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Leipziger Tageblatt und Handelszeitung : 13.01.1910
- Erscheinungsdatum
- 1910-01-13
- Sprache
- Deutsch
- Vorlage
- SLUB Dresden
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id84535308X-191001132
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id84535308X-19100113
- OAI
- oai:de:slub-dresden:db:id-84535308X-19100113
- Sammlungen
- Saxonica
- LDP: Zeitungen
- Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
-
Zeitung
Leipziger Tageblatt und Handelszeitung
-
Jahr
1910
-
Monat
1910-01
- Tag 1910-01-13
-
Monat
1910-01
-
Jahr
1910
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»ezuqs-Prei» für Lriptiq »»d tiorort, d»rch «B«, TrLger und Sprdtl«ure t»u Hau» »«bracht r vo Hmonatl., L.7Ü dicrtrljäbrl. Bei untern Atliatr« u. Nnnah«esiellen abqedoU: 72 2s monatl., L.LS »ierteljährl. L»rch di« Post; innerhalb Lruychlan»« und d«r d*»ti-«l Kolonien »irrlellLhrl. 2.ÜÜ monall. I.r* audschl. Postdestellqeld. ferner in Belgien, DLneniark, den Donaustaaten, Italien, Lurembarg, Niederlande, Nor wegen, Oesterreich-Ungarn, Rußland, Schwede», Schwei, ». Spanien. In allen übrigen Eiaale» »ar direkt durch di» Äeschüsr«steüe de« Blatte« erhältlich. Da» Leipziger Tageblatt erscheint wichen»» ltch 7 nutl und paar morgen«. Ilb»n»«menbchlnnLhm« > stlugustuiplntz 8, bei «nsrren Drägern, Filialen, Spediteure» und Annahmestellen, sowie Postämter» und Briesträgeru. Li« «t»zel»e Nummer lostet Ist Sketaktion und Geschäfte stell«: Johannidgaste 8. Serniprecher: 14MI, 14694. UtMM TUMalt Handelszeitung. Amtsblatt des Mates und des Notizeiamtes der Ltadt Leipzig. Anzeiqen-PreiS sstr Inserate au« lleipzig und Umgebung di« 6gespalten« Petitzeil« 25 H, finanziell« Anzeigen Reklamen I von auiwärt« 3V H, Reklamen 1.20 vomAu«land 50^, finan». Antigen 75«^ Reklamen USO Inserate». Behörden im amtlichen Dell402^ vcilagegebübr "> p. lausend exkl. Post- acdühr. «eschättsanzeigen an bevor»ugter Stelle im Preise erhöht. Rabatt nach Darit ffefterteilte Austräge können nicht zurück gezogen werden. Für da» Erscheine» an bestimmten Dagen und Plätzen wird kein« Garantie übernommen. «neigen-Annahme: Vugustuiplatz 8, bei sämtlichen Filialen u. allen Aniwncen- Gxpeditionen de» In- und Autlande«. Haupt-Kilialr Berlin: Carl Duncker, Heriogi. Bayr Hofbuch» Handlung, Lützowstiaße >0. (Telephon VI, Nr. 4«B). Haupt-Ftliale Lreiden: Seestraße 4,1 (Telephon 4621). Nr. 12. Donnerstag 13. Januar 1910. 184. Jahrgang. Das wichtigste. * Die Zweite Kammer des sächsischen Landtages beschäftigte sich am Mittwoch mit dem sozialdemokratischen Antrag auf Für sorge für die Arbeitslosen, der der Rechenschafts deputation überwiesen wurde. Der Antrag auf Einsetzung einer sozialen Deputation wurde zurückgezogen. sS. Landtagsber.s * Der Reichstag besprach am Mittwoch die von dem Zen trum und den Polen eingebrachten Interpellationen über die Beamtenversetzungen in Kattowitz. sS. Reichstagsber.s * Der Seniorenkonvent des Reichstags verständigte sich am Mittwoch über die Verteilung des Arbeitsstoffes bis Ostern. lS. Dtschs. N.s * In der Budget komMission begannen am Mittwoch die Beratungen über die Kolonialeisenbahnvorlagen. * Ein französisches Blatt meldet aus Konstantinopel Brüs- kierungen deutscher Instrukteure durch türkische Offiziere. lS. Ausl.) * Aus dem türkisch-französisch en Zwischenfall an der tunesischen Grenze ist ein ernster Konflikt entstanden. lS. Ausl.j * Der spanische Gesandte in Washington ist plötzlich ab» berufen worden. lS. Ausl.s * Amtlich wird das gänzliche Erlöschen der Cholera in Petersburg bekanntgegcben. Hräludium. Die Thronrede ist ein Präludium, und ein Präludium soll Stim mung geben. Wir fürchten, daß auch die preußische Thronrede mehr Verstimmung als Stimmung Hervorrufen wird. Sie ist die zweite, für die Herr von Bethmann Hollwcg verantwortlich ist, und man erkennt nun deutlich seinen Stil. Er möchte lakonisch sein. Es fragt sich aber, ob er es ist: denn die bewußte Kargheit des Lakonismus sagte viel, viel mehr, als rhetorische Weitschweifigkeit zu sagen vermocht hätte, und die Worte der Thronrede sind ohne Hintergrund und ohne Perspektive. Sie beschränkt sich auf die Aufzählung von Dingen, von denen man sagen kann: „Das Bessere ist der Feind des Guten." Es ist natürlich wichtig, daß das Fortbildungsschulwesen auch auf dem platten Lande gefördert wird: die Scßhaftmachung von Arbeitern ist ein Ziel, aufs innigste zu wünschen: die Abschaffung der kommunalen Doppelbesteuerungen ist ein löbliches Bestreben, und die Modernisierung der Gemeindeordnung für die Nheinprovinz wird den unmittelbar interessierten Kreisen sehr am Herzen liegen. Aber die Modernisierung des preußischen Staates liegt sozusagen allen Deutschen am Herzen, und sie wird erst an letzter Stelle erwähnt. An letzter Stelle, aber vielleicht gerade als Höhepunkt der Steigerung. I-asd not least, wie Shakespeare sagt. Man könnte dies glauben, indessen die Reform des Wahlrechts wird nur mit wenig Worten berührt. Wie inhaltsschwer, wie lapidar müßten diese Worte sein, wenn sie im Lande wirken sollten! Man bedenke doch, es handelt sich um eine Angelegenheit, in der Wilhelm der Zweite nach den Worten der Thronrede vom Oktober 1908 „eine der wichtigsten Aufgaben der Gegenwart" erblickt. Der König von Preußen erkennt dieser Aufgabe „Bedeutung für das gesamte Staatsleben" zu. Er fordert die «orga nische Fortentwicklung" des Wahlrechts und formuliert diese Forderung mit den persönlich geprägten Worten: „Es ist mein Wille!" Und ein Jahr später hören wir nur noch, daß die Reform des Wahlrechts eine „ernste Aufgabe" sei. Nun, das ist ein Gesetzentwurf, der die Mittel zur Gewährung von Zwischcnkredit bei Nentengutsgründungen erhöht, immerhin auch. Alle Vorlagen, die an das hohe Haus gelangen, sind ernste Aufgaben, und weniger kann man zur Charakterisierung eines Gesetzes nicht sagen, das da bestimmt ist, die innere Struktur des größten Bundesstaates von Grund aus zu verändern. Freilich, hier stockt unsere Ausführung. Es handelt sich der Negierung durchaus nicht darum, diese innere Struktur zu verändern: sie soll vielmehr unangetastet bleiben. Die wichtigsten Worte der Thronrede lauten: „Wie bisher." Sie spricht der preußischen Landes- Vertretung die Erwartung ans, daß strenge Sachlichkeit und pflicht bewußte Staatsgesinnung ihre Entschließungen wie bisher leiten werde. Wäre Fürst Bülow noch am Ruder, so dürfte man diese zwei Worte nicht unterstreichen. Der Fürst war seiner „Urbanität" wegen berühmt, und man konnte von ihm wie von Max Piccolomini sagen: „Es lebt aar mancher, der seiner Sitten Freundlichkeit erfahren." Im Munde des Fürsten Bülow wäre es nur ein Kompliment gewesen. Aber Herr von Bethmann macht keine Komplimente: dazu ist er, wie Lessings Franziska sagen würde, „zu brav, zu preußisch", wenn er auch aus Frankfurt a. M. stammt. Und so ist in diesen Worten etwa dasselbe ausgesprochen, was einst tönender erklang: „Der Kurs bleibt der alte!" Die Aufmachung freilich ist eine andere. Es geschieht alle-, um die Politik, soweit sie sich in den Parlamenten abspielt, recht langweilig zu machen. Es geschieht geflissentlich und bewußt, denn Herr von Bcth- mann Hollweg verfügt über einen reichen Hort an Bildung und Be lesenheit, und eS würde ihm durchaus nicht schwer fallen, die Debatte von vornherein auf ein relativ hohes Niveau zu erbeben. Da er es nicht tut, da er nicht nur aus alle Künste, sondern auch auf alle Kunst ver zichtet, so muß man annebmen, daß er einen wohlerwogenen Plan ver folgt. Wäre er ein Reaktionär vom Schlage des Herrn von Oldenburg, so ließe sich dieser Plan leicht ergründen. Eine Regierung glaubt sich mächtig, wenn das Parlament ohnmächtig ist. Das Parlament ist um so stärker, je mehr die Nation leinen Beratungen mit vollem Anteil folgt. Es ist schwach, wenn das Volk sich gleichgültig von ihm abwendet. Die politische Kleinarbeit kann die Nation naturgemäß nur selten inter essieren: eine Regierung, an deren Spitze ein Machiavell stände, würde daher auf den Einfall kommen, dem Parlament so wenig wie möglich Arbeitsstoff und so wenig wie möglich interessante Aufgaben vorzulegen. Da unsere Parlamente beute nicht über allzuviel« gottbegnadete Redner verfügen, die auch den dürrsten Stoff zu beleben vermögen, so läßt sich annehmen, daß das Publikum den Verhandlungen bald nicht mehr folgen, daß das Parlament mehr und mehr den Boden im Volke ver lieren wird. So könnte ein kühler Rechner denken, dem daran läge, die Macht der Krone zum allein maßgebenden Faktor im Staatslebcn zu erheben. Wir glauben nicht, daß Herr von Bethmann Hollweg dieser kühle Rechner ist: wir glauben auch nicht, daß das Exempel aufgcben würde: denn diese Taktik ist immerhin zu durchsichtig, als daß sie nicht auch von den Massen erkannt werden könnte. Achnliche Betrachtungen aber wie diese müssen doch Wohl in Herz und Hirn des Reichskanzlers vor sich gegangen sein: denn sonst ist der Stil, den er sich geschaffen hat. nicht recht verständlich. Bei den Kon servativen freilich findet er uneingeschränkte Anerkennung, und diese Anerkennung macht ihn schon verdächtig. Friedrich Wilhelm der Tritte sprach überhaupt niemals einen ganzen Satz, sondern nur Infinitive — zum Imperativ vermochte er sich nicht aufzuraffen —: diese Wortkarg heit scheint den Konservativen das Ideal. Die Taten genügen ihnen: vorausgesetzt natürlich, daß sie den Charakter der konservativen Staats- auffassung tragen. Wenn Herr von Bethmann mit der gleichen solda- tischen Kürze die Einführung des Reichstagswahlrechts ankündigcn wollte, so wären alle Drahtzieher dcr konservativen Partei längst an der Arbeit, um den Dragonermajor auf dem nicht mehr ungewöhnlichen Wege der höfischen Einflüsterungen unschädlich zu machen. Der Lakonismus des Herrn von Bethmann erzielt noch eine Neben wirkung, die ihm selbst vielleicht bald unbequem sein wird: sie nötigt die Presse, verhältnismäßig viel von der Person des neuen Mannes zu sprechen, weil eben an sachlichem Stoff so außerordentlich wenig vor liegt. Wenn keine Möglichkeit vorhanden ist, sachliche Bctrachtirngen anzustcllen, so hält sich die Presse an den Minister, der sein Schubfach verschlossen hält. Hcnr von Bethmann stellt sich für die Konservativen mutig in die Bresche: hoffentlich rechnet er nicht auf ihren Dank, denn diese Rechnung würde er ohne den Wirt gemacht haben. Hoffentlich ist es in der Tat der „innere Zwang zum Schaffen", der ihm die Wahl- rcchtsvorlage so wie sie ist oder sein wird, suggeriert hat. Die Reichs-Host- rrn- -Telegvnphen- verwaltung im Anhre Nach der soeben veröffentlichten amtlichen Statistik weist der Post verkehr, der ja als Spiegelbild unseres Wirtschaftslebens zu betrachten ist, eine erfreuliche Zunahme auf. Von allen Ländern Europas hatte Deutschland mit 8,8 Milliarden beförderter Postsendungen den stärksten Verkehr, dann folgten England mit 5,3, Frankreich mit 3,4, Oesterreich mit 1,9, Rußland mit 1,6, Italien mit 1,2 Milliarden. Nur im Telegraphenverkehr behauptete England mit 90,1 Millionen Stück den ersten Platz, während die übrigen Länder, Deutschland mit 54,1, Frankreich mit 50,1, Rußland mit 30 und -Oesterreich mit 19,6 Millionen in weitem Abstande folgten. Die deutsche Reichspost salso ausschließlich Bayern und Württem bergs beförderte insgesamt 7995 Millionen Sendungen sZunahme 4,27s, und zwar 2630 Millionen portopflichtige Briese, 1495 Millionen Post karten, 1312 Millionen Drucksachen, 17 Millionen Gcschäftspapiere, 84 Millionen Warenproben, 102 Millionen portofreie Briefsendungen und 246 Millionen Päckerei- und Wertsendungen. Neber die Grenzen des Ncichspostgebietcs hinaus, also nach Bayern, Württemberg und dem Auslände, wurden 513 Millionen Briefsendungen befördert, in umgekehrter Richtung dagegen nur 419 Millionen Stück. Nur England und Frankreich sandten mehr Briefsendungen nach Deutsch- land, als sie von dort erhielten. Der Zeitungsverkehr stieg von 7,6 auf 8,1 Millionen Exemplare mit 1694 Millionen Nummern und 210 Millionen außergewöhnlichen, zah- lungspflichtigen Beilagen. Die beförderten 246 Millionen Paket- und Wertsendungen hatten ein Gesamtgewicht von 765 Millionen Kilogramm und einen angegebenen Gesamtwert von 17 545 Millionen Mark. Von dem Verkehrsumfange kann man sich einen Begriff machen, wenn man berechnet, daß zur Be förderung der Päckereien rund 76500 Eisenbahngüterwagen erforderlich gewesen wären. Von dem Wert- und Geldverkehr in Höhe von 32 996 Millionen Mark entfielen 11 792 Millionen Mark auf rund 200 Millionen Stück Postanweisungen, von denen 47.3 Millionen im Betrage von 3039 Millionen Mark im Girowege an 21 462 Girokunden beglichen wurden, also ohne Inanspruchnahme von Barmitteln. Von den 5.5 Millionen Postanfträgen blieben 1,6 Millionen mit 183 Millionen Mark uneingelöst, 632 Millionen Mark gelangten zur Einziehung. Tie am 1. Oktober 1908 eingeführtc Neueinrichtung der Postprotesterhebung wurde lebhaft benützt, so daß 264 693 Postprotest aufträge zur Einlieferung kamen, von denen 33 332 Stück protestiert wurden. Außerordentlich stark entwickelte sich der Nachnahmeverkehr, der auf 54 Millionen Stück sZunahme 8 Prozents im Betrage von 1080 Millio nen Mark stieg. Uneingelöst blieben 9,7 Millionen s19,5 Prozents mit 364 Millionen Mark. Der überaus bescheiden gewordene Reiseverkehr ist trotz der Zu nahme von 5000 Personen auf 1 199 736 Postreisende und 789 645 Pcrsonengeldeinnabme zusammengeschrumpft. Von 5152 Millionen aufgegebenen Postsendungen sind infolge un genauer oder fehlender Bezeichnung 2,1 Millionen endgültig unbestellbar geblieben, trotzdem die Postverwaltung nichts unversucht läßt, auch mangelhaft adressierte Sendungen unterznbringen. An Postwertzeichen wurden 4264 Millionen im Betrage von 397 Millionen Mark abaesetzt, darunter 1503 Millionen Stück 5-Pfenmg- Marken und 1111 Millionen 10-Psennig-Marken. Die Gesamtzahl der verkauften Antwortfcbeine zu 25 Pf. stieg auf 67 253 Stück. An Nersicherungsmarken wurden 474 Millionen Stück im Betrage von 147 Millionen Mark verkauft. Die Zahl der Rentenempfänger der Unfall- und Invalidenversiche rung, für die die Post die vorschußweise Auszahlung übernimmt, stieg ans Millionen Bezugsberechtigte mit 270 Millionen Mark Renten- bczug. Dem Post-, Telegraphen- und Fernsprechverkehr dienten 34 286 Post anstalten, 32 921 Telegraphenanstalten und 27 408 Fernsprcchanstalten, so daß auf 13 Quadratkilometer und 1511 Einwohner eine Postanstalt und auf 13,5 Quadratkilometer und 1574 Einwohner eine Telegraphen anstalt entfiel. Die Zahl der amtlichen Verkaufsstellen für Wertzeichen stieg auf 27 577, die der Briefkästen aus 124 332, der Schließfächer auf 21 082. Die Telegraphen- und Fernsprcchlcitungen hatten eine Länge von 4 618 900 Kilometer. 51,1 Millionen Telegramme lEinnahme 4214 Mill. Marks und 1361 Millionen Gespräche, darunter 231 Millionen im Fern verkehr sGesamteinnahme 10214 Millionen Marks, wurden insgesamt vermittelt. Die Zahl der Fernsprechteilnehmer ist auf 489 366, die der Sprechstellen auf 738 594 gestiegen. Die Gesamteinnahmen der Reichs post beliefen sich auf 623 Millionen Mark, die Ausgaben auf 576 Millio nen Mark, so daß 47 Millionen Mark Neberschüsse verblieben: An leihen sind bis Ende 1908 insgesamt 307 Millionen Mark ausgenommen worden. Der Personalbestand belief sich auf 288 725 Köpfe, und zwar 117 613 Beamte, einschließlich der 22 336 Hilfsstellcninhaber und 20 140 Beam tinnen, 123 307 Nnterbeamte, einschließlich der 1394 Postillione dcr reichseigenen Posthaltereien, 43 442 außerhalb des Beamtenverhältnisses stehende Personen ldarunter 6234 Frauens, 895 Posthalter und 3468 Postillione der nicht reichseigenen Posthaltereien. *** - UN- haben rrnr .. Man schreibt uns: Der Gesamtvorstand des Deutschen Sprachvereins hat in Berlin getagt. Drei Staatssekretäre, so erfuhr man aus dem Berichte des Vor sitzenden, haben sich bei «dem Vereine für die Mitwirkung an der Sprache der Verordnungen und der Gesetze bedankt. Es wäre ja auch sonderbar, wenn der Verein, der über so viel arbeitsfähige Mitglieder in der Neichshauptstadt und der „Provinz" verfügt, nicht schließlich große Er folge hätte. Eine Akademie, wie die Franzosen, haben wir nicht, da werden eben Behörden und einzelne immer mehr zum Sprachvereine pilgern und sich von ihm Auskunft für die Anwendung dcr deutschen Sprache in ihren eigenen Angelegenheiten erbitten. Die Auskunfts erteilung ist ja sogar umsonst. Wir sprechen von Erfolgen und manchmal stößt man heute wirklich auf eine wohlgepflegte Sprache. Ein durchsichtiger, gleitender Stil — etwa in dem Sinne gleitend wie gewisse Stoffe, in die ein Teil dcr Frauen jetzt die Glieder zu hüllen liebt — wird erstrebt und ost erreicht. Aber dann stößt man auch wieder auf irgendeinen ganz grotesken Aus wuchs. Der Kronprinz bedankt sich für irgendeine erwiesene Aufmerk samkeit: „und habe ich", so heißt es da inmitten eine? Satzes: man traut seinen Augen nicht, aber es steht wirklich so da. Oder in irgendeiner feierlichen, für die Oeffentlichkeit bestimmten Kundgebung einer Partei und Behörde prangt daS Wort „diesbezüglich". Wo haben die gebil deten Leute, die das niederschrieben, gesteckt, als die ganze große Litera- tur zur Sprachreinigung erschienen ist und die Oeffentlichkeit sich damit beschäftigte? Ob es Minister gibt, zu denen nie der Spott über „und habe ich", „diesbezüglich", „derjenige, welcher" und „derselbe" lstatt erl oder die Unterscheidung von „gesonnen" und „gesinnt", gedrungen ist, wissen wir nicht, jedenfalls gibt es Parlamentarier, denen diese ganzen Bestrebungen noch nie nahegekommen zu sein scheinen. Z. B. ist „der selbe" ein Lieblingswort des Präsidenten des deutschen Reichstages, Grasen Stolberg. Im allgemeinen ist es gefährlich, sich über Sprachfragcn zu unter halten, sowohl mit solchen, die als sprachkundig betrachtet werden können, als mit solchen, denen ein berechtigter Anspruch auf diese Eigenschaft abgeht. Auch gutmütige Leute werden grob und rechthaberisch, wenn der Streit um die deutsche Sprache gebt. Hat einer keine Gründe, so hat er eben sein „Sprachgefühl" und schmettert krast dieses Gefühls alle Gegner nieder. Aber auch die gelehrten Germanisten sind von hahne büchener Grobheit. Wir halten es mit denen, die eine gewisse sprachliche Kenntnis zur Grundlage ihrer Regeln und Forderungen machen, und wollen uns von ihnen belehren lassen. Aber wir erlauben »ns auch ganz arge Ketze reien gegen strenge Reglements. „Was lebt, sei auch lebendig!" Daher verlangen wir, daß die Sprache möglichst reich an Funktionen und mög lichst wandlungsfähig sei. „Mit teilweiser Billigung", „in auszugs weiser Mitteilung", das „darf" man nicht sagen, denn „teilweise" und „auszugsweise" sind Umstandswörter. Mögen die Leute nur so lange das Umstandswort als Eigenschaftswort gebrauchen, bis die Philologen legitimen Ersatz gefunden haben, oder bis man erkannt bat, daß die Adjektivierung eines Umstandswortes eine berechtigte, ja wünschens werte Funktion einer lebenden Sprache ist. Die Hauptsache ist, daß die Leute das, ivas sie aussprechen wollen, sagen können. Es muß als Grundlage des ganzen Sprachlebens der feste Wille eines ganzen Volkes vorhanden sein, die gegenständliche Welt und unsere Beziehungen zu ihr frischweg durch Worte zu meistern. Der Sprachkenner mag dann mit diesen Kräften als behutsamer Pfleger walten. Mancher sprach liche Legitimist, der diese oder jene Sprachform verketzert, handelt aber wie ein Botaniker, der einen Ukas ergehen läßt, daß irgendeine Art von Pflanzen, die hochstämmig vorkommt, nicht auch unter irgendwelchen Be- dingungcn am Boden kriechen darf. Für Schüler mögen die Philologen Gesetze geben, und die Zusammenfassung gleicher Erscheinungen unter eine Regel wird wohl immer geboten sein, aber im übrigen wird das Verhältnis des Sprachkenners znm Publikum wohl heute häufig in der freundlichen Aufforderung bestehen dürfen: „Bitte, versuchen Sie cs mal so". Solcher Bitten kann der Sprachkenner und -Liebhaber sdazu zöalen wir unsj, heute manche stellen. Einige sind schon vorgebracht. Eine herzliche Bitte wird auch lauten müssen, da? Deklinieren nicht ganz ein schlafen zu lassen. Wustmann hat schon vor langer Zeit dazu ermahnt. Jetzt sind wir wirklich nicht mehr weit davon, daß man schreibt „aes Mann", statt des Mannes. Man achte nur auf die Zeitungen: man w rd oft finden, daß die Worte undckliniert. wie kleine Fel-^blöcke. im Satze stehen. Auch die Adjektiva kann man nicht mehr bilden. Daß man von Preußen preußisch bildet, will den Leuten schon nicht mehr in den Kopf: „preußensch" erscheint korrekter, wenn möglich mit einem Haken: vreußen'sch. Nun, wo man die Neigung zum Abweg und zu der äußerlichen Ankleistcrung erkgnnt hat, trete man ihr fröhlich-bewußt ent gegen und brauche erstrecht Eigenschaftswörter wie hohenlohisch sim Hohenlobischens, fritzisch, göthisch und biSmärckisch. .Je handlicher und je mehr von innerem Leben erfüllt wir uns die Sprache erhalten, desto weniger brauchen wir die Fremdwörter. Man darf nicht zu viel verbieten: ost stellen sich ja die Fremdwörter deshalb ein, weil wir uns nicht mehr getrauen zu sprechen, wie uns de: Schnabel gewachsen ist. Namentlich aber die verschiedenen Funktionen und Abwandlungsartcn der Sprache lasse man sich nicht rauben. Wenn man ins Grübeln kommt, glaubt man bald, überhaupt keine ursprüng liche Form mehr bilden zu dürfen und nur noch das schon Geprägte verantworten zu können. Daher können wir es begreifen, daß manche Sprachliebhaber eher die Weithcrzigkcit befürworten, als die Ein- chnürung durch Regeln. Wenn irgendwo ein Auswuchs erkennbar wird, o frage man sich: welchem Bedürfnis des praktischen Lebens ent- prang er, und stich« dann das Bedürfnis auf rechtmäßige Weis« zu be- riedigen. So sei jedes Fremdwort ein Platzhalter für ein noch zu uchendes deutsches Wort, jede „Sprachdummheit" ein Ansporn, eine vergessene SprachweiSbeit oder eine erlaubte Neubildung an di« Stelle zu sehen, oder schließlich gar — die vermeintliche Dummheit zu legi timieren. So weit wollen wir allerdings nicht gehen, „und habe ich" als Mantelkind gelten zu lassen.
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