Suche löschen...
01-Frühausgabe Leipziger Tageblatt und Handelszeitung : 08.03.1910
- Titel
- 01-Frühausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1910-03-08
- Sprache
- Deutsch
- Vorlage
- SLUB Dresden
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id84535308X-19100308017
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id84535308X-1910030801
- OAI
- oai:de:slub-dresden:db:id-84535308X-1910030801
- Sammlungen
- Zeitungen
- Saxonica
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
-
Zeitung
Leipziger Tageblatt und Handelszeitung
-
Jahr
1910
-
Monat
1910-03
- Tag 1910-03-08
-
Monat
1910-03
-
Jahr
1910
- Links
- Downloads
- Einzelseite als Bild herunterladen (JPG)
-
Volltext Seite (XML)
liberale Bartet zu der Generalversamml»ng de» hiesigen Rationalltberalen Vereins ihre Führer entsandt hatte. Ain überfüllten Saale sprachen die Abgeordneten Baslermann und Friedberg, außerdem noch Arning. Abg. Bassermann, stürmisch begrüßt, be« trachtet den Ritt ins hannoversch« Land de» Herrn v. Heydebrand, des ungekrönten Königs von Preußen, mit seinem Schildknappen Dr. Hahn al» ein War. n u n g s ze i ch e n für die Nationalliberalen. Schwere Wahlkämpfe ständen der Partei bevor; nie, selbst in der Zeit der Septennatswahlen nicht, hätte seinem Empfinden nach die politische Spannung etnen solchen Grad erreicht wie jetzt. Im Bunde der Landwirte und seinem Führer hätte man es mit einem gefähr lichen und skrupellosen Gegner zu tun, der, um sein nächstes Ziel, die Vernichtung des Liberalismus in Hannover zu erreichen, vor Bündnissen mit den hete rogensten Elementen nicht zurültschrerkte. Bassermann ging darauf ausführlich ans die Haltung der natio nalliberalen Fraktion in den Kämpfen um die Finanz, reform und bei dem Rücktritt des Fürsten Bülow ein. Sein Wort vom „Raubzug auf die Taschen der Steuerzahler" sei gefallen in bezug aus die Kommisfioiisverhnndlungen des Branntweinsteuergesetzes und angesichts der dort eingebrachten Anträge wirklich mit Recht. 1906 hätte Bülow das deutsche Bürgertum in den Städten zum jubelnden Siege geführt. Kein Zweifel, diese Stoßkraft sei dahin, um lo mehr müsse es jetzt beißen: verstärkte Agitation, Ausbau der Organi sation. Die Partei sei einig und mutvoll wie nur je zuvor. Hatte Ballermann di? Verhältnisse im Reiche be leuchtet, so beschäftigte kick der nächste Redner, Abg. Dr. Friedberg, mit der Lage in Preußen, speziell mit der Wahlrechtsreform. Dte geheime Wahl würde unter allen Umständen kommen und wäre für die Nationalliberalen oonciilio siu« gun non. In dieser Frage würden ja auch die Konser vativen nachgcben, dafür suchten diese jetzt die Bel- behaltung der indirekten Wahl in den Vorder grund zu stellen. Ob in dieser Frage eine Einigung zustande käme, wäre sehr fraglich: fordern müsse inan dann unbedingt größere Freiheit der Auswahl der Wahlmänner. Friedberg plädierte dann noch für Reformen rn der inneren Verwaltung, hauptsächlich Beseiti gung der Bevormundung der Selbstverwaltung, und legte die Stellung der nationalliberalen Partei in Sachen der Kirche und Schule dar. Seine Aus führungen ernteten rauschenden Beifall. Nach Friedberg polemisierte noch der Abg. Dr. Arning gegen Dr. Hahn, der trotz seiner stet» so betonten nationalen Gesinnung vor dem Bündnis mit den Welfen nicht zurückschreckr. um auf diesem ungraden Wege zu erreichen, was ihm auf geraden Pfaden nicht möglich sei. Aus der kurzen Diskussion, die sich anschloß, ist wenig bemerkenswert. Der Dersammlungssaal. der größte Hildcsbeims, war so überfüllt, daß die Menge l is auf die Straße hinaus stand. Auch auf Galerie und Podium war kein Plätzchen mehr frei. Erschienen waren auch zahlreich« Reichstags- und Landtags abgeordnete. Deutsches Reich. Leipzig, 8. März. * National« Arbeiter beim Minister de» Innern. Das „Dresdn. Iourn." meldet: Sonnabendvormittag empfing Staatsminister Graf Vitzthum von Eck» st ä d t im Beisein de» Ministerialdirektor» Dr. Roscher eine Anordnung de» Rationalen Ardeiterbundes für das Königreich Sachsen, sowie eine Abordnung vaterländischer ArbeitervereineSachsen». Die Erschienenen legten Zweck und Ziele ihrer Vereinigungen, deren Wohlfaurtseinrichtungen und ihre Stellung zu eini gen wichtigen, den Land- und Reichstag beschäftigen den Fragen, insbesondere zum Arbeitsnachweis und zur Arbeitslosenversicherung dar und baten um tun lichste Berücksichtigung. — Der Minister emofing ferner eine Abordnung des Verbandes der Güterbeamten im Königreich Sachsen, dte um die Errichtung eines paritätischen Stellennachweises für Eüterbeamte und um die Einführung eines Be fähigungsnachweises für solche haten. Der Minister sagte beiden Abordnungen eine wohlwollende Prüfung ihrer Anliegen zu. * * Der Kaiser in Oldenburg und Wilh«km»ha»en. Der Kaiser rras in O l d c n b u r g am Montagmorgen 8 Uhr 45 Min. ein und wurde am Bahnhofe vom Großherzog und dein Erbgroßherzog begrüßt. Der Kaiser, der die Uniform des Seebutaillons trug, fuhr mit dem Eroßberzog und dem Erbgroßherzog im Auto mobil zum Elisabeth-Anna-Palais, um dort einen Imbiß einzunehmen. Die Truppen bildeten Spalier und die in den Straßen angesammelte Menschenmenge begrüßte den Kaiser mit lebhaften Hurrarufen. Um 10 Uhr 37 Min. erfolgte die Weiterreise nach Wil helmshaven. Dort traf der Kaiser Hegen 12 Uhr ein und wurde auf dem Bahnhof vom Prinzen Hein rich, Admiral Grafen Baudissin, dem Flottenchef Admiral von Holtzcndorsi und dem Festungskomman danten Konteradmiral Merten empfangen. Nach der Begrüßung der Admirale fuhr der Kaiser mit dem Prinzen Heinrich im Automobil dnrch die reich be flaggten Straßen unter den stürmischen Hurras der zahlreich versammelten Menge zum Exerzierhaus der 2. Matrosendioision, wo die Vereidigung der Rekruten stattfindet. Auf dem Wege zum Exer- zierhause bilderen die alten Mannschaften und die Schulen Spalier. Nach dem Eintreffen im Exerzier hause schritt der Kaiser dte Front der Rekruten ad, worauf der evangelische und der katholische Stations pfarrer Ansprachen hielten, denen die Vereidigung unmittelbar folgte. Der Kaiser richtete eine kurze Ermahnung an dte Rekruten, woraus die Feier mit einem Hoch auf den Kaiser geschloßen wurde. Nach der Feier nahm der Kaiser militärische Meldun gen entgegen und fuhr im Automobil zum Frühstück nach dem Kasino. Eingeladen waren die Admirale, das Gefolge und die Offiziere der vereidigten Re kruten. Nach Beendigung des Frühstücks begab sich der Kaiser mit dem Prinzen Heinrich zu der evangeli schen Garnijonkirche, deren Erweiterung geplant ist. Sie besichtigten die Kirche und hörten ein Konzert des Kirchcnchores an. Alsdann fuhr der Kaiser zu dem Linienschiff „Deutschland", wo er Wohnung nahm. * Dir Budgrtlommission des Reichstags genehmigte den von den Parteien gemeinsam gestellten Amrag auf Einstellung einer ersten Rate zum Bau eines Dienstgcbäudes für die obersten Marinebehörden in Berlin in Hohe von 750 00» .8 in den Marineetat. Staatssekretär v. Tirpitz hatte ausgesührt, daß ein sehr starkes Bedürfnis vorhanden sei, die 7 oder 8 Häuser, in denen die Marinebehörden jetzt unrerge- bracht sind, in ein Haus zustunmenzulegen. Es sei jetzt günstige Gelegenheit für ein Terraintauschgefchäft, das für den Fiskus sehr vorteilhaft sein werde. Bei der Beratung des Postetats wurde zunächst der gegen das Vorjahr um 1 Million erhöhte Tirel: Stellvertretungsposten, Tagelöhne der zur Aushilfe beschäftigten Beamten usw. 13 888 000 ohcw Kür zung genehmigt. Staatssekretär Krätke sprach über die Löhne der Telegraphenarbeiter und wies nach, daß diese Lohne nicht yinter denen zurückblcibcn, welche von anderen Behörden gezahlt werden. * Reichstagskandidatur. Der Bund der Land wirte hat für die nächste Reichstagswahl für den Kreis Flensburg den Grafen Ern st von Reoent- low als Reichstagskandidacen aufgestellt. Der Wahlkreis wird gegenwärtig durch den national liberalen Abgeordneten Hof- und Mühlenbefitz-r Wommelsdorff vertreten, der den Kreis 1SO7 »er Sozialdemokratie adgewann. Da» planmäßige Vor gehen des Bauernbundes gegen die Rational liberalen wird auch durch diese Aufstellung gekenn zeichnet. * Die Mannesmann-Denkschrift. Da» Marokko- Minensyndikat hat soeben seine „Beantwortung der amtlichen Denkschrift und Aktenstücke über deutsche Bergwerksinteressen in Marokko" sertiggestellt. Das hochbedeutsame Druckwerk erläutert zunächst den eminenten nationalwtrtschastlichen Wert der von der deutschen Regierung aufs Spiel gesetzten Interessen und Gerechtsame. „Eisenhunger" erfüllt alle großen Wirtschaftsmächte angesichts des In absehbarer Zeit drohenden Versiegens der alten Eisenerzquellen. In dieser Notlage jucht die deutsche Industrie überall nach Eisenerzen. Findet sie solche nicht, so ist ihr und vielen Nachbarindustrien die wichtigste Lebensader unterbunden. Nun gibt es nur noch ein einziges Gebiet, in dem große Eisenerzlager vorhanden sind: das ist Marokko. „Wer die Lager von Marokko be sitzt, der kann sich im Kampfe um» Dasein noch auf unabsehbare Zeit hin behaupten, und der Staat, dessen Angehörige aus diesen Ladern unabhängig von den Besitzern der übrigen großen Erzrcservcn den für das moderne Leben wich tigsten Rohstoff beziehen können, wird unzweifelhaft einen beträchtlichen Vorsprung vor seinen Konkur renten in der Weltwirtschaft wahren können. Die der national- und welcwirtschaftltche Kern der Frag«. Und dies die nationalwirtjchastlichen Interessen, die das Auswärtige Amt für Mariannen» gnädige» Lächeln hinopsert — trotz durchaus klarer Rechte! Daß diese Rechte in Wahrheit auch für das Aus wärtige Amt klar liegen, beweist trotz der amtlichen Denkschnst die Tatsache, daß ein publizistischer Be- auftragter der Wilhelmstraße vor einigen 'Wochen mit ausdrücklicher Bezugnahme auf den Fall Mannes mann rundheraus erklären mußte: der einzelne habe auf die Wahrung materieller Interessen und Rechte im Ausland« zu verzichten, wenn höhere politische Interessen dies erheischen! Wir pflichten den Brü dern Mannesmann restlos bei, wenn sie zum Schluß ihrer mit einer Fülle schlagender Gutachten ver sehenen Denkschrift sagen: Wenn die Negierung sich mit aller Autorität dafür einsetzen will, daß die Rechte deutscher Staatsangehöriger und das Gesamtintcressc der deutschen Industrie anderen Interessen geopfert werde, so möge der Reichstag als Anwalt der Rechte und der Interessen der deutschen Nation erwägen, ob diese Haltung im Hinblick auf das Rechtsgefühl des deutschen Volkes und die Größe der in Frage gestell ten Interessen zu rechtfertigen ist. ' Die sozialdemokratischen Mahlrechtsdemon- slrationen im Urteil der Negierung. Ein für die Auf fassung der Regierung bemerkenswertes Urteil über die Berliner Wahlrechtsdemonstrationen fällt die „Nordd. Allgem. Ztg." in ihrer Momagsnummer: „Die gestrigen Kundgebungen im Tiergarten haben gezeigt, was die Sozialdemokratie un ter einem Wahlrechtsspaziergang ver steht. Die Demonstration hat sich inst ungestört entwickeln können und bietet somit ein ganz unver fälschtes Bild der Absichten ihrer Uryeber. Und da ist denn auss neue zu beobachten, daß die Wahlrechts frage den sozialdemokratischen Führern nichts weiter als ein Mittel bedeutet, die Massen in Bewegung zu halten, ihnen dte Leistungsfähigkeit der sozial demokratischen Organisation tlarzumachen und zu gleich den Sinn für Gesetz und Ordnung nach Möglichkeit zu untergraben. Das Vereinsaesetz, daß das Vecsammlungsrecht in libe raler Weise geordnet hat, enthält über Lssemlichr Versammlungen unter freiem Himmel und Aufzüge aus öffentlichen Straßen und Plätzen eine klare, un zweideutige Bestimmung: Sie bedürfen der Ge nehmigung der Polizeibehörde. Daraus ergibt »ch, datz die gestrigen, ohne Genehmigung der Polizeibehörde arrangierten Aufzüge ungesetz lich sind. Ob man diese Aufzüge „Wahl rechtsspaziergang" oder „Landpartie" nennen will, ist völlig gleichgültig. Der Name tut nichcs zur Sache. Ihren wahren Charakter erhielten sie durch dte Vorkommnisse, die sich aus den Berichten ersehen lassen. Ein Spaziergang von geschlossenen Massen, der denen die Arbeitermarseillaise gesungen wird, rote Fahnen geschwungen und Hochrufs auf die Sozialdemokratie ausgebracht werden, Redner sich vernehmen lassen, ist ohne Genehmigung eine un gesetzliche Kundgebung. Wenn die gestrigen Kundgebungen wieder einige Opfer gefordert haben, so füllt die Verantwortung dafür aus dre Leiter der Demonstrationen zuruck, dte mit den Führern der sozialdemokratischen Partei identisch sind. Da» es sich nicht um lokale Kundgebungen handelt, sondern daß man es mit einer planmäßigen sozialdemokratischen Agitation über das ganze Reich zu tun hat, lehren die vor liegenden Nachrichten. Wenn wir es aber bei diesen Vorgängen mit einer Auflehnung gegen das Gesetz zu tun haben, so ist es ganz und gar unverantwort lich, wenn Blätter, die sich zu den bürgerlichen Par teien zählen, die Demonstration als einen Sieg über die Polizei verherrlichen. So schreibt eines dieser Blätter noch heute mittag, dte Roten Härten gestern in Berlin iv. moralische Eroberungen gemacht. Der Sieg diese» Tage» liege bet der Sozialdemokratie, die über ein« so glänzende Organisation verfüge, daß sie Hunderttausend« in wenigen Stunden dirigieren könne, wohin sie wolle. Der Abgeordnete Konrad Haußmann sagte bet dem gestrigen Festmahl der neuen Fortschrittlichen Volksparter: Der Freisinn stehe aus dem Standpunkte, daß man gesetzliche Zu stände nur mit gesetzlichen Mitteln erobern könne. Die höchste Freiheit ist die höchste Ordnung und oie höchste Ordnung ist die höchste Freiheit. Was gestern geschehen ist, war eine organisierte Ver höhnung des Gesetze». Dte Sympathien, die dte Blätter des Berliner Freisinn» für diese Demon stration zeigen, sind sicher nicht von dem Geiste ein gegeben, der aus den Haußmannschen Worten spricht." Tierpsychologie. Von Paul Zschorlich. Es pab eine Zeit, in welcher dte Frage, ob die Tiere eine Vernunft besitzen, bedingungslos verneint wurde. Descarte» meinte allen Ernste», ein abso lutes Kennzeichen für Vernunft sei die artikulierte Sprache, und er folgerte den völligen Mangel an Vernunft und Denkfähigkeit für alle Tiere eben aus diesem Mangel. Man braucht aber nur einen Hunde besitzer in unseren Tagen über seinen Zögling reden zu hören, um zu erkennen, daß sich dieser Teil der cartesianiscben Weltanschauung überlebt hat. Und man braucht nur Maeterlincks „Leben der Bienen" gelesen zu haben, um den Maßstab de» alten De— cartes al» irrig und irreführend M erkennen. Immerhin gehen die Anschauungen über da», was Vernunft, Verstand, Gefühl oder Instinkt beim Tiere ist, recht sehr auseinander. Jedenfalls ist der subjektiven Auffassung Tür und Tor geöffnet, und wo sich der eine über die Intelligenz eine» Tiere» ffehr oft: seine» Tieres) nicht genug wundern kann, findet der andere „nicht die Spur von einem Geist", »nd alles ist ihm Dressur. Die berufsmäßigen Tier dresseure nun gar machen au» ihrer Kunst gern ein« Geheimwissenfchaft und rücken nicht gern mit der Sprache heran», weil ein« gewisse Mystik der Reklame förderlich ist. Zum erstenmal hören wir nun von einem plan- mäßigen experimentellen und durchau» wissen- schaftlichen Versuch, dem psychischen Leben der Tiere auf dte Spur zu kommen. Der Franzose Vi« rr « Hachet-Souplet, der bereit» im Jahre 1899 eine Versuchsanstalt für experimentelle Studien über die Psychologe der Tiere gegründet hat, ist auf Grund ebenso sorgfältiger wie zahlreicher Beobachtungen ru vorläufigen Ergebnissen aekow^en, die zwar nicht in allen Teilen sicher und unumstößlich sein mögen, al» Gesamtresultat eine» planmäßigen Studium» aber doch «ine erste zuverlässige Grundlage für unser Wissen in diesen Dingen geben. Sein Werk „Examen vsvchologiaue de» antmaux" hat bei seinem Erscheinen in Frankreich weithin starke« Auf sehen «regt »nd natürlich auch mannigfache« Wider sprach erfahren. Jetzt lieg un» «in« bi» auf den neuesten Stand der Untersuchungen ergänzte deutsche UeberseNung von Friedrich Str «1 ßler fverlag von E. Ungleich in Leizqig) vor, di« un», leider in sehr mäßigem Deutsch, unter dem Titel „Unter suchungen über dte Psychologie der Tiere" mit dieser neuen experimentellen Methode Mr Klassifikation der Arten nach vsychologischen Ge- fichtepuntten d^mrnt »ocht. Obwohl da» «nch nicht sehr umfangreich ist und von dem Laien eine Aufmerksamkeit verlangt, die nicht jeder aufzu bringen in der Lage ist, so zerstört es doch zweifellos zahlreiche Irrtümer und Vorurteile und ist jeden falls geeignet, allen denen wertvolle Aufschlüsse zu vermitteln, dte sich für da» Seelenleben der Tiere interessieren. Es lohnt sich also, de» Werke» von Hachet-Souplet zu gedenken. Die Dressur wilder Tiere ist wissenschaftlich bis heute überhaupt nicht nachgevrüft worden. Die Forschungen von John Lubbock und August Forel cwlten vorwiegend den Bienen, Ameisen und kleinen Tieren niederer Art. Außerdem handelte es sich hier nie um da» persönliche Leben der Tiere, sondern um ihre Ledensgewohnhenen im Rahmen einer Kolonie. Der englische Gelehrte G. Romane» tischt in seiner Abhandlung ,D>ie Geisteskraft der Tiere" meist nur Anekdoten zweifelhaften Charakters auf. Dte Direk toren der zoologischen Gärten sind oft nur in der Lage, da« Schwinden der Intelligenz und die Ver irrung der Instinkte in der Gefangenschaft zu kon statieren, und beschäftigen sich nicht mit der Dressur. Zn dem Tiervart, den Hachet-Souplet angelegt yat, und in welchem den Tieren ihre Freiheit nach Mög lichkeit gewährleistet wird, ist aber die Dressur plan- mäßig versucht und unermüdlich gepflegt worden. Denn die Dressur ist der Prüfstein für di« Psychologie der Tiere. Die wissenschaftliche Dressur geht darauf aus, die Tiere solche Bewegungen ausführen zu lassen, die sie in der Freiheit gewöhnlich nicht ausführen. Durch Hunger oder durch Erweckung von Furcht können auch dtejentgen Tier« noch zu bestimmten Uebungen ge zwungen werden, welch« der Ueberreduna nicht zu gänglich sind. Diese sind natürlich al« geistig minder entwickelt zu betrachten. Schließlich aber gibt e» Tiere, dte weder «ine geistige Tätigkeit noch In- stinkt« aufwetsen und nur einfach reizoar sind, Tiere, für welche da» Leben nur eine ständige Wiederholung der physikalischen und chemischen Vorgänge ist, au» denen Ernährung und Fortpflanzung oestehen. Auf Grund reicher Erfahrung hat der französische Gelehrte drei Tierklassen unter dein vsychologischen Gesicht— punkte «fgestellt, die bi» ans weitere» unangreifbar sein werden: I. Tterklaye: mir reizt« (Reizbarkeit^, n. - Zwang möglich, Ueberredung un möglich (Instinkt), m. - : lleberrÄmna möglich sverstand). Tiere der ersten Klasse sind der Ueberredung natürlich völlig unzuoänglicy. Ein« Amöbe kann man nicht dressieren. Hierher gehören die Urtier«. Di« Tiere der zweiten Klass« besitzen Nerven, In- stinkt« »nd ei« gewiss« Art »0» Gedächtnt«. Dies« Klasse erstreckt fick von den Medusen und Seeigeln über Krabben, Fisch«, Frösch« di, zum Büffel, zum Stallhasen, zur Haustaube «nd zur Tiaerjchlange. Alle diese Tiere können durch Anwendung von Zwangsmitteln, di« sich auf ihre Ernährung oder ihren Teschlrchtstrieb beziehen, dahin gebracht werden, etwa» z« tun, was ihren Lebensgewohn heiten widerspricht. Dte Tiere der dritten, geistig am höchsten ent- wickelten Klasse gehorchen der Ueberredung. Vögel, Spinnen, Ameisen, Bienen, Pferd«, Kamele, Biber, Affen »nd Hund« gehören hierher. Eine Unterabtei lung scheint am Platze für Bären, Löwen, Tiger, Katzen und Fischotter, welche der Ueberredung nur im Zusammenhang mit dem Hunger zugänglich find. Da» höhere Tier kann sich, wie durch zahlreiche Experimente von Hacket^ouplet feftaestellt ist, bi» zu richtigen Vernunftschlüssen auffchwingen. Es kann Erfahrung, ererbte «nd persönliche Geschicklich- leit besitzen, um den Zusammenhang »wischen Ursache und Wirkung zu begreifen »nd diese beiden Faktoren in Verbindung zu bringen. Leibniz hat nicht recht, wenn er meint, daß diese Verbindung lediglich auf der Erinnerung an Geschehenes und nickt auf der Kenntnis der Ursachen beruht. So hat man z. B. einen Affen, der gern Nüsse aß und an Zahn- schmerzen litt, dahin gebracht, sich eine» Zahnstocher, nicht nur zu bedienen, sondern sich diesen Zahnstocher selbst anzufertigen. Während der menschliche Geist fast ununterbrochen in voller Tätigkeit ist, 0 beitet dte Intelligenz de» Tiere» nur in Auaenbliaen der Erleuchtung, wenn man fo will. Di« mehr oder minder große Häufigkeit dieser lichten Augenblicke bestimmt die Höhe der Intelligenz beim einzelnen Individuum, mit dem man versuch« anstellt. Za, es ist sogar einwandfrei festgestellt, daß Tiere der dritten Klasse sogar der gedanklichen Abstraktion fve- griff»bild«ng) fähig sind. Hachet^ouplet hat fol- gende« Experiment angestellt: Er legt, sieben oder acht Steine auf den voden, dte alle in Größe, Form «nd Farbe vollständig gleich waren, aber ungleiche, Gewicht hatten. Gr zeigt« bann einem intelligenten Pudel de» schwersten Stein »nd sagte ihm: „Der schwerste!" Und dann de» leichtesten Stein, wobei er sagte: ^Der leichteste!" Nach einigen Wochen ver mocht, der H»nd anf Kommando die Stein« richtig p» bringen, wobei «st« nach Gewicht untersucht«, bevor « sich entschied. Dann nahm er eine ander« Reih« »an Steinen, die ein andere» Gewicht hatte, al« di« erste Reihe, mit der der Unterricht erfolgt war, «nd da« Tier wußte ganz genau den schwersten Stein herauszusuchen. Der Hund hatte also di« ab strakte Idee de« Gewicht« begriffen. Ebenso ist festg« stellt, datz Tie« der dritten Klass« etnen Suslanü. Frankreich. * Di« Lonloner Marineskandalasfär«. Im Laufe der weiteren Untersuchung wegen der im Touloner Arsenal begangenen Unregelmäßigkeiten wurde fest gestellt, daß Lieferanten wiederholt mehrereBeamtebestochen haben, um bei ver späteter Lieferung keine Konventionalstrafe zahlen zu müssen. In den Büchern wurde in solchen Fällen das Datum der Lieferungsfrist gefälscht. Gnylsnü. * Di« Abstimmung der Grubenarbeiter in Nor» thumberland ist am Montag beendigt worden. Cie weist eine große Mehrheit gegen da» Vorgehen des Exekutivkomitees ans, welches die Aus ständigen anwies, in 14 Kohlengruben die Arbeit wieder aufzunehmen. Meüerlrmür. * Prinz Heinrich der Riederlande ist an einem Katarrh erkrankt und hütet feit Sonnabend das Bett. Die Temperatur des Patienren, die anfangs hoch war, ist seit gestern zurückgegangen. Rutzlrmü. * Keine Ergebenhcitsad resse des finnischen Land tages. Aus Helsingsors wird uns gemeldet: Das Präsidium des zusammengctretenen neugcwähl- tcn s i n n i j ch e n L a n d t a g s beschloß, von der A b- sen düng einer Zaren-Adresse (Ergeben- heitsadrcße) in der diesmaligen Tagung ädzu- sehen. Serbien. " Di« Schulden des Exkronprinzen Georg. Ans Intervention des russftchen Gesandten hat die Negierung beschlossen, aus dem Dis- positionsfonde des Ministeriums des Aeußern alle Schulden des Prinzen Georg im Betrage von L4O1X») Frank zu bezahlen. Auf vertraulichem Wege hat die Regierung schon alle Gläubiger des Prinzen Georg ausgelordert, ihre Forderungen anrumeldcn. Rußland wünscht, daß diese peinliche Affäre des Prinzen Georg aus der Welt geschasst werde. Gleich nach dem Besuche des Königs Peter in Petersburg wird Prinz Georg in die russische Armee eintrercn. verrlnlytr Swntrn. * Der Generalstreik in Philadelphia. Eine De monstration der Streikenden auf dem Independent Square führte am Sonntag zu heftigen Zu- s a m m e n st aßen mit der Polizei. Trotz des Ver botes des Bürgermeisters hatten sich über LV 000 Mann auf dem großen Platz angesammelk. Gegen sie ging berittene Polizei mit blanker Waffe vor. Mit Eteinwürsen wurden die Sickerheitsoeamlen empfangen. Da die Meng« nicht wich, mußten diese und dte zur Hilfe herdeigezogene Gendarmerie von ihren Stocken, Revolvern und Säbeln Gebrauch machen. Mehrere hundert Personen wurden verletzt. Viele Frauen und Kinder gerieten bei dem furchtbaren Gedränge unter die Huse der Pferd«. Ein weiterer heftiger Zusammen stoß ereignete sich in der Neunten und in der Philibertstraße. Polizei mußte mit Waffengewalt gegen die Menge vorgehen. Viele Männer und Frauen wurden durch Stockschläge und Revolver schüsse verletzt. Die Streikenden haben sich, wie weiter telegraphiert wird, berriterklärt, sich einem Schiedsgericht zu unter:oerfen, wenn sie vor her wieder eingestellt werden. Es ist aber unwahrscheinlich, daß die Arbeitgeber diese Be dingung annchmen werben. Wie verlautet, be absichtigen die Strrikeadon, den Präsidenten Tast um feine Vermittlung zu bitten. — Bisher macht sich der Generalstreik am schwersten dadurch bemerkbar, daß er alle Verkehrsmit tel der Stadt außer Betrieb gesetzt hat. Der Versuch, die Drucker und Setzer zum General streik zu veranlassen, ist bisher gescheitert. Auch die Kellner der Hotels und Restaurants beteiligen sich nicht in dem Maße, wie von der Streikleitung er wartet, an dem Ausstand. Die Gewerkschaftsführer haben erklärt, daß sie die Fackel de» General streik» durch das ganz« Land tragen würden, ^alls der Streik in Philadelphia nicht zu dem gewünschten Ziel führen werde. Zettsinn haben, und daß sie Gemütsbewegungen und Empfindungen fähig sind. Was schließlich die Sprache angeht, also das Miirel geistigen Ver kehrs, so hat schon Montaigne gejagt: „Die Tiere baden zwar keine Stimme, aber sie ermangeln des- Halb nicht de» Verkehrs unter sich, und es »st unsere Schuld, wenn wir ihre Ansichten nicht begreifen." Indessen find die von Hacket-Souplet in dieser Rich tung angestellten Beobachtungen noch unvollständig, nnd bisher ist auf experimentellem Wege nur der Beweis erbracht, daß es Arten gibt, di« logisch zu denken und zu abstrahieren vermögen, aber gegen wärtig ihre Gedanken noch nicht phoiretisch aus drücken können. Die Grenzen zwischen Intelligenz und Instinkt sind ungemein schwer zu ziepen. Darwin erzählte be kanntlich von europäischen Bienen, die nach Austra lien versetzt wurden, daß sie dort ihr Bienenhaus zu nächst nach alter Gewohnheit bauten, nach einigen Jahren aber aufhörten, Vorräte für den Winter auf zuspeichern, „denn sie hatten erkannt, daß dies über flüssige Arbeit fei in einem Land«, wo ewiger Sommer herrscht . Welche Grundsätze des psychischen Ledens bei den höher entwickelten Tieren obwalten, entzieht fick heute noch fast gänzlich unserem Wissen «nd kann erst durch unzählig«, mühsame Experimente aufgeklärt werden. Wie viele Fragen harren da noch der Antwort! Warum zieht da» Licht Fische und Infekten an? Welche Ursache hat die Wirkung, dte die Musik auf Reptilien ausubt? Woher kommt es, daß blind« Fledermäuse Objekte schon au» der Entfernung fühlen? Und daß st«, wenn sie durch «inen Raum fliegen, in dem nach allen Richtungen hin Schnüre gezogen sind, sich doch niemal» stoßen? Woher wissen oie Fröscne, in welcher Richtung Feuchtigkeit zu finden ist? Wenn ein Teich, in dem sie leben, ausgetrocknet ist, so pflegen sie sich sofort in gerader Richtung zu einer anderen Wasserfläche »u begeben, auch wenn dies« einige Kilometer ent fernt «st. Jedenfalls ist da» Problem der unbekannten Sinne, mit welchen viele Tiere zweifellos ausge- rüstet find, für uns heut« noch völlig ungeklärt. Di« Erkenntnisse der Tierpsychologie eröffnen nn» anderseit» da« Verständnis für den viel komplizier teren Mechant»mu» des menschlichen Geistes, und dte Erschütterungen unseres Nervensystem« entsprechen nach Hachet-Souplet durchaus den «rsvrüngltchen In stinkten der niederen Tiere, während ander« Er schütterungen in der Intelligenz der höheren Tiere ihre Parallele finden. Was auf experimentellem Wege für da» Tier festgcstcllt ist, bleibt ebenso wahr, wenn wir es auf uns selbst anwenden. Haben wir nicht auch beim Menschen feftaestellt. daß gewisse Ve- wegungen, di« wir uns erst mit Hilf« der Intelligenz
- Aktuelle Seite (TXT)
- METS Datei (XML)
- IIIF Manifest (JSON)