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01-Frühausgabe Leipziger Tageblatt und Handelszeitung : 24.05.1910
- Titel
- 01-Frühausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1910-05-24
- Sprache
- Deutsch
- Vorlage
- SLUB Dresden
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id84535308X-19100524014
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id84535308X-1910052401
- OAI
- oai:de:slub-dresden:db:id-84535308X-1910052401
- Sammlungen
- Zeitungen
- Saxonica
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
-
Zeitung
Leipziger Tageblatt und Handelszeitung
-
Jahr
1910
-
Monat
1910-05
- Tag 1910-05-24
-
Monat
1910-05
-
Jahr
1910
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Amlrkkatt 2cs Nates und des Nokizeiorntes der Stadt Leipzig. Anzeigen-'Vreiü ttr Inter alr an« lleiv»,, »no Umgebung d>, Sgelvaltene HO mm breit« Perlt,eil« L H, dl« 74 mr» breite Xteilamezeil« I »an an«wtN« ov XieNamen l.2u Jnsee«, »an Pebbrben n, amtlichen Leu bi, 74 wt» breit« Pelltlreil« 4» 4K »elchLiktonreiqen mit P agvorlchrrlten an» t» »er Ndendaulgad« im Preiie erhobt Radau „ach taut. Beilaqegebübr ü ». Laulead «lkl. Postgebühr. Hestert eilt« «ultra« können nrchi rurütt- geeogen werben, stür ba« irrlcheinen an delluamran Lagen und Plötzen ,o,rd kein, Garantl« übernommen. Sngetgen. Annahme! Aug-aisplatz 8, b« ltmrlichen Ailt^mr a. allen Annoncen» ltipebUionen de« Ja- und «Utlande». »anvt'Slltale BrrNal Carl Lnucker. Lerrogl. lvoyr. Hafduch- haadlung, Lützawstiak« I0> iLe.evhon VI. Rr. 4i-Oc!). Haupt-Sillal» LreSdem Lerltratze 1 iTelephaa 4821). Nr. 141 Dienstag, üen 24. Mai ISIS. 104. Jahrgang. Das Wichtigste. * Der Kaiser hat vor seiner Abreise von Eng land dem englischen Volke für den Ausdruck seiner Sympathie gedankt. (S- Ausl.) * Als Ort der nächstjährigen Tagung desZnter- nationalen Preßkongresses wurde Rom gewählt. sS. Ausl.) * Das dänische Ministerium beschloß seine Demission. (S. Ausl.) * Rach Konstantinopeler Blättermeldungen würde die Pforte eine Teilnahme der kretischen Deputierten an der griechischen Natio nalversammlung alsoasusbolli auffasfen. lS. Ausl.) * Aus vielen Orten Sachsens und der Nachbar staaten liegen Meldungen vor, daß man den Halleyschen Kometen mit bloßem Auge deutlich gesichtet hat. * Peter Rosegg« r ist an schwerer Bronchitis erkrankt. (S. Feuill.) Das Trauerspiel van Lorca. Sang- und klanglos soll die koreanische „Unab hängigkeit", die schon immer nur ein Scheindasein führte, nun zu Grabe getragen werden. Finnlands längst beschlossene Einverleibung durch Rußland lassen mächtige westeuropäische Einflüsse immer wieder ver zögern. England hat sich zu der ebenfalls geplanten Annexion Aegyptens überhaupt noch nicht offen zu bekennen gewagt, aber Koreas Schicksal läßt Europas zivilisatorisches Gewissen kalt, seitdem keine westliche Macht mehr Ansprüche dort geltend macht, also keiner lei gegenseitige Mißgunst zwischen den Mächten dabei mitspielen kann. Die Abgesandten der koreanischen Nation, die kurz nach dem leisten Kriege in Europa Teilnahme für ihr unglückliches mißhandeltes Land zu erwecken suchten, fanden nirgends Gehör. Mit den Amerikanern machten die Koreaner etwas bessere Er fahrungen. Der jetzige Präsident und damalige Kriegssekretär Tast nahm im Jahre 1905 bei seinem Aufenthalte in Hawai die Denkschrift eines koreani schen Komitees entgegen, die sich mit den Ueber- grifsen der Japaner beschäftigte, und der damalige Staatssekretär Root empfing einige Wochen später in Washington einen koreanischen Politiker, dem er ver sicherte, die Union werde fortfahren, mit Korea als einem selbständigen Staate zu verkehren, wenn sie sich auch zum Unterschiede gegen früher im diploma tischen Verkehr der Vermittelung der japanischen Re gierung bediene. Mit der Zeit haben jedoch die Koreaner einsehen gelernt, daß die Sympathien der Amerikaner für sie auch keinen praktischen Wert be saßen, und sie überließen sich dann, von gelegentlichen vulkanischen Ausbrüchen ihrer Stimmung in Revol ten und Attentaten abgesehen, resigniert ihrem Schicksal. Nun soll die Annexion Koreas durch Japan un mittelbar bevorstehen, und zwar ohne die nach euro päischer Sitte übliche feierliche Proklamation. Den Mächten wird die Mitteilung zugehen, daß alle mit Japan abgeschlossenen Handelsverträge nun auch für Korea gelten, und wenn sie die Pille nicht ganz un verzuckert schlucken wollen, dann kann ihnen eben Japan nicht helfen und wird einfach darüber hinweg gehen. Die Komödie der „Unabhängigkeit" von Korea, die nun so jäh abschließen soll, begann im Jahre 1895, wo sie durch den Krieg Japans gegen China hergestellt wurde. Schon damals war Korea von Japan finanziell abhängig. Die hauptsächlichsten Banken und Handelshäuser waren in japanischen Händen, ebenso das zu Unternehmungen notwendige Kapital, und der größte Teil der Ernten und Hilfs quellen von Korea waren japanischen Finanziers ver pfändet, unter denen Baron Schibusowa. der Präsi dent der Dai Jchi Ginko sder ersten Bank), obenan stand. Dann kam der angeblich von der Königin Min organisierte Aufstand der Tony Haks, die Ermordung der Königin durch Japaner im Oktober 1895; und der Schattenkönig wurde von den Japanern im Palast in einer Art von Gefangenschaft gehalten, bis er endlich im Februar 1896 entfloh und in der russischen Gesandtschaft Zuflucht suchte. Die Unabhängigkeit fuhr aber fort, auf schwachen Füßen zu stehen, und im Palast führten Zauberer und Hexen das Regi ment. Im April 1898 wurde sie daher in Tokio von Rußland und Japan noch einmal zu Papier gebracht. Im September desselben Jahres kam es zu einem Versuch, den König, der sich inzwischen zum Kaiser ernannt hatte, zu vergiften. Die angeblichen Ver schwörer, Koreaner, wurden zwar nicht überführt, aber sicherheitshalber gehängt. In den folgenden Jahren wich der japanische Einfluß in Korea immer mehr dem russischen, Grund genug für japanische Staatsmänner, wegen der „Unabhängigkeit" Koreas ernste Besorgnisse zu hegen. Am 28. Juli 1903 tele graphierte Baron Komura dem japanischen Gesand ten in Petersburg unter anderem, daß „Japan die Unabhängigkeit von Korea als absolut notwendig für seine eigene Ruhe und Unabhängigkeit erachte". In einem zweiten Telegramm vom 3. August standen die Unabhängigkeit und territoriale Integrität Koreas, neben der Chinas, auch wieder obenan, Rußland sollte aber Japans überwiegende Interessen in Korea anerkennen und sein Recht, Korea allerlei gute Ratschläge zu geben usw., was dann auch am 5. Oktober zugestanden wurde. Die von Rußland verlangte neutrale Zone im Norden von Korea blieb aber ein Stein des An stoßes. Am 13. Januar 1904 beauftragte Baron Komura Herrn Kurino, den japanischen Gesandten in Petersburg, von Rußland zu verlangen, es solle anerkennen, daß Korea und sein Küstengebiet außer halb der russischen Interessensphäre liegen. Dazu wollte sich Rußland nicht verstehen. Bald darauf er klärte Japan den Krieg. Eigentlich hatte mit besten Ende die Unabhängigkeit Koreas endgültig besiegelt sein sollen, aber die Japaner wollten nun auf ein mal, wie ihre europäischen Verbündeten, ein „Aegypten" haben. Das siegreiche Japan ließ sich durch die russische wie die englische Regierung be stätigen, daß es in Korea „überwiegende politische, militärische und ökonomische Interessen" habe, wenn es seinem Verbündeten für den Handel in Korea auch „gleiche Gelegenheiten" zubilligte. Am 18. No vember 1905 zu der ungewohnten Stunde um 3 Uhr morgens wurde dann in Söul nach dreitägigen „Ver handlungen", die in der Tat nichts al» eine Art Folterungen der gegen die Unterzeichnung sich sträubenden koreanischen „Minister" bedeuteten, der merkwürdige „japanisch-koreanische Vertrag" abge schlossen, der dem koreanischen Kaiser nichts ließ als seinen Titel, die inneren Angelegenheiten des Italien an Größe fast gleichkommenden Landes einem japa nischen Dizekönig, seine äußeren unmittelbar der japanischen Regierung in Tokio unterstellte. Den Koreanern stellte der Vertrag die Wiederherstellung ihrer Unabhängigkeit in Aussicht, wenn sie die Fähig keit zur Selbstregierung wiedererlangt hätten. Wie sie diese Fähigkeiten entwickeln sollten, da ihnen die Möglichkeit, ihre Angelegenheiten selbst zu ver walten, genommen war, wurde nicht gesagt. Daß jene Versicherung die brutale Vergewaltigung Koreas durch Japan nur maskieren sollte, hat die Entwickelung bis zur bevorstehenden Annexion ja deutlich genug gelehrt. In England verhehlt man sich nicht mehr, daß man keine Macht mehr besitzt, das Verhalten des Verbündeten in Asien zu beeinflussen. „Britische Interessen durch den englisch-japanischen Bündnis vertrag gesichert glauben", schrieb vor einiger Zeit Archibald R. Colquhoun in der „Morningpost", „heißt, die Rechnung ohne die Bedürfnisse Japans machen, die dieses in eine Politik hineintreiben, die allen Interessen, nur nicht seinen eigenen, zuwider läuft." Es will viel heißen, daß die Engländer solches jetzt schon offen sagen; gemeint haben sie cs schon längst. Am unverblümtesten spricht F. A. Mackenzie in seinem Buche „The Tragedy of Korea" die Wahrheit über die japanische Politik im fernen Osten aus. Er wirft den Japanern in ihrem Ver halten auf dem asiatischen Festlande „abscheuliche Grausamkeit, nutzlose Metzeleien und Diebereien en gros" vor. „Japan hat die feierlichen Ver sprechungen, die es in Korea machte, gebrochen und ist in keiner Weise der Verpflichtung gerecht ge worden, eine Politik „gleicher Gelegenheiten" zu be folgen; in beiden Fällen wurde es wortbrüchig, weil es hierzu getrieben wurde durch seine hohen Steuern, die Armut seiner Bevölkerung und die Notwenoig- keit, frische Märkte und neues Ansiedelungsland zu gewinnen." Mildernde Umstände werden hier Japan also immerhin zuerkannt; sie entspringen daraus, daß es gezwungen war, aus der Not eine Tugend zu machen. Das „alles verstehen, heißt aller verzeihen", nutzt hier aber zu nichts. England ist der Düpierte. „Unsere Hoffnungen gründeten sich auf das Verhalten der japanischen Truppen bei der internationalen Expedition nach Peking im Jahre 1900. Wir erwarteten noch mehr von sen Männern, die im russisch-japanischen Kriege so groß artige organisatorische Fähigkeiten entfalteten." Jetzt sieht man sich enttäuscht. Es ist Japan nicht gelungen, die Verwaltung und die Finanzen Koreas auf eine gesund« Grundlage zu stellen. Keine der so dringend notwendigen durchgreifenden Reformen ist ernsthaft in Angriff genommen worden; das Land befindet sich in einem Zustande der Anarchie und fortwährenden Elends, worin Japan seine Macht nur durch brutale Gewalt aufrecht erhält. Dadurch hat es sich alle Sympathien verscherzt, die ihm früher die in Korea lebenden Europäer und Amerikaner entgegenbrachten. Früher war beispielsweise Pro fessor Hulbert, der Herausgeber der „Korean Review", ein begeisterter Fürsprecher der japanischen Sache, heute dagegen ist er ihr erbittertster Gegner. Darein würde sich der Engländer noch schicken können, wenn ihm die japanische Freundschaft materiellen Gewinn brächte, aber, um wieder mit Colquhoun zu reden: „Von keinem Engländer kann man ver langen, die Art und Weise zu billigen, wie der britische Handel in Korea hinausgedrängt wird." Das geschah bisher durch Außerachtlassen von Patent rechten, Vergünstigungen für japanische Waren oder dergleichen, und wird künftig nach hergestellter Zoll einheit mit Japan als der Annexion in noch viel wirksamerer Weise fortgesetzt werden können. Ls gibt noch Richter in Prag. Prag, 22. Mai. Frohes ist einmal aus Prag zu künden: il zr a ovoore cios a kimxuo! Zwölf aus Böhmen, zwölf einfache Leute aus dem tschechischen Volk haben ihre Stimmen wider eine Koterie gekehrt, die da glaubt, allmächtig geworden zu sein in Oesterreich. Diese zwölf Geschworenen haben ihr die Fäuste au s Auge gedrückt, als sie E. D. Zenker von der Anklage der Aufreizung gegen die katholische Kirche frer- sprachen. Der Prozeß selbst war ein trauriges Ku - turdokument aus dem Oesterreich von heute, geradezu ein böses Omen, als sollte die alte Inquisition, bloß ein bißchen modern fnsiert und nnt neuen Para graphen ausstaffiert, ihre Auferstehung feiern. Künst lich aufgepäppelt, sollte dieser Prozeß ein Exempel statuieren und jedem die Lust zu freier Meinungs äußerung benehmen. Die Manen Ferrers umschatteten am Sonnabend den Prager Schwurgerichtssaal. Sie waren es ja, die mittelbar den Prozeß ermöglicht hatten. Dem Andenken Ferrers und seines unglücklichen Endes war die Versammlurw geweiht, die am 17. Oktober v. I. in der Prager Produktenbörse tagte. Zenker sprach dort, ein Funke jener starken Erregung, welche die Füsilicrung Ferrers im ganzen gebildeten Europa hervorrief, stachelte auch seine Rede an und verlieh ihr eine zündende Wirkung. Diel hat Zenker damals gesagt, aber nicht zu viel; gewiß nichts mehr, als was sich rn jenen Tagen jeder Kulturmensch des zwanzig sten Jahrhunderts sagte. Darum waren auch alle zweitausend Versammlungsteilnehmer einer Meinung mit Zenker, nur einer dachte anders, und dieser eine war der Regierungsvertreter. Er ermahnte den Red ner und löste schließlich die Versammlung auf. Auf Grund seiner Relation erhob dann die Staatsanwalt schaft — so zeigt sich die Genesis des Prozesses an der Oberfläche — gegen Zenker die Anklage, er habe durch eine Reihe von Aeußerungen zu Feindseligkeiten gegen die katholische Kirche und Geistlichkeit aufzu- rerzen versucht. Die Staatsanwaltschaft hätte sich, wie der Ausgang des Prozesses zeigt, die Mühe sparen können. Die Geschworenen haben ganze fünf Minuten beraten und dann der Ueberzeugung der Staats anwaltschaft ein zwölfstimmiges „Nein" entgegen gesetzt. Es wäre müßig, jetzt etwa Betrachtungen darüber anzustellen, daß zwölf tschechische Geschworene einen deutschen Schriftsteller freisprechen. In dem Falle Zenrer durfte es keine nationalen Hintergedanken geben, diese Wahrheit hat den zwölf Geschworenen oer natürliche Instinkt des Volkes eingegeben. Sie haben durch ihr Verdikt einfach der Freiheit eine Gasse gebrochen, nicht dem Deutschen; denn sie sagten sich wohl, daß morgen oder übermorgen sehr leicht auch einer ihrer Volksgenossen in die gleiche Lage kommen kann. Sie haben bloß ihre natürliche Pflicht getan. Viel interessanter als die Klügeleien über diesen Umstand sind die Perspektiven, die sich in den dunklen Hintergründen des Prozesses auftun. Böhmen ist heute — das weiß ein jedes Kind in Oesterreich — ein einziges großes Chaos. Das Geld des Landes geht aus. die verantwortlichen Faktoren wissen heute nicht, womit sie die Zahlungen des morgigen Tages bestreiten sollen; die einzige Rettung, der Landtag, ist ein nebelhafter Schemen, der nicht leben und nicht sterben kann. Der Kampf der Völker auf der poli tischen Arena wird heftiger von Tag zu Tag, und jeder Versuch, eine Perständiqung herbeizuführen, lehrt nur von neuem wieder, wie aussichtslos solches Beginnen ist. Die Zerstörung nimmt ihren Lauf, untergräbt di« Verwaltung, höhnt jeglicher Autori tät. Ja, es gibt keine Autorität mehr in Böhmen. Die Stützen weichen, wohin man tastet, alles schwankt wie Rohr im Sturm, es ist wirklich das große Chaos da, das alle Bande lockert. Nun ist gute Zeit für die Maulwürfe. Wer sehen kann und will, wird auch das einzig Feste im Wirbel der Geschehnisse nicht übersehen, das einzig Bestehende im allgemeinen Ruin, das sich immer höher und höher emporreckt. Der Krummstab waltet über Böhmen, bald vielleicht unumschränkt. Eine feste Hand regiert ihn, die Hand des streitbaren Abtes von Emaus, I>. Alban Cchach- leither. Ein Mann von rastloser Energie und sel tener Bildung ist es, ein ausgezeichneter, schlag fertiger Redner, vor allem aber ein Mann, der ein festes Ziel im Äuge hat, dem er klug zustrebt. Wie er sich ihm nähert, zeigen folgende, ohne jeden Kom mentar aneinandergereihte Tatsachen. ? Alban hat sehr, sehr einflußreiche Freunde. Vor kurzem wurde sein Prot^L, der christlich-soziale Erzdcchant von Falkenau Dr. Groh, zum Bischof von Leitmeritz ernannt. ?. Alban und sein Ordensbruder, der Emauser Benediktiner L. Graf Galen, sind die Leiter des Bonifaziusvereins. Das Organ dieses Ver eins, das „St.-Boni azius-Blatt". wird fast vor jeder Kirchentür in Prag frei vor den Augen der Polizisten kolportiert, obzwar onst streng darauf geachtet wird, daß niemand das Kolpoitageverbot übertrete. Aus dem Bonisaziusblatt wurde erst kürzlich von verschie denen Zeitungen eine Notiz herausgefischt, in welcher alle Vereinsmitglieder ausgefordert werden, in allen Fällen, wo ein Redner ihrer Ansicht nach die katho lische Kirche angreift, die Staatsanwaltschaft zu ver ständigen und die strafgerichtliche Verfolgung des Redners auf Grund des 8 302 zu fordern. Vor einem Monat hat die Prager Staatsanwaltschaft gegen Pro fessor Wahrmund die Vorerhebungen auf Grund eines Vergebens nach 8 302 eingeleitet. Zenker stand wegen einer Anklage nach 8 302 vor Gericht. Das ist alles. Es erübrigt nur noch, darüber nachzudenken, warum die Staatsanwaltschaft so eifrig hinter diesem ver dächtigen 8 302 her ist. Merkwürdig bleibt auch, warum — um zum Falle Zenker zurückzukehren — der Rcgierungsvertreter in der Ferrerversammlung. der Polizeikonzipist Dr. Ecllner, mit besonderem Nach druck Aeußerungen beanstandete und in seiner Relation wiedergab, die sich in der Gerichtsverhand lung als vollkommen logische Folgerungen historischer Tatsachen erwiesen. Hat Dr. Gellner Geschichte gar so schleckt studiert? Er müßte diesen Fehler schleu nigst ausmerzen, ehe er wieder in Versammlungen als Regierungsvertreter fungiert. Schließlick hat man doch als Staatsbürger ein Recht darauf, daß die Behörden, die man mit seinen Steuergeldern erhält, den Redner nur vor solchen Beamten sprechen lassen, welche die noiwcndigsten Dorkenntnisse für ihr Amt mitbringen. Oder hat Dr. Gellner Geschichte gelernt und aus innerer Ueberzeugung gehandelt? Oder hat er vielleicht gar eine Order mit auf den Weg bekom men? In welchem Zustand befindet sich dann unsere Verwaltung? Ucberblickt man dieses Mirrsal von Zusammen hängen, dann muß man wahrlich froh sein, daß Ge schworene, unabhängige Männer aus dem Volke, die Vergehen nach 8 302 zu beurteilen haben und daß diesen Geschworenen in Prag der freie Blick noch nicht getrübt werden konnte. Der Prozeß gegen Zenker hat der Prager Staatsanwaltschaft eine unverkenn bare Blamage cingebracht. Dr. Gellner aber, der Regierungsvertreter in der Ferrerversammlung, hat kürzlich eine sürsterzbischöfliche Belobigung erhalten... Deutsches Reich. Leipzig, 24. Mai. * Zur Frage der Schifkahrtsabgaben ging vor einigen Tagen eine Notiz durch die Presse, tn der gesagt war, daß die Abstimmung über den Gesetz entwurf bereits kurz nach Pfingsten im Bundes rate stattfinden sollte. Wie wir von maßgebender Stelle hören, ist jedoch ein Termin für diese Ab stimmung bis jetzt überhaupt noch nicht festgesetzt worden, wenigstens hat die sächsische Staatsregierung resp. das Ministerium des Innern und der aus wärtigen Angelegenheiten bis jetzt noch keinerlei Mitteilung hierüber erhalten. Die Angelegenheit hat sich dadurch verzögert, weil in dem Gesetzentwürfe verschiedene neue Formulierungen vorgenommen werden mußten, die besonders die Zugeständnisse betreffen, die der sächsischen Regierung preu ßischerseits gemacht worden sind und die sich nament lich auf den Bau des Saalekanals, auf beson ders günstige Tarife für Sachsen usw. beziehen. Sachsen hat seine Zustimmung nur unter der Ve dingung ganz besonderer Konzessionen im Interesse unserer heimischen Industrie und des Handels in Aussicht gestellt. Ob die Abstimmung bereits in der nächsten Zeit erfolgt oder ob sie bis zum Herbst hinausgeschoben wird, läßt sich nach Lage der Sache zur Stunde noch nicht sagen. Wahrscheinlicher ist das letztere, da ja die Reisezeit bereits begonnen hat und die großen Sommerferien vor der Tür stehen. * Zur Reichstagswahl 1911. Die De utsche Reformpartei hat die Absicht, bei der bevor stehenden Reichstaaswahl im Wahlkreise Dresden- Neustadt den Stadtverordneten Kaufmann Glaser meister Wetzl ich als Kandidaten aufzustellen. * * vom Kaisermanöver. Ueber die Verwendung von Luftschiffen im nächsten Kaisermanöoer ist bisher bestimmt, daß jedes der beiden Armeekorps einen lenkbaren Militärballon erhält. Nicht richtig ist, daß die Hochseeflotte aktiv an den Manövern teil nehmen soll. Sie wird aber am Tage der Kaiser parade in Danzig in der dortigen Bucht anwesend sein und wahrscheinlich ein Marinedetachement zur Parade entsenden. Mit der grauen Felduniform wird die ganze Leibhusarenbrigade begleitet sein. Auch die Kavallerie der 35. Division mit Ausnahme der 5. Kürassiere wird sich in der grauen Felduniform zeigen. * Nochmals Kaiser Wilhelm und Pichon. Der Pariser „Temps" bespricht die politische Bedeutung der Entsendung Pichons zur Leichenfeier nach London und erwähnt die Unterhaltung des Deutschen Kaisers mit Pichon. Man verrät kein Geheimnis, so führt das Blatt aus, wenn man sagt, daß beide ihr Ver trauen auf die Zukunft des Friedens und der Ein tracht ausgedrückt haben, welche sich aus ehrenvolle Ausgleiche stützt, überall, wo solche Ausgleiche mög lich sind. Frankreich und Deutschland verwirklich ten seit einigen Monaten diese Eintracht auf gewissen Punkten, ohne ihrer Würde oder ihrem Interesse etwas zu vergeben. Um in gutem Einvernehmen zu leben, genügt es, wenn sie auf diesem Wege aus harren. , * Der französische Botschafter in Berlin, Cambon, ist nebst Familie im Automobil zu mehrtägigem Auf- enthalt in Kassel eingetroffen. * Der Präsident de» reichsstatistischen Amts und Vorsitzender des arbeitsstatistischen Beirats Dr van der Borght wird eine mehrwöchige Infor mationsreise antreten, um. wie wir erfahren, neue technische Methoden der statistischen Arbeit zu prüfen. * Di« neuen Einigungsverhandlungen im Bau- gewerbe sotten, wie wir erfahren, mit tunlicher Be schleunigung zu Ende geführt werden, um für Deutsch land die Aufhebung der Aussperrung bereits für die ersten Junitage herbeizuführen. * Die Nationalliberalen und di« preußische Wahl rechtsvorlage. Der Provinzialvorstand der National liberalen Partei der Provinz Hannover hielt am > Montag mrt den nationalliberalen Abgeordneten au» I der Provinz eine gemeinsame Sitzung ab, in der die
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