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Die Zweite Kammer erledigte zunächst Rechenschafts sachen, und zwar die Etatüberschreitungen, die bei Kapitel 97, katholische Kirchen und wohltätige An stalten, vorgekommen waren. Debattelos wurden diese gegen die Stimmen der Sozialdemokraten be willigt. Beim nächsten Kapitel 98, sonstige Kultus zwecke, sind zwar keine Etatüberschreitungen vorge kommen, aber nach dem Bericht der Deputation hielt Abg. Günther (Freis.) es doch für angezeigt, noch mals auf die Verweigerung der staat lichen Subvention an die Deutsch- Katholiken zurückzukommen. Es wiederholte sich nun im wesentlichen dieselbe Debatte, wie sie vor etwa 14 Tagen beim Etatkapitel 98 gewesen war. Bon freisinniger Seite wurde betont, es sei inkorrekt und nicht im Interesse der Parität, wenn man den Deutsch-Katholiken eine Subvention verweigere, die den Römisch-Katholiken und den Evangelischen ohne weiteres gegeben werde. Abg. Dr. Roth (Frs. Vpt.) unterstützte seinen Parteifreund Günther. Kultus minister Dr. Beck verteidigte demgegenüber den von der Regierung eingenommenen Standpunkt und Abg. Opitz (Kons.) führte aus, die Rechte trete der Re gierung in diesem Punkte bei. Ohne Debatte wurden erledigt die Etatüber schreitungen bei den Kapiteln 20 und 21, das sind: direkteSteuern.ZölleundVerbrauchs- steuern. Ebenso erledigte man debattelos das Kapitel 27, die auf den Staatskassen ruhenden Jn- dustrierenten, und wandte sich dann dem Kapitel 6, E l st e r b a d, zu, worüber Abg. Wappler -Leipzig (Natl.) referierte. Nach einiger Debatte, die sich meist um lokale Wünsche des Bades Elster drehte, wurde das Kapitel entsprechend der Regierungsvor lage bewilligt. Als letzter Punkt der Tages ordnung wurde eine Petition des Vereins Dresdner Architekten, um Abänderung des 8 7 des sächsischen Baugesetzes, der Regierung zur Kenntnisnahme überwiesen. — Nächste Sitzung: Mittwoch, 10 Uhr. — Tagesordnung: Antrag Dr. Roth und Genossen, detr. neuzeitliche Regelung des gesamten Beamten rechts, und Anträge Hettner und Opitz, betr. Nieder setzung einer besonderen Deputation zur Herbei führung einer grösseren Vereinfachung in den Ge schäften der inneren Verwaltung. Der nationalliberale Landesverein für das Königreich Sachsen hält am Sonntag, den 8. März, in Chemnitz seine diesjährige Hauptversammlung ab. Früh 1/-.11 Uhr tagt der Landesvorstand; die öffentliche Hauptversammlung findet vormittags ^12 Uhr im Grossen Saale des Kaufmännischen Vereinshauses, Moritzstrasse 1, statt. Nach Erstattung des Jahres berichtes wird der bekannte nationalliberale Führer, der Reichstagsabgeordnete und württem- bergischc Landtagsabgeordnete Prof. Dr. H ieber über „Politische Tagesfragen" sprechen. Zu dieser Hauptversammlung sind alle Mitglieder und Freunde der nationalliberalen Partei eingeladen. Für die Anhänger der anderen bürgerlichen Parteien sind die Tribünen reserviert. Sonntag, nachmittags 1/28 Uhr, findet im Börsensaale der „Linde", Neu städter Markt 18, die Sitzung des Landesaus schusses statt, zu der nur die von den Partei organisationen gewählten Mitglieder, die sächsischen Abgeordneten und die Obmänner der Reichstags wahlkreise Zutritt haben. In dieser Sitzung wird u. a. der Landtagsabgeordnete Seminardirektor Dr. Seyfert einen Bericht über die Arbeiten des Landtags erstatten. „ Die vertagte Krisis in England. Premierminister Asquith hat mit seiner Reso lution über die Verwendung der Sitzungen des Unter hauses Glück gehabt. Sie ist einstimmig angenommen worden, und damit scheint die Gefahr einer Krisis auf einige Zeit verschoben zu sein. Dass die Opposition den Kampf nicht aufgibt, hat die Montagsdebatte ganz deutlich gezeigt. Wie wir bereits im Depeschen teil des heutigen Morgenblattes mitgeteilt haben, brachte Asquith den Antrag ein, alle Sitzungen bis zum 24. März ausscbliesslich den Regierungs geschäften vorzubehalten, und zwar sollen sie voll ständig dem Budget und anderen finanziellen An gelegenheiten gewidmet sein, da das Finanzjahr am bl. März zu Ende geht. Das Haus würde sich sodann vom 24. bis 29. März vertagen. Beim Wieder zusammentritt werde die Regierung Vorschläge über die Beziehungen zwischen beiden Kammern machen. Diese Vorschläge würden zunächst in Form von Re solutionen eingebracht werden, in denen ganz all gemein die Notwendigkeit ausgesprochen sein werde, die Lords von Finanzangelegenheiten auszuschliessen. Nach der Begründung dieses Antrags durch Asquith sprach zunächst der Führer der Opposition Balfour. Ueber seine Rede und über den weiteren Verlauf der Debatte liegen folgende Meldungen vor: London, 1. März. (Tel.) In der Debatte über Asquiths Vorschlag erklärte Balfour, das abgeänderie Programm der Regierung beweise einen absoluten Mangel an folgerichtiger Staatskunst. In jedem Satze desselben trete eine dominierende Er wägung hervor, nämlich wie das Kabinett zusammen gehalten werden könne, wie die von allen Seiten drohenden Stürme abgewendet werden könnten. Er glaube nicht, dass dies Staatskunst sei, aber er leugne nicht, dass es eine geschickte parlamenta rische Leitung sei und wahrscheinlich geeignet, alle Gruppen der Koalition zufricdenzustellen. Aber wie sehr auch die Erklärung von Asquith geeignet erscheine, eine Aera des Friedens für die Regierung zu sichern, sie sei w e n i g g e e i g n e t, im Lande den Eindruck von der Staatskunst der Regierung zu ver stärken. (Beifall der Opposition.) — Redmond (Ire) sagte, seine Absicht sei es nicht, einen Streit mit den Liberalen vom Zaune zu brechen, sondern Asquith zu verhindern, dass er vor der kühnen, staatsmännischen Politik, die er in seiner Rede in der Albert Hall dargelegt habe, zurückweiche. Er erklärte, dass er und seine Partei gegen die Resolution wegen der Verteilung der Sitzungen stimmen würden, wenn er nicht die Zusicherung erhalte, dass Asquith, wenn die Lords die Resolution ablehnen soll ten, zum König gehen und um Garantienbitten und, falls die Garantien verweigert werden sollten, zurücktreten würde. — Austen Chamberlain beklagte, dass die Regierung die Budgetberatung zu- rückstellc. Die Opposition sei nicht gesinnt, der Ne gierung des Königs nur deswegen zu opponieren, weil sie dadurch ein wenig früher aus dem Amte gehen müsse, als es auch ohnedies der Fall wäre. Di > Opposition werde sich der Abstimmung enthalten. — Schatzkanzler Lloyd George legte Verwahrung dagegen ein. dass die Regierung ihre Haltung geändert habe, denn Asquith habe von Anfang an klargelegt, dass es die einzige Aufgabe dieser Tagung sei, m. itden Lords abzurechnen. Die Frage, wie das zu geschehen habe, habe er damals offen gelassen, nun aber habe die Regierung sich über die Art ihres Vorgehens entschieden. Bezüglich der Garantien erklärte Lloyd George, es sei wünschenswert, dass die Regierung die von ihr vorgelegten allgemeinen Ernndzvge einer Vetobill dann sobald wie mög lich vom Unterhause entweder angenommen oder ab gelehnt haben müsste, und dass sie ferner in Erfahrung brächte, ob die Lords gewillt seien, auf Grund des Regierungsentwurfs in Beratungen einzutreten. Wenn wir uns nicht in der Lage befinden sollten, s i ch e r z u st e l l e n, dass unsere Vorschläge nicht nur vom Unterhause angenommen, sondern auch zum Gesetz, erhoben werden können, so werden wir nichtrm Amte bleiben. (Beifall.) In dieser Sache, die Frage der Beziehungen beider Häuser in der Vorherrschaft des Unterhauses zur Entscheidung zu bringen, gibt es kein Ausweichen und kein Zögern. Die Regierung wird unter allen Umständen mit dem Rat stehen oder fallen, den sie dem Souverän geben wird, wenn es ja notwendig werden sollte, dies zu tun. (Beifall.) Nach weiterer Diskussion wurde die Resolu tion des Premierministers wegen der Sitzungen des Hauses einstimmig ange nommen. Die Nationalisten und die Radikalen waren augenscheinlich von den Erklärungen der Minister befriedigt. Man glaubt allgemein, dass die Gefahr einer Krisis für wenigstens einige Wochen abgewendet worden ist. London, 1. März. (Tel.) Die irische Partei hat gestern abend folgende Resolution angenommen. „In Anbetracht der Erklärungen des Schatzkanzlers Lloyd George wird die Partei davon abstehen, für oder gegen die Regierung Stellung zu nehmen." Die Spannung zwischen Bulgarien und der Türkei. Konstantinopel, 1. März. (Priv.-Tel.) Trotz der von türkischer wie bulgarischer Seite zur Verhinde rung weiterer Grenzzwischenfälle entsandten militä rischen Spezialkommissionen traf auf der Pforte die Nachricht von neuen schweren Kämpfen an der Grenze ein, deren Opfer an Verwundeten und Toten beträchtlich sein sollen. Die Nachricht hat hier grosse Erregung verursacht; gleichwohl glaubt man in Regierungskrcisen nicht an einen Krieg. Eine sehr hohe Persönlichkeit sprach in einem Interview den Verdacht aus, dass die Zwischenfälle arrangiert seien, um dem Zaren der Bul garen in Petersburg Gelegenheit zu Sondie- rungenzu geben. Tsgeschromk. Zur Lswinenkaraltruphe in 3üaho. New York, 1. März. (Tel.) Ueber die Lawinen katastrophe in Idaho wird weiter gemeldet: Die Lawine, deren Getöse 18 Kilometer weit vom Orte der Katastrophe hörbar war, hat die ganze Stadt Macc vollkommen zerstört und alle Bewohner (an Ivti Personen) und 5V Arbeiter der Northern Pacificbahn, verschüttet. Als die Nachricht von der Katastrophe in der Stadt Wallace, die 7 Kilometer vom Schauplatz der Katastrophe entfernt liegt, bekannt wurde, läutete man die Glocken, um die Bewohner aus dem Schlaf zu wecken und den Verunglückten zur Hilfe zu eilen. Als die Helfer auf dem Schauplatze der Katastrophe an kamen, fanden sie das Tal in einer Länge von ca. zwei Kilometer durch Schnecmassen vollkommen verschüttet, aus denen Felsblöcke und von der Lawine mitgerissene Baumstämme hervorragten. Es war kurz vor Mitternacht am Sonnabend, als die Lawine über die Stadt niederging. Die Bewohner lagen in tiefem Schlaf. Seit mehreren Tagen schon hatte in den Bergen ein warmer Wind geweht, der die Schneemassen sehr mürbe gemacht hatte. Am Sonnabend folgte dem Winde ein Regen. Man hätte annehmen sollen, dass die Bewohner von Mace vor sichtiger gewesen wären in Erinnerung der Kata strophe, welche vor wenigen Jahren die Nachbarstadt Borke heimsuchte. Sie begingen die Unvorsichtigkeit, sich in einen nahen Forst zu begeben, um sich der Lawinengefahr zu entziehen. Sie zahlten ihre Unvor sichtigkeit mit dem Leben. Die Lawine kam in das Tal nach einem Fall von 300 Metern an; mit furcht barer Gewalt fiel sie auf die Stadt nieder und zer störte alles, was sich ihr entgegenstellte. Die Häuser sowie mehrere Eisenbahnwagen, in denen 50 Arbeiter kampierten, wurden vollständig vernichtet. Als die Retter ihre Arbeit begannen, stellten sich ihnen fast unüberwindbare Schwierigkeiten entgegen durch die von der Lawine mitgerissenen Felsmassen. Trotzdem Theater, Kunst unü Mllenlchast. Klalleneis „Von Dulchotte". Von Carl Lahm (z. Z. Monte Carlo). Massenet hatte sich ein etwas wärmeres als das Pariser Klima für die Erstausführung seiner neuesten Oper gewünscht. „Don Quichotte" wurde der Oper Monte Carlos anvertraut, wo Schaliapin, der für die Titelrolle prädestinierte russische Riesenbah- bariton seinen Winteraufenthalt zwischen Dübne und Rouletts auszuschlagen pflegt. Ein neues Werk Les Altmeisters Massenet ist stets ein musikalisches Ereig nis, das in aller Welt interessiert; darum konnte es nicht wundern, dass eine kleine Völkerwanderung von Paris nach der Riviera stattfand und dass man den Expresszug am Tage vor der Premiere den „Massenet- Cöte dAzur Rapide" taufte: die gesamte in- und ausländische Kritik, die Komponisten und Musik freunde füllten sämtliche Waggons und den Speise wagen, um schon im vornherein lebhaft über das ge wagte Experiment des greisen und immer noch jugend srischen Tonsetzers zu debattieren. „Don Quichotte" wurde zum Besten der Pariser Ueberschwemmten gegeben — Orchesterfauteuil 100 Franken Natürlich war das Haus überfüllt, und man sah so fabelhafte Toiletten und Diamanten, wie sie nur in „Monte" zusammengetragen werden können. Der Erfolg des Werkes war gross und begeistert. „Don Quichotte" wird ohne Zweifel zu den zugleich theatralisch wirksamsten und liebenswürdigsten Opern Massenets gerechnet werden. Man wird dieser Parti tur einen gesonderten Platz anweisen, da sie in ge wisser Hinsicht eine Rückkehr zur italienischen Oper bedeutet und weder mit den letzten Schöpfungen Massenets, „Ariane" und „Bacchus" noch mit den früheren, „Manon", „Wertster" und „Herodiade", ver glichen werden kann. Zwei sehr geschickte und erprobte Librettisten, Henri Cain und Le Lorrain, haben dem Komponisten ein Textbuch geschrieben, das ihn etwas aus seinem gewohnten Lyrismus zu heroischen und dramatischen Akzenten fortritz. Nicht datz ein Massenet sich selbst verleugnet und plötzlich eine Art neuen „Riaoletto" geschrieben hätte. Der erste Akt ist ein „Bisou" einfachst harmonisierter und meisterlichst aus- ocfeilter Orchestrierung der letzte oeinahe das Schwanenlied de« von Lyrik liberfliehenden Massenet Aber dazwischen liegen glänzende Rechtfertigungs versuche des auch von der Masienet-Schnle verlassenen bei oavto, der Arien, Duette, Terzette und Quintette, dass man aus dem Erstaunen nicht heraustommt, weniger noch, weil der französische Tonsetzer einmal so mutig von seinem Stil abweichen konnte, als weil ihm das Experiment so trefflich geglückt ist. Schaliapin, der russische Riese mit der Riesen stimme war freilich ein Don Quichotte von so ragen der Grösse und superlativer Intelligenz, dass man gch die Frage stellen muss, ob das Werk ohne diesen ausser gewöhnlichen Darsteller seine Karriere gleich trium phal fortsetzen wird. Sofort bei seinem ersten Auf treten imponierte und rührte der Ritter von der traurigen Gestalt trotz der unbeschreiblich hässlichen und lächerlichen Maske, die der Sänger sich aus gesonnen hatte. Auf seiner Rosinantc, einem erbärm- lich „mager geschminkten" Schimmel, war dieser Don Quichotte ganz das groteske Gegenstück zu dem kugel runden und puderroten Sancho-Panea aus dem Eselein, das Cervantes mit solch göttlichen! Humor ausgemalt hat. Eresse von der Pariser Großen Oper gab den Sancho, Mlle. Lucy Arbell die Dulcinea. Die von einem Quartett fader Kavaliere umschwärmte Kokette hört zwar vom hohen Balkon gern die gut gereimten Liebesseufzer ihres vielverspotteten Ver ehrers, ist aber doch recht froh, dass sie ihn mit einer Probe auf seine Treue für eine gute Weile entfernen kann: er schwört, dass er ihr die gestohlene Perlen kette trotz Räubern und Riesen zurückholen wird. Massenet hat keinen Versuch gemacht, wie Richard Strauss den Kampf mit der Hammelherde und den Mühlen lange symbolisch auszumalen; er überliess dem Theatcrdekorateur das Kunststück, die Attacke auf die Windmühlen glaubhaft vor Augen zu führen; musikalisch war der zweite Akt dieser Attacke der schwächste. Als dann im dritten Don Quichotte die wirklichen Räuber angreift und „im Handumdrehen" gefesselt wird, als er den Dieben und Mördern sein Liebesgeheimnis offenbart, als ihn sein Wahnsinn in hehrer Schönheit verklärt, wie die aufgehende Morgensonne die Berge — da zwingt Massenere Lyrik nicht nur die schlimmen Buben auf die Knie, die ihm das geraubte Perlengeschmeide Dulcineas zurückgeben . . . Sehr italienisch ist der vierte Akt, trotz der spanischen Lokalfarbe. Dulcinea hat hier ein sehr temperamentvolles Tanzlied zu singen und zu tanzen; zwei Küsse auf die Wangen belohnen ihren „kou sublime", dann flieht sie, als er ihr den lächer lichen Eheantrag stellt. Sancho hält eine prächtige Lobrede auf seinen Herrn, die die Rittergesellschaft tief beschämt; er führt den Kranken hinaus ins fceie Gebirge, wo er noch einmal seine Dulcinea zu sehen glaubt, als leuchtenden Stern am Firmament. Diese Sterbeszene, in der das wohl bald in aller Welt bekannte melodiöse Liebesmmiv der Oper in wahr haft himmlischen Akkorden ausklingt, hat Schaliapin unvergesslich eindrucksvoll zur Darstellung gebracht. Man rief so stürmisch den Namen Massenets, bis er an der Seite des Fürsten in der Hofloge erschien. Naoul Gunsbourg. der Direktor der Oper von Monte Carlo, der der aussichtsreichste Kandidat für die mögliche Nachfolge Messagers und Broussans in der Direktion der Pariser Grössen Oper sein soll, har die Novität in ebenso glänzender wie geschmackvoller Weise inszeniert; Gunsbourg, der jüngst auch als Komponist („Der alte Aar") in Deutscbland bekannr wurde und eine neue abendfüllende Oper „Iwan der Schreckliche" vorbereitet, ist eine der markantesten Persönlichkeiten der französischen Kunstwelt. Man bat nach der Aufführung „Don Quichottes" Gunsbourg nicht weniger gefeiert wie Massenet und Schaliapin — vielleicht wird aus „Monte", wo oas Geld doch nicht alles macht, der sehr wenig Gutes leistenden Pariser Grossen Oper bald die lange er wartete Zeit der Renaissance kommen, so dass man endlich auch in der französischen Hauptstadt Wagner- Auffffhrungen beiwohnen kann, die diesen Namen ver dienen. * Berliner Theater. Man schreibt uns aus Berlin: Wilhelm Schmidtbonns dreiaktige Tragikomödie „Hilfe! Ein Kind ist vom Himmel gefallen!" wurde auf so unzweideutige Art bei seiner gestrigen Uraufführung in den Kammerspielen abgelebnt, dass der Autor überhaupt nicht erscheinen konnte. So sehr sich die Darsteller — Else Heink und Ludwig Harthau in den Hauptrollen — um die Gestalten bemühten, sie kämpften dennoch auf verlorenem Posten. Zwar ge lang es Winter stein vor allem, dem von ihm gezeichneten, schwer in seiner Ehre verletzten Vater etwas tnehr Wirklichkeit abzuringen, doch rettete auch diese Gestalt, als einzige, an die man glauben konnte, nicht das Stück. I,. Prager Premieren. Man schreibt uns aus Prag: Mittwoch, den 2. März, gelangen am Neuen deutschen Theater in Prag Shaws Einatter „Blanco Posnets Erweckung" und „Wie er ihren Mann belog", die neuesten literari schen Arbeiten des berühmten Dichters, in deutscher Sprache zur Uraufführung. Gleichzeitig mit Shaws Komödien gelangt der Dialog „Der Tyrann" von Heinrich Mann zur Uraufführung, das erste dramatische Werk des bedeutenden Romanziers. Die Aufführung von „Blanco Bosnets Erweckung" in Berlin und Wien findet erst nach Prag statt. — Kürzlich ging hier Alexander Bissaus Schau spiel „Die fremde Frau" bei vorzüglicher Dar stellung mit starkem Erfolge zum erstenmal in Szene. Unter den Darstellern ragte insbesondere Johanna Buska in der Titelrolle hervor. * Die Acadmie lehnt ab. Aus Paris, 1. Mürz, wird uns telegraphiert: Die Frage der Entsendung einer Abordnung der französischen Akademie nach Berlin auf Grund der Einladung der Berliner Uni versität wurde gestern in geheimer Sitzung der Aka demie der Wissenschaften beraten. Die Debatte war sehr lebhaft und dauerte überaus lange. Sie endete schliesslich, wie bereits angedeutet, mit der An nahme des Ablehnungsbriefes, den der Sekretär Tuvot verfasst hat. * „Eismonda", eine einaktige Oper des Peters burger Komponisten Artur Wulffius, wurde im Stadttheater in Riga mit grossem Erfolg ge geben. Es war eine Uraufführung, die dem bisher nur als Liederkomponistcn sehr geschätzten Tondichter einen einmütigen grossen Beifall eintrug und ihn wiederholt vor die Rampe rief. * Kleine Cstronik. Eine Dürer-Bibel erscheint soeben im Einhorn-Verlag in München und zwar in Taschenformat. Vis jetzt liegt das Neue Testament vor, das die schönsten und kraftvollsten Holzschnitte aus Dürers kleiner Passion, sowie etwa 20 der be rühmtesten Randzeichnungen zum Gebetbuch des Kaisers Max bringt. Die übrigen Bucher der Bibel folgen später. Der Preis ist sehr niedrig, nämlich 1,75 ./k für jeden Band. — Das Drama „Helene Rubecks Ehe!" von dem Leipziger Schriftsteller Carl M. Jacoby, das am 8. Februar im Batten bergtsteater seine Uraufführung erlebte, wurde bisher bereits von 8 Bühnen angenommen. Schon im April wird das Stück gleichzeitig in Stettin am Bellevue-Theater und in Berlin am Bernhard Rose- (früher Ostcnd-)Theater in Szene gehen.