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01-Frühausgabe Leipziger Tageblatt und Handelszeitung : 02.03.1910
- Titel
- 01-Frühausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1910-03-02
- Sprache
- Deutsch
- Vorlage
- SLUB Dresden
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id84535308X-19100302012
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id84535308X-1910030201
- OAI
- oai:de:slub-dresden:db:id-84535308X-1910030201
- Sammlungen
- Zeitungen
- Saxonica
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
-
Zeitung
Leipziger Tageblatt und Handelszeitung
-
Jahr
1910
-
Monat
1910-03
- Tag 1910-03-02
-
Monat
1910-03
-
Jahr
1910
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Amtsblatt des Rates uud des Nolizeiamtes der Stadt Leipzig. Anzeigen-Preis für Inserate au« Leibrig ,in, Umgebung die SgrivaiieTi« bl) mm breite Petitzeil« 2b 2s, di« 74 mm breite Steklamezeile I von auswärts 8V Siellamen l.Ll ^g; Inserate von Bebdrden m amtlichen Teil die 74 mm drcit« Petitzeile M 2s. SeschältSanzeigeu mit P ahvorschristen an» in der Adei,dau«aabe >m Irren« erdodt. biabLlt nach Tarn. Beilagegedübr s p. Tausend «xkl. Postzebühr. IesterteUte Austräge können nicht zurück gezogen werden. Für da« erscheinen an bestimmten Tagen und Plätzen wird kein« iüarantie übernommen. Anzeigen-Annahme: Auguttuäplatz 8, bei sämtlichen Filialen u. allen Annoncrn- tixpeditionen de« In- und Aurlande«. Haupt-Filiale Berlin. Aarl Dnncker Herzogl. B-ryr. Hosbuch- dandlung, Lützowstiabe 10z (Telephon Vt, Ar. 4<xi3). Haupt-Filial« TrrSdrin Secstrabe t (Telephon El). Nr. 60. 104. Jahrgang Mittwoch, üen 2. Mörz 1910. Das Wichtigste. * Die Zweite Kammer erledigte am Diens tag einige Rechenschaftssachen und Peti tionen sowie das Kapitel Elfter bad. (S. Landtagsbericht.) * Bei der Wahl des Präsidenten des Reichstags wurde der konservative Abgeordnete Graf zu Schwerin-Löwitz durch Zuruf ge wählt. (S. d. bes. Art.) * Der Reichstag beendete am Dienstag die zweite Lesung des Etats des Reichsamts des Innern. Ueber die zu diesem Etat eingebrachten 55 Resolutionen wird am Mittwoch abgestimmt werden. (S. d. bes. Art. und Reichstagsbericht.) * Für den kommenden Sonntag haben die So zialdemokraten Berlins große öffent liche Wahlrechtsversammlungen unter freiem Himmel vorgesehen. * Das Luftschiff ..Parseval V" ist am Dienstagoormittag in Bitterfeld ausgestiegen und nach 3V-stündiger Fahrt auf dem Tegeler Schießplatz bei Berlin glatt gelandet. (S. Sport.) * Der König von Spanien soll beabsich tigen, in der nächsten Woche den Kriegsmini st er Melilla zu besuchen. * Im Görlitzer Stadthallen-Prozeß wurde der beklagte Ingenieur Martin zu drei Monaten Gefängnis verurteilt. Der Bau führer Naumann wurde freigesprochen. (S. Eerichtssaal.) * In Petersburg grassiert eine Pocken- epidemie. Seit Januar sind über 400 Fälle registriert. Italienische Begegnungen. Im Anfänge des März soll der neue preußische Minister der auswärtigen Angelegenheiten v. Beth- mann Hollweg den neuen italienischen Minister des gleichen Ressorts in Rom aufsuchen. Im selben Mo nate werden die Monarchen beider Länder eine Be gegnung zu Venedig haben. Nichts wahrhaft Neues an alledem außer der Per son des Herrn v. Bethmann Hollweg. Eine Begegnung der Staatsoberhäupter hatte, genau zu Venedig, auch vor zwei Jahren in demselben Monate stattgefunden. Graf Euicciardini aber und sein Chef Sonnino haben bereits in der ersten Hälfte des Jahres 1906 zu sammen amtiert. An deutsch-italienischen Be gegnungen schließlich war im letzten Menschenalter überhaupt kein besonderer Mangel. Sie ergaben sich aus dem Dasein des Dreibundes von selbst. Allein in seinen ersten zwanzig Jahren war es doch ein anderes Ding. So oft damals die Herrscher, die Minister zusammenkamen, wurden sie von den beiderländischen Pressen regelmäßig mit denselben hergebrachten Wendungen begrüßt — um nicht von „Phrasen" zu sprechen. Die gegenseitigen Verhält nisse waren eben regelmäßig ziemlich dieselben. In den Jahren der unmittelbaren Staatsleitung durch Crispi konnte man eine leichte Nuance bemerken. Da zeigte auch Italiens auswärtige Politik eine Neigung zum Draufgängertum, so daß die Kaisermächte mehr fach abwinken mußten, um nicht jenen Böswilligen Wasser auf die Mühle zu leiten, die ohnehin die Friedenstendenzen des Dreibundes verdächtigten. Nach Crispis allerletztem Sturze aber, der mit einem schweren Denkzettel für die italienischen Stürmer und Dränger zusammenfiel, und vollend» nach König Humberts Tode find die Dinge ganz ander» geworden. Italien verwandelte sich aus einem Stürmer, der des Zügels bedurfte, in einen sparsamen Staat. Für Dreibundsbedürfnisse nämlich; bei seinen Extratouren, die immer häufiger den Menuettschritt der Kaiserreiche kreuzen, möchte es ganz gern ein lebhafteres Tempo annehmen. Wir haben also die Herren Sonnino und Euicciardini bereits 1906 am Werke gesehen. In dem Quartal von Algeciras war es. Damals er fuhren wir mit grenzenlosem Erstaunen, daß unser Verbündeter an der Seite unserer Widersacher mar schiere. Der Draht zwischen Berlin und Rom schien gerissen. So verbindungslo«, daß er nicht ein mal bei der Desuvkatastroph« des April funktionierte Im Mai lief dann der Gruß der beiden Kaiser aus Wien ein: „Zu zweien vereint". Der Gegengrub lautete herzlich kühl und nichtssagend. Zwar ver schwand das Kabinett Sonnino-Guicctardini nun rasch von der Bildfläche; ater nicht um der schönen Lugen des Dreibundes willen. Denn bald be-ann die Deputtertmkmnm« die Frage des Grenzschutzes gegen Oesterreich zu erörtern. Wenn Stubennach tarn das Schloß ihrer Berbindnngstür nachsehen lassen, pflegt man ihre Freundschaft nicht der des Orestes und Pylades an die Seite zu stellen. Wir sind niemals Italiens einziger Freund ge wesen. Auch im Honigmond der Bismarck-Crispi- Zeit ergänzte ein Seebündnis mit England den Schutz der Festlandsgrenze durch die Kaisertümer. Das Neue ist, daß das Apenninenland heute mit Frankreich, seinem Gegner aus der Crispi-Periode, in ein hochfreundschaftliches Verhältnis eingetreten ist, und ganz neuerdings auch mit dem fernen Rußland. Rußland aber ist Oesterreichs natürlicher Antipode in Balkansachen und dadurch wenigstens mittelbar auch Deutschlands. Mit Frankreich vollends verbindet uns keine Spur von platonischem Verständnis, son dern kann uns in weit absehbarem Zeiträume nur ge legentlich eine Geschäftsverbindung nüchternster Art zusammenführen. Nicht der jüngste Zarenbesuch an sich war es, dem wir eine hochpolitische Bedeutung beigemesson haben. Reisen der Monarchen an Auslandshöfe sind in so hohem Grade zu regelmäßigen Erfordernissen der nackten Konvenienz geworden, daß eine pragmatische Geschichte der Neuzeit besser tun würde, von ihren Unterlassungen und Verspätungen auszugehen, als von den korrekten Erfüllungen des Brauches. Nun war aber der Zar längst mit allen seinen Besuchsschulden in Rückstand geraten, als er im Vorjahre für seine Verhältnisse ungewöhnlich zahlreiche Meere und Schienenwege befuhr. Italien kam erst ganz zuletzt an die Reihe, und wie lange war diese Visite über fällig gewesen! Was uns aber aufhorchen ließ, das waren die Kommentare der Presse. In allen ita lienischen, russischen, englischen und französischen Blättern, die maßgeblich für internationale Politik sind, stand zu lesen von der epochalen Bedeutsamkeit des Ereignisses. Und diesesmal hatten die Zeichen deuter nicht unrecht: Italiens europäische Stellung hatte sich gewandelt. Zur Zeit des letzten großen orientalischen Krieges spielte die Diplomatie vom Tiber noch eine verhält- j ni-mäßig üntergcordntte R»ll« im Konzert der Gtoß- ' Mächte. Mehr der Höflichkeit gehorchend al» de« eigenen Triebe, lud man sie zu den Konferenzen und Kongressen ein. Des Landes Interesse war nicht afl- zu groß an der Frage beteiligt, ob die Russen oder die Türken Sieger würden. Die Ueberlieferungen des Krimkrieges, die Erinnerungen an den nikolai- tischen Despotismus führten Italien auf die anti russische Seite; die Furcht des Leoantehandels vor der geschlossenen Tür russisch werdender Provinzen gab das ökonomische Rüstzeug für die Apologie der Stellung, die wahrscheinlich zunächst aus Gründen der politischen Ethik gewählt war. Als man die Rat haustreppe herabstieg, nach dem Schlüsse des Berliner Kongresses, da wurde auf einmal di« diplomatische Weisheit durch die Gassen der Siebenhügelstadt ge- brüllt, daß das italienische Interesse statt des anti russischen hätte vertreten sein müssen, daß die Rolle eines Maklers, aber nicht eines ehrlichen, Italien an gestanden hätte! Der rasende See wollte sein Opfer haben, und der Kongreßdeputierte Graf Lorti wurde in den Orkus geschleudert, weil er keine Anwartschaft auf Tunis in seiner Mappe heimgebracht hatte. Tunis wurde alsdann bekanntlich auch der Zankapfel, der Italien und Frankreich lange Zeit auseinanderbrachte, während Frankreich und Rußland sich unter Alexan der HI. allmählich näherten. Trotzdem zog sich die italienische Abneigung gegen Rußland mit den Jah ren in die rauhen Berge der Sozialisten zurück: man kam zu der Erkenntnis, daß dem landfernen Moskau gegenüber mit den Berührungspunkten doch auch die Reibungsflächen fehlten. Jetzt ist ein Berührungspunkt konstruiert, und darin eben besteht die große Wandlung. Schon im Jahre 1878 vernahm man von den Lippen der Schreier gegen Lorti und Berlin neben dem Tunis ruf auch den nach Albanien. Damals schwebte ein solches Verlangen natürlich ganz in der Lust. Aber heute teilt eine montenegrinische Prinzessin den Thron des Savoyers. Italien, auch kapitalistisch erstarkt, läßt sich in ein großzügiges Eisenbahnunternehmen ein, dessen wichtigste» Glied das mit dem Meere zu verbindende Gebiet des Oesterreichfeindes Serbien werden soll. Gin paar tausend seit Jahrhunderten in Apulien wohnend« Albanesen stellen das Binde glied mit diesem alten Volke dar, bet dem auch Selb- ständigkeitsbestrebungen sich an gewisse Prätendenten namen aus halbverschollenen Geschlechtern knüpfen. Auf allen diesen Punkten aber kreuzen die neuent deckten italienischen Interessen die österreichischen; ja die Donau-Adria-Bahn würde den Weg nach Salo niki für den Katserstaat geradezu durchschneiden, die nunmehr unmittelbar österreichisch gewordenen Pro vinzen mit Umklammerung bedrohen. Eben aus dieser antiösterreichischen Tendenz der italienischen Politik ist die Annäherung an Rußland hervorge wachsen, und der Zarenbesuch hat auf sie das ab schließend« Siegel gedrückt. Damit hat aber die Intimität de» alten Drei bunde» der Humbert-Zeit «inen unheilbaren Riß be kommen. Italien» Zugehörigkeit zum Dreibunde ist an die zweite Stelle seiner internationalen Ver bindungen herabgedrückt. Seine Verhältnisse sind so unklar geworden wie die keines anderen Eroßstaates. An dieser Unklarheit dürfte aber ihm selbst am meisten gelegen sein. Würde ihm der Bund deutsch österreichischerseits aufgekündigt, es also aus Furcht vor einer Wiederholung der Isolation von 1878 wahrscheinlich zum Ausgehen in der französisch russisch-englischen Gemeinschaft gedrängt, so drohte eine Zuspitzung der europäischen Gegensätze, voller Gefahren gerade für die Frontalstellung des Landes von zweifelhafter Wehrtüchtigkeit. Besser ist es, als solide Drcieckseite die Kreise König Eduards tangen tial zu berühren! Auch Deutschland und Oesterreich aber haben zur zeit kein Interesse, klare Verhältnisse in der Richtung zu schaffen, daß das Apenninenland vor ein „mit uns" oder „wider uns" gestellt wird. Solange es durch feierlichen Vertrag im Bunde festgehalten wird, dür fen auch dessen Gegner nicht mit einer positiven Ein stellung der italienischen Werte in ihre Bilanz seite rechnen. So lange bleibt auch für Italien selbst die Anstandspflicht bestehen, wenigstens keine nicht italienischen Interessen abseits vom Dreibunde offen oder insgeheim zu befördern. Man spricht von einer bevorstehenden Erneuerung des alten Vertrages aus der Bismarck-Zeit. Damit wäre nach menschlichen Gedanken der europäische Friede auf eine weitere Reihe von Jahren gesichert. Auf alle Fälle beweisen die Reisen des Reichskanzlers und unmittelbar danach unseres Kaisers in das schöne Land des Sü dens, daß das Band zwischen Berlin und Rom noch nicht abgerissen ist. Die Freunde des internationalen Friedens haben alle Ursache, die bevorstehenden Be gegnungen mit ihren Segenswünschen zu begleiten und sich zu freuen, daß nunmehr auch Graf Euicciardini die persönliche Bekanntschaft eines deut schen Staatsleiters machen wird. Vie Dahl ürs uruen ReichstagsprSllüenten. 7. Berli«, 1. März. (Privattel) Rach dreitägiger erfrischender Mutze stürzt man sich wftwer in die Arbeit. Bevor das paus den Etat weiterftchren kann, harrt seiner die Ausgabe, den ver waisten Präfidentenstuhl wieder zu besetzen. Hatte man dem Zentrum nachaesaat, es würde Anspruch auf den ersten Platz im Präsidium erheben, so >ollte man getäuscht werden. Freiherr von Hertling selbst schlägt den konservativen Abgeordneten Grafen Schwerin-Löwitz als Nachfolger des Grafen Stol berg vor, dessen Wahl die Zustimmung des ganzen Hauses findet. Mit bewegten Worten dankt der neue Präsident für das Vertrauen und erklärt sich unter lebhaftem Beifall auf allen Bänken bereit, die Geschäfte zu leiten. Einige Daten aus seinem Leben mögen über den neuen Leiter des deutschen Volks parlaments kurz orientieren. Graf Schwerin-Löwitz wurde am 19. Mai 1847 in Berlin geboren, besuchte das Französische Gymnasium in Berlin, war von 1865 bi» 1881 aktiver Offizier, nahm an den Feldzügen 1866, 1870 71 teil und quittierte 1881 als Rittmeister und Eskadronchef den Dienst. Später wurde er Präsident des Deutschen Landwirtschaftsrats, Vor sitzender des Königlich Preußischen Landesökonomie. Kollegiums und der Landwirtschaftskammer für die Provinz Pommern. Am parlamentarischen Leben nimmt er aktiv seit 1893 als Mitglied des Reichs tages und seit 1897 als Mitglied des preußischen Abgeordnetenhauses teil. Nach der glatt verlaufenen Präsidentenwahl wird die Debatte über den Etat des Reichsamts d,s Innern wieder ausgenommen. Sie knüpft eng an die am Freitag unterbrochene Verhandlung an. So ist es wieder die Landwirtschaft, die den heutigen Tag beherrscht. Dem Syndikus des neuen Bauern bundes, Abg. Böhme (b. k. Fraktion) wird heute die Gelegenheit, sich einmal die Verstimmung über bündlermhe Hetze und Intrigen von der Seele zu reden. Nicht allein, daß die Konservativen gegen den neuen Bauernbund Stellung genommen, auch die Landwirte und die Landwirtschaftskammern hätten gegen ihn mobil gemacht, und daber verlange der neue Bund nichts weiter, als Neutralität, als gleiches Recht für jedermann. Dem Großgrundbesitz wolle er durchaus nicht die Quelle abgraben, aber er wolle ihn auch nicht mit künstlichen Mitteln groß züchten. Abschwächung der Gegensätze ist seine Poll- tik, damit das Vertrauen der anderen Berufsstände zur Landwirtschaft wieder gehoben würde, das zu verscherzen der Bund der Landwirte auf dem besten Wege sei. Gewaltig gebt mit den Bündle«n der national liberale Abg. Fuhrmann ins Gericht. Welch ein Stoß belastenden Materials kommt da heraus! Wir erfahren, daß Herr Diederich Hahn — pardon, so durfte Abg. Fuhrmann nicht sagen, denn wie der Präsident ihm andeutet, ist es nicht Usus, die Herren Abgeordneten mit Vornamen zu nennen — daß also Herr Hahn früher Stein und Bein auf die nationalliberale Partei geschworen hat. Aber wo sind sie geblieben, die guten Vorsätze? Verweht wie Schall und Rauch. Kein Wunder bei einem Herrn, der über die Börsengesetznovelle heute so und morgen so spricht. Derselben Partei, zu deren Fahne er halten wollte, hat er namentlich m Hannover Kampf auf Leben und Tod erklärt. Warum? Ein mangelndes Verständnis für die Landwirtschaft könne er den Nationalliberalen ge wiß nicht vorwerfen, denn sie hätten stet» Land leute al» Kandidaten ausgestellt. Der Bund der Landwirte dagegen Amtsrichter, Ober lehrer, Zeitungsverlegcr, wie Herrn Bruhn, und srühere Bankbeamte, wie Dr. Hahn selbst. Was ist also dann der Grund? Nun, so meint Fuhrmann, der Bund der Landwirte braucht eben von Zeit zu Zeit ein Agitationsmittel, so kommt es auch, dah immer wieder das Märchen von dem „Raubzug auf die Taschen des arbeitenden Volkes", wie Basser- mann die Finanzreform genannt haben soll, ausae- tischt wird. Mit aller Entschiedenheit wendet sich der Nationalliberale gegen solche Hetze wider den bewährten Führer seiner Partei. Um den Ton, der im Bund der Landwirte herrsche, zu charakterisieren, verliest der Redner eine ganze Reihe von Aeußerunaen, nicht gerade eine Empfehlung für die Bündler. Die nationalliberale Partei könnten diese Agitationen nicht von dem Wege der Landwirtschaftssreundlich keit abbringen. Unbekümmert um den Bund der Landwirte und um Dr. Hahns Reden würden sic unentwegt ihr Ziel weiter verfolgen. Und sollte ein neuer Zolltarif kommen, so würden die National liberalen beweisen, daß sie noch dasselbe Herz für die Landwirtschaft haben, wie vor 6 Jahren. Leb hafter Beifall seiner Partei lohnte den Redner, als er die Stufen der Rednertribüne herabstieg, um dem Sozialdemokraten Horn-Sachsen Platz zu machen. Für einen Augenblick wird der Kampf um Bauern bund und Bündler unterbrochen. Der Genosse be schränkt sich darauf, die Resolution seiner Partei über die Arbeitsregelung in der Glasindustrie zu begründen. Dann beginnt die Schlacht von neuem. Ein Helfershelfer erscheint dem Direktor des Bundes der Landwirte in der Person des Dr. Heim (Ztr.). Er hat dem Problem des Bauernbundes nachgesonnen, und kommt zu dem Schlüsse, daß er nur dazu da sei, den Nationalliberalen in Hannover die Wage zu halten. Und dann kommt Herr Hahn selbst an die Reihe. Mit einem ganzen Warenlager Notizen rückt er an, sich gleich nach den ersten 12 Worten eine Verwarnung des Präsidenten holend. Sodann holt er zu gar wuchtigen Schwerthieben aus. Aber sie fallen flach. Das beweist ibm die häufige herzliche Heiterkeit der angegriffenen Partei. „Wir Hannoveraner", so wirft er sich in die Brust, „sind ein altes freies Volt". Damit will er an scheinend seinen Austritt aus der national liberalen Partei erklären, den er selbst bedauert, natürlich im Interesse der nun Verlassenen selbst. Große Mühe gibt er sich, den Beweis zu erbringen, nicht er, noch seine Freunde hätten den Fürsten Bülow gestürzt, daran sei dieser selbst und die Herren Liberalen schuld. Eine ganze Flut von Vorwürfen schleudert er auf die Häupter der Nationalliberalen herab und je länger er spricht, desto mehr redet er sich in d«n Zorn hinein. Aber „wer schimpft, hat unrecht" erklärt er selbst zum Schluß. Dann setzt er sich befriedigt von seiner Tat nieder, umtost van dem Beifall der Rechten und herzlichem Gelächter der Linken. ' Mit Göthe in (Frsi Vgg.) wird die Debatte wieder in das Fahrwasser wirtschaftspolitischer Er örterung gebracht, wenn auch dann und wann bei diesem Rümer die Verstimmung gegen der Bund der Landwirte noch zum Durchbruch kommt. Erst Prinz Schönaich - Larolath (Natl.) und Dett o (Natt.) geben wieder das Zeichen zu völlig sachlichen Verhandlungen. Dieser fragt nach der gewünschten Abänderung der Gewerbeordnung für Landmesser, jener möchte weibliche Eewerbernsoektorassistenten haben. Das letzte weist Dr. Delbrück als in preußisches Gebiet gehörend zurück, für ersteres stellt er einen Abschluß in Aussicht, v. Strombcck (Ztr.l äußert lokale Wünsche, deren Erfüllung der Staats sekretär darum nicht zusagen kann. Wenn zwei sich streiten, freut sich der Dritte. So äußert denn Kulerski (Pole) auch eitel Freude über den Streit zwischen Bauernbund und Bund der Land wirte. Er ist der Tertius gaudens. Sechs Tage hat man gebraucht, ehe das Gehalt des Staatssekretärs endlich genehmigt werden kann. Das Schicksal der Resolutionen kommt morgen zur Entscheidung. SruMes Reich. Leipzig, 2. März. * König Friedrich August von Sachsen ist am Dienstag an Bord des österreichischen Lloyddampfers „Carinthia" in Brindisi eingctroffen und hat die Reise nach Korfu fortgesetzt. Der König reist inkognito. - Die Verhandlungen der Bundesstaaten über die Schiffahrtsabgaben sind dem Vernehmen nach auf dem besten Wege zu einer Verständi gung. Trotz der starken Divergenz, die besonders zwischen Preußen einerseits und Sach sen und Baben anderseits in die Erscheinung trat, hofft man eine Einigung aus folgender Basis zustande zu bringen: Der anfangs in Erwägung gezogene Zwangsbeitritt zu den Zweckverbänden wird burch einen selbständigen, von der Mitwirkung des Bundesrats völlig losgelösten Zweckverbano der Uferstaaten ersetzt. Die Frage der Stromunterhal tungskosten, die nach einem Vorschläge teilweise aas den Kassen für die Schiffahrtsabgaben bestritten werden sollen, ist noch nicht völlig erledigt, wird aber eine einmütige Antwort in kurzem finden. Das größte Hindernis stellt die Tarl,,estsetzung dar. In diesem Punkte hat Preußen nachgegeben, indem es den Staffeltarifen grundsätzlich ferne Zustimmung erteilte. Durch diesen Tarif kommen die Binnen staaten mit billigen Sätzen fort, obwohl die Strom bau- und Unterhaltungskosten für diese Flußteile nicht geringer sind, als für die unteren Gebiete. — Di« wegen der Schisfahrtsabgaben am Sonntag nach Wehlen einberufene Pro testversammlung fand ihren Ausklang in der Annabme einer Resolution, die gegen die Einfüh rung ber genannten Abgaben entschieden Einspruch erhebt und gleichzeitig die unberechenbare Schädigung betont, die das durch die Ungunst der wirtschaftlichen Verbältnissc ohnehin schwer leidende Schiffergewerbe durch die Schiffahrtsabgaben entstehen würde. Auf Vorschlag des mit dem Rcichstagsabgcordncten Hanisch der Versammlung ebenfalls be,wohnende Landtagsabgeordneten Dr. Spieß-Pirna wurde ferner noch der sächsischen Regierung für ihr entschie denes Frontmachen gegen den preußischen Standpunkt der Dank der Versammlung zum Ausdruck gebracht.
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