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01-Frühausgabe Leipziger Tageblatt und Handelszeitung : 04.05.1910
- Titel
- 01-Frühausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1910-05-04
- Sprache
- Deutsch
- Vorlage
- SLUB Dresden
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id84535308X-19100504010
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id84535308X-1910050401
- OAI
- oai:de:slub-dresden:db:id-84535308X-1910050401
- Sammlungen
- Zeitungen
- Saxonica
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
-
Zeitung
Leipziger Tageblatt und Handelszeitung
-
Jahr
1910
-
Monat
1910-05
- Tag 1910-05-04
-
Monat
1910-05
-
Jahr
1910
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BezvgS-Prei» Dr L«t,»>a »» «aror» durch «^«r, träa« »n» Spediieur« >««t ch« Hao« g«dr»chl: »0 ch maiaU., t.70 »intiljährU v«t unl«ra stUialc» u. «»» «ch»^lelle» idpebol«: 7S ch ».U »lElltdrl. Lurch »t« D»k. t»nerh«ld Druilchiand« »n» »«, deutsch« Kolonien »irrieliLdri itOV monarl. >.li« -ntichl. Posldellellaeld. ferner in Beigen, Länemark, den Doaauftaaten, Ilollen. Lvremdurg, Niederlande, lttor- weaen, Oellerreich Ungarn, Nu^lana, Lchweden, Schwer» n. Spanten In allen übrigen Siaalen nur direkt durch di« ttleichtlkstlelle de« Blatte« erdäillich. La, Leipziger taget»»« ericheini 2 mal iLglich, Sonn- n. gririag» nur worgen«. Adonne- enr-Lnnaume. Lugukutplatz Ü, ter unteren trLgern,,Pirolen, Sxedileur«» und Annahmestellen, towi« Posttmrer» und Briefträgern Ltnzilnerkauleprei« »er Morgen« «chgad« Iv der r> dendrutgade S ch» «edakttvn und Selchäkttsteller Johanniegaste 8. Sernlvrecher: I46VL i«8>», I4SSL Morgen-Ausgabe. Kip.ügrrTagtblM Handelszeitung. Amlrvkatt Les Aales ««- des Nokizeiomles der Htadt Leiszig. Änzeigen-Prcis für Inserate au« Leivrtg und Umgebung di« kgcwattene SO mm dreite Petit,eile 2S die 74 wm breite Sieklimezetle l von auswärts M ch, itteklamen l.2v .^t; Inserate v»n Bebdrdcn >m amülchen Test die 74 mm breite Petitzeil, 40 tNetchätkSanreigen mit P atzdvrlchrrlten NN» in »er Abendausgabe im llr-,!- erb^^r. biabari nach Laris. BeilagegebLkr ü ^lk p. Lautend «xki. Postgebühr. Isesteneilre Aulträge können nicht zurüik- gezogen werben. Für da« rtrlcheincn an bellimmten Lagen und Plätzen wird keine rttarantre übernommen. Anzeigen-Annahme! AugustuSvIatz 8, be> Amtlichen Filialen u. allen Annoncen- Expeditionen des Zn- und Auslandes. »anvk-Siltale Berlin! Tarl Dnuiker. Herrogl. B>hr. Hofbuch« Handlung, LützorisUabe IL <Lc.ephon Vll, Ar. 4o.ril. Hauvl-Filialc Dresden? Seeüratze 1 (Telephon 4621). Nr. »22. »04. Jahrgang Mittwoch, üen 4. Msi lSio. Das Dichtiglte. * Die Erste Kammer erledigte am Dienstag mehrere Etatskapitel und die Nachträge zu den Ersetzen über die Derwaltungsrechts- pflege und über die Form der E i d e s l e i st u n g. (S. Landtagsbericht.) * Der konservative Lanvtagsabgeordnete Sieber- Liebau erlitt am Dienstagnachmittag im Stände haus zu Dresden einen Schlaganfall und starb kurz nach Ueberführung in seine Dresdner Privatwohnung. sS. Dtschs. R. und Landtagsbericht.) * Die Zweite Kammer erteilte am Dienstag auf Gründ des gesamten Rechenschaftsbe richts über die Finanzperiode 1906/07 der Regie rung Entlastung und wandte sich dann Eisen bahnangelegenheiten und Petitionen zu. Die Sitzung wurde indessen zum Zeichen der Trauer über den Tod des Abg. Sieber vorzeitig abgebrochen. sS- Landtagsbericht.) * Der Reichstag genehmigte am Dienstag in dritter Lesung das Zusatzabkommen zu dem deutsch ägyptischen Handelsvertrag, erledigte dann in zweiter Lesung das Ausführungs gesetz zur Berner Uebereinkunft in zweiter Lesung und nahm schließlich die zweite Lesung des Entwurfs über Entlastung des Reichs gerichts in Angriff. (S. Reichstagsbericht.) * Der angekündigte Besuch des italienischen Ministers des Aeußern SanEuiliano in Ber lin ist für E n d e M a i festgesetzt. (T. Dtschs. R.) * Die finnische Erunbgesetzkommission beschloß, dem finnischenLandtage die Ablehnung der Begutachtung des russischen Gesetzent wurfs über Finnland vorzuschlagen. (S. Ausl.) * Präsident Taft hielt am Montag in Pittsburg eine Rede, in der er die auswärtige Politik der Bereinigten Staaten, besonders Mittel- und Südamerika gegenüber, verteidigte. (S. Ausl.) «Deutsche Machthaber." Herr Rudolph Martin, der frühere Regie- rungsrat, dessen Disziplinarprozcsse zu den poli tischen Ereignissen gehören, hat ein dickes neues politisches Buch von großer Aktualität bei Schuster L Löffler erscheinen lassen. Eine sorg fältige quellenmäßige Prüfung des gesamten Materials ist in den wenigen Stunden, seitdem das Buch herausgekommen ist, nicht möglich, man kann nur Stichproben machen und daraus Schlüsse ziehen. Das Buch wird zweifellos Auf sehen machen, denn so rückhaltlose Aeußerungen über Lebende oder erst vor kurzem Verstorbene haben außer dem rein sachlichen ein so starkes persönliches Interesse, daß das Echo den Autoren worten naturgemäß sehr viel stärker antwortet, als dies sonst der Fall zu sein pflegt. Herr Martin gibt an die sechzig politische Porträts, wobei es ihm weniger auf psychologische Züge als, der Ueberschrift entsprechend, auf den politischen Einfluß der Porträtierten und dessen Ursachen ankommt. Für den Poli tiker ist hier in der Tat eine ungeheure Menge wertvollen Materials fleißig zusammengetragen worden, wobei es freilich nicht in jedem Fall zweifelsfrei erscheint, ob die Personen richtig gezeichnet, die Tatsachen richtig dargestellt und gedeutet sind. Wer dieses Buch liest, ohne seine Vorgeschichte zu kennen, wird es nie richtig be urteilen können. Es ist deshalb nötig, einige Erinnerungen aufzufrischen. Durch alle Aufzeichnungen hindurch ziehen sich die Behauptungen des Autors, daß er und so ziemlich er allein die bekannten November ereignisse richtig gesehen und dargestellt habe. Daß der Kaiser völlig unschuldig, daß Bülow der Schuldige gewesen und seinen Herrn im Stich gelassen habe. Schon hierin verrät sich ein außerordentlich wichtiger Wesens zug des Verfassers, daß er nämlich immer nur die Details und nicht den Zusammen hang zu erfassen die Gabe hat. Wer die Novemberereignisse ausschließlich unter dem Gesichtspunkt ansieht, ob die damals in der Oeffentlichkeit bekannt gewordene Darstellung der Ereignisse, die sich um die Veröffentlichung des sogenannten Kaiser-Interviews im „Daily Telegraph" ranken, in jedem einzelnen Zuge absolut richtig gewesen sei oder nicht, kann jene große Umwälzung gar nicht verstehen. Jenes Interview hatte nur die Bedeutung desTropfens, der das Faß zum Ueberlaufen brachte. Es hätte gerade so gut irgend eins der zahllosen impul siven Telegramme sein können, irgend eine neue lippische oder bayrische Affäre, die den Stein ins Rollen bringen konnte. Ohne die jahrzehnte lange Ansammlung verhaltener Erregung waren jene Vorgänge nicht zu denken, und infolgedessen hat Herr Rudolf Martin unrecht, wenn er der Klärung dieser einen Angelegenheit soviel Wert beimißt. Damit soll hier weder gesagt werden, daß damals alle Einzelheiten in der Oeffent lichkeit richtig gezeichnet und interpretiert worden wären, noch sott hier nachträglich eine Mohren wäsche an den Ratgebern des Kaisers in jener Zeit vorgenommen werden. Auch wir glauben, daß der Kaiser gerade bei jener Angelegenheit viel weniger selbstherrlich aufgetreten ist, als es zuerst den Anschein hatte. Aber wie schon gesagt, das sind tatsächlich Fragen zweiten und dritten Ranges, während die Hauptbedeutung jener Tage darin lag, daß das Volk einen Strich unter die Rechnung machte und die große Bilanz zog, als deren Folge die überaus glück liche und heilsame Sanierung des Verhältnisses zwischen Kaiser und Reich anzusehen ist. Herr Martin geriet in Differenzen mit seinem Ressortchef, dem Staatssekretär des Innern, Grafen v. Posadowsky, den er in Zeitungs artikeln heftig befehdete. Er konnte dabei wohl der Meinung sein, sich mindestens der unein gestandenen Billigung des Kanzlers, Fürsten v. Bülow, zn erfreuen, der die Hand über ihn halten werde. Es kam aber anders; Fürst Bülow ließ die Disziplinarprozcsse ihren Gang gehen (er gehört nicht zu den Naturen, die an heftigen Dankbarkeitsgefühlen leiden), vielleicht Hatteer auch wirklich keinerlei Verbindung mit dem Posadowskyschen Gegner gehabt. Aus diesem Verhalten erklärt sich nun der gestei gerte Groll, der aus jeder Zeile Martins gegen Bülow hervorbricht, und selbst da noch für den Kundigen sichtbar wird, wo der besseren Wir kung halber die intellektuellen Qualitäten Bülows gepriesen werden. Daß Posadowsky noch schlechter wcgkommt, war vorauszusehen. Direkt häßlich und ver urteilenswert ist es aber, wenn Herr Martin es über sich gewinnt, die Familiengeschichte von einem angeblich verstoßenen Stiefsohn des Grafen zum Zwecke der Herabsetzung des alten Gegners weiterzutragen. Was hat das mit der Politik zu tun? So kämpft man nicht, Herr Martin! Daß dieses Buch zum Teil ab irato ge schrieben worden ist, vielleicht auch aus leisen Rehabilitierungshoffnungen, nimmt den Kenner der Martinschen umfangreichen Produktion und seines Wesens nicht wunder. Es ist nur schade, daß die Kunst des Autors nicht ausgereicht hat, diese Motive überall zu kaschieren, daß viel mehr, je nach dem persönlichen Zweck der ein zelnen Stelle, Urteile fallen, die sich miteinander nicht vertragen. Wir wollen den Beweis dafür hier antreten, und zwar liefert das Material die Darstellung des bekannten Falles Philipp Eulenburg an zwei Stellen des Martinschen Buches. Zuerst Seite 17, wo Kaiser Wilhelm II. gezeichnet wird, und wo es heißt: „Und doch stürzte Eulenburg nicht wegen seiner Untugenden, sondern wegen seiner Tugenden. Eulenburg wurde ver nichtet, weil er einen Krieg zwischen Deutsch land und Frankreich vermeiden wollte, weil er in der Marokkofrage mit dem Fürsten Bülow in Meinungsverschiedenheiten geraten war." Der Verfasser läßt dann keinen Zweifel darüber, daß er die Haltung Eulenburgs durchaus billigt. Er sagt ausdrücklich auf Seite 18: „Eulenburg sah als kluger Mann klar voraus, daß für Deutschland aus der Einmischung in die marokkanische Frage kein positiver Gewinn ent stehen werde. Und die Entwickelung der Dinge zeigt, daß Eulenburg vollkommen recht behalten hat." Hiernach stehr also fest, daß Herr Rudolf Martin zwar die sonstigen dem Fürsten Eulen burg vorgeworfenen Verfehlungen nicht decken will, daß er aber den politischen Einfluß des Fürsten nicht nur nicht mißbilligt, sondern I preist und für böchst nützlich erklärt. Damit vergleiche man Seite 424, wo Maximilian Harden Modell steht und Herr Rudolf Martin von diesem Publizisten sagt: „Sein größtes Verdienst ist die Vernichtung des Fürsten Philipp Eulenburg und die Auflösung der Liebenberger Tafelrunde. Wenn Harden nicht den Mut gehabt hätte, gegen die Liebenberger vorzugehen, so würde der Kaiser noch heute vollständig unter dem Banne seines Freundes Phili stehen und manches wäre anders geworden." Folgt eine Schilderung des Trei bens in Liebenberg. Auch Herr Le Comte, der französische Botschaftsrat, wird erwähnt, der manchmal über die deutsche Marokkopolitik besser informiert gewesen sei, als der Staats sekretär des Auswärtigen. Wir glauben, der Beweis für die Martinsche Tendenzpolitik und Tendenzschriftstellerei ist hier klar erbracht. Vorn auf Seite 17 und 18 brauchte er Philipp Eulenburg, um ihn gegen Bülow auszuspielen, hinten durfte Philipp Eulenburg nichts taugen, damit Harden nicht ägriert werde. Derartige nette Unstimmigkeiten findet der aufmerksame und kundige Leser an mehr als einer Stelle. Und natürlich schärft sich das Mißtrauen einem Mann gegenüber, der so wenig verhüllt seine Zwecke verfolgt und ihnen so viel Einfluß auf das jeweilige Urteil ge stattet. An einer Stelle wird dieser Charakter des Buches, das das Motto „kro üomo" tragen könnte, besonders deutlich sichtbar. Ein be sonderer Abschnitt ist dem Reichsgerichtspräsi denten Freiherrn v. Seckendorfs gewidmet, mit der äußeren Motivierung: Der höchste Richter des Deutschen Reiches gehöre zu den Macht habern, er könne unter Umständen berufen sein, selbst auf die Thronfolge maßgebenden Einfluß auszuüben. Das ist natürlich richtig, aber Herrn Martin vermutlich gleichgültig. Weshalb Frei herr v. Seckendorfs eigentlich in diese Galerie mächtiger Zeitgenossen ausgenommen worden ist, geht aus den Ausführungen hervor, die sich aus schließlich damit beschäftigen, daß der Präsident des Reichsgerichts den im Disziplinarverfahren angeklagten Herrn Rudolf Martin — zwei mal unterbrochen habe. Es folgt dann noch eine ganz unmotivierte Polemik gegen Freiherrn v. Seckendorfs, die mit der rhetorischen Frage schließt: „Ob der Herr Reichsgerichtspräsident auch heute noch auf Grund seiner vortrefflichen Informationen von der Schuld des Kaisers und der Unschuld Bülows überzeugt ist?" Wer Augen hat, zu sehen, der sieht hier den Zweck der Martinschen Uebung zum Greifen deutlich. Wie Graf Posadowsky. wie Fürst Bülow, wie Freiherr v. Seckendorfs bekommt jeder sein schlechtes Zeugnis, der es einmal mit Herrn Martin verdorben hat. Es wäre nun trotz aller Einwendungen gegen die persönliche Absichtslosigkeit und die Zu verlässigkeit der Martinschen Offenbarungen grundfalsch, wenn man diesem Buche jede Be deutung absprechen wollte. Es bietet vielmehr ganz außergewöhnlich viel des Interessanten, des Instruktiven, des Wichtigen. Nur vor kritik loser Akzeptierung alles Gebotenen glaubten wir dringend warnen zu müssen. Nachdem diese Pflicht erfüllt ist, kann zugegeben werden, daß die politischen Porträts den Schlüssel zu vielen Erscheinungen der praktischen Politik auch dem an die Hand geben, der über Kulissengeheim nisse der politischen Bühne nur mangelhaft unterrichtet war. Vieles mag Mythe, vieles Couloirschnack sein, so bleibt eben doch noch immer so viel Mögliches und Wahrscheinliches über, daß man das Buch gelesen haben muß. * Material-ttuszuy. Aus der Flut von Tatsachen und „Enthüllungen" sollen hier einige herausgegriffen werden. Wir folgen hier einem dem Buch beigegebenen Material- Auszug, ohne daß wir für Form oder Inhalt irgend welche Garantien übernehmen können und wollen. Unter welchen Gesichtspunkten wir diese Dinge betrachten, geht klar aus der vorstehenden Würdigung hervor: Zm Februar und März 1909 hat der Botschafts rat a. D. Freiherr von Eckardstein, der während des Burcnkrieaes als Geschäftsträger der deutschen Bot schaft in London vorstand, den verschiedensten Parla mentariern und Publizisten die Erklärung gegeben, daß die Vorwürfe gegen den Kaiser aus der Zeit des Burenkriegcs und aus der Zeit des Aufenthaltes in Highcliffe Castle vollkommen unbegründet seien. Fürst Bülow hat selbst durch den Freihcrrn von Eckardstein dem Marquis ok Salisbury den russischen Intrrventionsnorschlag sofort mitgeteilt. Und der Kaiser hat in Gegenwart des Freiherrn von Eckardstein und des Grafen Bülow in der Zeit vom 20. bis 28. November 1899 in Windsor und in Sandringham mit seinen eng lischen Verwandten die beste Strategie im Buren kriege wiederholt erörtert. Der Kaiser konnte also weder den russischen Interoentionsvorschlag zuerst mitteilen und die amtliche deutsche Politik durch kreuzen, noch seiner Großmutter einen schriftlichen Kriegsvlan im Dezember 1899 übersenden, da zu einer solchen schriftlichen Ausarbeitung gar keine Veranlassung vorlag. Da Fürst Bülow seinen Kaiserlichen Herrn im Stich gelassen hatte, fühlte der Freiherr von Eckardstein sich verpflichtet, die Verteidigung des Kaisers zu übernehmen und der Wahrheit zum Siege zu verhelfen. Auf Grund gegenseitiger Verabredung trafen sich am 5. März 1909, abends zwischen 9 und 10'/- Uhr, in dem Restaurant Royal Fritz Riefenstahl, Unter den Linden Rr. :i5>, die der Zentrumspartei angehörendcn Reichslagsabgeordneten Herold und Graf Praschma sowie der Zeremonienmeister von Röder und der Botschaftsrat Freiherr von Eckardstein. In dieser Unterredung, die bis nach Mitternacht währte, wurde den Führern des Zentrums die Versicherung gegeben, daß der Tatbestand des Martinschen Artikels in der „Gegenwart" vom 20. Februar über die Daily Telegraph-Affäre der Wahrheit entspricht. Freiherr von Eckardstein versicherte die Unbegründet beit der gegen den Kaiser aus der Zeit des Buren krieges erhobenen Vorwürfe. Am Freitag, den 19. März, wurden von ganz her vorragender Seite, die dem Kaiser besonders nahe steht, Schritte getan, um auch die konservativen Parlamentssührer von dem wahren Sachverhalt der Daily Telegraph - Affäre und des Verhältnisses zwischen Kaiser und Kanzler zu überzeugen. Mitte Februar 1909 war Martin bereits von berufenster Seite zum Zwecke der Veröffentlichung davon in Kenntnis gesetzt worden, daß der Kaiser aus Highcliffe Castle den Inhalt seiner Unterredungen brieflich dem Reichskanzler mitgeteilt hatte und daß Fürst Bülow in den Antworlbricfen sein Einver ständnis erklärt hatte. Nachdem Martin diese Tat sache in dem Gegenwarts-Artikel vom 20. Februar und in seinem Buch „Fürst Bülow und Kaiser Wil Helm I I." am 1. März 1909 veröffentlicht hatte, nahm Fürst Bülow am 11. März 1909 die bekannte Audienz bei dem Kaiser und bekam einen Meinkrampf, als der Kaiser ihn an diesen Briefwechsel erinnerte. Der Kaiser hat den Martinschen Gegenwarts-Artikel schon am 17. Februar gelesen und den kürzlich ver storbenen Oberhofmarschall der Kaiserin Friedrich. Grafen Götz von Seckendorf, sowie andere Personen aus ihn aufmerksam gemacht. Der bayrische Reichsrat Freiherr von Soden nahm 20 Exemplare des Martinschen Gegenwarts- Artikels Nr. 8 von Berlin mit nach München und hat sie dort an Mitglieder der königlichen Familie, des Ministeriums und des Reichsrats persönlich aus geteilt. Kaiser Wilhelm II. möchte einen Cecil Rhodes zum Reichskanzler haben. Im Sommer 1909 hat der Kaiser gefagt: „Es ist wahr, daß ich früher vielzu viel geredet und telegraphiert habe". Zn der Unter redung vom 11. März 19l)9 hat Fürst Bülow dem Kaiser versichert, daß er alle Beziehungen zu Holstein abgebrochen habe, weil Holstein mit Harden liiert fei, dessen „Zukunft" antimonarchische Tendenzen habe. Am 20. Februar 1910, an einem Sonntag, abends um 6 Uhr, empfing der Kaiser Mr. Robin son, den Inhaber der weltbekannten Wassenfabril Cold in Amerika, der bis 7V« Uhr sich mit dem Kaiser allein, insonderheit über internationale Waffenlieferungen und politische Vorgänge in gn wissen Ländern, unterhielt. Auch der Geh. Baurat Rathenau und der ver storbene Georg von Siemens haben öfters im Schlosse längere Unterredungen mit dem Kaiser allein gehabt. Siemens suchte den Kaiser gegen den Zolltarif ein zunchmen. Als nach Durchdringung des Zolltarifs Bülow dem Kaiser die sorgfältig ausgearbeitcte Liste von Ordensverleihungen vorlegte, sagte der Kaiser: ,Für den schlechten Zolltarif auch noch Orden! Nein, nicht eher, als bis die Handelsverträge fertig sind." Der verstorbene Alfred Krupp erzählte dem gegen wärtigen Kaiser die Geschichte seiner Entlassung vom Militär und machte kein Hehl daraus, daß er sehr bedauere, keine Offiziersuniform zu besitzen. Als Krupp auf Befehl Kaiser Wilhelms I. entlassen worden war, beschwerte er sich persönlich in Baden- Baden bei Wilhelm I. und bat, beim Militär bleiben zu dürfen, was der Kaiser aber ablehnte. Ende Juli 1893 auf der Reede von Cowes verlor Kiderlen-Wächter die Gunst des Kaisers. Martin erzählt diese Begebenheit nach der Darstellung Hol steins, die sich auch in dessen hinterlassenen Papieren finden soll. Der Sturz Kiderlen-Wächters von der Höhe der Kaiserlichen Gunst entwickelte sich aus der Mckongaffäre, dem Sieg des ,,Meteor" und einem Zwist zwischen Kaiser und König, also aus dem Zu sammentreffen von drei Umständen. Kiderlen Wächter hielt es für seine Pflicht, den Kaiser in persönlicher Unterhaltung daraus aufmerksam zu machen, daß er innerhalb der letzten Tage in dreifacher Hinsicht in englischen Kreisen Mißstimmung erweckt habe. Bis heute hat der Kaiser dem jetzigen Gesandten in Bukarest seine freimütigen Darlegungen noch nicht verziehen. Wenn das Verhältnis zwischen dem Kaiser und dem englischen König vollkommen ungetrübt »st. pflegt der Kaiser den König Onkel Bertie zu nennen, wie ihn die Kinder der Kaiserin Friedrich in ihrer frühesten Jugend nannten. Auf jedem einzelnen Fragebogen der Produktion- erhebungen hatte der Reichskanzler strengste Geheim haltung zugesichert. Der Avteilunqsdirektor Wermuth hat es unterlassen, die notwendigen Vorkehrungen zur Sicherstellung der Geheimhaltung zu treffen. Durch eine Woche lagen im Sommer 1906 die beant worteten Fragebogen offen und jedermann zugäng lich in großen Mengen auf der Treppe des Reichs- amts des Innern und wurden dort von verschiedenen Industriellen gemustert. Die wichtigsten Geheimnisse der Großindustrie lagen für das Auge des Kon- kurrenten klar zutage. Wermuth hat als Abteilungs direktor mit seinen Räten mannigfache Schwierig keiten gehabt. Es kam zu Beschwerden über den Abteilungsdirektor, deren genaue Darlegung aus die
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