >4 Tagen Gefängnis und 14 Tagen Haft. Die Anklagesache, die die Vorgänge in dem Casü betrifft, bei denen Seissert mit in Betracht kommt, wurce »bgetrrnnt und einer späteren Verhandlung vor- behalte», da der Zeuge nickt erschienen war. Eine vertagte Verhandlung nnd ihre Folgen. Leute sollte vor dem Schöffengericht gegen den Schriftsteller Curt Pabst genannt Weiße wegen Betrugs verhandelt werden. ES waren z« der Verhandlung als Zeugen geladen Dr. Arthur Pleißner, Dr. Erich B i s ch o f f, Expe dient Kretzschmar und der Fabrikant Kamprath. Weder der An geklagte noch die Zeugen waren zur Stelle. Der Angeklagte P a b st hatte nm Vertagung des Termins gebeten, da er beabsichtige, Niederschlagung des Verfahrens zu beantragen. Das Schöffengericht ging auf die Ver tagung nicht ein. es soll zum nächsten Termin Vorführungsüefehl er lassen werden. Dr. Pleißner hatte sein Ausbleiben damit entschul digt, daß er schwer neurasthenisch erkrankt sei, das Schöffengericht be schloß. Dr. Pleißner durch den Gerichtsarzt untersuchen zu lassen uns von dem Ergebnisse dieser Untersuchung das weitere Vorgehen abhängig zu machen. Der Fabrikant Kamprath hatte dem Gericht mitgetcilt, daß er einen Zivilprozcß habe, er stehe aber telephonisch zur Verfügung. Die Zeugen Dr. Bischoff und Expedient Krekschmar wurden wegen uncntschnldigten Ausbleibens in eine Geldstrafe von je 15 Mark genommen. Die Folgen eines Richtschmauses. Am 27. November hatte der Bau meister Sch. mit dem Polier N. und den Maurern K„ W. und H. einen Richtschmaus mitgefeiert, bei dem auch dem Bier gehörig zuge>prochen worden war. Durch eine Nachfeier, die die fünf Leute dann noch für sich Veranstaltelen, gerieten sie in eine so lustige Stimmung, daß sie sich m allerhand Ulkereien Luft machten. Auf einem Bauwaqen fuhren sie durch die Lützowstraße und verübten dabei einen entsetzlichen Lärm. Schutzleute kamen dazu, die sic zuerst zur Ruhe, ermahnten; als alles Zureden nichts half, wurden die Ruhestörer verhaftet. Ihrer Abführung setzten die Leute aber erheblichen Widerstand entgegen, auch ergingen sie sich in Beleidigungen der Beamten, und der Maurer K. verflieg sich sogar zu der Behauptung, die Schutzleute hätten ibm Geld gestohlen. Wegen der Ruhcstöiung ver urteilte das Schöffengericht sämtliche Angeklagte zu je 30 Geld strafe, außerdem erkannte das Gerückt gegen den Baumeister Sch nock wegen Beamtenbeleidigung auf drei Wochen und gegen den Maurer K. auf drei Monate Gefängnis. * Dresden, 13. Januar. Vankprozest. Bor dem hiesigen Landgericht begann heule die Verhand lung gegen drei Vorstands- und sechs Aussichtsratsmitglieder der Radeberger Volksbank, dir in den Bilanzen für die Geschäftsjahre 1902 bis 1906 den Stand des Unternehmens wesentlich unwahr dargestellt haben sollen. Für die Verhandlung sind mehrere Tage in Aussicht genommen. Der Frauenmörder Koziol. (Fortsetzung.) * Ltsfa, 13. Januar. Die weitere Verhandlung am gestrigen Tage dreble sich um die Ermordung Ler Vöiährigea Michalina Pia'ecka. Auch hier bestreitet der Angeklagte mit großer Zungenfertigkeit jede- Verschulden. Er batte damals vorübergehend Stellung als Obstwäckter gesunden, verließ aber heimlich seine Stellung, alS ei» Poltzeibeamter sich bei ihm nach seinen Wahrnehmungen über den Mord erkundigte, obwohl der Mann ihm ausdrücklich versichert halte. Laß er ihn nickt elwa sür den Lustmördcr lialte. Der Angeklagte hat ferner ein junges Mädchen, da- in die Nähe seiner Obstbude kam, längere Zeit verfolgt. Sie ist gau, erschöpft bei ihrem Baier angekommen und hat den Angeklagten sofort beschul digt, daß er wahrscheinlich ein Sittlichkeitsattentat geplant habe. Der An geklagte erwidert mit der ruhigsten Miene von der Welt, ec habe geglaubt, da- Mädchen wolle sich in einem nahegelegenen See das Lebe» nehmen. Er sei ihr nachgeeilt, um sie eventuell herauSzuholen. Es wir) Koziol weiter voraeholten, daß er sein Brot mit einem Dolchmcsser zu schneid. » pflegte. Der AngeNagte bestreitet, überhaupt ein Messer besessen zu haben, ein Dolch messer habe er noch nie geseben. Der Staat-anwalt teilt hieraus mit. daß der Fall de« ermordeten unbekannten Jünglings wahrscheinlich ausscheide» werde, da inzwischen neue Feststellungen über dessen Persönlichkeit eingcleitet worden feie». 8« wird dann der Neffe des Angeklagten Tischlermeister Koziol al« Zeug« vernommen, zu dem der Angeklagte auf Grund der Verwandtschaft vor zwei Jahre» gekommen ist, um bei ihm Arbeit zu nehmen. Für den bentigen Verhandlnngstag sind SO Zeugen geladen, ferner der Gr- richt-chemiker Dr. Paul Müller, erster Assistent de- Berliner TerichtSchemikerS Professor Jeserich, ter zwei Haare, die bei einer der Ermordeten gefunden wurden, al« von dem Angeklagten verrührend festgestellt hat. Zunächst werde» zwei polnische Arbriter'rauen al-Ztllginuen vernommen, die seinerzeit rie Leiche de« unbekannten jungen Manne« ansgesunden baben. Die Leiche tag auf einer Waldwirs« »ater einem Baum und war mit Farreokraut zugedeckt. In der Nähe führte der Weg nach Schwarzwald vorbei. — Gemeiudevoziteder Schm olui an« Schwarzwald erklärt, daß er, nachdem er Kenntui« vou dem Leichensonde
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