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01-Frühausgabe Leipziger Tageblatt und Handelszeitung : 24.05.1910
- Titel
- 01-Frühausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1910-05-24
- Sprache
- Deutsch
- Vorlage
- SLUB Dresden
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id84535308X-19100524014
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id84535308X-1910052401
- OAI
- oai:de:slub-dresden:db:id-84535308X-1910052401
- Sammlungen
- Zeitungen
- Saxonica
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
-
Zeitung
Leipziger Tageblatt und Handelszeitung
-
Jahr
1910
-
Monat
1910-05
- Tag 1910-05-24
-
Monat
1910-05
-
Jahr
1910
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Stellung der Partei zur Wahlrechtsvorlage besprochen wurde. Die Versammlung stellte sich, wie bereits kurz in der gestrigen Abendausgabe gemeldet wurde, einmütig auf den Etandvunkt, daß dir Vorlage auch in der vom Herrenhaus beschlossenen Fassung für die Nattonalltberalen unannehm» bar sei. Ueber die Gründe der Ablehnung berichtete Reichs- und Landtagsabgeordneter Dr. Arning in einer Volksversammlung: Die Nationalliberalrn würden keinen Vorteil von dem Gesetz haben, und man dürfe der ganzen Vorlage auch nicht mit geo- metrischen Rechenkünsten geaenübertreten, sondern es handle sich darum, dem Volk sein Recht zu geben, da mit Ruhe in dar Land komme. Wenn die National liberalen für die Vorlage stimmten, würden sie nur dem Zentrum helfen, den Kopf aus der Schlinge zu ziehen. Man dürfe die Sache auch nicht nur von Preußen» Standpunkt anschen. sondern ganz Deutschland schaue in dieser Frage auf die Nationalliberalrn. In Süddeutsch land werde es nicht möglich sein, die Parteifreunde bei der Fahne zu halten, wenn die Landtagsfraktion annehme. lAuch in Sachsen würde die Annahme der Wahlrechts vorlage sehr verstimmend wirken. D. Red.) Man zerbreche damit auch die Brüste zu den Links liberalen und mache die Wiederherstellung des alten Blocks ganz unmöglich. Aus Empfehlung des Redners wurde dann von der Versammlung eine Resolution, die für die nattonaUiberale Landtags fraktion bestimmt ist, angenommen, worin die Ver werfung eines Wahlrecht», das nicht die direkte und geheime Wahl enthalte, verlangt wird. * Die Bonner Ausschreitungen und der Kösener S. L Vom Kösener S. L. wird au die Presse folgende Mitteilung gegeben: „Der Kösener Abgcordnetentag befaßte sich beuer in erster Linie mit den bekannten Banner Vorkommnissen. Diese wurden entschieden gemißbilligt. Gleichzeitig wurde aber auch an der Hand des amtlichen Aktenmaterials sestgestellt, daß es sich nur um die Aus chreitungen einzelner handelte und dah die einzelnen Korps, wie der S. C. zu Bonn ihre Pflicht, die Schuldigen streng zu bestrafen, in jeder Weise erfüllt haben; auch ist Vorsorge ge troffen. dah ähnliche Ausschreitungen nicht mehr vor kommen werden." * Der 3. Deutsch« Friedenskonareß fand dieser Tage in Wiesbaden statt. Der Eeschäf.sbericht kann feststellen, daß die Sache de» Friedens allenthalben im Vormarsch begriffen ist. Die Hirsch-Dunckerschen Gewerkschaften haben ihren Anschluß vollzogen, u.'d es ist begründete Hoffnung vorhanden, daß man j.'tzt auch in die Reichsstudentenverbände eindringt. Bei der Neuwahl der Geschästslettung wurde einstimmig die Wiederwahl von Stuttgart als Zentrale be schlossen. In einer öffentlichen Versammlung sprach Miß Eckstein aus Boston über das Thema: ..Dir Frauen und die Friedensbewegung." Professor Nippold (Frankfurt) sprach über Kuliurentwick lung und Weltpolitik, Landtagsabgeordneter Prof. Quidde über nationale Lebens- und Ehrenfragcn. Die Tagung wurde darauf geschlossen. * Die gemeinnützigen Baugenossenschaften Deutsch land» besaßen Ende 1908 annähernd 20 000 Häuser mit etwa 80 000 Wohnungen, zu deren Herstellung die Landesversicherungsanstalten und sonst zugelassenen KasseneinrichtUMen 22-1 Millionen Mark, das Reich 20 Millionen Mark, der preußische Staat 120 Mil lionen Mark und die Pensionsrasse der preußischen Eisenbahnoerwaltung und die Einzelstaaten 30 Mil lionen Mark Kapitalien, insgesamt also 400 Millio nen Mark leihweise hergegeben haben. * Ersatz fit, II." oder nicht? Gegenüber den Meldungen, daß sich der Krtegsmtnister weigere, für den zerstörten ,,Z. II." einen anderen Zeppclinballon anzukaufen, welst ein Berliner Blatt darauf hin, daß bisher noch kein Beschluß r-orlicgt, inwieweit das Material des bei Weilburg zerstörten Ballons zum Aufbau eines neuen Zeppelmoallons verwandt wird. Namentlich ist man sich noch nicht darüber klar, ob die seit Jahren in Gebrauch befindlichen Motoren, deren Bau heute wesentlich vervollkommnet ist, wieder in den neuen „Zeppelin" eingebaut werden sollen. * Di« Reform de» juristischen Bildungsganges. Im preußischen Justizministerium ist am Montag die angekündrgte Konferenz zur Reform des Prüfungs- und Studiumwesen, der Assessoren zusammengcireten. Die Kommission besteht au» etwa 18 Mitgliedern, die zum Teil dem Kultusministerium angehören. Auch Männer der Praxis sind zu den Konferenzen zugezogen worden. Für di« Beratungen sind mehrere Tage in Aussicht genommen worden. Ausland. Delterreich-Ungarn. * Die Pr«»ammrede des ungarische« Minister präsidenten. Ministerpräsident Khuen-Heder- vary hielt vor der Wählerschaft des 4. Pester Bezirk» am Sonntag seine Programm rede, in der er sagte, die günstige Stimmung, mit der das gegenwärtige Kabinett bei seinem Amtsantritt in weiten Kreisen ausgenommen worden sei, könne als Beweis dafür angesehen werden, daß das Land einer Politik der Mäßigung und friedlichen Ent wickelung zuncige. Das Kabinett genieße das Ver trauen, daß cs zu der bewährten Tradition seiner dualistischen Politik zurückkehren werde. Diese Politik werde überall als Garantie für die Eroßmachtstellung der Monarchie anerkannt Die Stellung der austroungarischen Monarchie in Europa werde demnächst bedeutende finanzielle Opfer für die jenigen militärischen Zwecke erfordern, welche schon seit längerer Zeit als unerläßlich bezeichnet werden. Die Schlagfertigkeit der Armee sei das oberste Interesse des 'Vaterlandes. Für ihre Erhal tung dürfe man kein Opfer scheuen. Es sei daher nicht angemessen, die Bewilligung dieser Kredite an gewisse belanglose Konzessionen seitens der Krone knüpien zu wollen. Er verurteile entschieden die Obstruktion, welche eine Revolution zu herabgesetzten Preisen sei. Hoffentlich werde das Land in imposanter Weise bei den Wahlen dem Willen Ausdruck geben, daß die gesetzgeberische Tätigkeit des Abgeordnetenhauses nicht durch die Obstruktion lahmgelegt werde, welche dem Geilte des Parlamentarismus widerspreche. Die Rede wurde mit großem Beifall ausgenommen. GnylkMÜ. * Kais«, Wilhelm» «bschiedswsrt an da, «ng- ltfchr Volk. Da» Reutersche Bureau hat auf eine an den Deutschen Kaiser gerichtete Bitte, dem englischen Volke ein Abschiedswort zu sagen, folgende Ant wort erhalten: Sie sind ermächtigt, mitzuteilen, daß Seine Kaiserliche Majestät die aufrichtige Sym pathie, die ihm von der Stadt London und dem Publikum im allgemeinen in seiner tiefen Trauer be zeigt worden ist, herzlich zu würdigen weiß. — Der Kaiser frühstückte am Montag im Buckingham-Palast mit dem König, der Königin, der Königin-Mutter und den übrigen Mitgliedern der königlichen Familie. /rsnkrelch. * Der Au»bau de» französisch«« Westeisenbahn netzes. Minister Millerand, der von der Be sichtigung des verstaatlichten Westeisenbabn- netzce zurückgekehrt ist, erklärte einem Bericht erstatter, die unabwcisltchei Verbesserungen de» Netzes würden 10 Jahre hindurch alljährlich bo Millionen erfordern. * Da» Programm de« Ministerrate». Der Mi- nisterrat hat mit dem Studium mehrerer Fragen be gonnen, die er seinem Programm einverleiben wird. Da» Kabinett hat einmütig beschlossen, sie dem Parlament mit einem sehr bestimmten Programm vorzulegen, das keine Zweideutigkeit zuläßt. * Frankreich und Mulen Hasid. In der frauzö fischen Presse wird bestätigt, daß in den Beziehungen zwischen der französischen Regierung und dem Sultan Muley Hafid, die, wie erinnerlich, seit einiger Zeit einen unbefriedigenden Charakter angenommen haben, immer mehr eine Wendunn zum Schlechten eintrete. Die französische Presse be hauptet, beim Snltan machten sich in schärferer Weise als bisher fremdenfetndltche Gesinnungen bemerkbar. Der Minister devAeus-ern Pichon wird nach seiner Rückkehr ans London dem Ministerrate eine Reihe von Maßregeln vorschlagen, um die Er füllung der Bestimmungen des französisch-marokka nischen Uebcrcinkommens durch Machtmittel zu er zwingen. Velylen. * Da» Resultat der Wahl««. Nach amtlicher Mit teilung wurden in Brüssel neun Klerikale, 7 Liberale und b Sozialisten gewählt. Das Eesamtresultat er gibt 49 Klerikale, 23 Liberale und 13 So zialisten. Die Sozialisten gewinnen einen Sitz von den Klerikalen. Asllen. * vom Internationalen Prefsekongreß. Dem Be schlüsse des Internationalen Pressekongresses in Abbazia, den nächsten Kongreß in R o m abzuhalten, ging eine erregte Debatte voraus. Malli e-Bel gien sprach den Wunsch aus, daß der Kongreß in Nom sich von jeder politischen Manifestation fernhalte. Dorstewitz-Leipzig schloß sich den Ausführun gen des Vorredners an, wenn jemand bei diesem Be schlüsse Hintergedanken haben sollte. Vizepräsident Raimondi-Rom glaubte au» den Worten des Vorredners «inen Vorbehalt gegen Rom al» Haupr- stadt Italien« herauszuhören, und erklärt«, daß der Kongreß in Rom, der Hauptstadt des Königs von Italien, zusammentrete, und daß der König den Kongreß empfangen werde. — Präsident Singer beruhigte die entstandene Erregung mit der Erklä rung. daß der Kongreß ein beruflicher sei. Wenn jemand bei der Ratifizierung der Beschlüsse, den nächsten Kongreß in Nom abzuhaltcn, Hintergedanken haben sollte, so würde dieser von der Versammlung gewiß nicht geteilt werden. Somit wurde Nom ein stimmig zum Kongreßort für 1911 bestimmt. -- An Bord des Dampfers „Thalia", der am Sonntag abend in Abbazia eintraf, sand rin Abschiedsbankert statt, an dem der Präsident des Oesterreichischen Lloyds Dr. Derschätta die Hoffnung aussprach daß der Prefsekongreß zur Erschließung Dalmatiens für den Fremdenverkehr mächtig bei tragen werde. Dänemark. * Demission dr« Gesamtkabinetts. Aus Kopen hagen wird telegraphiert: Im Ministerrat wurde Ministerpräsident Zahle ermächtigt, dem Könia bei seiner Rückkehr aus London unverzüglich die De in iss iondesGesamtkabinetts einzurcichen. Tltrkel. * Zur Kretasrag«. Ueber hundert Deputierte, verschiedene Senatoren, Journalisten und andere Per sonen richteten an die mohammedanischen Deputierten der kretischen Kammer ein Telegramm, in dem sie diese zu ihrem energischen Auftreten be glückwünschen und versichern, daß die Ottomanen keinen Augenblick zögern werden, ihr Leben zu opfern. — Außerordentlich allarmie- rend klingt folgende Konstantinopeler Privatmeldung nach Auslassungen der Zeitung „Sabah": Die Pforte teilte der Reaicrung in Athen mit, daß sie die Teil nahme von Deputierten Kretas an der griechischen Nationalversammlung als Bruch der Neutralität Griechenlands auffassen werde und die Türkei für diesen Fall sich als angegriffener Staat betrachten müsse. Andere Blätter der Hauptstadt melden, daß die Zulassung kretischer Delegierten in Athen den Kriegsfall gebe. — Entgegen der kriegerischen Tendenz dieser Meldung berichten Londoner Blätter: Die kretische Note der Botschafter der Schutzmäckste enthält die bestimmte Erklärung der Mächte, daß sie angesichts ihres Eintretens für die türkische Ober hoheit über Kreta ein aktive» Borgest«« der Türkei in der Kretafrage nicht zulassen werde. — Zur Lage in Athen wird berichtet: Das noch immer in§ Piräus liegende griechische Geschwader wird aller Voraussicht nach überhaupt nicht auslaufen, was aus andauernden Beurlaubungen der Mannschaften zu schließen ist. Die Schutzmächte haben in Athen ernstlich gewarnt, wodurch sich auch die seit drei Tagen ausfallend mäßige Sprache der offiziös inspirierten Presse erklärt. perven. * Die Bildung des neuen Ministerium». Aus Teheran meldet die Petersburger Telegraphen- Agentur: Serdar Man für ist zum Iustizmiumer, Muschir ed Dauleh zum Handclsministcr, Mustamidi Hakan zum Minister für Post und Telegraphen ernannt worden. Der Medschlis hat be schlossen, die verantwortlichen Posten im Ministerium des Acußcrn durch Deputierte des Medschlis besetzen zu lassen, und zwar wird Vesirfade zum Chef der englischen Station ernannt, Hassan Ali Khan wird die Leitung der Korrespondenz mit den übrigen Gesandtschaften, außer der russischen, übertragen. Nach einem dem Medschlis eingebrachten Antrag sollen drei Offiziere n'ach Deutschland entsendet werden, um für die persische Armee 30 000 Gewehre anzukaufcn. Seriüttslssl. Königliche« Landgericht. ! Leipzig, 23. Mai. Provisioiisschwind«l«ien. Der 38jährige ehemalige Buchhändler und jetzige Provisionsreiscnde Oskar Richter ist wegen allerlei Betrügereien schon ---- Berlin, 23. Mai. Die Braganza-Wechselafsäre. (Forts.) In der heutigen Verhandlung gegen die Angeklagten Clarke und Genossen wurde nach Erössnung der Sitzung die kommissarrsche Aussage des Grafen Arco zur Ver lesung gebracht, der seinerzeit die Unterschriften ir.nes Vetters, des Prinzen von Braganza, auf den Wechseln beglaubigt hatte. Rechtsanwalt Dr. Loewen- stein beantragte, den Grafen Arco an Eerichtsstclle zu vernehme», da dieser gerade über die wichtigsten Punkte in seiner kommissarischen Aussage nicht ver nommen worden sei. Der Verteidiger beantragte, den Grafen Arco insbesondere darüber zu vernehmen, daß es ihm ebenfalls nicht bekannt gewesen sei, daß der Prinz entmündigt war, als er die Unter schriften beglaubigte. Wenn Graf Arco von der Entmündigung keine Kenntnis gehabt habe, so könne man dies bezüglich der Angeklagten ebenfalls ohne weiteres annehmen, zum mindesten könne vieles für die bona kstios des Angeklagten daraus hergcleitet werden. — Das Gericht beschloß nach längerer Be ratung die Anträge der Verteidigung als unerheblich abzu lehnen. — Es wurde hierauf mit der Ver lesung von Schriftstücken, Telegrammen usw. fortge fahren. häufig bestraft. Nachdem er tm April v. I. »ine längere Zuchthausstrafe abgesessen hatte, sand «r Stellung bet einer hiesigen Buchhandlung, aus der er aber nach einigen Wochen wieder entlassen wurde, da dem Geschäftsinhaber mitgetetlt worden war, daß er einem Zuchthäusler Unterkommen gewährt Habs. Richter konnte keine Stellung wieder finden, und so geriet er wieder auf Abwege. Bet einer hiesigen und einer auswärtigen Buchhandlung bestellte er auf fingierte Aufträge hin fünf Atlanten im Wert« von je 32 und ein kleines Lexikon für 19 -4<, wodurch er sich die entsprech-, »den Provisionen verschosst hat. In Berücksichtigung seiner vielen Vorstrafen wurde der Angeklagte von der 4. Strafkammer des Land gerichts zu zwei Jahren vier Monaten Gefängnis verurteilt, außerdem wurde auf Ver lust der bürgerlichen Ehrenrechte auf die Dauer von dre: Jahren erkannt. Unter der Anklage der falsche« Beurkundung hatte sich der Versicherungsiiispektor Ernst Paul K. vor der dritten Strafkammer des Landgerichts zu verant worten. Er war hier als Inspektor der Prandversiche- rungskammer angesiellt und hatte die Abschätzung und die Katastrierung der zu versichernden Grunostücke zu besorgen. Bei Geschäften, die ihn Uber das Weichbild seines Wohnsitzes weiter hinausfiihrten. standen ihm Kilometergelder zu, die er der Höhe nach auch richtig in seine Abrechnungen eingetragen hat. Er hat sich aber bei diesen Eintragungen insofern Inkorrekt heiten zuschulden kommen lassen, als er die Entschädi gungen nicht stets für die Tage eiutrug, an denen er. draußen zu tun gehabt hatte, sondern daß er seine Eintragungen sozusagen „frisierte" wie sich der Vor sitzende ausdrückte, sie auf andere Tage mit verteilte. Der Gerichtshof sah die Sache in einem milden Lichte an und verurteilte den Beklagten zu einem Monat Gefängnis. Mit Dolch und Revolver. Ein recht gefährlicher Einbrecher muß der 27jährige frühere Heizer und jetzige Handelsmann Friedrich Karl Schaaf sein, der aus Lützen stammt und zuletzt in Neustadt wohnte. Er hat wegen Diebstahls zwei Vorstrafen - erlitten, wurde aber das zweitemal gleich zu einer Zuchthaus strafe von 2 Jahren verurteilt. In der Nacht vom 16. auf den 17. März d. I. wurde Schaaf in Eunoors bei einem Diebstahlsverusche abgefaßt, den er in Ge meinschaft mit dem 21jährigen Dreher Joseph Wilhelm aus Kausa bei Pilsen ins Werk scsetzt hatte. Als man die beiden Diebe einer Durchsuchung unterzog, fand man einen geladenen Revolver, einen Dolch und einen Schlagring. Sie hatten sich also für alle Fälle vorgesehen. Äußer diesem Dieb- stahlsve: suche wurden den beiden Komplicen auch zwei vollendete Diebstähle zur Last gelegt; in der Nacht zum 11. März sollen sie in der Bahnhofstraße in Lindenthal in einem House ein Fenster en gedrückt, sich auf diese Weise Eingang in das Haus verschafft und Gegenstände ini Gesamtwerte von 1S5 -4t gestohlen haben, nachdem sie den Vertiko, in dem sich die Zegensiänve befanden, ausgesprengt hatten. Zwei Nächte daraus stattete sie, nach dem Eröffnunasbesckluß, dem Ge meindeamte in Eundorf einen Besuch ab. Sie schnitten eine Scheibe aus der Haustür, öffneten von innen, erbrachen ein Schreibpult und entnahmen ihm 10 in Postwertzeichen, ein Ecldkörbchen mit 2 ,<t und einen Militärpaß: ferner nahmen sie auch noch einen an der Wand hängenden Iackettanzug mit. Die vierte Strafkammer des Landgerichts beschloß, zur Klärung der Sachlage noch einige Zeugen zu laden, und ver tagte die Verhandlung auf unbestimmte Zeit. OeuMe Züeale tn Amerika. Bon Max Hochdorf. Wir Deutschen haben einige begeisterte Anwälte in Amerika. Während die künstlerischen Kritiker bei uns ost recht nörgeln, ist man jenseits des Ozeans viel empfänglicher, viel dankbarer für das, was aus unseren Gauen kommt. So hat der amerikanische Havard-Professor Kuno Franck« in englischer Sprache ein Buch erscheinen lallen, das „Deutsche Ideale der Gegenwart" betitelt ist. Man stelle sich solchen deutsch-amerikanischen Ge lehrten vor, der semesterlang auf einer deutschen Universität studiert hat und so zu all den Dingen ein herzliches Verhältnis gewann, die er da kennen lernte. Er hat gründliche Schulmeister seine Lehrer genannt, Männer, deren Fleiß und Sorgsamkeit höchste Anerkennung verdienen, di« aber doch mit einiger Befremdung, mit einem Gefühl der Abnei gung, alle» da» verfolgten, was die Gegenwart her- vororingt. Man muß französische Werke, die über deutsche Kunst und Literatur handeln, z. B. die Bücher de» Parisers Lichtenberger gelesen haben oder die Schriften des Viktor Fleury, um zu verstehen, daß gallische Forscher zu unserer Kunst vom leben digen Genuß geführt werden. Der Amerikaner Franck« ist rm Grunde doch nur der historische Re gistrator. So kann es kommen, daß er fast unser Mitleid er regt durch di« geringe Summe dessen, was er zu sagen hat. Mir staunen, daß ein Mann so große Liebe allem Deutschen «ntaeaenträat, daß er aber nicht imstande war, innerliche Worte für das Pochen sei- nes Herzens zu entdecken. Wir fragen, warum will dieser Amerikaner gerade das Feinste unseres Geistes erfassen, warum war er nicht bescheidener, resignier ter? Cr ist doch ein dürftiger Mann von matt- kltngendrr Seele. Schad«, jammerschade, daß solch winziger Apostel sich vermißt, von deutschem Geiste auf amerikanischer Erd« zu zeugen. Adolf Bartels, der Mörder jeder Schönheit, wurde vielleicht Herrn Francke zustimm-n, wenn er härt«, wi? dieser pre digt. Er predigt nicht schön und sehr verworren von Goethe, Er vergißt, daß wir modernen Menschen zu Goethe emporgewachjen sind, daß wir in ihm heute einen fiebernden, melancholischen Menschen sehen und feiern, nicht einen trockenen, nützlichen Moralisten. Da, ist ja eben der Fehler d«, Schulmeisters Francke, der sich a« die Rockzipfel de» deutschen ver götterten Vorbildes heftet, daß er unsere Heroen er niedrigt zu Führern des Pökels, zu Lenkern der Bier philister, zu Pionieren der Alltäglichkeit. Ach Gott, Friedrich Schiller, der einsamste Mensch und darum auch der verworrenste, pathetische Voet, soll nach dem Sinne des Herrn Francke ciu Fortbildungsschullehrer sein. Wir Modernen, die in das lebendige Kunst werk hineingucken, uns in seine Glut und tn sein Gären hincinslihlen, stellen uns Schiller deswegen entgegen, weil cr immer nur auf sich lelber horchte, »veil er sich niemals zur Objektivität den Menschen gegenüber durchkämpfte und trotzdem darauf be stand. ein Schöpfer der objektivsten Kunst, der dra matischen, zu sein. Gewiß hatte Schiller die Wucht, aber cr batte nicht den Verstand, Ueberschwenglich- kett und bis zum Lächerlichen überwuchernde Sprach eigentümlichkeiten einzudämmen. Wir lieben das dichterische, ausdauernde Wesen dieses Mannes. Aber er plagt uns manchmal durch seine überhitzte Knabenhaftigkeit Dramatiker müssen Gesellschafts menschen sein, die zu allen ihren Brüdern heran schleichen, die olle Brüder bchorchem ihrem geheimsten Denken und Atmen nachspüren. Dramatiker dürfen nicht träumen. Schiller hat zuviel geträumt tm Dunste seiner Studierstube. Und Francke, der das verschleiern möchte, lügt in der Meinung, daß wir in Schiller einen Lehrer des Sozialen sehen sotten. So ist die irrtiimlicbe Erundanschauung des amerilanischcn Gelehrten. Er denkt ein wenig tn schöngeistigen Sätzen. Aber er hat nie die Kraft, das lebendige Leben künstlerischer Dinge zu vernehmen. Die Werke des Malen» und Meißelns, die für das Auge spielen sollen, betrachtet er mit dem Verstände. O Gott, was nützt es denn, irgendwie von der Welt anschauung Mar Klingers zu sprechen, von den Idealen des höfischen Lenbach? Wae ihre Hände formten, ist Form und nicht Gedanke. Was ihre Hände formten, ist greifbare Wirklichkeit, gehört nicht in da» Reich des Uebersinnltchen. Da» sah natürlich nicht der Pedant Professor Francke. Als Gerhart Hauptmann noch jung war, so um die Zeit der „Weber", da war e» Srtte geworden, in ihm den ökonomischen Denker mehr zu studieren al» den schaffenden Künstler. Die Rede war davon, daß in diesem Manne ein wundervolle» Proletarier. Herz wohne, daß er dem Hundesleisch essenden Prole tarier am liebsten Fasanen auigetischt hätte. Das sagten die Kritiker von Gerhart Hauptmann aus. Sie hatten solche Tugend ebenso gut und ebenso tref fend von einem Waisenvater, von einem mildtätigen Drehoraelspielcr. von einer wohldustenden Volks- tüchcnchrendame behaupten können. Aber sagten alle diese Leute etwas von dem Künstler? Nein! Und ebensowenig tut cs Herr Francke. Er liest den Gerhart Hauptmann wie ein Buch der Volkswirt schaft. Er beurteilt ihn überhaupt nicht, trotz großer Begeisterung. Er beurteilt ihn gar nickt künstlerisch, und das ist kein Wunder, denn zum künstlerischen Kritisieren gehört ja ein Herz, das von ästhetischen Dingen bewegt wird. Herr Francke folgt der geliebten Mode, der ge wöhnlichen Denkfaulheit, Hauptmann und Hermann Sudermann in einem Atem wie ein Zwillingspaar zu nennen. Ei, ei, das ist doch schändlich! Selbst mindertluge Leute haben cs lange, lange schon in Deutschland gelernt, daß Sudermann kein Dich ter ist. Vielleicht ist dieser Schriftsteller nicht ohne Verdienste wegen einiger geistreicher, sozial wert voller Milieuschilderungen, wegen der Geißelung einiger Unappetitlichkeitcn im politischen und ero tischen Leben. Aber Hermann Sudermann ist in allem Formellen, in allem Feinen, den Kunstsinn Angehen den sehr taktlos und geschmacklos. Das hären heute schon in Deutschland die kleinen Kinder, wofern sie einen aufgeklärten und gebildeten Vater haben. Herr Francke, der Lehrer der Jugend, ist noch nicht so wert. Gewiß hat er fick umaejehen nach dem, was tn unseren lieben Gerhart Hauptmann hineinaedeutet worden ist. Und dte süß quellende Menschlichkeit, die von den Lippen des klagenden Vater Kramer träu felt, mußte auch ihn rühren. Gewiß hörte Francke, wie in Deutschland die Leideussymbolik de» „armen Heinrich" auspelegt wurde. Francke erzählt von die sen Dingen. Er hebt seine Svrache sogar zur senti mentalen Höhe, damit man ihm folgt Doch sein Verdienst um dte» Beste dr» Buche« ist sehr gering; denn di« Gedanken und die Bilder seiner Red« sind etder nicht ursprüngliches Erzeugnis. Der Pro- «sior spricht e» gläubig blinden Kritikern nach, daß n Hugo von Hofmannsthal die moderne Romantik hr höchste» Fest feiere, daß zwar nicht Shakespeare der Gegenwart wiedergcschenkt sei, daß aber ein be scheidener Erb« seines Gutes bei uns Heutigen lebe. Wir dürfen lächeln ob solche, Urteil« Wir dürfen diesem Spruch« unsere bessere Erkenntnis entgegen halten, daß Hugo von Hofmannsthal keineswegs aus eigenen Seelcnquellen schöpft, daß er unter uns ein hergeht, höchstens wie ein geschmackvoller Epigone. Da« find einige der Irrtümer, dte Herr Francke begangen hat. Wir bedauern sie. Wir bemühten uns, sie nach Kräften zu verbessern. Wir wünschen, daß sein gutgemeintes Buch nicht viele Leser finde. Es könnte mehr Schaden stiften als Glück und wirk liche Erkenntnis. Wer zu Freunden spricht über Dinge, die ihrem Inneren fernlicgen. der muß erst recht eine Honigzimge führen, der muß erst recht das Schale von dem Schönen sondern. Herr Francke tat das nicht. So möge er seinen Zorn ein wenig dämp fen darüber, daß ihm hier sehr offen die Maske ge lüftet wurde. Lin Srperiment mit Selen Keller. Bekanntlich behauptet Helen Keller in ihrer „Lebensgejchichte" sowie später tn ihrer kleinen Schrift „Meine Welt", daß sie, dicht am Klavier stehend und eine Hand aus den Kasten legend, fähig'sei, Musik mit lebhaftem Genuß aufzufassen. Verschiedene Psychologen waren bisher der Ansicht, daß hier ein Fall von Selbsttäuschung oorliege; unter andern vertrat diese Meinung auch der Breslauer Univcrsi tätsprofessor Dr. W. Stern. Auf einer Reise in Amerika hat Professor Stern nun Helen Keller be sucht und Musikexperimente mit ihr angestellt, über die er jetzt in der „Zeitschrift für angewandte Psy chologie" berichtet. Er schreibt dort, daß er auf Grund seiner direkten Beobachtungen anderer Mei nung geworden fei und zugeben müsse, daß in der Tat H. K. ein richtiges Empfinden für Musik besäße, wie sie es von sich behaupte. Seine Versuche selbst schildert Professor Stern folgendermaßen: „Ich setzte mich ans Klavier; H. K. lehnte sich mit dem Körper an das Instrument; insbesondere ließ sie ihre eine Hand mit der ganzen Fläche auf dem Kasten ruhen. Ich spielte zunächst «ine einfache Melodie tn Takt, deren Rhythmik ich möglichst scharf zu akzentuieren suchte. H. K. begann alsbald mit der freien Hand dazu den Takt zu schlagen, und zwar im wesentlichen korrekt; als ich fertig war, meinte sie, es sei ein marc-b' (Soldatenmarsch) ge ¬ wesen. Sodann spielte ich den Donauwalzer von Strauß. Und hier zeigte sich eine merkwürdige Wirkung. H. K. geriet in offensichtliche Erregung; der ganze Körper begann zu vibrieren und sich zu «Siegen; auch das Mienenspiel verriet starken, lust vollen Affekt. Diese Ausdrucksbewegung war von so elementarer Gewalt, daß eine ««r eingeredete
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