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02-Abendausgabe Leipziger Tageblatt und Handelszeitung : 03.03.1910
- Titel
- 02-Abendausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1910-03-03
- Sprache
- Deutsch
- Vorlage
- SLUB Dresden
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id84535308X-19100303022
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id84535308X-1910030302
- OAI
- oai:de:slub-dresden:db:id-84535308X-1910030302
- Sammlungen
- Zeitungen
- Saxonica
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
-
Zeitung
Leipziger Tageblatt und Handelszeitung
-
Jahr
1910
-
Monat
1910-03
- Tag 1910-03-03
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Monat
1910-03
-
Jahr
1910
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DezugS.Prei» fte Leipzia und »Vorort« durch u»I«r» LrSair und Svedttrurr 2m«l tätlich in« Hau« gebrach:: 90 monatl., ft.70^U inerteljtdrl Bei untern Filialen u. Ln» nahmeftellen abuedoln 7S monatl., L.ftft vierielitdrl. Durch die »oft: innerbald Deuiichland« und drr drutiche» Kolonien vieriellSbrl V.ftV.<x, monatl. I^kft autichl. Posideftellgeld. ferner in Belgien, TLnemarl, den Donanstaaren, Italien, Luxemburg, Niederlande, Nor mten. Oesterreich - Ungarn, Rußland, Schweden, Schweix u. Spanien In allen übrigen Staaten nur direkt durch di» «elibäli,stelle de« Blatte« erhLuuch. la« L«iv»iger Taqebiaii ericheini 2 mal täglich. Sonn- u. Fei riag« nur morgen«, lllbonne - «nt-Annaume: Augustutplatz 8, bei unseren Trägern, Filialen, Spediteuren und Annahmestellen, sowie Postämtern und Briesträgern Ltni«lveckaus«prril der Morgen, rusgad« 10 H, der tidend iuigab« ft ch» «edaklton und Geschäftäftellr: Johannibgasse 8. Fernsprecher: 14692. 14683. 14694. Abend-Ausgabe. MpziM TllgMM Handelszeitung. Amtsblatt -es Rates «nd des Rolizeiamlcs Ser Ltadt Leipzig. Anzeigen-PreiS sftr Inserate au« steiv»i, uno Umgebung die 6ges»altene SO ww breite Petitzril« 25 H. die 74 mm breite Reklamezeile 1 von aurwän« 30 Reklamen t.20 Inserate von Bedbrben m amtlichen Test die 74 mm breite Petitzeile 4>) ^ls. »escha'iranieinen mit P advorschrilten und in der Abendausgabe im Preise erhöht. Radau nach Laris. Beilagegedühr 5 p. Tausend rxkl. Postgebühr. gefterteilte Austräge können nicht zurück gezogen werden. Für da« Urscheinen an bestimmten Tagen uno Plätzen wird keine Garantie übernommen. Anzeigen-Annahme: AuguftuSplatz 8, bei sämtlichen Filialen u. allen Annoncen- Expeditionen de« In» und AuSlanoe«. Haupt-Filiale Berlin: Varl Dnncker Herzog!. Bihr. Hosduch« Handlung, Lutzowstiaße 10. (Leiephon VI. Nr. 4ou3). Haupl-Siltale Lreäden: Seestraße -e, t (Telephon 462l>. Nr. 61 Vonnerstay, üen S. Mär; lSlo. 104. Ishrgang. PMMe Nachrichten. Die Justizkommisfion des Reichstages, über deren letzte Sitzung wir in der heutigen Morgen nummer kurz berichteten, führte am Mittwoch die Beratung des Erpressungsparagraphen der Strafrechtsnovellen fort und verhandelte namentlich über einen Antrag des Zentrums, der den Begriff der Drohung einzuschränken suchte. Der Antrag wurde mit Rücksicht darauf abgelehnt, daß gelegentlich einer engbegrenzten Novellengesetzgebung und ohne auf be nachbarte Verbrechenstatbestände Rücksicht zu nehmen, der Begriff der Erpressung nicht entscheidend geändert werden könne. Hierauf wandte man sich zu dem Vorschläge des Entwurfs, beiüblerNachredein gewissen Fällen den Wahrheitsbeweis auszuschließen. Zn erster Lesung war die Regierungsvorlage mit un wesentlichen Aenderungen angenommen worden. Zur zweiten Lesung lag ein neuer Regierungsvorschlag vor, der Anregungen aus der Kommission entsprechend mit Geldstrafe, Haft oder Gefängnis denjenigen be strafen wollte, der rechtswidrig den Frieden des Pri vatlebens anderer dadurch verletzt, daß er öffentlich oder durch Verbreitung von Schriften, Abbildungen ober Darstellungen, Mitteilungen über besten persön liches, häusliches oder Familienleben macht. Dieser Vorschlag wurde abgelehnt. Desgleichen wurde der in erster Lesung gesatzte Beschluß gegen die Stimmen der Konservativen, Freikonservativen und National liberalen und einige Zentrumsstimmen abgelehnt. Alle weiteren auf die Beleidigung bezüglichen Vor schläge des Entwurfs wurden gleichfalls abgelehnt. Es bleibt somit, wie bereits mitgeteilt, bei der Be leidigung beim geltenden Rechtszustand. Die Verschiebung der deutsch-amerikanischen Ausstellung. Re» York, 3. März. (Tel.) Das amerikanische Komitee für die Ausstellung in Berlin hat bekanntgegeben, daß es von der ihm telegraphisch mitgeteilten Zustimmung des deutschen Komitees zur Verschiebung der deutsch-amerikanischen Aus stellung mit Genugtuung und Freude Kennt nis nahm.. Das amerikanische Exekutivkomitee teilte dem deutschen Botschafter den neuen Plan offiziell mit und bat den Botschafter, dahin zu wirken, daß die deutsche Regierung ebenso wie die amerikanische dem veränderten Plan jetzt schon eine freundliche Haltung entgegenbringen möge. Der 8V. Geburtstag eines Politikers. Kommerzienrat William Swaine in Hütten- steinach bei Sonneberg (Sachsen-Meiningen), einer der wenigen noch lebenden Mitbegründer des Deutschen Nationalvereins, wird am 7. März 80 Jahre alt. Swaine war als Vertreter des Sonneberger Wahlkreises 24 Jahre hindurch Mitglied des meiningischen Landtages und gehört der natio nalliberalen Partei an. Dom Herzog von Meiningen wurde Swaine mit der Verleihung des Prädikats „Kommerzienrat" und dem Ritterkreuz des Ernestinischen Hausordens ausgezeichnet. Als Be sitzer einer umfangreichen Porzellanfadrik hat er sich in den Kreisen der Industriellen eine geachtete Stel lung erworben. Demonstrationsspaziergang. Der „Vorwärts" fordert in seiner heutigen Aus gabe alle Anhänger des allgemeinen, gleichen, ge heimen und direkten Wahlrechtes zu einem Spa ziergang im Treptower Park am nächsten Sonntagnachmittag 1 Uhr auf. Dieser „Spaziergang" soll als Ersatz für die verbotenen Versammlungen unter freiem Himmel dienen. Englands Furcht vor deutscher Ware. Die einst als Spott aufgefaßte, dann aber zur An erkennung gewandelte Warenbezeichnung „Made in Eermany" macht jetzt den Engländern immer mehr Pein. Die Invasion deutscher Wirtschaftsgüter in England nimmt zu. Das soll aber verhindert werden, deshalb will das Parlamentsmitglied Haveley- Hill eine Bill im Unterhause einbringen, wonach bei aus Deutschland importierten Waren der Vermerk „Made in Eermany" durch „nicht britisch" ersetzt werden soll. Der Marinenachtragsetat im englischen Unterhause. London. 3. März. (Tel.) Bei der Erörterung des Marinenachtragsetats im Unterhause wiederholte der erste Lord der Admiralität Mac Kenna das Ver sprechen der Regierung, daß die vier Kontin gent-Dreadnoughts vor dem 31. März 1912 in Dienst gestellt «erden würden und erklärte, daß die Regierung alle Schritte getan habe, um ihr Wort ein zulösen. Bei den jüngsten Schiffsbauten sei die Admiralität imstande gewesen, in weniger als 24 Monaten nach dem Tage der Kiellegung die Schiffe zu vollenden. So sei der „Vanguard" eben jetzt nach 23monatiger Bauzeit in Dienst ge stellt worden. Bei ein und dem anderen Schiffe fei eine kleine Verzögerung eingetreten, aber in jedem Falle könne die Admiralität annehmen, daß die Schiffe bei beschleunigter Arbeit in weniger als 24 Monaten fertiggestellt werden könnten. Diese Periode umfaste jedoch nicht die Schifssmaschinen usw., die zum Beispiel für die Kontingent-Dreadnoughts schon im verflossenen Dezember und Januar in Auf trag gegeben wurden, obwohl die Kiellegung dieser vier Schiffe nicht vor dem 1. April 1910 stattfinden werde, Lough (liberal) stellte den A n t r a g a u f R e - duzierung des Etats und sagte, alle alar mierenden Behauptungen des verflossenen Jahres seien zerstreut worden. Asquith habe im März v. I. erklärt, Deutschland werde im April 1912 17 Dread noughts besitzen, und Balfour habe diese Zahl für den August 1912 auf 25 beziffert und dabei einen heftigen Angriff auf eine befreundete Großmacht gerichtet. Nur um dem deutschen Flottenprogramm zu begegnen, habe die englische Regierung die in dem jetzigen Eioi enthaltenen Schiffe vorgesehen. Deutschland habe sich die Mühe gegeben, um England nicht nur durch den Mund des Chefs der deutschen Admiralität, jondern auch durch den Botschafter selbst zu versichern, daß die Absichten Deutschlands gänzlich miß verstanden worden seien. Wir haben es nicht nötig, Millionen gedankenlos wegzu werfen. Deutschland konnte seine Dreadnoughts nicht so schnell bauen als wir und wir hätten es rm Jahre 1912 wohl nur mit 13 Dreadnoughts zu tun gehabt. Schließlich tadelte Lough die Regierung, daß sie nicht langsamer vorgehe. Er hätte gern eine höf liche Antwort auf die Erklärung Deutschland gesehen. — Admiral Beresford erklärte, es sei die Wahr heit gesagt worden, als man im März v. I. erklärte, daß für das Land eine Krise in der Geschichte seiner Marine gekommen sei. Man sollte von Deutschland immer nur mit großer Achtung sprechen und nichts sagen, was eine Erregung Hervorrufen könne, denn Deutschland tue nur, was zu tun es vollkommen berechtigt sei. Beresford bedauerte dann, daß die Staatsansätze zu gering seien und daß England zu langsam vor gehe mit dem Bau von Torpedobootszerstörern und daß diese Schiffe für die Nordsee nicht geeignet gebaut würden. — Barnes (Arbeiterpartei) erklärte, er werde für den Antrag Lough stimmen, da er der Ansicht sei, daß die alarmierenden Erklärungen der Minister und der Mitglieder der Opposition im vergangenen März unwahr und ungerechtfertigt ge- wesen seien. — Im weiteren Verlauf der Debatte er klärte Parlamentssekretär Mac Nemara, die Re gierung habe keinen Grund, Dreadnoughts zu bauen aus rein krankhaftem Vergnügen. Aber sie müsse für die Sicherheit der Nation im weitesten Umfange Sorge tragen. Schließlich zog Lough seinen Antrag zurück und der Etat wurde ange nommen. Tumultszenen in der französischen Kammer. Paris, 3. März. (Tel.) Die Kammer hielt gestern noch spät abends eine Sitzung ab, um das Finanz gesetz zu verabschieden. Die Sitzung dauert« b i s 1 Uhrmorgens. Das Finanzgesetz wurde mit 446 gegen 67 Stimmen angenommen. Dann beschäf tigte sich die Kammer mit der Festsetzung der nächstenTagesordnungund beschloß, die Ver handlungen am nächsten Donnerstag wieder aufzu nehmen. Auf die Tagesordnung wurde das Gesetz betreffend die Verteidigungdesweltlichen Schulunterrichts gestellt. Bei der Abstimmung über die Tagesordnung veranstaltete die Rechte lärmende Kundgebungen, auf die die Linke und die äußerste Linke in gleicher Weise antworteten. Es kam hierbei zu einem allgemeinen Krawall. Zahl reiche Pultdeckel wurden zertrümmert und Schimpf warte gewechselt. Unter großem Tumult wurde die Sitzung aufgehoben. Kammer präsident Brisson erklärte, derartige Vorgänge seien stets das Ergebnis einer Nachtsitzung und deshalb habe er sich bis zum letzten Moment gegen die Abhaltung der Sitzung gesträubt. Zur Touloner Skandalaffäre. Paris, 3. März. (Tel.) Zn der Untersuchung der Skandalaffäre über die Unterschlagungen zum Nach teile der Marinebehörde in Toulon haben gestern wiederumHaussuchungen stattgefunden, u. a. in Eramont. Die Ingenieure Belot, Huet und Courtis wurden verhaftet. Eine andere Haussuchung konnte wegen Abwesenheit des Betreffenden nicht statt finden. Auch in Toulon wurde eine neue Verhaftung vorgenommen. Als der Schwager des verhafteten Hauptschuldigen Baloy, namens Picquart, die Vorladung zum Gericht erhielt, stürzte er sich aus dem Fenster seiner im dritten Stock werk gelegenen Wohnung auf die Straße hinab, wo er zerschmettert liegen blieb. Der Selbstmord hat große Erregung hervorgerufen. Tsgrschrunik. Gasexplosion. Hamburg, 3. März. (Tel.) In der Easanlage der Gastwirtschaft von T i m m in Wrohn erfolgte eine Explosion, durch die das Haus schwer be schädigt wurde. Die Frau des Wirtes, zwei Kin der und ein Knecht wurden schwer verletzt. Großer Erdeinsturz. Paris, 3. März. (Tel.) Ein bedeutender Erd sturz hat sich in der Nähe von Cacour bei St. Eiron» ereignet. Man glaubt, daß derselbe durch die Arbei ten an der Eisenbahnlinie, die die Pyrenäen von St. Girons nach Salau de Lerida durchschneidet, herbei geführt worden ist. Eine Maste von Erde und Felsen von ungefähr 70 000 Kubikmeter ist nachts zusammen gebrochen und hat das Bett des Flusses Salat voll ständig ausgefüllt. Infolgedessen rst ein bedeutendes Steigen des Flusses eingetreten. Der Kanal, der die Fabriken von Dordesch mit Wasser speist, ist ebenfalls aus den Ufern getreten und hat die Fabriken unter Wasser gesetzt. Man befürchtet einen Einsturz der Grundmauern. Auch hegt man Befürch tungen für eine große Anzahl von Gebäuden auf der linken Seite des Flusses, da das Wasser in fortgesetz tem Steigen begriffen ist und die Schaffung eines Ab zugskanals durch die niedergegangenen Erd- und Felsmasten unmöglich ist. Den eigenen Sohn ermordet. Wien, 3. März.. (Tel.) Aus Uscie Zielöny (Galizien) wird gemeldet: Der Sohn des Bauern Przenikowskr, der lange Jahre in Amerika Theater, Limit unü DMenkchaft. Der sbgeksnzelte Lelvng. Ein Literatenstreit durchtobt gegenwärtig die Journale. Da die Affäre immer mehr Auf sehen erregt, ist es angebracht, sich auch hier mit ihr zu beschäftigen. In einer der letzten Nummern der „Schaubühne^ hatte Theodor Lessing einen Angriff auf Samuel Lublinski ver öffentlicht. Der Aufsatz, der einen ganzen Literaten- typus der Lächerlichkeit preisgeben wollte, war tn Satirenform gehalten, jedoch derart im Ton ver griffen, daß er, der amüsant klingen sollte, sich am Ende als ein überaus skrupelloses Pamphlet ent wickelte. Jeden taktvollen Menschen mußte das Werk auf das peinlichste degoutieren. Der Verfasser hatte den Essay, der von Beleidigungen gegen Lublmski nur so strotzte, vielleicht gar nicht mit derartig schlimmen Vorsätzen in Arbeit genommen. Er übersah sicherlich einfach die angedeutete Wirkung, die der Artikel auf den unbeteiligten Dritten ausüben mußte, indem er bei der Abfassung der Satire ganz in jene geistige Wollust gestürzt war, die jeder gute Künstler beim Kombinieren eines Porträts von lite rarischem Niveau in allen seinen Einzelheiten oder bei jeder anderen ähnlichen Arbeit überhaupt empfindet. Und der Artist darf dann seinem erwählten Opfer — so wie er es nun einmal vor sich sieht — keine Schonung gewähren. Kein Zug darf erspart bleiben, jede Linie muß hervorgeholt, herausziseliert werden. Wir wissen es alle. Nach meinem Empfinden ist also Lessings Aufsatz aus einer Stimmung, aus ent zückter Bosheit herausgeboren worden — weshalb ihn Siegfried Jacobfohn ja auch in die „Schaubühne" aus genommen hat. Er ist „mit Musik", mit Talent ge schrieben. Aber jenes künstlerische Vergnügen, jene pure Lust am Objekt hat nun den armen Lessing blind gegen den Effekt der eigenen Arbeit, auf die ich hier nicht näher eingehen will, gemacht, hat ibn in die Gemeinheit gerissen. Denn schließlich handelt es sich hier ja nicht um eine Dichtung, sondern um einen brutalen Akt der Willkür, darum, daß der Autor einen andern Menschen von Wert in übler Weise ver- unglimpfte. Nach jeder Richtung hin. Das ist nicht abzuleugnen. Niemals kann da» artistische Resultat, und sei es noch so glänzend über die Tatsache binweg- heben, daß von Samuel Lublinski» literarischer Ge stalt ganz verkehrte Umrisse in Lessings Intellekt reflektiert Haden. Er gibt ein durchaus falsches Bild von ihm wieder, macht aus dem bedeutenden Kritiker, > dem ernsten Schriftsteller, der Lublinski doch zweifels ohne ist, relativ ein scheußliches Zerrbild, eine schänd- s liche, verwerfliche Karikatur, kurz, setzt ihn lediglich aus dem (sonst edlen) Egoismus, seine eigenen künst lerischen Mittel nicht zu schonen, vollkommen, auch als Menschen, herab. Mag der Essay „Samuel zieht die Bilanz" im übrigen auch das Produkt einer sonst aristokratischen, überlegenen Natur sein, die ihre leb hafte Abneigung gegen ein gewisses Literatentum (zu dem aber gerade Lublinski nicht gehört) einmal zum Ausdruck bringen mußte. In der Art, in der Lessing seinen Hohn funkeln ließ, bleibt die Tat eine Brutalität. Sie verdient daher — ganz gleich, wie sie zustande ge kommen ist — auf das schärfste zurückgewiesen und verurteilt zu werden. Dies ist auch bisher schon mehr fach geschehen. Nachdem sich Paul Zschorlich in liebevoller Gründlichkeit letzthin den Doktor Lessing in der „Hilfe" vorgenommen hatte, bezieht dieser wegen seines unverzeihlichen Attentats gegen Lublinski nun eine zweite ordentliche Tracht Prügel von Thomas Niann in der neuesten Ausgabe des „Literarischen Echo". Diese beiden Angriffe gehen jedoch nicht nur auf Lessings Untat als solche ein, sie gehen m ge rechter Empörung weiter und bleiben am Ende nicht ganz gerecht — wie es der Anti-Lärm-Mann, der solchen Skandal hervorruft, ja auch nicht besser ver dient hat. Er wird nur deshalb gänzlich bloß an den Pranger gestellt, weil er seinen Witz nicht zügeln konnte und einen andern grundlos um sein Ansehen zu bringen suchte. Ich möchte nur darauf Hinweisen, daß der Dorwutt der Talentlosigkeit und Unfähigkeit den Thomas Mann und Zschorlich gegen Lessing erheben, nicht stimmt. Der Gerechtigkeit wegen muß das notiert werden. Nach dem Urteil anderer Literaten und auch nach meiner Kenntnis ist er ein Schriftsteller von Geist und Kultur, ein wirklicher Könner, der auch in jenem gefährlichen Pamphlet glänzend in Erscheinung tritt. Um so schlimmer für ihn: die Züchtigung mußte daher äußerst scharf ausfallen. Er war hier unfein, er zeigte Mangel an Selbstkontrolle. Keine psycho logisch« Deutung des Falles Lessing kann das Urteil über den Missetäter in dieser Hinsicht abändern. Er wird die verabreichten Prügelsuppen beschämt hin unterschlucken müssen. Schade, daß einem Schrift steller von dieser Qualität ein solcher faux r>.u» passieren mußte. V/alter Lekreaa. * * Berliner Theater. Man schreibt uns aus Ber - lin: Drei Einakter, für deren Inszenierung die Ber liner Literarische Gesellschaft zeichnete, versetzten das Publikum des Hebbeltheaters in heitere Laune, die allerdings — soweit es sich nicht um Hartlebens aufgcfrischte Jbsenparodie „Der Frosch" handelt — auf eine mehr als nachsichtige Stimmung zurückzu führen ist. Arthur Rosenberger, der in der Versammlung der Schauspielerinnen gegen die Feuilletonisten wetterte, machte in seinem Einakter „Zwischen ihm und ihm" selbst ein Feuilleton mit dem gewiß nicht neuen Einfall, daß ein Gatte die eigene Frau erst dann begehrenswert findet, wenn auch die Liebhaber das finden. Aber abgesehen von diesem Einfall, ist es nur ein schlechtes Feuilleton, banal in der Führung, banal im Dialog. Noch weniger bietet Victor Dyks Satire „Trauer diner": eine fälschlich totgesagte Gattin kehrt zu ihrem Gatten zurück, um ihn gleich wieder zu ver lassen. Hier ist Thema und Ausführung so dürftig, daß Zischer sich meldeten. Carl Clewing als Don Juan im Rosenbergerschen Einakter, Frt. Maria Mayerals Frau Möhlmann und Arthur Ehrens als Carl Meiners in der Jbsenparodie kommen vor allem die schauspielerischen Ehren zu. Ueberaus amüsant war die Bassermann-Kopie Willi Pragers. * Der Watteau des Kaisers. Aus Paris wird gemeldet: Der „Matin" hat dem Direktor der Schönen Künste, Bayot, die Erklärung des Berliner Pro fessors Kampf über das im Besitz des Deutschen Kaisers befindliche Gemälde von Watteau unter breitet. Bayot erklärte, der Professor irre, wenn er behauptet, daß keinerlei Zweifel an der Echtheit des Gemäldes bestehen. Ich bin, erklärte er, nicht der einzige, welcher die Echtheit bezweifelt. Die ein zige Lösung der Frage wäre die Einberufung einer internationalen Jury, welcher alle Dokumente unter breitet werden müßten, die geeignet sind, Klarheit über die Echtheit zu schaffen. * Dresdner Musik. Aus Dresden wird uns unterm 2. März gemeldet: Die Robert Schu- mannsch« Singakademie wählte heute zum Nach folger des kürzlich verstorbenen Dirigenten Professor Walter Fuchs einstimmig den Hoforganisten und Musikdirettor Karl Pemba ur, der em Sohn des bekannten Innsbrucker Universttätsmusikdirektors ist. Pembaur wurde 1873 in Innsbruck geboren und empfing seine Ausbildunaauf der Königlichen Aka demie der Tonkunst in München. Im Jahre 1901 wurde er als Organist an die katholische Hofkirche nach Dresden berufen. 1903 übernahm er die Leitung der Dresdner Liedertafel. Außerdem ist er als Chorrepetitor an der hiesigen Hofover tätig. — Wilhelm Schafgans, der über 20 Jahre lang bis zu ferner Pensionrerung Königlicher Hosopernsänger m Dresden war» ist in Bonn gestorben. — Pro fessor Karl von Kaskel, der bekannte Dresdner Komponist, hat vom König von Württemberg die Goldene Medaille für Kunst und Wissenschaft am Band des Ordens zur Württembergrschen Krone erhalten. * „Herzog Wildsana" in Halle. Man schreibt uns aus Halle: Giftiger Neid und ingrimmiges Mißver ständnis hatten dafür gesorgt, daß „Herzog Wild fang", Siegfried Wagners zweites Werk, vor zehn Jahren, wie man so sagt, „begraben" werden mußte. Es ist ein ganz besonderes Verdienst des Hallenser Stadtheaters, gerade dieses Werkes sich angenommen zu haben. Denn an der fröhlichen Auferstehung, die die Oper am letzten Sonntag in Halle feiern durfte, konnte auch selbst der Kritischste mit ehrlicher Freude teilnehmen. Das, was Siegfried Wagner an Eigenem zu geben hat, offenbart sich in schönster Weise. Die Handlung, shakespearehaft toll und klug und boshaft, ist gut gemacht, voll warmen, quellenden Humors. Und so rst auch die Musik: frisch, launig charakteri sierend, mit ganz famosen Sätzen und Liedern. Eine volkstümliche komische Oper, wie wir sie sehnsüchtig nach dem „Barbier" erwarteten und gerade jetzt mehr denn je bitter nötig für unsere Theaterrepertoire brauchen: dankbar für die Sänger, mit einer Parade rolle für einen Baßbuffo, dankbar für den Regisseur, dankbar fürs liebe Publikum. Was will man mehr? Halle kann auf diese Aufführung stolz sein. Nicht nur daß man sein vorzügliches Stimmenmaterial bewun dern konnte, es war vor allem Liebe und Begeisterung dahinter, daß ihre Funken auf das Publikum über sprangen. Nirgends Schablone und opernhafte Hohl heit! Das war das Erfreuliche. Das Orchester mit warmen, schönem Klang verdankte feinsinnige Nuan cierungen und ausgezeichnete Steigerungen seinem Kapellmeister Eduard Mörike, dem Inspirator des Ganzen. Ueberhaupt ein Mann von Geschmack und künstlerisch gebildetem Intellekt — einer von den Auserwählten! Herrn Raven muß man als tüch tigen Regisseur nennen. Unter den Mitwirkenden eine Osterlind, die besonders auffiel. Entzückende Erscheinung, frische, sympatbische Stimme mit künst lerischen Bestrebungen beim Singen, ungemein frische, l^rzlichc Darstellung. Ihr Name: Frau Bruger- Drews. Auch sonst gewann man nur die günstig» sten Eindrücke. Werk und Aufführung waren ein». Heiter und festlich der ganze Abend. Ovtc> Sckadbel.
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